Titel: | Bemerkungen über die Assimilirung des Stickstoffs durch die Culturgewächse, über die Wirkung des Gypses und über die Kartoffelkrankheit; von Hrn. Roy. |
Fundstelle: | Band 135, Jahrgang 1855, Nr. LXXXVII., S. 392 |
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LXXXVII.
Bemerkungen über die Assimilirung des Stickstoffs
durch die Culturgewächse, über die Wirkung des Gypses und über die Kartoffelkrankheit;
von Hrn. Roy.
Aus den Comptes
rendus, Decbr. 1854, Nr. 24.
Roy, über die Assimilirung des Stickstoffs durch die
Culturgewächse.
1) Von allen Ammoniaksalzen liefert nur das kohlensaure Ammoniak im Großen
assimilirbaren Stickstoff.
Die Leguminosen der künstlichen Wiesen, die sogenannten wiesenverbessernden Gewächse,
besitzen die merkwürdige Eigenschaft, das gasförmige kohlensaure Ammoniak durch die
Blätter zu absorbiren; dieser Eigenschaft ist der landwirthschaftliche Werth dieser
Pflanzen zuzuschreiben.
Die Grasarten (Gramineen) im Allgemeinen, diejenigen der natürlichen Wiesen und die
Getreidearten absorbiren das kohlensaure Ammoniak nicht durch ihre Blätter, sie
absorbiren es nur im aufgelösten Zustande durch ihre Wurzelschwämmchen (spongiolae).
2) Der Stickstoff der Luft wird durch die in der Luft befindlichen Organe der
Pflanzen nicht absorbirt, aber der im Wasser aufgelöste Stickstoff, welcher durch
die Wurzeln in die Pflanzen dringt, wird assimilirt; dieß beweisen die sich
widersprechenden Versuche der HHrn. Boussingault und Ville über die Assimilation des Stickstoffs.
Eine in eine begränzte Atmosphäre gebrachte Pflanze, welche unter diesen Umständen
alle Stadien ihrer Entwickelung durchmacht, dunstet durch ihre Blätter kein Wasser
aus. Daraus folgt, daß sie durch ihre Wurzeln nur eine geringe Menge Wasser
absorbirt und daher keine bestimmbare Menge Stickstoff. Es ist dieß der Fall bei Boussingault's Versuch.
Wird eine Pflanze, welche ein großes Ausdünstungs-Vermögen besitzt, wie der
Weizen, in Ville's Apparat gebracht, so absorbirt sie um
so mehr Wasser, je mehr die Ausdünstung durch die Erneuerung der Luft bethätigt
wird. Die Menge des von dem Wasser in das Innere der Pflanze mitgerissenen
Stickstoffs wird assimilirt und tritt bei der Analyse merklich auf. Kann aber
diejenige Menge stickstoffhaltiger Substanz, welche die Pflanze der Absorption der
Luft durch ihre Wurzeln verdankt, da sie nur von der Temperatur der Atmosphäre
abhängt und sich durch keinen Dünger erhöhen läßt, der Zweck landwirthschaftlicher
Betriebsamkeit seyn?
3) Der Gyps äußert nur auf diejenigen Pflanzen eine
directe und merkliche Wirkung, welche das kohlensaure Ammoniak im gasförmigen
Zustande, also durch ihre Blätter, absorbiren, wie die Leguminosen der künstlichen
Wiesen, die Luzernen, Kleearten, Esparcette etc.
Der Gyps bewirkt, daß die Blätter das kohlensaure Ammoniak absorbiren welches der
Thau und der Regen auf die Oberfläche des Bodens und der Pflanzen zurückführen.
Im letzten Stadium der Zersetzung oder Verbrennung des Düngers entbindet sich der
Stickstoff aus dem Boden in Form von kohlensaurem Ammoniak. Der Thau führt letzteres
auf die Pflanzen zurück, indem er jedoch deren Oberfläche befeuchtet und deren
Athmungsorgane verstopft. Unter diesen Umständen kann aber das kohlensaure Ammoniak
nicht absorbirt werden, es entweicht mit den ersten Producten der Verdunstung des
Thaues bevor die Poren trocken wurden.
Die Gegenwart des Gypses auf dem Boden und auf der Pflanze hat zur Folge: 1) daß das
Ammoniak des Thaues in Form von schwefelsaurem Ammoniak fixirt wird, indem sich
kohlensaurer Kalk bildet; 2) unter dem Einfluß einer andauernden Verdunstung
veranlaßt das gebildete schwefelsaure Ammoniak, wenn die Organe der Pflanzen nicht
mehr naß sind, als ein nicht flüchtiges Salz, bei Gegenwart des kohlensauren Kalks
eine langsame Entwickelung von kohlensaurem Ammoniak an der Mündung der
Absorptions-Organe und die erneuerte Bildung von schwefelsaurem Kalk.
Letzterer wirkt auf diese Weise beständig fort. Dieses ist die Hauptwirkung des
Gpyses.
4) Bei den künstlichen Wiesen tragen daher der Gyps und die Leguminosen auf welche er
wirkt, gemeinschaftlich zur Bereicherung des Bodens mit stickstoffhaltigem Dünger
bei; mit dieser Bereicherung aber hängt in der Hauptsache die Kartoffelkrankheit
zusammen.
Das Studium der mit dem Fruchtwechsel verbundenen Erscheinungen hat mich überzeugt,
daß die Kartoffelkrankheit eine Folge der Absorption des
kohlensauren Ammoniaks durch die Wurzeln der Pflanze ist. Es wird
stickstoffhaltige Substanz, Ferment, in den Luftorganen ausgearbeitet, diese Materie
häuft sich in den Wurzelknollen an, und daher rühren alle Symptome und Erscheinungen
der Krankheit. Ich bemerke hier bloß noch, daß ich durch directe Versuche die
Richtigkeit meiner Ansicht bestätigt fand; ich ließ nämlich von einigen
Kartoffelstöcken kohlensaures Ammoniak absorbiren, welchen ich dadurch die Krankheit
in verschiedenem Grade gleichsam einimpfte. Nachdem ich jetzt die Ursache der
Krankheit vollkommen (?) kenne, bemühe ich mich, die Praktischen Mittel aufzusuchen,
um ihre Verheerungen zu verringern.