Titel: | Ueber eine dem Getreide schädliche Fliege (Chlorops lineata Guér.); von Hrn. Guérin-Mèneville. |
Fundstelle: | Band 135, Jahrgang 1855, Nr. CVIII., S. 458 |
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CVIII.
Ueber eine dem Getreide schädliche Fliege (Chlorops lineata Guér.); von Hrn. Guérin-Mèneville.
Aus den Comptes
rendus, Octbr. 1854, Nr. 14.
Guérin-Mèneville, über eine dem Getreide
schädliche Fliege.
Als ich am 1. Oct. 1854 in ein Zimmer im zweiten Stockwerk des Landhauses der Wittwe
Panckoucke zu Fleury-sous-Médon
eintrat, fiel mir die schwarze Farbe des Plafonds und der Karnieße auf, welche durch
Myriaden kleiner Fliegen seit dem 29. Septbr. veranlaßt war, die hier Unterkommen
gesucht hatten. Wie die Decke, waren auch die Fensterscheiben, die Vorhänge, das
Bett und die Wände von ihnen bedeckt. Das Verjagen derselben mit dem Federbesen bei
offenem Fenster hatte keinen andern Erfolg, als daß sie nach ein paar Tagen sich
noch zahlreicher wieder einfanden.
Diese Fliegen sind als Feinde unserer Getreidearten schon bekannt. Ich habe dieselben
vor mehreren Jahren, veranlaßt von Hrn. Herpin, Landwirth
im Departement des Eher, in Folge des bedeutenden Verlusts welchen er durch sie bei
seiner Getreide-Ernte erlitt, genau untersucht. Linné hat diese Fliege zuerst beschrieben und von Fabricius wurde sie Musca
lineata benannt. Sie erzeugt in unserm Klima jährlich zwei Generationen,
deren erste jeder Zeit als Larve die jungen Weizenpflanzen heimsucht. Diese Larve
zerfrißt das Mark des Halms, an dessen Hals sie sich festsetzt und daselbst eine
Reizung, einen Zufluß der Säfte hervorruft, der eine abnorme Entwickelung zur Folge hat, welche den
Halm verhindert in die Höhe zu gehen und seine Aehre zu bilden. Die aus dieser
ersten Generation hervorgehenden Fliegen legen bald ihre Eier in das Herz der noch
grünen Halme, welche die ersten Anfänge der Aehre einschließen; denn gegen Ende des
Frühlings findet man in diesen Halmen, zwischen dem letzten Knoten und der Aehre,
eine eben solche Larve wie die erwähnte, welche aber, statt den Mittlern Theil des
Halms zu zerfressen, sich an einer Seite desselben, zwischen dem Halm und seinem
Scheidenblatt, festsetzt. Diese Zerstörung einer Seite des Halms verhindert, indem
sie alle Organe des Pflanzenlebens auf dieser Seite unthätig macht, das
Zurreifekommen aller entsprechenden Körner der Aehre, und hat so den Verlust der
Hälfte des Products zur Folge. Oft ist auch die Aehre ganz verloren, weil sie aus
der sie umgebenden Scheide nicht hervortreten kann. Glücklicherweise kann diese
Fliege wegen der sie verfolgenden Schmarotzer nur eine geringe Zahl Aehren so
ergreifen, welche Hr. Herpin auf ein Siebenzigstel der
Ernte anschlägt; ihre erste Generation aber richtet mehr Schaden an.
Diese merkwürdigen, bei Paris jetzt zum erstenmal beobachteten Fliegenheere, wurden
unter andern vorzüglich von Hrn. Waga, Entomologen aus
Warschau, im Jahr 1847 beobachtet und in meiner Revue et
Magazin de Zoologie von 1848 beschrieben. Ich habe diese Fliege Chlorops lineata genannt.