Titel: | Ueber den hydraulischen Kalk, die künstlichen Steine und über verschiedene neue Anwendungen der auflöslichen kieselsauren Alkalien; von Hrn. Fr. Kuhlmann. |
Fundstelle: | Band 137, Jahrgang 1855, Nr. XCII., S. 358 |
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XCII.
Ueber den hydraulischen Kalk, die künstlichen
Steine und über verschiedene neue Anwendungen der auflöslichen kieselsauren Alkalien;
von Hrn. Fr. Kuhlmann.
Aus den Comptes
rendus, August 1855, Nr. 6.
Kuhlmann, über den hydraulischen Kalk, die künstlichen Steine und
über verschiedene neue Anwendungen der auflöslichen kieselsauren Alkalien.
Zweiter Theil.
Malerei mit kieselsaurem Alkali (peintures siliceuses). – Als sich bei meinen ersten Arbeiten über
die Verkieselung der Steine die große Verwandtschaft des Kalks zur Kieselerde
herausstellte, veranlaßte mich dieß die Wirkung dieser Basis auf die schwachen
Säuren oder auf die Oxyde welche die Rolle einer Säure spielen können, zu
untersuchen, wobei ich fand, daß der Kalk die Thonerde aus dem Thonerde-Kali,
das Zinnoxyd aus dem zinnsauren Kali, das Zinkoxyd aus seiner Auflösung in Ammoniak,
und das Kupferoxyd ebenfalls aus seiner ammoniakalischen Lösung abscheidet.
Seit dieser Zeit (1841) erhielt ich mit dem an der Luft zerfallenen gebrannten Kalk
und Auflösungen von schwefelsaurer Thonerde sowie anderer schwefelsauren Metalloxyde
Verbindungen, welche, wie ich später gefunden habe, sich auch bilden, wenn man diese
Lösungen mit kohlensaurem Kalk und anderen kohlensauren Salzen erhitzt. Nachdem ich
einmal gefunden hatte, daß der gebrannte Kalk die Kieselerde den aufgelösten
kieselsauren Alkalien entzieht, entdeckte ich bald, daß auch der kohlensaure Kalk
diese Eigenschaft besitzt.
Ich gehe nun auf eine andere Vervollständigung meiner früheren Untersuchungen über
die löslichen Silicate über.
Ich sagte in meiner im J. 1841 erschienenen Abhandlung:Polytechn. Journal Bd. CVI S. 432.
„so oft man ein unauflösliches Salz in Berührung mit der Auflösung eines
Salzes bringt, dessen Säure mit der Basis des unauflöslichen Salzes ein noch
unauflöslicheres Salz bilden kann, findet ein Austausch statt; meistens ist
dieser Austausch aber nur ein theilweiser, weßhalb man annehmen kann, daß sich
Doppelsalze bilden.“
Durch directe Anwendung dieses Gesetzes gelangte ich dahin, das Bleiweiß, das
chromsaure Blei, den chromsauren Kalk und die meisten kohlensauren Metalloxyde
gewissermaßen zu verkieseln. Andere Versuche stellte ich mit Oxyden, namentlich mit
Bleioxyd, an.
Nachdem meine Untersuchungen an diesem Punkt angelangt waren, war ich natürlich
veranlaßt, sie auf die Anwendung der Alkali-Silicate zur Malerei
auszudehnen.
Als ich früher die Resultate meiner Untersuchungen über den hydraulischen Kalk
mittheilte, ermangelte ich nicht den Arbeiten von Vicat
die gerechte Anerkennung zu zollen; jetzt, wo ich die Ergebnisse meiner neuen
Untersuchungen vorlege, mache ich gern auf die Wichtigkeit der Arbeiten von Fuchs
aufmerksam. Die Anwendungen, welche dieser geschickte bayerische Professor von dem
kieselsauren Kali oder Natron (Wasserglas) beim Wiederaufbauen des Theaters zu
München machte, damit die Gewebe unverbrennlich werden, haben hinsichtlich der
Fixirung der Farben einen Weg eröffnet, welchen Andere, namentlich Schlotthauer
Der Verfasser schreibt in Folge eines offenbaren Versehens
„Dingler“ statt Prof. Schlotthauer. Indem wir uns auf die Abhandlung des Hrn. Prof. M.
Pettenkofer über die Fuchs'sche Stereochromie (Wandmalerei) im polytechn. Journal,
1849, Bd. CXIII S. 217 beziehen, können wir uns hier darauf beschränken zu
bemerken, daß Hr. v. Kaulbach gerade dadurch, daß
er sich nur von der ursprünglichen Idee von Fuchs
leiten ließ, die Stereochromie auf ihren gegenwärtigen Standpunkt
erhob, wovon seine riesigen Wandgemälde im Berliner neuen Museum Zeugniß
geben, von welchen das Bild „Babel“ schon im Herbst
1848 vollendet wurde.A. d. Red. und Kaulbach unter verschiedenen Gesichtspunkten
betraten – einen Weg, welchen ich durch diese Arbeit den Chemikern und
Künstlern noch zu erweitern bezwecke (!).
Durch eine vergleichende Untersuchung der speciellen Eigenschaften einer großen
Anzahl von Körpern welche sich zur Malerei mittelst Verkieselung eignen, suchte ich
die Grundsätze dieser Art von Malerei festzustellen, sowie ich früher hinsichtlich
der Verkieselung der Steine (überhaupt hinsichtlich der Durchdringung jeder
organischen oder unorganischen Substanz mit Kieselerde) eine bestimmte Ansicht der
Chemiker herbeizuführen bemüht war.
Malerei auf Stein. – Meine ersten Versuche hatten
zum Zweck, Farben, insbesondere Mineralfarben, mit dem Pinsel auf Steine
aufzutragen, indem man das fixe Oel und die ätherischen Oele durch concentrirte
Auflösungen von kieselsaurem Kali ersetzt.
Wenn man behufs dieser Malerei das Bleiweiß oder das Zinkoxyd mit der Auflösung von
kieselsaurem Kali anreibt, so verwandelt sich bei der Berührung das Bleiweiß oder
Zinkoxyd fast augenblicklich in Silicat; es bleibt daher nicht die erforderliche
Zeit, um die neue Farbe vor der eintretenden Veränderung mit dem Pinsel auftragen zu
können. Man muß folglich dem Bleiweiß, oder dem Zinkoxyd (welches bessere Resultate
gibt) eine beträchtliche Menge künstlichen schwefelsauren Baryt zusetzen, auf
welchen das kieselsaure Alkali nur langsam einwirkt. Das Malen ginge am leichtesten,
wenn man als weißen Grund nur den künstlichen schwefelsauren Baryt anwenden würde,
welcher sich mit der Kieselerdelösung vollkommen verkörpert und sich mit derselben
sogar chemisch zu verbinden scheint; dabei entstände aber eine
halb-durchsichtige Farbe, eine Farbe welche, nach dem Ausdruck der Maler,
wenig deckt; deßhalb ist es zweckmäßig und vortheilhaft, Gemenge von Zinkoxyd oder
Bleiweiß mit dem erwähnten Barytsalz anzuwenden.
Ich betrachte die Anwendung des künstlichen schwefelsauren Baryts bei dieser Malerei
als eines der wichtigsten Resultate meiner Untersuchungen; dieses Barytsalz ist eine
weiße Basis, welche wenig kostet und das Auftragen der Farben im Allgemeinen
mittelst des Pinsels sehr erleichtert.
Geht man von den weißen Basen zu den verschiedenen gefärbten Mineralsubstanzen über,
so zeigen sich analoge Reactionen. Es gibt Farben welche gewissermaßen zu trocknend
sind, andere gehen hingegen zu langsam in den festen Zustand über, je nachdem sich
die Kieselsäure mehr oder weniger innig und mehr oder weniger rasch mit der
gefärbten Basis chemisch verbindet; die entstehenden Verbindungen halten meistens
eine gewisse Menge Kali hartnäckig zurück. Die Farben welche mir die besten
Resultate gaben, sind der Zinnober, das blaue und grüne Ultramarin, das
Schwefelcadmium, die Manganoxyde, die Ockersorten, das Chromoxyd etc.
Um die wenig trocknenden Farben zur Malerei geeignet zu machen, vermengt man sie mit
trocknenderen Farben, oder setzt ihnen sehr trocknende weiße Basen zu.
Wenn die Farbe mit einer concentrirten Lösung von kieselsaurem Kali angerieben worden
ist, so läßt sich mit derselben auf verkieselten Steinen viel besser malen als auf
nicht verkieselten, denn letztere haben ein solches Absorptionsvermögen, daß die
Farbe zu viel von der ihr als Bindemittel dienenden Kieselerde verliert. Wenn man
nach diesem Verfahren auf Steine malt, welche nicht mit Kieselerde gesättigt worden
sind (nämlich dadurch, daß man sie mehrmals mit kieselsaurem Kali tränkte und
nachher jedesmal der Luft aussetzte), so sollte man die zu bemalenden Flächen
wenigstens einmal tränken, indem man die Steine einfach mit einer schwachen
Auflösung von kieselsaurem Kali begießt.
Wenn die herzustellenden Malereien nicht viel kosten dürfen, so bemalt man einfach
die Mauern mit Farben welche mit Wasser angerieben sind (wie für die Frescomalerei)
und schreitet dann zur Verkieselung der Oberfläche. Seit einigen Jahren pflegt man
in Deutschland – in Folge der veröffentlichten Arbeiten (publications) von Fuchs und
von mir (!) – die Mauern auf die Art zu
verkieseln, daß man sie mit einer Auflösung von kieselsaurem Natron mittelst
tragbarer Pumpen oder Spritzen begießt, wobei der Strahl der Flüssigkeit in
Regenform zertheilt wird, weil sie gezwungen ist durch eine mit zahlreichen kleinen
Löchern versehene Scheibe zu dringen. Andere in München gebräuchliche Spritzen sind
so eingerichtet, daß sie den Strahl durch das gleichzeitige Austreiben von
Kieselerdelösung und Luft zertheilen.
Malerei auf Holz – Beim Malen auf Holz zeigen sich
Schwierigkeiten anderer Art. Während nämlich die Oberfläche der Steine, auf welche
man malt, unveränderlich bleibt, bekommt diejenige des Holzes in Folge seiner
Befeuchtung durch das Wasser welches der Farbe als Vehikel dient, leicht Risse,
daher auf manchem Holz die Farben nur schwer gut haftend gemacht werden können.
Die bloße Berührung der alkalischen Lösung ändert auch das physische Ansehen des
Holzes; meistens wird es bräunlich, daher z.B. junges Eichenholz die Nüance des
alten bekommt. Die geeignetsten Hölzer zur Malerei mit kieselsaurem Alkali sind
diejenigen mit weißem und dichtem Gewebe, wie das Eschen- und
Weißbuchenholz.
Ein anderer Uebelstand zeigt sich noch, wenn die Farben und der kieselerdehaltige
Ueberzug, welcher den Firniß bildet, zu dick sind, wo dann die Malerei Risse
bekommt; dieser Umstand kommt übrigens auch bei der gewöhnlichen Malerei vor, wenn
die Farben zu dick aufgetragen werden und zu schnell trocknen.
Malerei auf Metalle, auf Glas, Porzellan etc. –
Die mit kieselsaurem Alkali angerührten Farben haften sehr stark auf den Metallen,
wenn man nur besorgt
ist, daß dieselben während einiger Zeit nicht mit Wasser in Berührung kommen;
deßgleichen haften sie sehr fest auf Glas und auf Porzellan. Bei dem Malen auf Glas
bekommen diese Farben eine Halbdurchsichtigkeit, welche sie zu Kirchenfenstern zu
benutzen gestattet; da diese Malerei zu einem sehr niedrigen Preis ausgeführt werden
kann, so läßt sich davon eine ausgedehnte Anwendung bei der Verzierung der Wohnungen
machen.
Wird künstlicher schwefelsaurer Baryt mittelst kieselsauren Kalis auf Glas
aufgetragen, so ertheilt er letzterm eine sehr schöne milchweiße Farbe; das
Barytsalz verkörpert sich innig mit der Kieselerde; nachdem die Farbe einige Tage in
Ruhe gelassen wurde, kann ihr das kieselsaure Kali selbst durch Waschen mit warmem
Wasser nicht mehr entzogen werden. Wenn man das so bemalte Glas einer hohen
Temperatur aussetzt, so entsteht auf seiner Oberfläche ein schönes weißes Email. Das
Ultramarinblau, das Chromoxyd, feingepulvertes gefärbtes Email, lassen sich bei
dieser neuen Malerei vortheilhaft benutzen; wenn auch nicht bei allen diesen Farben
eine chemische Verbindung eintritt, so erfolgt doch eine sehr starke Adhärenz,
welche durch das kieselerdehaltige Bindemittel veranlaßt wird, dessen Erhärtung ohne
Zweifel durch die außerordentliche Zertheilung erleichtert wird, womit es sich der
Einwirkung der Luft darbietet. So erhalte ich mit Schmirgel, Eisenglanz, und
hauptsächlich mit Mangansuperoxyd (Graubraunsteinerz), indem ich sie als sehr feines
Pulver einer concentrirten Auflösung von kieselsaurem Kali einverleibe, Kitte welche
eine außerordentliche Härte erlangen und der Einwirkung der Wärme widerstehen ohne
ihren Zusammenhang zu verlieren, die aber den Fehler haben, daß sie erst nach langer
Zeit im Wasser gänzlich unauflöslich werden. Der Kitt mit Mangansuperoxyd, in dünnen
Schichten auf Eisen aufgetragen, verglast sich auf demselben in hoher
Temperatur.
Druck auf Papier, Zeuge etc.; Typographie; Schreibtinte.
– Ich habe die kieselsauren Alkalien auch zum Druck der Papiertapeten, der
Zeuge, zum typographischen Druck, zur Vergoldung etc. anzuwenden gesucht, was mir
nach Ueberwindung einiger praktischen Schwierigkeiten vollkommen gelang. Meine
Verfahrungsarten unterscheiden sich sehr wenig von den bei den verschiedenen
Druckarten gebräuchlichen; eine Hauptbedingung ist, daß man die mit kieselsaurem
Alkali gemischten Farben während des Auftragens in einem stets gleichförmigen
Feuchtigkeitszustand erhält, man mag sie nun mit Holz- oder Metallformen oder
mit Buchdruckerlettern aufdrucken.
Alle Farben welche ich zum Bemalen von Stein, Holz, Metallen und Glas angewandt habe,
lassen sich auch zum Papier- und Zeugdruck benutzen; der farbige
Letterndruck, das Aufdrucken von Blattgold und Blattsilber oder Bronzepulver bieten
gar keine Schwierigkeiten dar, nur darf für gewisse Farben das anzuwendende
kieselsaure Alkali kein Schwefelmetall enthalten. Das kieselsaure Kali gestattet auf
den Zeugen das Ultramarin besser und wohlfeiler zu befestigen, als nach den
gebräuchlichen Methoden.
Indem ich die zertheilte Kohle, welche zur Darstellung der Tusche benutzt wird, mit
einer Auflösung von kieselsaurem Kali anreibe, erhalte ich eine Schreibtinte, welche
durch die chemischen Agentien fast gar nicht zerstört wird. Man kann eine analoge
Tinte erhalten, wenn man Leder mit Aetzkali bis zur Zersetzung erhitzt (Braconnot's Tinte), und der so entstandenen kohligen und
alkalischen Masse gallertartige Kieselerde zusetzt um das Kali zu sättigen. –
Vermischt man einen Cochenille-Absud mit einer Auflösung von kieselsaurem
Kali, so erhält man eine rothe Tinte, deren Farbe lange gegen die Wirkung des Chlors
und der Säuren geschützt bleibt.