Titel: | Ueber die Verseifung der Oele unter dem Einfluß der sie in den Samen begleitenden Substanzen; von Professor J. Pelouze. |
Fundstelle: | Band 136, Jahrgang 1855, Nr. XVIII., S. 62 |
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XVIII.
Ueber die Verseifung der Oele unter dem Einfluß
der sie in den Samen begleitenden Substanzen; von Professor J. Pelouze.
Aus den Comptes rendus, März 1855, Nr.
12.
Pelouze, über die Verseifung der Oele unter dem Einfluß der sie in
den Samen begleitenden Substanzen.
Man weiß durch Chevreul's Untersuchungen, daß die Fette
als fettsaure Salze mit organischer Basis zu betrachten sind, und daß bei ihrer
Behandlung mit Alkalien die fetten Säuren sich mit letztern verbinden, während die
organische Fettbasis (das Glyceryloxyd) als Hydrat (sogenanntes Glycerin)
abgeschieden wird. Es war daher vorauszusehen, daß sich analoge Reactionen unter
anderen Umständen zeigen würden; so hat Fremy
nachgewiesen, daß die Oele und im Allgemeinen die neutralen Fette durch die
concentrirte Schwefelsäure gänzlich in fette Säuren umgewandelt werden, indem sich
die Schwefelsäure der Glycerinbasis bemächtigt, um Glycerinschwefelsäure zu bilden,
während die frei gewordenen fetten Säuren sich gleichfalls mit der Schwefelsäure,
aber auf eine vorübergehende Weise, verbinden.
Außer diesen zwei Verfahrungsarten zum Verseifen der Fette,Hr. G. Wilson hat bei zahlreichen, in großem
Maaßstab angestellten Versuchen gefunden, daß sich die neutralen Fette
mittelst Wasserdampf in Glycerin und Fettsäuren
zerlegen lassen; man braucht nur die Destillirblase auf einer gleichförmig
hohen Temperatur zu erhalten und einen ununterbrochenen Dampfstrom
hineinzuleiten.Die zur Zerlegung der Fette in ihre näheren Bestandtheile erforderliche
Temperatur ist nach der Natur der fetten Körper verschieden; alle bis jetzt
versuchten lassen sich aber bei einer Temperatur von 560° Fahr.
(293° Cels.) in Glycerin und Fettsäure auflösen, viele schon weit
unter dieser Temperatur. Hr. G. Wilson, welcher
die Details seiner Versuche nebst den sie bestätigenden Analysen später der
Royal Society mittheilen wird, bemerkt
einstweilen, daß Palmöl, Cocosnußöl, Fischthran, thierischer Talg,
japanischer Pflanzentalg und mehrere andere Fette genügende Resultate
geliefert haben, indem die Fettsäuren und das Glycerin zusammen
überdestilliren, aber nicht mehr in Verbindung, und sich in der Vorlage
trennen (Philosophical Magazine, März 1855, S.
235.)A. d. Red. nämlich durch die Basen und durch die Säuren, war bisher nichts Genaues über
ihre Säuerung durch andere Agentien ermittelt worden.
Der Standpunkt der Frage, zu der Zeit wo ich meine Untersuchung begann, war nämlich
folgender.
Liebig sagt in seiner organischen Chemie: „Die
beigemengten fremden Materien wirken auf die Fette bei dem Ranzigwerden in einer
ähnlichen Weise, wie
das Ferment bei der Gährung zuckerhaltiger Flüssigkeiten; die Veränderung, die
es für sich erfährt, veranlaßt eine Trennung der talg-, margarin-
und ölsauren Verbindung, es werden die fetten Säuren in Freiheit gesetzt und
Glyceryloxydhydrat entweder für sich abgeschieden (wie beim Palmöl), oder es
wird ebenfalls zersetzt, wie bei den meisten andern Fettarten.“
Dumas sagt in seinem Handbuch der angewandten Chemie:
„Die zur Gährung der fetten Körper nöthigen Umstände sind dieselben,
die sich bei allen Gährungen wieder finden; es bedarf des Zutritts einer
eiweißartigen Substanz, des Wassers, der Luft und endlich einer Temperatur von
15 bis 30° C. Bei diesen Bedingungen erwärmt sich die Substanz und nimmt
bald alle Eigenschaften eines ranzigen Fettes an.“
Boussingault bemerkt in seiner Economie rurale: „Die geruchlosen und geschmacklosen Oele nehmen
bei Gegenwart von Luft und Feuchtigkeit einen unangenehmen Geschmack und einen
bleibenden Geruch an. Die ölhaltigen fleischigen Früchte, die befeuchteten
ölhaltigen Samen erleiden eine wirkliche Gährung, wodurch die Fettsäuren von dem
Glycerin getrennt werden. Ich hatte Gelegenheit eine solche Entstehung freier
Säure bei der Fäulniß von Samen welche viel fette Stoffe enthalten, zu
beobachten.“
Bernard fand, daß der pancreatische Saft (Bauchspeichel)
die neutralen Fette schnell in Säure und in Glycerin zerlegt.
Berthelot schreibt die Säuerung, welche bei den neutralen
Fetten in Berührung mit Luft eintritt, der atmosphärischen Feuchtigkeit zu und
vergleicht sie mit der Zerlegung dieser fetten Körper in geschlossenen Gefäßen, bei
hoher Temperatur, unter dem Einfluß des Wassers.
Vor siebzehn Jahren fand ich gemeinschaftlich mit Boudet,
daß das im Handel vorkommende Palmöl ein Gemenge von Glycerin, neutralem Fett und
Fettsäure ist, welche letztere manchmal sogar 4/5 vom Gewicht des Palmöls betragen
kann.
Ich gehe hier nicht auf die langsame Veränderung ein, welche die Fette in Berührung
mit Luft erleiden; diese bis jetzt noch so dunkle Erscheinung scheint auch nur in
sehr entfernter Beziehung zur eigentlichen Verseifung zu stehen; es wird dabei
Sauerstoff absorbirt und Kohlensäure entbunden, Umstände welche der eigentlichen
Verseifung fremd sind.
Die Thatsachen, welche ich im Folgenden näher auseinandersetzen werde, ergeben eine
Zerlegung der fetten Körper in Säuren und in Glycerin, ohne daß die Luft bei der
Reaction mitwirkt.
Wenn man nämlich die verschiedenen ölhaltigen Samen einer Zertheilung unterwirft,
welche ihre Zellen zerreißt und folglich die Substanzen, woraus sie bestehen, in innige
Berührung bringt, so verwandeln sich die in den Samen enthaltenen neutralen Fette in
Fettsäuren und in Glycerin.
Der Vorgang ist hier analog demjenigen bei der Traube, der Kartoffel und vielen
andern Früchten, deren Zucker sich, sobald man die ihn vom Ferment isolirenden
Zellen zerreißt, in Alkohol und in Kohlensäure umsetzt.
Samen von Lein, Raps, Senf, Mohn, Pistazien, Sesam, Sommerreps (Leindotter); ferner
Wallnüsse, Haselnüsse, süße und bittere Mandeln, wurden in einem Mörser nach und
nach zerrieben; das gleich darauf entweder ausgepreßte oder mittelst Aether oder
Benzin ausgezogene Oel enthielt keine Fettsäuren oder nur Spuren derselben.
Diese erste Reihe zahlreicher Versuche, welche mehrmals wiederholt wurden, stellte
heraus, daß die Samen in dem Augenblick wo man sie zertheilt, ihre sämmtliche
Fettsubstanz im neutralen Zustand enthalten. Dieß stimmt mit unserer bisherigen
Kenntniß über diesen Punkt überein.
Auf mein Ersuchen ließ Hr. Bouquet, Director der großen
Fabrik chemischer und pharmaceutischer Producte des Hrn. Menier, eine Quantität der vorher erwähnten Samen unter seinen Augen zu
Mehl zerkleinern und diese gemahlenen Samen, 2 bis 6 Kilogr. von jedem, in
Steinzeuggefäße füllen und mit Korkstöpseln verschließen, worauf sie in mein
Laboratorium gebracht wurden.
Ich fand, daß alle diese Mehle nach Verlauf einiger Tage ziemliche Quantitäten von
Glycerin und Fettsäuren enthielten, welche während mehrerer Monate fortwährend
zunahmen.
Da sich die gemahlenen Samen in verschlossenen Gefäßen befanden, so war es höchst
wahrscheinlich, daß die Luft bei dieser Reaction keine Rolle spielte. Um darüber
Gewißheit zu erlangen, zerrieb ich selbst einige von denjenigen Samen, welche diese
freiwillige Verseifung am schnellsten erleiden, füllte damit Glasflaschen fast
vollständig an und verschloß dieselben sogleich sorgfältig. Nach einigen Tagen
hatten sich leicht nachweisbare und manchmal beträchtliche Quantitäten von
Fettsäuren gebildet.
So lieferten mir zu Teig zerriebene Wallnüsse, bei einer Temperatur von 10 bis
25° C., nach fünf Tagen ein Oel welches 9 Proc., und eine andere Probe, nach
acht Tagen, ein solches das 15 Proc. seines Gewichts Fettsäuren enthielt.
Im Sesamöl fand ich nach acht Tagen 6 Proc., nach einem Monat 17,5 Proc., und nach
drei Monaten 47,5 Proc. Fettsäure. Das Mohnöl verhielt sich ziemlich ebenso.
Die süßen Mandeln gaben nach drei Wochen ein Oel welches nur 3 1/2 Proc. Fettsäure
enthielt. Das Pistazienöl enthielt nach Verlauf eines Monats 6,3 Proc. Fettsäure;
nach drei Monaten 14 Procent.
Der Lein- und Rapssame lieferten nach drei Wochen ein Oel welches 5 bis 6
Procent Fettsauren enthielt.
Die fragliche Verseifung scheint übrigens nicht bloß nach der stattfindenden
Temperatur, sondern auch nach dem angewendeten Quantum gemahlener Samen mehr oder
weniger fortzuschreiten. Bis jetzt ist mir noch kein Oel vorgekommen, welches
gänzlich verseift war; am meisten Fettsäure lieferte mir das Mohnöl. Nachdem zu
Pulver gemahlener Mohnsame vier Monate lang in einem (mit Korkstöpsel
verschlossenen) Steinzeuggefäß aufbewahrt worden war, lieferte er ein Oel welches 85
bis 90 Proc. Fettsäure enthielt.
Ich gehe nun von den bloß zerriebenen Samen auf die sogenannten Oelkuchen über, welche man beim Ausschlagen des erwärmten Samenmehls in
den Oelmühlen erhält. Diese Oelkuchen enthalten stets Fettsäuren und wenn sie alt
sind, enthalten sie meistens kein Oel mehr, weil dieses vollständig gesäuert worden
ist.
Da die neutrale fette Substanz in den alten Oelkuchen vollständig in Säure
umgewandelt ist, so wäre es interessant, deren Einfluß auf die Viehmastung zu
untersuchen, und denselben vom Beginn dieser freiwilligen Verseifung (d.h. von dem
Zeitpunkt wo der Same gemahlen und das Oel ausgepreßt worden ist) bis zur
vollständig eingetretenen Säuerung zu verfolgen. Im Durchschnitt verbleiben 10
Procent fetter Substanzen in den Kuchen, und der neutrale oder saure Zustand dieser
fetten Körper dürfte für die Viehmastung nicht gleichgültig seyn.
Wenn die ölhaltigen Samen zu Pulver gemahlen und mit Wasser befeuchtet sind, so gehen
sie nach einigen Tagen in Fäulniß über und verbreiten einen stinkenden und stark
ammoniakalischen Geruch. Im Gegensatz mit den bloß zerriebenen Samen enthalten sie
merklich weniger von Fettsäuren. Es scheint, daß das Ferment oder die dessen Rolle
spielende organische Substanz sich zersetzt und dann nicht mehr auf die neutralen
Oele wirkt. Ich habe vergebens versucht diese Substanz zu isoliren.
Im Verlauf meiner Untersuchungen habe ich mich überzeugt, daß der im beträchtlichen
Verhältniß in den Wallnüssen, Haselnüssen, süßen und bitteren Mandeln enthaltene
Zucker mit demjenigen des Zuckerrohrs identisch und ihm keine Spur Traubenzucker
beigemischt ist. Fast sämmtlicher Zucker bleibt nach dem Auspressen des Oels in den
Kuchen zurück. Die Kuchen der Haselnüsse enthalten so viel Zucker, daß wenn man sie
in Wasser mit Bierhefe
anrührt, sehr bald in dem Gemisch eine lebhafte Gährung sich einstellt, wobei eine
beträchliche Menge Alkohol gebildet wird.
Die Verfahrungsarten, welche ich befolgt habe, um das Verhältniß der den Oelen
beigemischten Fettsäuren zu bestimmen, werde ich später im Detail beschreiben.
Wenn man sich darauf beschränken würde, derartige Gemische mit absolutem Alkohol zu
behandeln, so könnte man sich bedeutend täuschen, denn ich habe gefunden, daß sich
die neutralen Oele in Gegenwart der Fettsäuren in Alkohol auflösen können. Man
braucht dem Gemisch von Alkohol und Oelen nur Oelsäure zuzusetzen, um die Auflösung
der Oele zu bewirken; und wenn die Oelsäure im Verhältniß zum Oel in großem
Ueberschuß ist, so bringt ein neuer Zusatz von Alkohol in dem Gemisch keine Trübung
mehr hervor.
Ich habe über die Verseifung einen Versuch gemacht, welcher mit dem Vorhergehenden in
keiner Beziehung steht, den ich aber hier anführe, weil er gut erklärt, warum das
Aetzkali und Aetznatron, welche starke Basen sind, dennoch die fetten Körper viel
langsamer verseifen als der Kalk. Es war zu vermuthen, daß der Grund darin liegt,
daß die Kalkmilch sich viel besser mit den fetten Körpern mischt, als eine
Kali- oder Natronlösung. Folgender Versuch macht diese Erklärung sehr
wahrscheinlich. Wenn man ein neutrales Oel in heißem Alkohol auflöst und eine
alkoholische Kalilösung zusetzt, so wird das Gemisch, nachdem es zum Sieden gebracht
wurde, augenblicklich verseift; das Wasser sondert nicht mehr die geringste Spur
fetter Substanz davon ab, und die Auflösung liefert mit Salzsäure Fettsäuren, welche
in den Alkalien und in Alkohol vollständig löslich sind.
Vermischt man ein Oel mit einem Ueberschuß von concentrirter Schwefelsäure, so
erfolgt die Verseifung ebenfalls augenblicklich und vollständig; das Oel wird
gänzlich in Schwefelfettsäuren und in Glycerinschwefelsäure umgewandelt.
In den zwei angeführten Fällen erfolgt die Verseifung unmittelbar, weil die Körper
welche man zusammenbringt und diejenigen welche sich bilden, sich in allen
Verhältnissen mischen und folglich sehr zahlreiche und sehr innige Berührungspunkte
darbieten.
Die Rückstände von der Reinigung des Repsöls (mittelst
Schwefelsäure) bestehen hauptsächlich aus Fremy's
Schwefelfettsäuren und aus Glycerinschwefelsäure. Diese Rückstände, deren Preis fast
plötzlich von 5 Francs auf 60 Fr. per 100 Kilogr. stieg,
werden in der Weißgerberei verwendet, und hauptsächlich bei der
Weingeist-Fabrication aus Runkelrüben, um den während der Gährungen erzeugten
Schaum verschwinden zu machen. Für die Fabrikanten welche diese Rückstände anwenden,
ist es wichtig zu wissen, daß dieselben nicht bloß aus Oel bestehen, welches durch
Farbstoffe und durch die bei der Behandlung des Repsöls mit Schwefelsäure
entstandenen kohligen Substanzen verunreinigt ist, wie man bisher annahm, sondern
daß sie hauptsächlich Doppelsäuren enthalten und Fettsäuren nicht liefern können,
ohne daß zugleich eine gewisse Menge Schwefelsäure daraus abgeschieden wird. Eine
Probe von solchen Fabrikrückständen, welche mir aus Lille von Hrn. Kuhlmann überschickt wurde, war in kaltem Wasser ganz
auflöslich, obgleich man sie nach dem Ansehen mit Oel hätte verwechseln können.
Hr. Thenard, welcher den im nördlichen Frankreich jetzt
sehr ausgedehnten Industriezweig des Reinigens der Brennöle begründete, hatte
beobachtet, daß die Reinigung nur mit sehr concentrirter Schwefelsäure gut von
statten geht; dieser Umstand ist erklärlich, seitdem wir die Natur des bei dieser
Reinigung bleibenden Rückstandes genau kennen.
Die erwähnten neuen Thatsachen, welche ich bei meinen Versuchen entdeckte, gestatten
manche Anwendungen.
So ist das Leinsamenmehl, je nachdem es frisch oder alt ist, neutral oder sauer. Als
Arzneimittel kann es folglich nicht auf gleiche Weise wirken; man muß das seit
langer Zeit bereitete ausschließen, selbst wenn es in gut verschlossenen Gefäßen
aufbewahrt wurde. Es ist mir mehrmals im Handel Leinsamenmehl vorgekommen, dessen
Oel ganz gesäuert war.
Eine frisch bereitete Mandelmilch enthält das Mandelöl im neutralen Zustande; schon
einen Tag später hat die Säuerung desselben begonnen.
Ein Speiseöl wird eine andere Zusammensetzung und folglich einen verschiedenen
Geschmack haben, je nachdem der Same, welcher es lieferte, nach mehr oder weniger
langer Zeit ausgepreßt worden ist. Die besten Speiseöle sind diejenigen, welche
unmittelbar nach dem Zerreiben der Samen ausgeschlagen wurden.
Die alten Oelkuchen lassen sich mit Vortheil zur Bereitung einer wohlfeilen Seife
anwenden. Es genügt dazu, sie mit einem alkalischen Wasser zu vermischen, nur muß
man sich hüten von solchen Seifen einen großen Vorrath darzustellen, denn nach zwölf
bis fünfzehn Tagen beginnt die darin enthaltene eiweißartige Substanz sich zu
zersetzen und einen unangenehmen Geruch zu verbreiten.