Titel: | Der pneumatische Apparat um große eiserne Cylinder in das Bett des Flusses Medway zu senken, welche als feste Grundlage für den Oberbau der Brücke bei Rochester in England dienen. |
Autor: | P. A. |
Fundstelle: | Band 138, Jahrgang 1855, Nr. I., S. 2 |
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I.
Der pneumatische Apparat um große eiserne
Cylinder in das Bett des Flusses Medway zu senken, welche als feste Grundlage für den
Oberbau der Brücke bei Rochester in England dienen.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Pneumatischer Apparat um große eiserne Cylinder in das Bett eines
Flusses zu senken.
Ich theile im Nachfolgenden eine Beschreibung unseres pneumatischen Apparates mit, so
wie wir denselben jetzt gebrauchen, um zu Nochester (beiläufig die halbe Entfernung
zwischen London und Dover) große eiserne Cylinder ins Bett des Flusses Medway zu
senken, damit diese Cylinder dann eine solide und feste Grundlage für den Oberbau
einer 800 Fuß langen Brücke ausmachen können, deren mittlerer Bogen 170 Fuß, die
äußeren Bogen 140 Fuß betragen werden.
Nachdem bestimmt war, daß jene Brücke für die Ost-Kent-Eisenbahn gebaut
werden soll, wurde natürlicherweise die Beschaffenheit des Bodens untersucht, und es
stellte sich heraus, daß das erste Lager oder das eigentliche Bett des Flusses aus
braunem Lehm besteht; dann folgt ein dünnes Lager von 2 Fuß Dicke, aus Kieselsteinen
bestehend; hierauf wieder 20 Fuß tiefer Lehm mit Steinen vermengt; nach diesem
folgen 18–20 Fuß Kreide; und dann ein mächtiges Lager von compactem Kiesel
und Flintsteinen. Letzteres Lager wird nun als eine sehr feste Grundlage betrachtet,
denn die ganze Masse ist so compact, daß es den Arbeitern eben so schwer fällt in
diesem Lager zu arbeiten, als wenn es ein Felsen wäre. Unser niederer Ausgangspunkt
liegt also 40 Fuß unter dem Bette des Flusses, und es wurde die Frage aufgeworfen,
wie jenes Lager am besten in Anwendung zu bringen sey; hölzerne Pfähle wurde man
kaum lang genug erhalten können, um bis zum Kiesel hinabzureichen, und würden wir sie in den Lehm
hineingetrieben haben, ohne den Kiesel zu erreichen, so hätten wir einerseits nur
eine unvollkommene Grundlage erhalten, und andererseits den natürlichen Vortheil,
welchen das Kiesellager uns bot, nicht benutzt. Es wurde daher beschlossen, eiserne
Cylinder anzuwenden; von diesen brauchen wir nur immer einen auf den andern zu
schrauben, um ein Röhrenstück von beliebiger Länge herzustellen. Diese lange
Cylinderreihe muß dann senkrecht in die Erde getrieben werden, und nachdem das
untere Ende das Kiesellager erreicht hat, wissen wir, daß kein Druck im Stande seyn
wird diese Cylinder tiefer zu treiben, und sind überzeugt, daß wir eine gesunde und
starke Grundlage für den Oberbau besitzen.
Nun entstand die Frage, auf welche Art sind die Cylinder bis zum Kieselboden
hinunterzubringen? Dieselben haben 7 Fuß im Durchmesser, sind 9 Fuß lang und 1 Zoll
dick gegossen, wiegen daher wenigstens 100 Centner, und sind also schwer genug, um
großartige Hülfsbauten mit schweren Laufkrahnen nothwendig zu machen.
An Stellen wo das Wasser nicht sehr tief ist, setzen wir erst einen Cylinder auf den
gewöhnlichen unvorbereiteten Boden, holen dann sogleich einen zweiten Cylinder, und
schrauben ihn vermittelst Bolzen auf den ersten. Dieß muß so schnell wie möglich
geschehen, damit das Wasser nicht über die Flansche steigt, was hier leicht
geschieht, weil wir in je 6 Stunden 4 Fuß Differenz im Niveau des Flusses haben. Auf
den zweiten Cylinder können wir nun einen dritten und vierten schrauben. Wenn diese
Säulenreihe auf dem festen Lande stände, so könnte ein Mann, mit Spaten und Hacke
versehen, vermittelst Leitern in diese Cylinder hinuntersteigen, die innere Erde
ausgraben, und so die Cylinder, welche dem Gräber vermittelst ihrer großen Schwere
immer folgen würden, nach und nach bis zur beliebigen Tiefe hinuntergraben. –
Unser Boden ist aber nicht trocken, wir haben vom Anfang 10 oder 20 Fuß tiefes
Wasser in den Cylindern stehen, und um unter diesen Umständen die innere Erde aus
den Cylindern graben zu können, wenden wir daher einen pneumatischen Apparat
folgendermaßen an:
Wir schließen zuerst den obersten Cylinder vermittelst eines gußeisernen Deckels ganz
luftdicht; der Deckel hat ein Ansatzrohr, welches mit einem Gebläse in Verbindung
steht. Dieses Gebläse muß aus einem Druckwerke bestehen, so daß wir im Stande sind
Luft von hohem Druck in die Cylinder zu blasen; sobald dieß geschieht, verläßt das
Wasser unter der untern Kante den Cylinder, und nach kurzer Zeit haben wir alles
Wasser hinausgetrieben, und der Boden ist so trocken, daß das Ausgraben sofort beginnen kann. Dieß ist
das einfache Princip unseres pneumatischen Apparates.
Nun stellen sich aber praktische Schwierigkeiten ein, deren vollkommene Lösung der
allerletzten Zeit angehört. Wie können die Arbeiter in den Cylinder hineinkommen,
wenn er verschlossen ist, und wie kann die ausgegrabene Erde hinweggeschafft werden?
Wollte man die Erde aus den Mindern hinausheben, so würde der Luftdruck aufhören und
das Wasser sogleich wieder steigen, dabei die Arbeiter aber Gefahr laufen zu
ertrinken. Der gebräuchliche Apparat ist daher so eingerichtet, daß die Arbeiter in
die Cylinder hineingehen können, während hoher Luftdruck in denselben vorhanden ist,
ohne daß derselbe aufgehoben wird.
Wir erinnern, daß die ganze Cylinderreihe mit einem Deckel verschlossen ist; denken
wir uns nun in der Mitte dieses Deckels ein rundes Loch, so groß daß es einen Mann
durchlassen kann, so läßt sich dieses Loch mit einer Klappe an der untern Seite
verschließen, denn je stärker der Luftdruck in der Cylinderreihe ist, desto stärker
wird auch die Klappe an den Deckel angedrückt werden, und desto sicherer verhindert
folglich die Klappe den Ausfluß der comprimirten Luft. Unter der Klappe, also im
Cylinder, haben wir nun ein ganz kleines Zimmer a, Fig. 6, nur so
groß, daß ein Mann sich darin befinden kann, und mit einer Thür b versehen, so daß man nach Belieben vom Zimmer in den
innern Raum der Cylindersäule hineingehen, oder umgekehrt vom Cylinder ins Zimmer
gelangen kann. Dieses Zimmer hat den Zweck, den Ausfluß der comprimirten Luft
dadurch zu verhindern, daß man stets eine der beiden Oeffnungen im Zimmer
verschlossen halten kann; wenn man durch die Klappe c
ins Zimmer hinuntersteigt, so ist die Thür b
geschlossen, und wenn man vom Zimmer in den innern Raum der Cylindersäule geht, dann
ist die Klappe c verschlossen.
Um also von der äußern Luft in die comprimirte Luft der Cylindersäule hineinzugehen,
ist es nicht vonnöthen die comprimirte Luft erst entschlüpfen zu lassen, sondern wir
können durch Hülfe des kleinen Zimmers den Luftdruck in dem Cylinder behalten, doch
verlieren wir jedesmal ein Volumen comprimirter Luft, so groß wie das Volumen des
Zimmers; deßhalb ist es vortheilhaft, das Zimmer so klein wie möglich zu machen.
Ich gehe nun auf die Mittel über, um das Wasser aus den Cylindern hinauszutreiben.
Wenn wir keinen Ausgang für das Wasser hätten, so würde der stärkste Druck uns
nichts helfen. Wir bohren also im Deckel ein zweites Loch von 6 Zoll Durchmesser,
und sind dadurch im Stande eine Röhre f von Eisenblech
bis zum Boden hinabzusenken. Vermittelst des Druckes der comprimirten Luft wird das Wasser in
dieser Röhre aufsteigen, und außerhalb des Deckels abfließen; dadurch werden die
Cylinder ganz vom Wasser entleert. Die Röhre muß immer bis zum Boden reichen, um
alles Wasser abführen zu können, und das letzte Stück der Röhre besteht daher wie
ein Fernrohr aus einem verschiebbaren Stück g, so daß
die Röhre innerhalb gewisser Gränzen nach Belieben verkürzt oder verlängert werden
kann.
Wir haben jetzt den Boden trocken gelegt; die Arbeiter, mit Hacke und Spaten
versehen, können vermittelst Leitern bis auf den Boden hinuntersteigen, und das
Ausgraben der innern Erde kann beginnen. Nun entsteht die Frage, wie können wir die
aufgegrabene Erde wegschaffen, um dann tiefer zu graben.
Zwei Methoden sind hier angewendet worden, um dieß zu vollführen. Nach der ersten
Methode wurde die ausgegrabene Erde vermittelst einer Winde in Eimern vom Boden bis
zum Zimmer unter dem Deckel gehoben, ins Zimmer hineingeschoben, und dann von Leuten
welche außerhalb des Cylinders stehen, aus dem Zimmer genommen, um in den Fluß oder
in Kähne geworfen zu werden; denselben Weg ging dann der leere Eimer wieder zurück.
Dieses Verfahren bedingt aber einen großen Verlust an Luft, da beide Thüren des
Zimmers für jeden Eimervoll geöffnet werden müssen; überdieß ist der Proceß
zeitraubend und kostspielig, weil eine doppelte Besatzung von Arbeitern erfordert
wird.
Die zweite Methode hat diesen Uebelständen größtentheils abgeholfen, dagegen
allerdings einige andere eingeführt. Um die gefüllten Eimer hinauszuschaffen,
verfertigen wir sie aus Eisenblech und rund wie eine Walze, d, Fig.
6. Der Boden springt ein klein wenig vor, ist genau abgedreht und mit
einer Nuth versehen, in die wir eine Kautschuk- und Hanfpackung legen können,
wie bei den Dampfkolben. Mehrere dieser Eimer werden über einander und an einander
gehakt und dann in eine sehr genau ausgebohrte, gußeiserne Röhre e, welche in senkrechter Stellung in dem Deckel sitzt,
hineingeschoben. – Außerhalb des Cylinders müssen wir dann Leute haben,
welche die Eimer hinaufziehen. Hierbei findet nur sehr wenig Verlust an comprimirter
Luft statt, denn 3–4 Eimer sitzen immer luftdicht in der Röhre, und wenn ein
Eimer oben eingehakt wird, dann wird unten ein frischgefüllter Eimer wieder
angehakt. Diese Eimer sind ungefähr 2 Fuß hoch und wiegen, wenn sie gefüllt sind,
über einen Centner; wenn folglich 20 oder 30 Eimer an einander gehakt werden, so
wird die Last so groß, daß es sehr schwierig ist, die Säule einigermaßen schnell
hinaufzuziehen. Durch gehörig eingerichtete Krahne kann diesem Uebel doch
einigermaßen abgeholfen werden. – Dasselbe Princip, welches dem Heraufziehen der vollen
Eimer zu Grunde liegt, kann auch benutzt werden, um die leeren Eimer wieder
hinunterzubringen. Vermittelst einer zweiten Röhre von demselben Durchmesser wie die
erste, werden die leeren Eimer wieder zurückgesandt.
Angenommen nun, wir wollen in die Cylinder hineinsteigen, so müssen wir uns vorher
mit einem enganschließenden wasserdichten Anzuge und langen Stiefeln bekleiden, um
in wenigstens zwei Fuß Schlamm und Wasser stehen zu können, und dann dem
Maschinenmeister zurufen, die Druckpumpen in Gang zu setzen. Vermittelst eines
Hahnes stellen wir das Gleichgewicht des Luftdrucks zwischen dem Zimmer und der
äußern Luft her, deßhalb öffnet sich die erste Klappe sehr leicht. Mit einer Laterne
versehen, steigen wir ins Zimmer hinab, schließen die Klappe und lassen die
comprimirte Luft vermittelst eines andern Hahnes ins Zimmer fließen, wodurch wir in
Stand gesetzt werden, die Thür welche in den Cylinder hineinführt, zu öffnen.
Zuvörderst stellt sich nun ein banges Gefühl ein; man bekommt starkes Herzklopfen,
der Schädel scheint sich über der Stirn vom Kopfe trennen zu wollen, und das Blut
fließt oftmals aus der Nase oder den Ohren. Arbeiter, welche diese Erfahrung zum
erstenmal machen, fangen gewöhnlich an wie Kinder zu schreien; nach einigen Minuten
verliert sich dieses Gefühl jedoch ganz, und der hohe Druck scheint gar nicht mehr
zu geniren; man athmet sehr frei, hört das kleinste Geräusch, vorzüglich aber das
fortwährende Zuströmen der Luft sehr laut, und sieht die gewöhnlichen Talglichter
außerordentlich hell und schnell verbrennen. Unten am Boden angekommen, müssen wir
erst die Oeffnung in der Wasserleitungsröhre verstopfen, damit, sobald das Wasser
ausgeleert ist, die Luft nicht mit entschlüpft, und das Ausgraben, wodurch der
Cylinder allmählich sinkt, kann dann beginnen. Nach einiger Zeit steigt der
Luftdruck gewöhnlich sehr hoch, weil die Pumpen fortwährend arbeiten, und es bahnt
sich dann die Luft einen Weg durch die Erde, folgt irgend einer lockern Schicht
manchmal 300–400 Fuß, und steigt hierauf zur Oberfläche. Für Zuschauer
außerhalb des Cylinders scheint es dann als ob ein Krater sich mitten im Flusse
öffnete, der das Wasser nach allen Richtungen in großen Massen herumwirft.
Wie ergeht es uns aber im Cylinder, wenn dieses geschieht? Durch die Eruption der
Luft verliert sich die Spannung, das Wasser fließt frei hinein, und anstatt auf dem
trockenen Boden, stehen wir in weniger denn fünf Secunden in 2 oder 3 Fuß Wasser.
Dieß hat manche Arbeiter so erschreckt, daß sie wochenlang krank gelegen haben, und
sich nie wieder in die Cylinder hineinwagen wollten. Während der Eruption der Luft
erfüllt sich der ganze Cylinder mit einem dichten Nebel, welcher die Lichter oft auslöscht und die
Temperatur von Sommerhitze bis zur unangenehmen Kälte herabdrückt. – Das
Wasserleitungsrohr erschreckt Anfänger auch sehr oft, denn da es am unteren Ende wie
ein Fernrohr zum Verschieben eingerichtet ist, so schiebt es sich durch den
Luftdruck in sich selbst zusammen, und jede Bewegung, jeder Zufluß oder Abfluß der
Luft ist mit einem so starken Geräusch verbunden, daß es meistens in hohem Grade
unbehaglich wird. Sobald die Arbeiter an dieses Geräusch gewöhnt sind, arbeiten sie
aber leicht in den Cylindern.
Nachdem einmal das Ausgraben begonnen wurde, geht das Füllen der Eimer, das
Hinaufziehen der gefüllten und Zurücksenden der entleerten ununterbrochen fort, bis
die Arbeiter das Kiesellager erreichen. In letzterm Falle ist die eigentliche
Senkarbeit beendigt; um dem Cylinder dann eine größere Tragkraft zu ertheilen, wird
der ganze innere hohle Raum desselben mit einer Mischung von schnell erhärtendem
Cement und Kieseln gefüllt, welche nach einigen Tagen Steinhärte erlangt, wornach
wir annehmen, daß die Cylinder im Stande sind den Oberbau zu tragen.
P. A.Freund, zweiter
Ingenieur des Rochester-Brückenbaues.