Titel: | Versuche mit dem für die Mittelmeer-Leitung bestimmten Telegraphen-Taue; von Charles Wheatstone. |
Fundstelle: | Band 138, Jahrgang 1855, Nr. XXVII., S. 94 |
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XXVII.
Versuche mit dem für die
Mittelmeer-Leitung bestimmten Telegraphen-Taue; von Charles Wheatstone.
Nach dem Philosophical Magazine, Vol. X p. 56, durch die
Zeitschrift des deutsch-österreichischen Telegraphen-Vereins, Juli 1855, S. 152.
Wheatstone's Versuche mit dem für die Mittelmeer-Leitung
bestimmten Telegraphen-Taue.
Die folgenden Versuche wurden zwischen dem 24. Mai und dem 8. Juni des vergangenen
Jahres an dem Telegraphen-Taue angestellt, welches von den HHrn. Kuper und Comp. zu
East-Greenwich für die Mittelmeer-Telegraphenleitung von Spezzia an der italienischen Küste nach den Inseln Corsika und Sardinien
angefertigt worden. Die Fabrikanten, sowie Hr. Thomson,
der Ingenieur des Unternehmens, waren so freundlich, mir in jeder Weise die
Anstellung der Versuche zu erleichtern. Die Kürze der Zeit, welche nach dem
Eintritte dieser Gelegenheit bis zur Einschiffung des Taues für seine Bestimmung
verfloß, gestattete mir bei einigen Punkten von Wichtigkeit nicht, sie mit gehöriger
Genauigkeit festzustellen, vielmehr konnte ich in Betreff derselben nur vorläufige
Versuche anstellen; aber die folgenden Versuche, welche ich mit den gerade
vorhandenen Mitteln anstellen konnte, scheinen Interesse genug darzubieten, um
veröffentlicht zu werden. Sie lehren vielleicht nichts theoretisch Neues, aber
meines Wissens sind einige dieser Punkte noch nicht durch Versuche verificirt
worden. Ich setze voraus, daß der Leser mit den Versuchen von Faraday bekannt ist, welche im polytechn. Journal Bd. CXXXII S. 348 beschrieben sind.
Das Tau war 110 engl. Meilen lang, und enthielt sechs Kupferdrähte, deren jeder einen
Durchmesser von 1/16 Zoll besaß und durch einen Gutta-percha-Ueberzug
von 1/10 Zoll Dicke isolirt war. Zwölf spiralförmig umgewundene dicke Eisendrahte
umgaben das ganze innere Tau, und bildeten eine vollständige metallische Hülle von
1/3 Zoll Dicke. Ein Querschnitt des Taues zeigt die sechs Leitungsdrahte in einem
Kreise von reichlich 1/2 Zoll Durchmesser gelegen, und etwa 1/5 Zoll von der
Innenseite der eisernen Umhüllung entfernt.Eine Beschreibung und Abbildung dieses Taues findet man im polytechn. Journal
Bd CXXXIV S. 154.
Das Tau lag aufgerollt in einem trockenen Brunnen auf dem Fabrikhofe, und eines
seiner Enden war in den Raum geführt, wo die Versuche angestellt werden sollten. Die
sechs Drähte waren an diesem Ende der Reihe nach mit 1, 2, 3, 4, 5, 6 und am anderen
Ende mit 1', 2', 3', 4', 5' und 6' bezeichnet; durch Hülfsdrähte konnten ferner die
Enden 1' mit 2, 2' mit 3, 3' mit 4, 4' mit 5 und 5' mit 6 verbunden werden, so daß
der Strom in derselben Richtung nach einander alle sechs Drähte oder einige
derselben durchlief, je nachdem man die Hülfsverbindungen anbrachte, was im
Versuchsraume leicht zu bewerkstelligen war.
Als Stromerzeuger wurde eine isolirte galvanische Batterie von zwölf Kasten mit je
zwölf Elementen benutzt, welche schon seit einigen Wochen angesetzt war.
Erste Versuchsreihe.
Die folgenden Versuche lehren, daß die Eisenhülle des Stranges von Leitungsdrähten
dieselben Erscheinungen hervorruft, welche sich zeigen, wenn die mit
Gutta-percha isolirten Drähte ins Wasser gesenkt sind, wie bei den Versuchen
von Faraday.
Erster Versuch. Das eine Ende der ganzen durch
Aneinanderfügung der sechs Drähte gebildeten, 660 engl. Meilen langen Leitung wurde
mit einem Pole der Batterie in Verbindung gebracht, während das andere isolirt
blieb. Der Draht lud sich mit negativer Elektricität,
wenn sein Ende den Zinkpol berührte, und mit positiver Elektricität, wenn dasselbe mit dem Kupferpole
in Verbindung stand. Ein nahe bei der Batterie eingeschaltetes Galvanometer zeigte
das Vorhandenseyn eines Stromes an, welcher anhielt so lange die Ladung vor sich
ging, und aufhörte, sobald dieselbe ihr Maximum erreicht hatte. (Ein schwacher
Strom, welcher in Folge mangelhafter Isolation anhielt so lange der Draht mit der
Batterie in Verbindung stand, ist hier außer Betracht gelassen.) Wenn der Draht
geladen war, und seine Entladung durch Verbindung seines Endes mit der Erde bewirkt
wurde, so hatte der entstehende Entladungsstrom stets dieselbe Richtung, die
Verbindung mit der Erde mochte an dem der Batterie nächstgelegenen Ende, oder an dem
anderen hergestellt werden, d.h. der Strom ging in beiden Fällen von dem Drahte zur
Erde in derselben Richtung.
Zweiter Versuch. Wird das eine Ende des Drahtes mit einem
Pole der Batterie in Berührung gebracht, während der andere Pol nicht mit der Erde
in Verbindung steht, so bleibt der Draht ungeladen. Die Nadel des zwischen der
Batterie und dem Drahte eingeschalteten Galvanometers zeigte nur eine schwache, kaum
wahrnehmbare Schwankung.
Dritter Versuch. Jeder der beiden Batteriepole wurde mit
220 Meilen Leitung in Verbindung gesetzt, und zwischen der Batterie und diesen
beiden Leitungsstrecken (deren andere Enden isolirt blieben) wurden ähnliche
Galvanometer eingeschaltet; dann wurde, so lange die Batterie nur mit einer der
beiden Leitungsstrecken in Verbindung stand, dieser keine Ladung mitgetheilt, sobald
aber auch der andere Pol der Batterie mit der anderen Leitung in Berührung gebracht
wurde, so erhielten sofort beide Leitungen Ladungen, wie
die starken Ablenkungen beider Galvanometernabeln erkennen ließen. Wurde dann das
freie Ende der einen Leitung mit der Erde verbunden, so wurde nur diese entladen,
die andere blieb vollständig geladen.
Zweite Versuchsreihe.
Vierter Versuch. Der eine Pol der Batterie stand in
Verbindung mit der Erde, der andere war mit dem einen Ende der ganzen durch passende
Verbindung der sechs Drähte des Taues gebildeten Leitung von 660 engl. Meilen Länge
in Berührung und von dem entgegengesetzten Ende der Leitung war ein Draht zur Erde
geführt. In die Leitung waren an drei verschiedenen Stellen Galvanometer
eingeschaltet; das erste hart an der Batterie, das andere in der Mitte der Leitung,
also 330 Meilen von beiden Enden, und das dritte am entfernten Ende der Leitung,
zwischen demselben und der Erde. Bei Herstellung der Verbindung zwischen der
Batterie und der Leitung wurden die Nadeln dieser Galvanometer nach einander, in der
Reihenfolge ihres Abstandes von der Batterie, abgelenkt; ebenso wie bei den von Faraday mitgetheilten Versuchen. Wenn anderseits erst die
Verbindung des vorderen Endes der Leitung mit der Batterie bewirkt, und dann auch
die Verbindung zwischen dem anderen Ende der Leitung und der Erde hergestellt wurde,
so begann die Bewegung der Galvanometernadel an diesem Ende, und die anderen
Galvanometer wurden in umgekehrter Reihenfolge wie zuvor afficirt, d.h. das von der
Batterie am weitesten entfernte Galvanometer wurde zuerst in Bewegung gesetzt. In
diesem letzteren Falle hatten vor der Schließung der Kette die Galvanometernadeln
geringe constante Ablenkungen angenommen, welche einem schwachen, durch die
gleichförmige Dispersion der statischen Elektricität längs des Drahtes erzeugten
Strome beizumessen ist.
Fünfter Versuch. Beide Enden der 660 engl. Meilen langen
Leitung waren mit den entgegengesetzten Polen der Batterie in Berührung. Wurde nun
an einem der Enden der Leitung die Verbindung mit der Batterie unterbrochen und dann
wieder hergestellt, so wurden die Nadeln der Galvanometer an den Enden des Drahtes, also
derjenigen, welche gleich weit von den respectiven Polen entfernt waren,
augenblicklich und gleichzeitig abgelenkt, während das in der Mitte der Leitung
eingeschaltete Galvanometer erst nach einiger Zeit afficirt wurde. War aber die
Verbindung in der Mitte der Leitung unterbrochen statt an dem einen Ende, und wurde
dann wieder hergestellt, so wurde das mittelste Galvanometer, also das von der
Batterie am weitesten entfernte, zuerst abgelenkt, und später erst die Galvanometer
an den Batteriepolen.
Die Vergleichung der beiden letztgedachten Versuche (des vierten und fünften nämlich)
lehrt, daß die Erde nicht als bloßer Leiter zu betrachten ist, wie oft angenommen
wird. Da bei dem ersteren dieser Versuche der Abstand der beiden Erdleitungen von
einander nur einige Yards betrug, so hätten, wenn der zwischen ihnen liegende
Erdboden als bloßer Leiter wirkte, die beiden Galvanometer an den Enden der
Drahtleitung ebenfalls gleichzeitig abgelenkt werden müssen, wie im letztgedachten
Versuche, und wie es der Fall gewesen seyn würde, wenn die beiden zur Erde führenden
Leitungsdrähte durch ein kurzes Drahtstück verbunden worden wären.
Dritte Versuchsreihe.
Sechster Versuch. Der eine Pol der Batterie stand mit der
Erde und der andere Pol mit dem einen Ende der 660 Meilen langen Leitung in
Verbindung, deren anderes Ende isolirt blieb; zwischen Batterie und Leitung war ein
empfindliches Galvanometer eingeschaltet. Obgleich die Kette nicht geschlossen war,
zeigte die Nadel des Galvanometers eine constante Ablenkung von 33 1/2°; der
schwache Strom, der hierdurch bekundet wird, ist nicht sowohl Mängeln in der
Isolation beizumessen, als der gleichmäßigen und continuirlichen Dispersion der
statischen Elektricität, mit welcher der Draht auf seiner ganzen Länge geladen ist,
in ähnlicher Weise wie es bei jedem anderen mit statischer Elektricität geladenen
und in einem isolirenden Medium befindlichen Körper stattfinden würde. Die Stärke
des so erzeugten schwachen Stromes scheint annähernd, wo nicht genau, der Länge des
mit der Batterie in Verbindung stehenden Leitungsdrahtes proportional zu seyn, wie
aus den folgenden Messungen der für verschiedene Längen der hinter dem Galvanometer
angeschlossenen Leitung sich ergebenden Nadelablenkungen hervorgeht.
Es wurde nämlich beobachtet bei Anwendung einer Drahtlänge von:
0
Meilen
eine
Ablenkung
von
0°
110
„
„
„
„
6 1/2°
220 Meilen
eine
Ablenkung
von
12°
330
„
„
„
„
18°
440
„
„
„
„
23 1/2°
550
„
„
„
„
28°
660
„
„
„
„
31°
Siebenter Versuch. Darauf wurde das eine Ende der 660
Meilen langen Leitung bleibend mit der Batterie verbunden, das Galvanometer aber
nach einander an den verschiedenen Verbindungsstellen der einzelnen Strecken
eingeschaltet. Dann verhielt sich die Stärke des vom Galvanometer angezeigten
Stromes umgekehrt wie der Abstand des Galvanometers von der Batterie, und wurde Null
am entfernten isolirten Ende der Leitung, wie die folgenden Beobachtungen
darthun:
Entfernung des Galvanometers von
der Batterie; Meilen.
Ablenkung der Galvanometernadel.
0
33 1/2°
110
31°
220
25°
330
15°
440
12°
550
5°
660
0°.
Die Ablenkungen der Nadel des Galvanometers, welches bei diesen Versuchen angewendet
wurde, waren bis zur Gränze von 36° sehr nahe proportional der Stärke des
Stromes. Hiervon überzeugte ich mich in folgender Weise. Ich nahm sechs Zellen der
kleinen constanten Batterie, welche in meiner Abhandlung „Ueber neue
Instrumente und Methoden zur Bestimmung der Constanten einer Volta'schen Kette“ (abgedruckt in den Philosophical Transactions for 1843) beschrieben ist,
und schaltete in die Kette, welche von der 660 Meilen langen Leitung, der Erde und
dem Galvanometer gebildet wird, nach einander 1, 2, 3, 4, 5 und 6 dieser Elemente
ein. Läßt man den Widerstand in den Zellen selbst und in der Erde außer Acht, welche
im Verhältniß zum Widerstande des langen Drahtes unerheblich sind, so mußte die
Stärke des Stromes in diesen Fällen annähernd der Zahl der angewendeten Elemente
proportional seyn; und da in der That die Ablenkungen der Galvanometernadel, wie die
unten aufgeführten Messungen zeigen, nahezu in diesem Verhältnisse standen, so darf
man annehmen, daß die Nadelablenkungen, so lange sie nicht über 36° betragen,
der Stärke des Stromes ungefähr proportional sind. Es ergab nämlich:
1
Element eine Ablenkung von
6°
2
Elemente „ „ „
14°
3
„
„ „ „
19
4
„
„ „ „
28°
5
„
„ „ „
32°
6
„
„ „ „
36°
Aus den vorhergehenden beiden Versuchen (dem sechsten und dem siebenten) scheint
hervorzugehen, daß wenn die Batterie mit dem einen und ein Galvanometer mit dem
anderen, entfernten, Ende einer Leitung von irgend welcher Länge verbunden, und an
das andere Ende des Galvanometerdrahtes eine Leitungsstrecke von constanter Länge angeschlossen ist, der Ausschlag der
Galvanometernadel stets nahe derselbe bleibt, welches auch die Länge der Leitung
zwischen der Batterie und dem Galvanometer sey. In der That ergab das Galvanometer
einen Ausschlag von 6° als es dicht bei der Batterie stand, und hinter ihm
110 Meilen Leitung angefügt waren, und 5° als 550 Meilen Leitung zwischen der
Batterie und dem Galvanometer und dieselben 110 Meilen hinter demselben sich
befanden. Ebenso zeigte das Galvanometer, als hinter demselben 220 Meilen Leitung
angefügt waren, die gleiche Ablenkung von 12° wenn es unmittelbar mit der
Batterie verbunden war, und wenn zwischen beiden 440 Meilen Leitung sich befanden.
Ferner war bei 330 Meilen angesetzter Leitung die Ablenkung des Galvanometers
18° wenn es unmittelbar mit der Batterie verbunden war, und 15° wenn
es von derselben noch durch 330 Meilen Leitung getrennt war. Es ist nicht zu
bezweifeln, daß ohne die Schwankungen der Batterie die Uebereinstimmung noch
vollständiger gewesen wäre.
Hieraus scheint hervorzugehen, daß der mit seinem Ende mit der Batterie verbundene,
sonst aber isolirte Draht auf seiner ganzen Ausdehnung bis zu demselben Grade von
Spannung geladen wird, welches auch seine Länge sey; so daß, wenn ein anderer
isolirter Draht mit seinem freien Ende verbunden wird, dieser dieselben
Erscheinungen und in derselben Stärke zeigt, wie wenn er unmittelbar mit der
Batterie verbunden worden. Dieser Schluß führt auf einige wichtige praktische
Folgerungen, die ich gegenwärtig nicht weiter entwickeln mag, weil sich mir seither
noch keine Gelegenheit geboten hat, dieselben der Prüfung durch Versuche zu
unterwerfen.