Titel: | Chemische Mittheilungen, von Dr. L. Müller. |
Autor: | L. Müller |
Fundstelle: | Band 138, Jahrgang 1855, Nr. XXXII., S. 114 |
Download: | XML |
XXXII.
Chemische Mittheilungen, von Dr. L. Müller.
Müller's chemische Mittheilungen.
Es wollen diese Mittheilungen vorzugsweise als Ergänzungen und Zusätze zu dem von
demselben Verfasser herausgegebenen Buche über PapierfabricationDie Fabrication des Papiers, von Dr. L. Müller, 2te Auflage. Berlin 1855. betrachtet werden, und machen daher nicht den Anspruch überall etwas
vollkommen Neues oder in wissenschaftlicher Hinsicht Wichtiges zu enthalten.
1) Prüfung der Salzsäure. – Die beiden in genanntem
Werke beschriebenen Prüfungsmethoden leiben an so viel Fehlerquellen, daß sie selbst
für den Techniker keinen hinreichenden Grad der Schärfe besitzen. – Das
Verfahren von Will und Fresenius, welches überhaupt mit dem Uebelstande behaftet ist, daß das Gewicht des
Apparates im Verhältnis zu dem Gewichte der entweichenden Kohlensäure sehr groß ist
und die Oberfläche desselben eine solche Ausdehnung hat, daß deren hygroskopischer
Zustand einen wesentlichen Einfluß auf das Resultat auszuüben im Stande ist, ist in
diesem Falle auch deßhalb nicht gut zu empfehlen, weil das saure kohlensaure Natron
sehr leicht ist und man daher, wenn man nicht mit sehr kleinen Quantitäten operiren
will, ein schon ziemlich bedeutendes Rohr mit saurem kohlensaurem Natron zu füllen
hat. Denn da dieses im Ueberschuß vorhanden seyn muß, so würden bei Anwendung von
100 Gran Salzsäure 80–90 Gran kohlensaures Salz nöthig seyn. – Daß von
den Senkspindeln aber bei der Prüfung einer käuflichen Salzsäure eine große
Genauigkeit nicht verlangt werden kann, ist betreffenden Ortes bereits
auseinandergesetzt. Derartige Instrumente geben den Gehalt an Chlorwasserstoffsäure,
aus leicht begreiflichen Gründen, fast immer zu hoch an, und kann der Fehler, selbst
bei stärkeren Säuren, 2–3 Procent übersteigen.
Es fehlt nun zwar nicht an außerordentlich genauen Methoden den Gehalt einer
Salzsäure an Chlorwasserstoffsäure zu bestimmen, und möge hier namentlich auf die
von Dr. Fr. Mohr in dessen
„Lehrbuch der chemisch-analytischen Titrirmethode“
S. 84 beschriebene hingewiesen werden; allein für alle diejenigen welche
gleichzeitig häufig Soda- oder Potaschenanalysen vorzunehmen haben, dürfte
folgende zu technischen Zwecken mit hinreichender Genauigkeit begabte und
außerordentlich leicht mit der einmal vorhandenen Natron- oder
Kali-Probeflüssigkeit vorzunehmende mit Recht empfohlen werden.
Wir nehmen an, daß die vorhandene Probeflüssigkeit, gleichviel ob dieselbe aus
Schwefelsäure oder Oralsäure bestehe, für Natron titrirt sey, also 100
Alkalimetergrade 100 Gran Natron neutralisiren, so hat man behufs Prüfung der
Salzsäure nur nöthig 100 Gran einer vorher untersuchten, möglichst reinen Soda oder
an der Luft getrockneten reinen kohlensauren Natrons in Wasser aufzulösen, der
Lösung 100 Gran der zu untersuchenden Salzsäure unter der Vorsicht, daß die
Entwicklung der Kohlensäure nicht zu heftig erfolge und Spritzen verursache,
zuzusehen und darauf die Flüssigkeit unter den bei Prüfung der Soda a. a. O. Seite
58 angegebenen Vorsichtsmaßregeln zu analysiren.
Enthält die Soda a Procent Natron und waren mithin a Alkalimetergrade zur Neutralisirung der 100 Gran Soda
durch Probeflüssigkeit allein erforderlich, so würden, wenn nach dem Zusatz von
Salzsäure noch n Alkalimetergrade zur Neutralisation
gebraucht wurden, a – n Gran Natron durch die
Salzsäure neutralisirt worden seyn und die Proportion
389,729 (M. G. des NaO) : 455,760 (M. G. der HCl.) = a – n : x
x = 455,760/389,729 (a
– n) = 1,1694 (a
– n)
gibt unmittelbar den Gehalt der untersuchten Salzsäure an
Chlorwasserstoffsäure in Procenten.Befindet man sich im Besitz einer Kali-Probeflüssigkeit, so hat man
dem Mischungsgewichte des Natrons nur das des Kalis zu substituiren.
Enthält die Salzsäure, wie das meistens der Fall ist, Schwefelsäure, so ist es leicht
dieselbe zur genauen Bestimmung der Chlorwasserstoffsäure unschädlich zu machen oder
auch sie in Procenten zu bestimmen. Man hat nämlich nur nöthig, der mit Wasser
verdünnten Salzsäure vor dem Zusatz zur Sodalösung etwas kohlensaure Baryterde
hinzuzufügen, worauf man wie oben verfährt. Die Schwefelsäure wird durch die
Baryterde gebunden und das erhaltene Resultat bezieht sich nur auf die
Chlorwasserstoffsäure. Will man auch die Schwefelsäure bestimmen, so operirt man
erst ohne und dann noch einmal mit Zusatz von kohlensaurer Baryterde; das plus der
Alkalimetergrade, die im letzteren Falle verbraucht wurden, gibt die Quantität
Natron an, die im ersten Falle durch Schwefelsäure neutralisirt wurde, und wird das
plus mit d bezeichnet,
so gibt:
389,729 : 500,75 (M. G. der SO³) = d : x
x = 500,75/389,729 d = 1,284
d.
den Procentgehalt der Salzsäure an Schwefelsäure.
Beim Abwiegen der Salzsäure thut man gut, dieselbe in eine Gay-Lussac'sche Bürette oder Pipette überzufüllen und aus dieser in
das tarirte Gläschen zu gießen. Einmal kann man dann sehr bequem einzelne Tropfen
zugießen und leicht das richtige Gewicht treffen, dann aber erhält man dadurch auch
die unterste Schicht der Säure, die durch Verflüchtigung des salzsauren Gases nicht
geschwächt ist. Diese Flüchtigkeit macht aber schnelles Arbeiten überhaupt
wünschenswerth.
2) Zur Prüfung des Braunsteins. – Vielfältig mit
Prüfung von Braunsteinsorten beschäftigt, habe ich immer mehr die Ueberzeugung
gewonnen, daß, ohne den von Bunsen und Mohr angegebenen Methoden zu nahe treten zu wollen,
insonderheit für Techniker die in meinem Buche über Papierfabrication S. 113
beschriebene, was Leichtigkeit der Ausführung und schnelles Erhalten eines genauen
Resultates anbetrifft, unbedingt vor allen anderen den Vorzug verdient und ihr nur die Streng'sche Methode, jedoch bedeutend modificirt, an die
Seite gestellt werden kann. – Ich habe nur anzuführen, daß die
Zinnchlorürauflösung nicht immer die angegebene Beständigkeit besitzt, sondern sich
allerdings in den meisten Fällen so veränderlich zeigt, daß jedesmal unbedingt ihre
Prüfung mit der Eisenchloridauflösung der eigentlichen Analyse vorangehen muß. Ich
verwahre gegenwärtig diese Auflösung, nachdem sie behufs Entfernung alles
Sauerstoffs bis zum Kochen erhitzt worden, in einer Flasche, die mit einer Rammelsberg'schen Bürette und einem
Wasserstoff-Apparat verbunden ist, und erfreue mich dadurch eines fast
vollständig constanten Titre's.
Die Destillation des Chlors hat den einzigen Uebelstand daß, nachdem die Flüssigkeit
zum Kochen gelangt, beim Herausziehen des Leitungsrohres aus der Zinnsolution, ein
Theil dieser leicht in den Entwickelungsapparat übersteigt; indeß hat man das nicht
zu befürchten, wenn man die Erhitzung des Kolbens im Oelbade vornimmt und nach
beendeter Chlor entwickelung das eingeschliffene Leitungsrohr lüftet.
Die Streng'sche Methode, so wie sie in meinem erwähnten
Buche S. 122 beschrieben ist, ist wegen des steten Gehaltes des Braunsteins an
Eisenoxyd und der dadurch bedingten Bildung von Eisenchlorid, welches durch die
Zinnsolution in Eisenchlorür übergeführt wird, vollständig unbrauchbar. Zersetzt man
jedoch den Braunstein mit Salzsäure und feitet das sich entwickelnde Chlor in eine
bestimmte Menge einer vorher mittelst Chromlösung untersuchten Zinnchlorürlösung,
und untersucht nachher wie viel von dieser unverändert übrig geblieben, so fallen
die bei der Streng'schen Methode anzuwendenden
Manipulationen vollkommen mit den bei der unserigen vorzunehmenden zusammen. Bei
gleicher Schärfe nun würde ich keinen Anstand nehmen, der Streng'schen Methode den Vorzug zu geben, da die Anfertigung einer
titrirten Auflösung von Eisenchlorid zwar mit keinen Schwierigkeiten verknüpft, aber
jedenfalls etwas complicirter ist, als die Anfertigung einer eben solchen
Chromauflösung. Allein die Streng'sche Methode hat den
Uebelstand, daß erstens das Reactionsende nur bei einem sehr starken Zusatz von
Jodkalium mit Sicherheit erkannt wird, zweitens daß je nach dem Concentrationsgrade
der Zinnchlorürlösung mehr oder weniger Chromlösung nöthig ist um die blaue Farbe
hervorzurufen, wovon der Grund, wie Mohr nachgewiesen, in
dem Sauerstoffgehalt des Wassers liegt. Von beiden Uebelständen ist die Anwendung
des Eisenchlorids frei, daher ich dieser unbedingt den Vorzug gebe.
3) Entwickelung des Chlors aus Braunstein, Schwefelsäure und
Kochsalz. – Wie Mitscherlich bereits
früher nachgewiesen, bildet sich bei der Einwirkung von Schwefelsäure auf
Chlornatrium stets zunächst saures schwefelsaures Natron; hat man daher beide
Substanzen in dem einfachen Verhältnisse ihrer Mischungsgewichte zusammengebracht,
so wird zunächst unter Bildung von saurem schwefelsaurem Natron nur die Hälfte des
Chlornatriums zerlegt. Erst bei sehr hoher Temperatur setzt sich die Zersetzung fort
und wird neutrales schwefelsaures Natron gebildet. Wo man daher, wie gewöhnlich, die
Entwickelungsgefäße durch Dämpfe erhitzt, deren Temperatur nicht über
100–120° C. geht, wird man wohl thun, Braunstein, Kochsalz und
Schwefelsäure in einem solchen Verhältnisse zu mischen, daß saures schwefelsaures
Natron und schwefelsaures Manganoxydul das Endresultat des Processes sind. Es
entsteht aber aus:
MnO², NaCl, 3SO³, = MnO + SO³, NaO +
2SO³, Cl
und sind mithin die Zahlenverhältnisse der absolut reinen
Substanzen: 544,684 Mangansuperoxyd, 733,009 Chlornatrium und 1502,25 Schwefelsäure
oder 1839,69 Schwefelsäurehydrat, woraus 443,280 Chlor entwickelt werden würden.
Unter Berücksichtigung daher des wahren Procentgehaltes der einzelnen Substanzen
gewähren diese Zahlen den Anhaltspunkt für ihre Mischung.
4) Für den im polytechn. Journal Bd. CXXXVII S.
62 enthaltenen Aufsatz über die Entwässerung des Halbstoffs durch den
Centrifugal-Apparat, werden die Papierfabrikanten dem Hrn. Silbermann gewiß sehr dankbar seyn, allein es ist zu
bedauern, daß derselbe das in meinem Buche über die Papierfabrication S. 137 über
denselben Gegenstand Mitgetheilte nicht berücksichtigt hat; er hatte dann
wahrscheinlich dem Apparate größere Dimensionen gegeben und hätte den Vortheil
gehabt ihm auch nur eine geringere Geschwindigkeit mittheilen zu dürfen.Der Verfasser bemerkt daselbst: „Die Entwässerung des Halbstoffs
(für das Bleichen mit Chlorgas) durch Centrifugalkraft wurde von A. Rieder vorgeschlagen und dieses Verfahren
zuerst in der Papierfabrik von Zuber und Rieder auf der Insel Napoleon bei Mülhausen
(Elsaß) in Anwendung gebracht. Der Apparat besteht aus einer kupfernen,
durchlöcherten Trommel von beiläufig 4 Fuß 8 Zoll Durchmesser, welche
sich um eine senkrecht stehende Achse ungefähr 800 Mal in der Minute
herumdreht. Die Trommel steht unmittelbar unter den Halbzeugholländern
und hat an der oberen Seite eine Oeffnung, die mittelst eines in
Scharnieren beweglichen Deckels zu verschließen ist; in diese Oeffnung
wird der Halbzeug hineingelassen, der Deckel geschlossen, darauf die
Trommel in Bewegung gesetzt. Das Wasser fließt hierbei durch die Löcher
ab und das Zeug ist innerhalb 10 bis 15 Minuten hinlänglich
trocken.“
A. d. Red.