Titel: | Mechanismus der HHrn. Callen und Ripley zum Verdoppeln einer rotirenden Bewegung. |
Fundstelle: | Band 138, Jahrgang 1855, Nr. XLV., S. 169 |
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XLV.
Mechanismus der HHrn. Callen und Ripley zum Verdoppeln einer rotirenden
Bewegung.
Mit einer Abbildung auf Tab. III.
Callen's Mechanismus zum Verdoppeln einer rotirenden
Bewegung.
Unter dem Titel: „außerordentlich neue, einfache und gute Idee“,
befindet sich im Cosmos, Revue encyclopédique,
August 1855, S. 220 ein (von dem Redacteur Abbé Moigno
nicht unterzeichneter) Artikel, betreffend einen Mechanismus zum Verdoppeln
einer rotirenden Bewegung. Der Verfasser desselben sagt:
„Einer der Mechanismen welche seit der Eröffnung der
Pariser Ausstellung unsere Aufmerksamkeit am meisten in Anspruch nahmen, und
welcher von allen competenten Personen denen wir ihn zeigten, am meisten
bewundert wurde, ist ganz gewiß folgender neue Apparat, der eine
Abänderung einer vorhandenen Bewegung zum Zwecke hat und in vielen Fällen mit
großem Vortheile gezahnte Räder ersetzen wird. Die
Zeichnung, Fig.
5, welche wir der Güte des Hrn. Oberst Crisafulli verdanken, gibt eine sehr deutliche Vorstellung des neuen
Mechanismus. Er besteht aus zwei sich drehenden Scheiben; die größere ist von
Gußeisen, und auf ihrer oberen Fläche sind mittelst sechs vorspringender
Sectoren sechs Ruthen mit parallelen Seiten gebildet worden; die kleinere
Scheibe, von Messing, trägt drei Zapfen, welche mit stählernen Rollen versehen
sind, die sich um diese Zapfen drehen, so daß die Flächen der beiden Scheiben,
welche mit einander in Berührung kommen, sich auf einander abrollen, statt
gleitende Reibung zu haben. Die Bewegung geht von der größeren Scheibe aus, und
die kleinere ist die bewegte. Dreht sich die größere Scheibe, deren sechs Ruthen
die drei Rollen umschließen, um ihre Achse, so bewegt sie die kleinere Scheibe
mit, und diese macht zwei Umdrehungen für jede Rotation der größeren. Die Geschwindigkeit würde dieselbe geblieben seyn, wenn
die große Scheibe zwei Ruthen gehabt hätte, und die kleine zwei Rollen; sie
würde sich dagegen vervierfacht haben, wenn man der großen Scheibe acht
Ruthen, und der kleinen vier Rollen gegeben hätte. In der Praxis kommt
es jedoch selten vor, die Uebersetzung weiter treiben zu müssen.“
„Die in die Augen springenden Vortheile dieses Systems sind: 1) eine
vollkommen gleichförmige Uebertragung der Bewegung; 2) eine beträchtliche Verringerung der Reibung, welche auf ein Minimum
gebracht ist, mit viel weniger Kraftverlust; 3)
vollständige Vermeidung eines Geräusches, da die Berührung beständig statt hat;
4) beträchtliche Verminderung der Anzahl und Größe der
Organe; 5) einfachere und wohlfeilere Construction; 6) viel größere
Dauer; 7) die Möglichkeit, alle einzelnen Theile vollkommen rein zu erhalten,
und diejenigen auszuwechseln, welche sich abgenutzt haben; 8) endlich die viel
geringere Wahrscheinlichkeit eines Unfalles oder Bruches. – Vorzüglich
bei der Uebertragung der Bewegung von der Achse einer Dampfmaschine auf die
Achse der Treibschraube eines Schiffes wird der neue Mechanismus seine richtige
Stelle mit großem Vortheil finden. Ueberall, wo derselbe angewandt wurde, hat er
die zufriedenstellendsten Resultate gegeben, besonders wegen seines ruhigen
Ganges und seiner Dauer. Möge er sich ins Unendliche
vervielfältigen.“
Beleuchtung des Obigen.
Liest man den vorstehenden Artikel, so könnte man glauben, Wunder welche neue
Erfindung im Gebiete der Mechanik gemacht worden sey, während doch nur ein
specieller Fall einer allgemein bekannten Verzahnung beschrieben ist, nämlich ein
Rad mit sechs Zähnen im Eingriffe mit einem Getriebe von drei Zähnen. Zur Ehre des
Verfassers wollen wir annehmen, daß derselbe kein Mechaniker ist, denn er spricht
von einem Mechanismus, gelinde gesagt, wie der Blinde von den Farben. Daß die oben
beschriebene Vorrichtung nichts anderes ist, als ein Hypocykloïdenrad im
Eingriffe mit einem Getriebe, dessen Zähne aus Cylindern bestehen, bleibt nun noch
nachzuweisen. – Jeder Sachverständige weiß, daß wenn ein mit cylindrischen
Zähnen versehenes Getriebe innerhalb des Theilkreises eines Rades zu gehen hat, die
Zähne des letztem nach einer Parallelen zur Hypocykloïde abgerundet werden
müssen, für welche der Theilkreis des Rades Grundkreis, und der Theilkreis des
Getriebes erzeugender Kreis ist. Es ist ferner Jedem, der überhaupt weiß, was eine
Hypocykloide ist, bekannt, daß wenn der erzeugende Kreis gerade halb so groß ist als
der Grundkreis, die Hypocykloide in eine gerade Linie, nämlich in einen Durchmesser
des Grundkreises übergebt. Verhält sich folglich der Durchmesser eines Getriebes zum
Durchmesser des Rades wie 1 : 2, wobei, abgesehen von der
Anzahl der Zähne, das Getriebe immer zwei Umdrehungen für eine des Rades machen
muß, so bewegt sich jeder Punkt des Getriebtheilkreises, wenn dieser in dem Radtheilkreise
gerollt wird, in einem Durchmesser des Radtheilkreises, und wenn nun ein solcher
Punkt als die Mitte eines Cylinders betrachtet wird, so beschreibt natürlich die
Oberfläche dieses Cylinders ebenfalls eine gerade Linie, nämlich eine Parallele zum
Durchmesser, und die Zähne eines Rades, im Eingriffe mit einem halb so großen
Getriebe dessen Zähne Cylinder sind, können also durch nichts anderes, als durch
gerade Linien begränzt seyn, die parallel zu Radien laufen.
Alles, was demnach Neues an der Sache ist, besteht vielleicht darin, daß zur
Verminderung der Reibung Rollen auf die cylindrischen Zähne gesteckt sind, und daß
die Zähne des Rades nicht in einem Radkranze stehen, sondern an die Seite einer
Scheibe angegossen sind. Denkt man sich die sechs Sectoren in einem Radkranze
stehend, so wird jeder Laie sogleich das gewöhnliche Rad erkennen. Wie es nun mit
den Behauptungen des Verfassers des obigen Artikels steht, daß bei zwei Ruthen
(wobei übrigens die Sache gar nicht geht, da bei zwei Rollen auch vier auf einander
rechtwinkelig stehende Nuthen vorhanden seyn müssen) die Bewegung nicht geändert
würde, bei acht dagegen vervierfacht, das zu beurtheilen mag dem Leser überlassen
bleiben. Derselbe theilt gewiß mein Erstaunen, daß der Verfasser im Stande war, acht
so wichtige Vorzüge des neuen Mechanismus, der doch
nichts anderes, als ein gewöhnliches Rad und Getriebe ist, vor dem Rad und Getriebe
aufzufinden.
C. Walther.