Titel: | Verfahrungsarten zur Photographie auf mit Eiweiß überzogenem Glase. |
Fundstelle: | Band 137, Jahrgang 1855, Nr. LXX., S. 263 |
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LXX.
Verfahrungsarten zur Photographie auf mit Eiweiß
überzogenem Glase.
Aus dem Cosmos, Revue
encyclopédique, Mai 1855, S. 540.
Verfahrungsarten zur Photographie auf mit Eiweiß überzogenem
Glase.
I. Verfahren des Hrn. Fortier; der
französischen photographischen Gesellschaft am 16. Februar d. J. mitgetheilt.
Zubereitung des Eiweißes. – Man gießt das aus der
Schale genommene Eierweiß in ein Cylinderglas und setzt auf 100 Kubikcentimeter
desselben 1 Gramm gewöhnliches Jodkalium zu, jedoch aus einer Flasche, in welche man
einige Grane Jod gegeben hat, damit letzteres in Ueberschuß blieb. Man vermeidet so
die mißlichen schwarzen Punkte auf den Lichtbildern. Dann gießt man das Eierweiß in
eine Tasse aus, und schlägt es zu Schnee; nach Verlauf von 24 Stunden wird sich die
zur Anwendung taugliche Flüssigkeit am Boden der Tasse abgesetzt haben.
Reinigen der Glastafeln. – Man macht Schlemmkreide
mit Wasser zu einem so festen Teig, daß er nicht lauft; mit diesem überzieht man die
Glastafel und läßt sie trocknen; dann reinigt man sie mit Leinwand oder Seidenpapier
vollständig von der Kreide.
Ueberziehen des Glases mit Eiweiß. – Man
verschafft sich vier kleine Instrumente: zwei Pipetten, einen Glasspatel und einen
kleinen Punzen mit scharfer Spitze. Man legt das Glas auf eine geneigte Fläche, aber
unter das Glas ein weißes Papier, damit man sieht, was man thut. Man beseitigt mit
einem Dachshaarpinsel die Staubatome welche nach der Reinigung auf dem Glase
zurückblieben; dann nimmt man die Pipette Nr. 1 und saugt zwei Drittel ihrer Röhre mit dem präparirten
Eiweiß an. Es wird keine einzige Blase entstehen. Man fährt nun mit der Pipette aus
dem Glase hin, um es zu überziehen, oben anfangend, von der Linken zur Rechten, und
so fort, bis drei Viertel der Glastafel überzogen sind; das unter dem Glase
angebrachte weiße Papier gestattet die Operation genau zu verfolgen, nämlich zu
sehen was überzogen ist und was es nicht ist. Dann überzieht man mittelst des
Glasspatels die Glastafel vollends mit dem schon aufgetragenen Eiweiß. Wenn man eine
kaum wahrnehmbare Blase oder irgend eine Unreinigkeit bemerkt, so beseitigt man sie
mittelst des mit einer Nadel versehenen Punzens. Am Ende der Operation wird das
Eiweiß einen Wulst unten am Glase gebildet haben. Man nimmt alsdann die Pipette Nr.
2 (die Pipette Nr. 1 darf man nicht mehr nehmen, weil man sonst unvermeidlich Blasen
erhielte), saugt das überschüssige Eiweiß an, welches den Wulst bildet, und die
Operation ist beendigt. Man braucht nun bloß noch die Glastafel auf eine vollkommen
horizontale Fläche zu legen und sie in einem Schrank oder an einem sonstigen gegen
Staub geschützten Ort trocknen zu lassen.
Man kann in einem passenden Gestell mehrere Glastafeln über einander legen, nur muß
die Entfernung einer Tafel von der andern 5 Centimeter betragen, wenn sie 27
Centimeter lang und 21 breit sind; für Glastafeln von doppelter Größe muß die
Entfernung das Doppelte seyn. Der Ort wo die Glastafeln trocknen, darf höchstens
eine Temperatur von 18° C. (14° R.) haben, wo dann die Glastafel in
zwölf Stunden trocknet. Man kann sie Abends präpariren und am andern Morgen
anwenden.
Empfindlichmachen der Platte. – Man bereitet
folgendes Bad: destillirtes Wasser, 100 Gramme; salpetersaures Silber, 10 Gramme;
Essigsäure, 10 Gramme.
Man verfahre wie für das Collodium. Die mit Eiweiß überzogene Glastafel muß eine
Minute in dem Bad bleiben. Man legt sie dann in eine mit destillirtem Wasser
gefüllte Schale, worin man sie läßt, bis man eine andere Glastafel mit dem
salpetersauren Silber behandelt hat. Hernach legt man sie auf einen Fuß und wascht
sie mit destillirtem Wasser. Die mit dem Silbersalz behandelten Glastafeln kann man
im Sommer 15 Tage lang aufbewahren; um sie länger aufzubewahren, legt man sie so auf
einander, daß sich die mit Eiweiß überzogenen Flächen berühren, und leimt ein
Papierblatt auf die Seiten, um die Einwirkung der Luft zu verhüten.
Exponiren in der camera obscura
– Die Exposition im Sonnenlicht wird so berechnet, daß sie per Zoll Brennweite des Objectivs eine Minute beträgt; wenn man im
Schatten operirt, muß sie wenigstens zweimal so lang dauern.
Hervorrufen des Bildes. – Man gießt auf die
Glastafel eine concentrirte Gallussäurelösung. Sobald das Bild erschein!, läßt man
diese Lösung rasch ablaufen und gießt eine neue Gallussäurelösung auf, welche ein
wenig salpetersaures Silber, aber keine Essigsäure enthält, und das Bild ist in
einer halben Stunde hervorgerufen, wenn die. Expositionszeit gehörig berechnet
wurde; sollte die Exposition nicht lange genug gedauert haben, so kommt das Bild
dennoch zum Vorschein, aber anstatt einer halben Stunde sind manchmal 12 bis 15
Stunden zu seinem vollständigen Hervortreten erforderlich. Man wascht mit
gewöhnlichem Wasser, bevor man das Bild fixirt.
Fixiren des Bildes. – Dazu genügt es, das Bild mit
einer Lösung von 10 Grammen unterschwefligsaurem Natron in 100 Grammen Wasser zu
waschen.
II. Verfahren des Hrn. Negretti, der
photographischen Gesellschaft zu London am 1. März mitgetheilt.
Man setzt dem Eierweiß 1 Procent von Jodammonium und Jodkalium zu, nebst 20 Procent
destillirtem Wasser. Man muß das Jodür und das destillirte Wasser vermischen, bevor
man sie in das Eiweiß gießt. Hernach schlägt man das Eiweiß mit einer Gabel, bis ein
sehr dicker und sehr zusammenhängender Schaum entsteht, welcher als Ganzes beseitigt
werden kann; um dieses zu erzielen, muß man beiläufig eine Viertelstunde schlagen.
Man breitet das Eiweiß auf der Glastafel gerade so wie das Collodium aus, indem man
mit einem kleinen Glasstab nachhilft und mittelst der ausgezogenen Spitze eines
Kameelhaarpinsels den Staub beseitigt welcher etwa auf die Platte und die Blasen
fällt; man läßt dann die Platten, damit sie ganz horizontal sind, in einem Rahmen
mit vollkommen parallelen Nuthen trocknen.
Das Bad zum Empfindlichmachen besteht aus 10 Theilen salpetersaurem Silber, 10
Theilen Essigsäure und 100 Theilen Wasser.
Man gießt die Lösung in eine Fläche Schale, als etwa 1 Zoll dicke Schicht; man stellt
die Schale auf einer Seite etwas höher; man bringt die Glasplatte, die Eiweißschicht
nach oben gerichtet, in den oberen oder leeren Theil der Schale und senkt sie dann
durch eine geschickte und rasche Bewegung horizontal so in das Bad, daß die
Flüssigkeit vom unteren Rand der Platte aufsteigend, schnell und gleichförmig über
deren Oberfläche weglauft. Man läßt die Platte beiläufig vierzig Secunden in dem Bad, indem man sie
zeitweise mittelst eines Silberdrahts, welcher am einen Ende rechtwinkelig umgebogen
ist, aufhebt, um das Bad in Bewegung zu versetzen. Wenn die Platte aus dem Bad
genommen wird, muß sie eine sehr gleichförmige, schwach blaue Farbe besitzen; man
wascht sie sogleich auf beiden Seiten mit destillirtem Wasser, so daß jede Spur von
freiem essig-salpetersaurem Silber verschwindet, dessen Gegenwart unfehlbar
schwarze Flecken verursachen würde; behufs eines vollkommenen Waschens muß das
Wasser ungezwungen über die ganze Fläche laufen. Die gewaschene Glastafel legt man
in einer weiten Schachtel auf Fließpapier, um sie besser zu trocknen; sie ist dann
für den Gebrauch bereit. Die Expositions-Zeit hängt von der Art und der
Beleuchtung des Gegenstandes ab, so wie von der Brennweite des Objectivs; sie
variirt von 4 bis 35 Minuten.
Um das Bild zu entwickeln, muß man einerseits eine gesättigte Gallussäurelösung,
andererseits eine Lösung von 2 Theilen salpetersauren Silbers in 100 Theilen
destillirtem Wasser zur Hand haben; man erwärmt die Gallussäure auf beiläufig
22° Reaumur, und gießt sie auf die horizontale Platte; man verbreitet sie
rasch mit Beihülfe eines ganz reinen und sehr weichen Pinsels von einem Zoll Länge.
Nachdem die Gallussäure eine oder zwei Minuten auf der Platte verweilt hat, gießt
man einen Theil derselben ab, ersetzt sie durch eine kleine Menge der Silberlösung
und mischt sogleich mit Hülfe des Pinsels die zwei Lösungen auf der Platte zusammen,
damit fast augenblicklich gallus-salpetersaures Silberoxyd gebildet wird: das
Bild fangt bald an zu erscheinen. Wenn man, nach einer sehr kurzen Zeit, findet, daß
es sich nicht genug entwickelt, so läßt man die gemischte Lösung von der Platte
ablaufen, gießt eine neue Quantität warmer Gallussäure auf, setzt wieder
salpetersaures Silber hinzu, u.s.w., und wiederholt diese Operation noch öfter, bis
das Bild vollständig entwickelt ist. Durch die stets erneuerten Bäder erhält man
endlich ein vortreffliches Bild, selbst wenn die Expositions-Zeit zu kurz war
und wenn jedes andere Verfahren erfolglos geblieben wäre. Diese Methode gewährt noch
den Vortheil, daß man die Entwickelung des Bildes in mehreren Operationen vornehmen
kann; wenn man zufällig nicht die erforderliche Zeit aufwenden kann, so gießt man
die auf der Platte befindliche Lösung von derselben ab, und bringt die Platte an
einen dunkeln Ort, um die Operation nach mehreren Tagen oder erst nach einer Woche
wieder aufzunehmen.
Während Hr. Negretti sein Verfahren beschrieb, führte er
es vor den versammelten Mitgliedern der photographischen Gesellschaft auf einer Glasplatte von 9 Zoll
Länge und 7 Zoll Breite aus; in zehn Minuten hatte er ein Bild entwickelt, dessen
Lichter und Schatten nichts zu wünschen übrig ließen; bisweilen wird man eine halbe
Stunde Zeit brauchen, aber nie über drei Viertelstunden.
Nachdem das Bild entwickelt ist, wascht man es und fixirt es mit unterschwefligsaurem
Natron, wie man für ein negatives Collodium-Bild verfährt, nur darf man keine
Cyanverbindungen anwenden, welche das Eiweiß zerstören würden.
Auf Glasplatten welche für positive Bilder bestimmt sind, muß die Eiweißschicht viel
schwächer seyn, was man bewerkstelligt, indem man die Platte nach dem Aufgießen des
Eiweißes rascher und längere Zeit sich drehen läßt. Die positiven Bilder müssen
überdies so rasch als möglich entwickelt werden; um die Entwickelung zu
beschleunigen, darf man jedoch keine stärkere Lösung von salpetersaurem Silber
anwenden, welche das Bild verderben würde; erfolgt die Entwickelung des positiven
Bildes zu langsam, so bleibt auf der Oberfläche des Bildes ein metallischer
Niederschlag zurück, wodurch es seine Durchsichtigkeit verliert und ein unangenehmes
Ansehen erhält.
Der ausgezeichnete Photograph Hr. Mayall zu London,
welcher in der Sitzung anwesend war, erklärte das Verfahren, wornach Hr. Negretti das Bild entwickelt, für das beste ihm bis jetzt
bekannt gewordene; er empfahl aber, bei der beschriebenen Methode, eine von ihm
vorgeschlagene Verbesserung zu benutzen, wornach die Platte auf ihrer Oberfläche mit
einem Ueberschuß von Jod überzogen seyn soll, ehe man sie in das Bad von
salpetersaurem Silber taucht. Auch hält er den Zusatz einer kleinen Menge
Gallussäure zum empfindlichmachenden Bad für sehr vortheilhaft, weil derselbe ihm
gestattete die Expositions-Zeit beträchtlich zu vermindern, Bilder in dreißig
Secunden mit einem Objectiv von einem Zoll Oeffnung zu erhalten und sehr gute
stereoskopische Porträte auf Eiweiß darzustellen.
III. Verfahren die Glasplatten mit
Eiweiß zu überziehen; von Hrn. James Roß.
Hr. J. Roß, ein ausgezeichneter Photograph in Edinburgh,
theilt im Art Journal ein sehr einfaches Verfahren mit,
das Eiweiß auf den Glasplatten zu verbreiten:
Man hält die gut gereinigte Glasplatte einige Secunden lang über den Dampf, welcher
von einem mit kochendem Wasser gefüllten Gefäß aufsteigt; während die Platte noch
feucht ist, gießt man auf dieselbe Eiweiß in hinreichender Menge oder auch in
Ueberschuß; es fließt dann auf der Platte mit einer sehr großen Leichtigkeit und
verbreitet sich auf derselben sehr gleichförmig, so groß sie seyn mag. Man hat nun
bloß noch die Platte mit einiger Sorgfalt zu trocknen, indem man sie vor dem Feuer
um sich selbst drehen läßt, womit Alles beendigt ist. Auf diese Weise kann man die
Glastafeln mit Eiweiß eben so schnell und sogar noch sicherer überziehen, als mit
Collodium.