Titel: | Surrogate der Citronensäure und Weinsteinsäure, sowie ihrer Salze, für Färber und Zeugdrucker. |
Fundstelle: | Band 137, Jahrgang 1855, Nr. XLI., S. 144 |
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XLI.
Surrogate der Citronensäure und Weinsteinsäure,
sowie ihrer Salze, für Färber und Zeugdrucker.
Aus der Chemical
Gazette, Decbr. 1854, S. 455.
Ueber Surrogate der Citronensäure und Weinsteinsäure.
Da die Citronensäure und Weinsteinsäure, sowie deren Salze, in der letzten Zeit
bedeutend im Preise gestiegen sind, so hat man in den Färbereien und Zeugdruckereien
mehrere Surrogate derselben zu benutzen angefangen.
I. Gatty's und Kopp's Verfahren. – Dasselbe
(patentirt in England am 14. Decbr. 1853) besteht in der Anwendung von Milchsäure
und ihrer neutralen und sauren Salze, als Surrogate für die Weinsteinsäure und
Citronensäure, sowie deren Salze.Dr. Bolley bemerkt in
seiner Abhandlung „über die Surrogate der Weinsteinsäure zu
Aetzbeizen auf Krappboden“ (polytechn. Journal Bd. CXXXIII S.
50) mit Recht: „Die Milchsäure würde als Ersatzmittel der
Weinsteinsäure gewiß vorzügliche Dienste leisten, wenn es gelänge aus
den vielerlei Wegen zu ihrer Bildung einen hinlänglich fördernden und
wohlfeilen auszufinden.“
A. d. Red.
Wenn die Milchsäure als Reserve benutzt werden soll, so druckt man sie, mit Stärke
etc. verdickt, auf den Zeug auf, welcher dann mit Beizen bedruckt oder geklotzt
wird. Anstatt 1 Maaß Citronensaft von 30° Baumé, nimmt man 4 Maaß
Milchsäure von beiläufig 25° Baumé. Für gewisse Reserven sättigt man
den Citronensaft vorher mit einem Alkali; in solchen Fällen wird die Milchsäure
ebenfalls neutralisirt und in gleicher Weise angewandt.
Will man die Milchsäure als Aetzbeize benutzen, so druckt man sie, in verdicktem
Zustande, auf den gebeizten Zeug, wo sie dann mit der Basis des Beizmittels ein
auflösliches Salz bildet und folglich den Zeug an diesen Stellen äßt.
Die Milchsäure läßt sich auch gerade so wie Citronensäure oder Weinsteinsäure
anwenden, um den Farbstoff des Safflors aus seiner alkalischen Auflösung zu fällen.
Anstatt 3 Pfd. Weinsteinsäure sind 4 Pfd. Milchsäure von beiläufig 25°
Baumé erforderlich.
Beim Färben gewisser Farben (wie Berlinerblau, Scharlachroth, Carmoisin etc.) auf
Seide und Wolle, wendet man allgemein Weinsteinsäure oder Weinstein an. In solchen
Fällen läßt sich auf dieselbe Weise Milchsäure oder zweifach-milchsaures
Natron benutzen; anstatt 1 Pfd. Weinstein ist beiläufig 1 1/4 Pfd.
zweifach-milchsaures Kali oder Natron von 38° Baums erforderlich.
In dem bereits angegebenen Verhältniß ist die Milchsäure auch statt der
Weinsteinsäure zur Darstellung von Dampffarben anwendbar.
Auch für Aetzweiß und Aetzfarben auf Türkischroth, Krapproth etc. läßt sich die
Milchsäure statt der Weinsteinsäure anwenden; nur darf man den Zeug nach dem
Bedrucken nicht lange Zeit im geheizten Rechen hängen lassen, weil die Milchsäure
etwas flüchtig ist, daher ihre Wirkung dadurch vermindert würde.
II. Bellford's Verfahrungsarten. – Dieselben
gründen sich auf die große Aehnlichkeit welche die Weinsteinsäure und Oxalsäure in
ihrer Zusammensetzung haben; jene unterscheidet sich nämlich von dieser nur dadurch,
daß sie weniger Sauerstoff und mehr Wasserstoff enthält; 100 Theile Oxalsäure
bestehen bekanntlich aus 70,689 Th. Sauerstoff, 26,566 Th. Kohlenstoff, und 2,745
Th. Wasserstoff; 100 Th. Weinsteinsäure bestehen hingegen aus 69,321 Th. Sauerstoff,
22,450 Th. Kohlenstoff, und 6,629 Wasserstoff. Berücksichtigt man ferner die
Thatsache, daß der Zucker genau die Quantität Wasserstoff enthält, welche in der
Oxalsäure fehlt, so stellt sich die Möglichkeit heraus, eine „künstliche
Weinsteinsäure“ zu bilden, welche dieselbe Zusammensetzung wie die
aus Weinstein bereitete
hat. Auf diese Principien gründen sich die folgenden zwei Verfahrungsarten.
Erstes Verfahren. – Man versetzt Zucker, oder
Syrup, Melasse etc. mit Salpetersäure nebst etwas Mutterlauge von der
Krystallisation der Oxalsäure. Sobald die Dämpfe von Salpetergas aufgehört haben
sich zu entwickeln, setzt man noch eine Quantität Salpetersäure zu; dann dampft man
die Lösung so weit ab, daß sie beim Erkalten eine krystallinische Masse gibt. Diese
Masse besteht aus kleinen nadelförmigen Krystallen, welche man (zur Gewinnung
künstlicher Weinsteinsäure) zunächst wascht, hernach mit Zucker versetzt, welcher in
einer Quantität des Waschwassers aufgelöst worden ist; die erforderliche Zuckermenge
ist proportional dem Grad von Säuerlichkeit welchen man erzielen will. Die so
erhaltene Flüssigkeit von Syrupconsistenz wird bei gelinder Wärme abgedampft, so daß
sie nicht zu dunkel wird, worauf man sie in einem Local von mäßiger Temperatur der
Krystallisation überläßt.
Zweites Verfahren. – Man nimmt 1 Gewichtstheil
Zucker, oder Syrup, Melasse (überhaupt eine Substanz welche mittelst Salpetersäure
Oxalsäure liefern kann), versetzt sie zuerst mit beiläufig 1/3 Gewichtstheil
Essigsäure und dann mit 3 Gewichtstheilen Salpetersäure von 23° Baumé;
dieses Gemisch liefert eine Oxalsäure (sogenannte Zuckersäure) welche weniger
Wasserstoff als die gewöhnliche Oxalsäure enthält. Nachdem die Lösung zur
Krystallisation gebracht ist, werden die Krystalle gewaschen, aufgelöst und nochmals
zur Krystallisation gebracht. Um diese Oxalsäure in Weinsteinsäure zu verwandeln,
braucht man sie nur mittelst Zucker zu desoxydiren, wozu sich am besten diejenigen
Zuckerarten eignen welche zu Kandis krystallisiren können. Diesen Zucker löst man in
dem Waschwasser auf; andererseits löst man die erhaltene Oxalsäure in Wasser auf.
Die beiden Lösungen werden gemischt und bei gelinder Wärme abgedampft, wo sie dann
bei mäßiger Temperatur Krystalle von „künstlicher
Weinsteinsäure“ liefern.
Die Waschflüssigkeiten, welche man bei diesen Verfahrungsarten erhält, werden durch
Abdampfen hinreichend concentrirt, um sie ebenfalls als Aetzbeizen verwenden zu
können.
III. Murdock's Verfahren. – Surrogat für Weinstein und
für die Mischung von Weinstein mit Alaun, welche man als Beize beim Färben
anzuwenden pflegt. Das Surrogat für Weinsteinsäure besteht aus Kochsalz in
Verbindung mit Salpetersäure; anstatt Alaun wird schwefelsaure Thonerde angewandt.
Man löst 400 Pfd. Kochsalz in 300 Pfd. Wasser auf und setzt dann 20 Pfd.
Salpetersäure zu. Soll die Beize der gebräuchlichen Mischung von Weinstein und Alaun entsprechen,
so setzt man jener Flüssigkeit noch 100 Pfd. schwefelsaure Thonerde unter bloß
schwachem Umrühren nach und nach zu. Sowohl für den Zusatz der Salpetersäure als für
denjenigen des Alauns muß die Flüssigkeit in kaltem Zustande seyn, um die Entbindung
von salpetersaurem und salzsaurem Gas so viel als möglich zu vermeiden.
Der neue Mordant wird in der Färbeflotte ebenso angewandt wie der Weinstein oder das
Gemisch von Weinstein und Alaun.
IV. Gatty's Verfahren. – Derselbe ersetzt die
Weinsteinsäure für Dampffarben und für Aetzbeizen auf Türkischroth etc., mit
gleichem und selbst noch besserem Erfolg als man bisher erzielte, durch Arseniksäure
oder Phosphorsäure.Dr. Bolley hat in der
erwähnten Abhandlung auf die nicht zu bezweifelnde Anwendbarkeit der
Phosphorsäure statt Weinsteinsäure zu Aetzbeizen auf Türkischroth und
anderen Krappböden aufmerksam gemacht. – Gatty ließ sich sein Verfahren am 30. December 1852 für England
patentiren; wir entnahmen dasselbe dem Genié
industriel, Juli 1854, S. 15.A. d. Red. Er bereitet von diesen Mineralsäuren wässerige Auflösungen von 1,85 spec.
Gewicht (67° Baumé); er nennt die eine „flüssige
Arseniksäure“, die andere „flüssige
Phosphorsäure“.
Bei den Dampffarben, besonders denjenigen welche Cyanmetalle enthalten (für Blau und
Grün), kann man die Weinsteinsäure und Oxalsäure durch Arseniksäure oder
Phosphorsäure ersetzen, indem man letztere der vorher verdickten Druckfarbe
beimischt und beim Dämpfen verfährt wie bisher. 1 Pfund Weinsteinsäure kann in den
Dampffarben durch 1 1/4 bis 1 1/2 Pfd. flüssige Arseniksäure oder flüssige
Phosphorsäure ersetzt werden.
Für Aetzweiß und Aetzfarben auf Türkischroth, Krapproth etc. kann man 1 Pfd.
Weinsteinsäure sehr vortheilhaft durch ein gleiches Gewicht flüssiger Arseniksäure
oder flüssiger Phosphorsäure ersetzen.