Titel: | Ueber Knochenmühlen; von Professor Dr. Rühlmann. |
Fundstelle: | Band 136, Jahrgang 1855, Nr. LXI., S. 249 |
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LXI.
Ueber Knochenmühlen; von Professor Dr. Rühlmann.
Aus den Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins,
1854, Heft 6.
Rühlmann, über Knochenmühlen.
Mehrfache neuerdings gemachte Anfragen lassen es wünschenswerth erscheinen,
Nachstehendes über die gegenwärtig im Gebrauche befindlichen und empfehlenswerthen
Knochenmühlen zu veröffentlichen.
Einen ausführlichen von mir verfaßten Aufsatz über diesen Gegenstand enthält bereits
das Notizblatt des hannoverschen Gewerbever. (daraus im polytechn. Journal, 1850,
Bd. CXVI S. 180) und ist vorerst zu melden, daß alles dort Gesagte im Allgemeinen
noch heute als richtig betrachtet werden kann.
Alle zur Zeit bewährten Knochenmühlen dürften sich auf folgende drei Gattungen
reduciren:
1) Stampfwerk (Pochstempel),
2) aufrecht gehende Steine (ähnlich wie bei den Oel- und Cementmühlen),
3) gezahnte Walzenpaare, sogenannte englische Knochenmühlen (Yorkshire Bone-Mills).
Letztere Mühlen ganz besonders habe ich 1851 und 1852 in der Umgegend von Hull und
Newcastle-upon-Tyne, eben so in der großen Fabrik künstlicher Dünger
von Hunt in London (High-Street, Lambeth), im Gange gesehen, auch erst vor
Kurzem auf eine Anfrage bei der auch in Deutschland rühmlichst bekannten
Maschinenfabrik von William Croskill in Beverly bei Hull
die Antwort erhalten, daß man keine besseren Knochenmühlen als die genannte
Yorkshire-Mühle zu empfehlen wisse.Es ist dieß Urtheil um so bezeichnender, als Croskill noch während der Londoner Ausstellung 1851 die Bogardus'sche excentrische Mühle, mit eisernen
Mahlscheiben, zum Mahlen der Knochen aller Art
anpries, nachher 1854 aber wieder auf die schon 1848 hier bekannt gewordene
Yorkshire-Mühle zurückgekommen ist.
Auf eine Beschreibung dieser Zahnwalzenmühlen brauchen wir hier nicht einzugehen, da
diese, durch Abbildungen erläutert, an obengenanntem Orte zu finden ist. Es sey
daher nur bemerkt, daß bei den neuesten Croskill'schen
derartigen Maschinen (Katalog vom 1. Januar 1855) zwei Paar Zahnwalzen übereinander
arbeiten, und zwar oben das Paar von gröberer und unmittelbar darunter das mit
feinerer Theilung. Das Mahlgut des unteren Paares läuft unmittelbar in einen vor dem
Maschinengestelle (jedoch noch mit dem Transmissionszeuge der Walzen in Verbindung
stehend) schräggelagerten Cylinderbeutel, der mit Messingdrahtgewebe überspannt ist,
wobei das Mehl durch die Drahtmaschen fällt, während in der Achsenrichtung die
gröbere Masse fortgeht, welche wieder aufgeschüttet wird.
Derartige Maschinen, welche in zwölf Stunden 150 bis 200 Quarter rohe Knochen zu brauchbarem (mittelfeinem) Mehle zu
verarbeiten im Stande sind, kosten pro Exemplar, franco Hull, 135 Pfd. Sterl. (900 Thlr.) und erfordert
eine solche zu ihrem Betrieb einen Motor (Dampfmaschine) von 10 Pferdekräften.
Einschließlich des Gestelles beträgt das Gewicht einer derartigen Mühle 4 Tonnen (80
Ctr.).
Was nun die Wahl unter den obengenannten Mühlen anlangt, so kommt es vorerst darauf
an, ob man rohes Knochenmehl oder aufgeschlossenes (gedämpftes und entfettetes)
fabriciren will; sodann auch ob nur eigenem Bedarfs oder einer fabrikmäßigen Erzeugung Genüge
geleistet werden soll.
Bei rohem Knochenmehle ist allein die Yorkshire-Mühle zu rathen, der man zur
Nacharbeit ein Paar aufrechtgehende cylindrische Steine (oder glatte gußeiserne,
hohle Cylinder) mit doppelter Bewegung beigibt (insbesondere solche, wo die Cylinder
nur eine Drehbewegung, aber keine fortschreitende Bewegung annehmen können, dafür
aber der Herd oder die Arbeitsbahn eine Umdrehung erhält); oder auch ein Paar
gewöhnliche französische Mühlsteine, die mit ihren ebenen Flächen arbeiten.
Bei gedämpften Knochen, die im Falle der Herstellung des
Mehles für den eigenen Bedarf allein zu rathen sind, und zugleich auch das vorzüglichste Düngmittel abgeben sollen, lassen sich
nicht zu große Knochen, nach der Behandlung mit Wasserdämpfen, durch Hämmer oder
Stampfen zerschlagen und als grobes Pulver ohne Weiteres zur Düngung benutzen. Die
fabrikmäßige Herstellung aber erfordert die Erzeugung von Knochenmehl höchster Feinheit, wenn man anders der zur Zeit statt
findenden Concurrenz begegnen will, weßhalb man hier ebenfalls die nach dem Dämpfen
grob zerschlagenen oder zerstampften Knochen von den bereits erwähnten aufrecht
gehenden Steinen zu Mehl verarbeiten läßt.Bei Hunt in London läßt man alle Knochen vor dem
Dämpfen erst einmal durch die Yorkshire-Mühle gehen.
Stampfen allein zum Zerkleinern und Mehlmachen von gehöriger Feinheit zu verwenden, ist zu zeitraubend und deßhalb für die
meisten Fälle zu theuer.
Zusatz.Die Bereitung des gedämpften Knochenmehls nach dem Verfahren
von Blackhall in Edinburgh.
Vor einigen Jahren kam Blackhall in Schottland wieder auf
das alte, schon von Papin vor fast 200 Jahren zum
Auskochen der Knochen unter Druck in seinem bekannten Topfe benutzte Verfahren
zurück, und zeigte, daß dasselbe sich ganz besonders gut auch zum bloßen Entfetten
und Aufschließen der Knochen, wie zum Gebrauche für Landwirthe eigne, da man den
betreffenden Apparat, bei dem die Dampferzeugung und die Erweichung der Knochen in einem und demselben Gefäße vorgenommen wird, sich für einen billigen
Preis anschaffen könne. Nachstehendes ist die Beschreibung eines solchen Apparates,
wie ihn Prof. Voelcker in Cirencester auf einem Landgute
in England antraf.
Das zur Aufschließung und Entfettung der Knochen dienende Gefäß besteht aus
gewöhnlichem Kesselblech, ist kreisrund und hat eine Länge von 6 Fuß und einen
Durchmesser von 3 Fuß 4 Zoll englisch. An der vorderen Front befindet sich, 9 Zoll
von dem Boden, 13 1/2 Zoll von der Kesseldecke und 12 1/2 von jeder Seite entfernt,
das Mannloch oder die zum Füllen und Entleeren des Kessels dienende Oeffnung, welche
mit einer eisernen Platte durch Riegel und Bolzen auf die gewöhnliche Weise
verschlossen und mit Hanf und Hafermehlteig gedichtet wird. Im Innern des Kessels
ist unmittelbar unter der eben erwähnten Oeffnung ein aus Eisenblech gemachter,
ebener falscher Boden befestigt, auf den die Knochen zu liegen kommen. Ein gleich
über dem wirklichen Kesselboden angebrachter Hahn dient dazu, um, wenn dieß nöthig,
die Flüssigkeit nach der Beendigung des Dämpfens abzulassen. Zwei andere Hähne, von
denen der eine in gleicher Höhe mit dem falschen Boden, der andere aber 10 Zoll über
diesem befestigt ist, dienen als Probehähne, der erstere, um zu sehen ob das Wasser
über jene Höhe gestiegen oder darunter gefallen ist, der andere um den Dampf zu
prüfen. Endlich befindet sich oben auf dem Kessel noch ein Sicherheitsventil, um die
Dampfspannung zu reguliren und den Kessel vor einer Explosion zu sichern, sowie ein
Hahn, durch welchen der Kessel mit Wasser gespeist wird. Will man den Dampf noch zu
anderen Zwecken, z.B. zum Dämpfen von Futter etc. benutzen, so bringt man auf dem
Kessel noch einen Dampfhahn an, welchen man mit einer Röhrenleitung in Verbindung
setzen kann. Die Einmauerung des Kessels und die Feuerung sind wie gewöhnlich
eingerichtet.
Beim Gebrauche wird der Kessel zuerst mit Knochen angefüllt, von denen er bei der
angegebenen Größe 9 bis 10 Ctr. faßt, dann läßt man so viel Wasser zu, daß dieses 12
Zoll hoch, also 3 Zoll über dem zweiten Boden, auf dem die Knochen liegen, im Kessel
steht und brennt das Feuer an. Wenn nach beiläufig einer Stunde die
Dampfentwickelung beginnt, so mäßigt man das Feuer und unterhält während 24 Stunden
eine möglichst gleichförmige Dampfspannung von reichlich 1/2 Atmosphäre Ueberdruck.
Eine kürzere Einwirkung des Dampfes hat sich als unvortheilhaft erwiesen, da die
Knochen sich dann gar nicht so leicht in Pulver verwandeln ließen. Ein Nachfüllen
von Wasser während der Dämpfung ist natürlich nicht nöthig, da während der ganzen
Operation kein Dampf aus dem Kessel entweicht. Ist die letztere beendigt, so
entfernt man zuerst das Feuer, läßt den Dampf durch das Sicherheitsventil entweichen
und zapft so viel Wasser
ab, daß der flüssige Inhalt des Kessels den zweiten Boden nicht mehr berührt.
Hierauf öffnet man das Mannloch und überläßt das Ganze eine kurze Zeit der
Abkühlung. Die noch warm herausgeschaufelten Knochen werden sofort mit einem großen
hölzernen Hammer zu einem groben Pulver geklopft, was so schnell geht, daß ein
Arbeiter ebenso viel Knochen zu zerkleinern vermag als ein anderer herausschafft.
Läßt man sie erst kalt werden, so erfordert das Zerkleinern eine beträchtlich
größere Kraft und somit auch eine längere Zeit.
Die auf diese Weise gedämpften Knochen enthalten eine ziemliche Menge von Wasser,
welches sie in dem Dampfkessel aufsaugten. Schüttet man das noch warme gröbliche
Pulver zu einem Haufen auf, so behält dasselbe nicht bloß diese Wärme, sondern es
tritt in sehr kurzer Zeit eine beträchtliche Steigerung der letzteren, verbunden mit
einem sehr üblen Geruche ein, weil sich in der feuchten Masse eine faulige Gährung
entwickelt. Man soll diese Gährung jedoch vollständig unterdrücken können, wenn man
dem Knochenpulver etwas Kochsalz (per Centner frischer
Knochen etwa 4 bis 5 Pfd.) zusetzt.
Die englischen Landwirthe, welche sich zu ihrem Bedarfe die Knochen dämpfen, wenden
sie gewöhnlich in der groben Pulverform zur Düngung an, wie sie durch das
Zerschlagen mit dem hölzernen Hammer gewonnen werden. Sollen dieselben aber als
verkäufliche Waare in den Handel gebracht werden, so müssen sie natürlich zuvor
getrocknet und noch feiner zermahlen werden, was jetzt sehr leicht zu bewirken ist,
da die Knochenmasse durch das Dämpfen ihre zähe Beschaffenheit verloren hat.
Die Veränderungen, welche die Knochen durch das Dämpfen
erfahren, bestehen darin, daß zuerst das Fett, dann ein Theil Gallerte oder Leim
daraus ausgezogen wird. Das Fett, welches man hierbei als ein werthvolles,
namentlich zur Bereitung von Seife in Haushaltungen gut zu verwendendes Nebenproduct
gewinnt, soll beim fabrikmäßigen Betriebe nahezu hinreichen, um die Kosten zu
decken, welche das Dämpfen veranlaßt. Der Verlust an Gallerte, welcher bei dem Blackhall'schen Verfahren, wie es eben beschrieben
worden, zu befürchten ist, soll nicht mehr als 5 bis 6 Procent von dem Gehalte der
Knochen an Gallerte betragen, womit auch die Analysen übereinstimmen, die man mit
mehreren Sorten gedämpfter Knochen in England angestellt hat, da diese darin bei
einem Wassergehalte von 7 Procent noch 27 bis 28 Procent Gallerte nachwiesen,
während in den rohen, ungedämpften Knochen bei gleichem Wassergehalte im
Durchschnitte etwa 32 bis 36 Proc. Gallerte vorhanden sind. Wie langsam die Gallerte
selbst durch gespannte Dämpfe in Leim umgewandelt und als solcher aufgelöst und ausgezogen
wird, ergibt sich auch aus den bekannten Versuchen von Darcet.
Die leimhaltige Flüssigkeit, welche in dem Dampfkessel
zurückbleibt, wird in England da, wo man das Dämpfen der Knochen auf den Landgütern
selbst vornimmt, mit gleichen Theilen Wasser versetzt, als ein äußerst wirksames
Düngemittel auf Grasland benutzt. Außerdem würde es sich auch zum Anfeuchten der
Composthaufen, namentlich solcher, welche aus torfiger Erde bestehen, vortrefflich
eignen.
Was nun den Kostenpunkt anbelangt, so berechnet Dr. Voelcker denselben für
England wie folgt: Die Anschaffung und Aufstellung eines Dampfkessels von der oben
angegebenen Größe kostet circa 138 Thlr.; der Preis für
die rohen Knochen ist per Centner 25 bis 30 Sgr. Die
Feuerung, zu welcher geringer Torf verwendet wird, erfordert für eine 24stündige
Dampfungszeit nur einen Aufwand von höchstens 20 Sgr. und für die Bedienung des
Kessels und das Zerkleinern der Knochen sowie für die Abnutzung ist höchstens
ebensoviel in Ansatz zu bringen. Es stellen sich dann folgende
Preisverschiedenheiten zwischen den gedämpften, den roh gestoßenen und den mit
Schwefelsäure aufgeschlossenen Knochen heraus:
1 Centner Knochen zu dämpfen und zu
zerkleinern kostet (incl.
der Knochen)
1 1/4 bis 1 1/3 Thlr.
1 Centner Knochenmehl des Handels
kostet
2 Thlr.
1 Centner Knochenmehl, das man mit 1/2
Schwefelsäure aufschließt, kostet
3 2/5 Thlr.
Hiernach würde das Dämpfen und Zerkleinern der Knochen,
abgesehen von dem großen Vortheile, welchen die gedämpften Knochen durch ihre
schnellere Löslichkeit im Boden dem Landwirthe darbieten, selbst eine weit billigere
Pulverisirungsmethode darstellen, als die gewöhnliche Stampfmethode.
In Deutschland sind zu der älteren Fabrik in Strehla (E.
Schreiber) in neuester Zeit, so weit mir bekannt,
vier Etablissements hinzugetreten, welche sich mit der Fabrication von gedämpftem
Knochenmehl beschäftigen, nämlich in Wien (Fichtner und Söhne) Ohlau (Dr. Schneer), Neustadt-Eberswalde (Gebr. Schickler)
und in Göhren bei Penig in Sachsen (B. Lau). Die aus diesen Etablissements mir zugestellten
Proben stellten in ihren feinsten Nummern insgesammt ein wahres Mehl dar, d.h. sie
waren so fein zermahlen und gesiebt, daß sie ein völlig gleichartiges, mehliges,
zartes Pulver bildeten. In vollkommen getrocknetem Zustande wurden durch die
chemische Untersuchung darin gefunden:
Gallerte- oder Leimtheile.
in dem Wiener Knochenmehl Nr. 1. (feines Mehl)
32,4
„ „ „ Nr.
2. (etwas gröber)
34,3
„ Ohlauer Knochenmehl
Nr. 1. (feines Mehl)
32,2
„ „ „ Nr.
2. (gröbere Körner)
35,5
„ Neust.-Ebersw.
Knochenmehl (feines Mehl)
30,8
„ Göhrener Knochenmehl
Nr. 1. (feines Mehl)
31,0
„
„ „
Nr. 2. (etwas gröber)
31,1
Nach dieser Zusammensetzung übertreffen die untersuchten Sorten von gedämpftem
Knochenmehl sogar manche Sorten des gewöhnlichen rohen Knochenmehls, wie z.B. das
aus alten Leseknochen dargestellte, an Leimgehalt, und es kann keinem Zweifel
unterliegen, daß dem Landwirthe in demselben ein Düngemittel dargeboten wird,
welches an manchen Orten in Deutschland dem Guano, an fast allen aber dem mit
Schwefelsäure aufgeschlossenen Knochenmehl an Billigkeit voranstehen möchte. (Aus
der von Prof. A. Stöckhardt in Tharand herausgegebenen
landwirthschaftlichen Zeitschrift „der chemische
Ackersmann“, 1855, Nr. 1.)