Titel: | Ueber Anfertigung der Büretten; von Dr. Alexander Müller. |
Autor: | Alexander Müller |
Fundstelle: | Band 136, Jahrgang 1855, Nr. XXXV., S. 121 |
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XXXV.
Ueber Anfertigung der Büretten; von Dr. Alexander Müller.
Müller, über Anfertigung der Büretten.
Zu den bekannten Schwierigkeiten, welche sich bei Graduirung der Maaßröhren im
Allgemeinen geltend machen, kommt für die Büretten noch der Umstand, daß weniger auf
die Menge einer Flüssigkeit, welche in die Röhre eingefüllt werden kann, Rücksicht
zu nehmen ist, als vielmehr auf die Menge, welche bei einem Versuch herausfließt. Je
nach der Consistenz der Flüssigkeit einestheils, je nach dem Verhältniß der
Gefäßwandung zum Inhalt anderntheils, wird der durch Flächenanziehung
zurückgehaltene Bruchtheil ein verschiedener seyn. Da bei volumetrischen Versuchen
fast durchgängig sehr verdünnte wässerige Lösungen angewendet werden, so ist die
Verschiedenheit in ersterer Beziehung für die verschiedenen Reagentien verschwindend
klein; nicht so verhält es sich mit der durch ungleiche Wandfläche bedingten
Verschiedenheit, indem der zurückbleibende Bruchtheil Flüssigkeit sich vergrößert,
sowohl wenn der Querschnitt der Röhre von der Kreisform sich mehr und mehr entfernt,
als auch wenn er kleiner und kleiner wird. Aus diesen Gründen ist die Calibrirung
und Eintheilung der Büretten nach ausgewogenen Quecksilbermengen, wobei der
Capillarität wässeriger Flüssigkeiten keine Rechnung getragen wird, nicht zu
empfehlen; streng genommen müßte die Bürette nach den ausgewogenen Mengen derjenigen
Flüssigkeit, für welche man sie später benutzen will, graduirt werden; indeß, wenn
es sich um sehr verdünnte wässerige Lösungen handelt, kann man die Eintheilung nach
dem ausfließenden Wasser ohne praktisch fühlbaren Fehler treffen.
Hätte man immer reincylindrische Röhren zur Verfügung, so würde es nur nöthig seyn,
die zwischen einem obersten und untersten Punkt befindliche Flüssigkeitssäule nach
Höhe und Gewicht zu bestimmen und die für eine Maaßeinheit berechnete Größe nach und
nach auf die Röhre aufzutragen; aber Jeder, der sich nur einigermaßen mit
Anfertigung von Maaßröhren beschäftigt hat, wird wissen, daß unter tausend Röhren
kaum eine auf gleiche Länge gleiche Volumina faßt, also cylindrisch ist. Wenn nun
die gewöhnlichen Röhren überhaupt zu Maaßröhren benutzt werden sollen, bleibt nichts
übrig, als entweder durch, den aufzutragenden Maaßeinheiten der Zahl nach
entsprechende Gewichtsbestimmungen der ausgeflossenen Flüssigkeitsmengen eine
Interpolation zu umgehen, oder diese letztere auf mathematischem Wege aus wenigen,
jedenfalls aber mehr als zwei genauen Bestimmungen zu realisiren.
Die erste Methode ist unendlich mühsam und überdieß wegen mechanischer
Schwierigkeiten im Ablesen des Flüssigkeitsmeniskus doch nicht absolut genau; die
zweite Methode, streng wissenschaftlich ausgeführt, würde verlangen, daß man vorerst
den Querschnitt der Röhre prüfte, ob er kreisrund, oval, elliptisch u.s.w. ist,
ferner in welchem Verhältniß die Querschnitte verschiedener Höhen zu einander
stehen, daß man aus diesen Daten eine Regelmäßigkeit suchte und endlich nach dem
gefundenen Verjüngungsverhältniß die Höhe der sich folgenden Kubikcentimeter
berechnete.
Um den hierbei aufstoßenden Schwierigkeiten, bei welchen der Werth der Arbeit
durchaus nicht dem Kraftaufwand entspricht, welche mitunter selbst unüberwindlich,
höchstens zu interessanten Uebungsaufgaben der höhern Mathematik führen,
auszuweichen, fühlt man sich zuvörderst versucht, eine dem Cylinder sich nähernde
Röhre als einen abgestumpften Kegel zu betrachten, und es läßt sich allerdings, wenn
man die Gesammthöhe und den Gesammtinhalt desselben durch Maaßstab und Waage
ermittelt, darauf den fraglichen Kegel in kleinere abgestumpfte Kegel zertheilt und
auch für diese die nöthigen Größen bestimmt hat, nach den bekannten Gleichungen und
mit einiger Beharrlichkeit ableiten, welche Höhe von einem Gramm Wasser in einem
beliebigen Theil des Kegels beansprucht wird. An Genauigkeit würde eine solche
Berechnung für die praktischen Ansprüche wenig zu wünschen übrig lassen, an
Leichtigkeit aber wohl viel. Ich gebe im Folgenden eine schneller zum Ziele führende
Methode, die sich auf eine andere, wie mich bedünkt, mindestens ebenso annehmbare
Voraussetzung stützt.
Richten wir unsern Blick auf die Entstehung der Glasröhren: Eine Glaskugel wird etwas
ausgeblasen, von einer zweiten Pfeife mitgefaßt und unter Nachfluß der nöthigen
Menge Luft bis zur Röhrenform ausgezogen. Geht die Abkühlung langsam von statten und
wird dabei zuviel Luft eingeblasen, so ist die entstandene Röhre in der Mitte am
weitesten und verengt sich nach den beiden Enden hin; kühlt aber die Glasmasse von
den Pfeifen her schnell ab und fließt während des Ausziehens nur wenig Luft nach, so
zeigt die Röhre die entgegengesetzte Gestalt; ein reiner Cylinder ist ein seltenes
Product, da sich für seine Bildung die widerstrebenden Einflüsse genau neutralisiren
müssen; am häufigsten findet man eine Verengerung der Röhre in der Mitte.
Nach dieser Genesis kann der Längenschnitt einer nicht cylindrischen Röhre nur durch
zwei Curven begränzt seyn, deren Zweige man in den meisten Fällen divergent finden
wird. Wenn demnach eine eigentliche Kegelform an den gewöhnlichen Röhren nicht
denkbar ist, so wird man sich der Wahrheit mehr nähern, indem man die in der Mitte verengerte Röhre nach
beiden Seiten hin aus unendlich vielen Cylindern zusammengesetzt sich denkt, deren
Querschnitte nach einer geometrischen Progression zunehmen, deren Höhen in demselben
Verhältniß abnehmen, von denen also der nächste immer das gleiche Volum des
vorhergehenden besitzt. Je kleiner der Name der Progression ist, um so mehr wird
sich die Röhrenform von der Form einer Tuba entfernen und wird in den Cylinder
übergehen, wenn der Name gleich 1 ist, denn beim Cylinder verhalten sich die Höhen,
so wie die Querschnitte der Stücke von gleichem Volum, wie 1 zu 1. Wir haben nach
dieser Betrachtungsweise nur nöthig, an einigen Theilen einer Röhre das Verhältniß
zwischen Höhe und Volum zu ermitteln, und können dann in äußerst einfacher Weise die
Calibrirung der zwischenliegenden Röhrentheile durch Berechnung oder Construction
interpoliren.
Auswahl der Glasröhren.
Die Graduirung wird um so wahrheitsgetreuer seyn, je mehr sich die Röhre dem Cylinder
nähert; darum habe man bei Auswahl der Glasröhren darauf besonders Acht, daß man
sich eine möglichst cylindrische Röhre verschaffe; die Röhre darf im Durchmesser der
verschiedenen Theile nur geringe Abweichungen zeigen und auch diese nur in dem
obenbemerkten Sinne. Der Querschnitt muß außerdem möglichst kreisrund seyn, muß
wenigstens der etwa vorkommenden elliptischen oder ovalen Form überall treu bleiben.
Für ein gutes und haltbares Instrument ist ferner zu berücksichtigen, daß die Röhre
rein im Glase sey und weder Knoten noch offene Blasen habe, durch welche sowohl die
Gleichmäßigkeit des Raumes gestört als die Dauerhaftigkeit beeinträchtigt wird. Auch
die Farblosigkeit des Glases möge man nicht vernachlässigen, weil diese nicht nur
einen angenehmen Eindruck macht, sondern auch die Reinheit des Reagens leichter
beurtheilen läßt.
Die Dimensionen hängen zwar hauptsächlich von der Bestimmung der Büretten ab, doch
könnten auch dafür einige Andeutungen am Orte seyn. Es ist im Allgemeinen rathsam,
den Durchmesser nicht unter 5 Millimeter und nicht über 15 Millimeter zu wählen,
indem bei engeren Röhren das Verhältniß der Wandfläche zum Inhalt ein zu
ungünstiges, bei weiteren aber ein genaues Ablesen kleiner Kubikcentimetertheile
unmöglich wird. Die Länge hat man nach der Weite zu bemessen; 200 bis 300 Millimeter
scheinen mir die passendsten Gränzen, indem die kürzeren ein öfteres Auffüllen
erfordern, die längeren aber lästig im Gebrauche sind, oder den kürzeren wohl gar in
Genauigkeit (wegen des langsamen Sammelns der Flüssigkeit in den letzten
Kubikcentimetern) nachstehen.
Die Wandstärke kann bei weitem Lumen 2 Millimeter, darf bei sehr engem nicht unter 1
Millimeter betragen; die starkwandigen Röhren sind zwar weniger zerbrechlich und
gestatten eine tiefere Gravirung, dagegen erschweren sie das genaue Ablesen der
Theilstriche wegen des Einflusses einer parallactischen Beobachtung.
Die Form der Bürette
verdient gewiß auch einige Bemerkungen. Soll man die Form der französischen
Schwanhalsbürette, oder die der englischen Schnabelbürette, oder die der Bolley'schen Spritzflaschenbürette, oder die der Mohr'schen Quetschhahnbürette vorziehen? Wenn die Bürette
nicht zu gleicher Zeit als Maaßrohr zum Mischen von Flüssigkeiten nach bestimmten
Volumen dienen soll, entscheide ich mich ganz unbedingt für die Quetschhahnbürette.
Es vereinigt diese Construction so viel Bequemlichkeit und Sicherheit des Gebrauchs,
daß sie zweifelsohne in Kurzem die Büretten anderer Einrichtung verdrängt haben
wird. Zu der von Mohr gegebenen Beschreibung würde ich
mir nur noch die Bemerkung erlauben, daß es rathsam ist, die Ränder der oberen
Oeffnung lieber durch Abschleifen als durch Verschmelzen abzurunden, weil bei etwas
schnellerer Abkühlung das Rohr leicht einen Zustand der Spannung erlangt, welche es
bei geringen Erschütterungen springen macht; ferner daß man das untere Ende
möglichst dickwandig auszieht und die Spitze in der Glasbläserflamme etwas
knopfförmig anschwellen lasse, um einestheils die Zerbrechlichkeit zu vermindern,
anderntheils um ein Abrutschen des Quetschhahns zu erschweren.
Das Calibriren.
Wenn die Bürette nach den Mengen ausfließenden Wassers calibrirt werden soll, ist die
erste Bedingung, daß die innere Glaswandung an allen Theilen gleichmäßig von Wasser
benetzt werde, daß dieses von allen Punkten gleichmäßig abfließe, ohne Tropfen zu
bilden. Man erreicht diese Beschaffenheit der Röhre dadurch, daß man mit einem
Gemenge von Aether und Weingeist und mit Kupferoxyd oder einem andern harten aber
doch nicht Glas ritzenden und nicht zu feinkörnigen Pulver ausscheuert, darauf mit
verdünntem Weingeist und endlich mit destillirtem Wasser wiederholt ausspült. Man
bezeichnet sich nun durch feine, möglichst vertical über einander liegende
Diamantritze oder Feilstriche die ungefähre Ausdehnung der Scala, welche auf der Bürette angebracht
werden soll, theilt sich ferner von diesem obersten und untersten Punkt der Scala
nach der Mitte hin etwa den achten bis zehnten Theil durch ähnliche Marken ab und
schreitet jetzt zur Gewichtsermittelung der Wassermengen, welche zwischen zweien
solcher Einritzungen im Rohr enthalten sind. Angenommen, wir hätten es mit einer
Quetschhahnbürette zu thun, so senken wir die Spitze des gut befestigten
Quetschhahns in reinstes Wasser von gewöhnlicher Zimmertemperatur
(17°–18° C.) und saugen dieses vermittelst eines über die obere
Oeffnung der Bürette gezogenen Kautschukröhrchens in die Höhe, bis die oberste Marke
überschritten ist. (Durch Auffüllen von oben würde im Quetschhahn, selbst bei
theilweisem Ausfließenlassen des Wassers, ein Luftbläschen sich vorfinden, das unter
Umständen entweder nach oben aufsteigen oder nach unten fortgerissen werden und
somit die Richtigkeit späterer Gewichtsbestimmungen beeinträchtigen könnte.) Wir
klemmen das gefüllte Rohr vertical ein und lassen mit vorsichtiger Oeffnung des
Hahns wieder soviel Wasser austropfen, daß die untere, am besten wahrnehmbare
Begränzung des Meniskus, in horizontaler Richtung betrachtet, mit der obersten Marke
in der Glaswand zusammenfällt. Von diesem Punkt an fängt man das durch den
wiedergeöffneten Hahn bis zur nächsten Marke ausfließende Wasser in einem tarirten
Gefäß auf und bestimmt auf diese Weise nach und nach das Gewicht der Wassersäulen,
welche durch die Marken abgegränzt sind; daß man aber vor jedesmaliger Wägung sich
vergewissert haben muß, ob das Niveau des Wassers durch Abfließen von der
Röhrenwandung noch steigt oder constant bleibt, was schon nach wenigen Minuten der
Fall ist, ist eine selbstverständliche Forderung. Bei einiger Aufmerksamkeit lernt
man bald alle Umstände so beachten, daß ein abermaliges, der Controle halber
vorgenommenes Auswägen des Röhreninhalts identische Werthe liefert.
Die nächste Aufgabe ist, die Höhen der gewogenen Flüssigkeitssäulen oder mit andern
Worten, die Entfernungen der eingeritzten Merkzeichen zu bestimmen. Direct findet
man die gesuchten Größen, indem man durch einen auf Spiegelglas aufgetragenen
Maaßstab hindurch, der noch Zehntelmillimeter angeben muß, die Marken aufsucht und
die Höhenunterschiede notirt. In Ermangelung eines solchen Maaßstabes hilft man sich
folgenderweise: man reibt die Marken mit Farbstaub ein, deckt einen Streifen festen
Briefpapiers darauf und drückt ihn mit einem Falzbein an, wobei der Farbstaub dem
Papier anhaftet, oder man hält die mit dem Papier umgebene Röhre gegen das Licht und
ritzt mit einem scharfen Instrumente die Stellen ein, wo eine Marke durchscheint; in
beiden Fällen hat man noch mittelst eines Cirkels und Maaßstabes die Entfernungen
auszumessen.
Nachdem dieß geschehen, sind wir in den Stand gesetzt zu entscheiden, ob die
betreffende Glasröhre ein Cylinder ist oder nicht. Bei einer cylindrischen Röhre
müssen die Quotienten der gemessenen Flüssigkeitssäulenhöhen in den zugehörigen
Gewichtsmengen gleich seyn; nehmen die Quotienten nach einer Seite hin ab, so haben
wir eine Röhre vor uns, deren Querschnitt nach einer Seite hin sich verkleinert,
eine Röhre, auf welche die oben berührte Betrachtungsweise anzuwenden ist. Das wie?
besprechen wir am besten, indem wir uns auf einen concreten Fall beziehen.
Eintheilung der Röhre.
Es betrug bei einer anzufertigenden Mohr'schen Bürette die
Entfernung der zweiten Marke von der obersten 21,6 Millimeter, das ausgewogene
Wasserquantum aber 3,924 Gramme; die Entfernung der zweiten und dritten Marke 139,2
Millim., das zugehörige Wasserquantum 23,842 Grm., und endlich die Entfernung der
dritten und vierten Marke 25,6 Millimet. mit 4,280 Grm. Wasser. Daraus folgte für 1
KubikcentimeterWie es bei der Gewichtsanalyse, weil man es nur mit Verhältnißzahlen zu thun
hat, gleichgültig ist, ob die benutzten Grammengewichte genau mit dem
Pariser Normalgewicht übereinstimmen, wenn sie nur mit ihren
Unterabtheilungen harmoniren, so ist man auch bei Eintheilung der Büretten
nicht gehalten als Volumeinheit genau den Pariser
Normal-Kubikcentimeter anzunehmen. Es scheint mir im Gegentheil
angemessener und bei weitem bequemer, daß man für volumetrische Zwecke als
Volumeneinheit den Raum annimmt, den 1 Gramm reinsten Wassers von
17,5° C. nach dem Gewichtsatz des analysirenden Chemikers gewogen,
ausfüllt, und ich halte es für unbedenklich diesem Raum den Namen
Kubikcentimeter zu belassen. im obersten Röhrenstück die Höhe durchschnittlich zu 21,6/3,924 = 5,5 Mm.;
im darunterliegenden zu 139,2/23,842 = 5,8 Millimeter und im tiefsten zu 25,6/4,280
= 6,0 Mm. Die Zunahme der Quotienten zeigt an, daß man eine nach unten sich
verjüngende Röhre vor sich hat, doch ist der Unterschied nicht so bedeutend, daß
diese Röhre nicht noch als Bürette benutzt werden könnte. Ich ziehe mir nun auf
glattem festem Papier eine etwa 200 Millimeter lange gerade Linie und trage auf ihr
eine entsprechende Größe, etwa 5 Millimeter, von einer Seite her so oft auf, als die
ausgewogene Röhre Gramme oder Kubikcentimeter Wasser faßte, in vorliegendem Beispiel
32, errichte im zweiten Theilpunkt ein Perpendikel von 22,0 Millimeter Höhe (d. i.
die Höhe von 4 Kubikcentimetern Wasser im obersten Röhrentheil), deßgleichen im
drittletzten Theilpunkt ein Perpendikel von 23,9 Mm. Höhe (d. i. die Höhe von 4 Kubikcentimetern
Wasser im untersten Röhrentheil) und verbinde diese beiden Perpendikel durch eine
Gerade. Jedes fernere in irgendwelchem Punkt der ersten Linie errichtete und bis an
die zweite Linie verlängerte Perpendikel gibt mir bei obenbemerkter Annahme die
vierfache Höhe, welche der dem Errichtungspunkt entsprechende Kubikcentimeter in der
Röhre beansprucht; ein im 8ten Theilpunkt errichtetes Perpendikel hat die vierfache
Höhe des 8ten Kubikcentimeters u.s.f.
Um mit Hülfe dieser Perpendikel die Bürettenscala zu entwerfen, hat man vorerst auf
passendem Papier eine Gerade zu ziehen, deren Länge ungefähr die der Bürette
erreicht, und sodann auf diese die Marken der Bürette zu übertragen. Jetzt nimmt man
22,0 Millim. in den Cirkel und trägt sie von der dem obern Röhrentheil
entsprechenden Seite her auf die Gerade auf; in gleicher Weise trägt man von diesem
Punkt aus das im 6ten Theilpunkt errichtete Perpendikel, welches die Höhe des dem
5ten bis 8ten Kubikcentimeter zugehörigen Röhrenstücks bezeichnet, auf und fährt so
fort mit dem Perpendikel im 10ten, 14ten, 18ten bis 30ten Theilpunkt. Mit diesem
letzten Perpendikel müßte man, wenn Alles gut zusammentrifft, den Punkt der
untersten Röhrenmarke nahezu erreichen, da das ausgewogene Röhrenstück 32,046 Gramme
oder Kubikcentimeter faßte und das letzte Perpendikel die Länge für den 29ten bis
32ten Kubikcentimeter angab; der Rest müßte genau gleich (0,046 × P₃₂)/4 seyn, worin P₃₂ das im 32ten Theilstrich errichtete Perpendikel
bedeutet. Da es aber bei obigem Verfahren durch Summation kleiner Fehler leicht
kommen kann, daß der Rest nicht mit der berechneten Zahl zusammentrifft, so dürfte
es gerathener seyn, die Eintheilung der Scala gleichzeitig vom Ende her vorzunehmen
und zwar so, daß wir als Endpunkt der Scala den Punkt annehmen der von der letzten
Bürettenmarke um (0,046 × P₃₂)/4
entfernt ist. Unzweifelhaft können wir nach dieser Methode leichter eine Differenz,
welche sich für die Röhrenlänge des 14ten bis 18ten Kubikcentimeters ergeben sollte,
durch geringe Abänderungen in der Länge der aufgetragenen Perpendikel
beseitigen.
Nachdem wir gewissermaßen ein Gradnetz für die Bürettenscala gewonnen haben, macht
die Eintragung der einzelnen Kubikcentimeter und deren Unterabtheilungen wenig
Schwierigkeit. Ein im ersten Theilstrich errichtetes Perpendikel dividirt durch 2
gibt die Länge der ersten beiden Kubikcentimeter, das halbe Perpendikel im 3ten
Theilstrich die Länge für den 3ten und 4ten Kubikcentimeter u.s.w. Man könnte die
gleiche Methode für die
weiteren Untereintheilungen benutzen, doch werden bei so geringer Verengerung der
Röhre, wie in unserm Beispiel, die Unterschiede der Röhrenlängen so verschwindend
klein, daß man sie ohne Fehler einander gleich setzen kann.
Für jede andere Röhre wird sich aus dem hier Gegebenen das geeignetste Verfahren
leicht ableiten lassen. Man wird aber gut thun, anfänglich lieber größere Theile der
Scala als wie in unserm Fall den 8ten Theil, etwa den 5ten, 4ten oder 3ten Theil
abzugränzen.
Man vollendet die Construction der Scala in bekannter Weise dadurch, daß man die
verschiedenwerthigen Punkte der Zehner, Fünfer, Einer u.s.w. der Kubikcentimeter mit
längeren oder kürzeren Querlinien markirt.
Das Graduiren.
Gewöhnlich klebt man die Papierscala auf die Glasröhre auf – wegen hierbei
eintretender Erweichung und kaum vermeidlicher Linearveränderung des Papierstreifens
ziehe ich vor, denselben seitlich so weit zu beschneiden, daß er, zur Rinne gebogen,
die innere Röhrenwandung bis auf einen schmalen Streifen auskleidet, ihn um einen
Glasstab zu legen und in die Röhre einzuschieben, bis die auf dem Papier
befindlichen Versuchsmarken mit den Originalmarken auf dem Glas genau coincidiren.
Die Uebertragung der Theilstriche auf die Röhre kann in verschiedener Weise
realisirt werden; am elegantesten fällt die Graduirung aus, wenn die Röhre mit einem
recht durchsichtigen Firniß überzogen, mittelst des Westhoff'schen Apparats nach den durchscheinenden Theilstrichen
eingeritzt, mit Nummern versehen und mit Flußsäuredampf oder mit einer
schwefelsauren Lösung von Fluorammonium (auch Fluornatrium) geätzt wird.
Einfacher und bei einiger Uebung ebenfalls nicht ungefällig kann die Graduirung
folgendermaßen vorgenommen werden: Man schiebt auf die Röhre eine kurze gut
anschließende und etwas federnde Blechrinne (am besten von Stahl), die an beiden
Enden genau rechtwinkelig gegen ihre Achse abgeschnitten ist, visirt eine Kante
genau vertical auf eine durchscheinende Linie und ritzt in gehöriger Ausdehnung mit
einer englischen Glasfeile ein. Weniger bequem für diesen Zweck finde ich die
Benutzung einer Diamantfeder, während sie für Einritzung der Kubikcentimeterzahlen
unentbehrlich ist.
Schlüßlich versichere man sich der Richtigkeit der Bürette durch Auswägen des
Inhaltes; die Bürette wird, wie oben bemerkt, gereinigt, mit Quetschhahn versehen,
mit Wasser durch Aufsaugen gefüllt und vertical eingeklemmt. Man stellt nun die
untere Begränzung des Meniskus auf einen Theilstrich, fängt das ferner ausfließende
Wasser in einem tarirten Gefäß auf, wägt und vergleicht das Gewicht mit der
Differenz der Theilstriche. Bei einer Bürette, welche auf ungefähr 10 Millimeter
Höhe 1 Kubikcentimeter faßte, erhielt ich Zahlen, welche höchstens um 1/50 Gramm
gegen das geforderte Gewicht differirten; vielfache Erfahrungen ähnlicher Art lassen
mich hoffen, daß auch Andere zu gleich erfreulichen Resultaten gelangen werden.