Titel: | Ueber Verbesserung der elektrischen Telegraphie; von W. Neubronner. |
Autor: | W. Neubronner |
Fundstelle: | Band 138, Jahrgang 1855, Nr. LI., S. 186 |
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LI.
Ueber Verbesserung der elektrischen Telegraphie;
von W. Neubronner.
Neubronner, über Verbesserung der elektrischen
Telegraphie.
Morse's Apparat hat den scheinbaren Mangel, daß er nur
Zeichen, keine wirklichen Buchstaben liefert, und hierin liegt der Grund, warum das
Streben nach Verbesserung der elektrischen Telegraphen eine verfehlte Richtung nahm.
Man kann jetzt kühn alle die Anstrengungen, welche die Zeigerapparate eine Zeit lang
in den Vordergrund brachten, so wie die Bemühungen wirkliche Buchstaben zu bilden,
als undankbare Arbeit bezeichnen; denn bei ersteren wurde übersehen, daß ein
bleibendes Document einen viel höheren Werth hat, als ein zu notirender Buchstabe,
und man schon dieses Vortheils halber lieber in wenigen Stunden ein neues Alphabet
hätte lernen sollen; bei den letzteren ließ man außer Acht, daß die Bildung von
wirklichen Buchstaben nur auf Kosten der Zeit geschehen konnte.
Indessen in Beziehung auf Schnelligkeit ist das elektromagnetische System überhaupt mit einem Hemmschuh versehen, der in dem
Elektromagneten selbst ruht. Die Beseitigung dieser Begränzung der Schnelligkeit ist
bekanntlich mit Schwierigkeiten verbunden, und nicht vollständig möglich.
Referent verfolgte aus diesen Gründen die Ideen von Bain
über das elektrochemische System, welche im polytechn.
Journal 1847, Bd. CV S. 331 angedeutet sind (und ist bereits 1848 in Nr. 301 der
Didaskalia und 1849 in der Beilage zu Nr. 117 der Augsb. Allg. Zeitung darauf
hingewiesen worden). Erst in neuester Zeit kommt man zur Erkenntniß, indem man (aber
auch nur das) nachgewiesen hat, wie der elektrochemische Apparat einfacher und noch
brauchbar ist, wo der Morse'sche bereits ins Stocken
gerathen. Den Hauptvortheil des elektrochemischen Systems hat man aber bis jetzt
ganz verkannt (vielleicht ist sich Bain dessen selbst
nicht klar bewußt gewesen) und es ist der Zweck dieser Zeilen, hierauf aufmerksam zu
machen.
Man hört nämlich bereits, trotzdem man sich zu directen Nachrichten jetzt allgemein
des Morse'schen Apparats bedient, öfter Klagen, wie sich
zu manchen Zeiten die Depeschen häufen, eine auf die andere warten muß, mithin der
wesentliche Nutzen der Telegraphie geschmälert wird. Man verfiel auf die nahe
liegende Idee, die Leitungsdrähte und Apparate zu vervielfältigen (wobei, beiläufig
gesagt, auch das Personal vermehrt werden muß). Wie dieses enorme Capital zu sparen und der
Zweck besser zu erreichen ist, soll nun gezeigt werden.
Bain schlug, wie bemerkt, schon im Jahr 1847 vor, mit
durchlöcherten Bändern statt mit den Tastern zu operiren; da man aber das
Durchschlagen der Papierstreifen kaum so rasch bewerkstelligen kann, als das Tasten
am Telegraphen, so hat man diesen Vorschlag nicht beachtet, und doch liegt gerade
darin der Weg der ergiebigsten Verbesserung. Während am Taster des Telegraphen nur
eine Person arbeiten kann, können 10, 20 und mehr Personen gleichzeitig Papierbänder
durchschlagen und der elektrochemische Apparat ist fähig 10, 20 und mehr
Papierstreifen in derselben Zeit abzurollen, in welcher man dem Morse'schen nur Einen von
gleicher Größe zumuthen darf, denn man kann dem elektrochemischen Apparat eine viel
größere kaum abzusehende Schnelligkeit ertheilen.
Es wird ausdrücklich bemerkt, es ist möglich für dieses System
zur Bildung Morse'scher Zeichen auf elektrochemischem Wege hinreichend
gleichgehende Werke anzufertigen; die Schrift wird, wenn einer der Apparate rascher
oder langsamer geht, wohl etwas gedrängter oder weitläufiger, nie aber unvollständig
werden.
Zwei gleichgehende Schlagwerke von Schwarzwälder Uhren
wurden genügend gefunden. Das Ueberflüssige war entfernt, der Sperrhaken des
Elektromagneten wurde auf den Windflügel gerichtet, eine entsprechende Achse der
Räder nach Außen verlängert, und daran die Leitungsrolle für die trockenen
(durchschlagenen), oder je nach Erforderniß nassen (chemischen) Bänder befestigt.
Die „Metallfedern“ nach Bain (die
Nadeln oder Schreibstifte, welche die Leitung auf den Bändern vermitteln) sind nicht
zweckmäßig, weil sie schmieren, und durchs feuchte Papier schlecht leiten; statt
deren wurden kleine Metallrollen auf denen Reinigungsschwämmchen sitzen, trefflich
gefunden, auch gibt dieß statt der Punkte, breitere, deutlichere Zeichen. Eine
Netzvorrichtung ist überflüssig, die nassen Bänder wurden viel einfacher in
verschlossenen Gefäßen zwischen nassem imprägnirtem Papier feucht gehalten. Auch die
Morse'schen Apparate lassen sich mit wenig Mühe gleichzeitig in elektrochemische
verwandeln.
Da das Geschäft getrennt wird:
1) in die Durchschlager, Bearbeiter des Papiers,
2) ins Abrollen, das Telegraphiren,
so ist es möglich, daß das Telegraphen-Bureau die
Bänder per Elle z.B. nebst Buchstaben-Schema
verkaufen, und das Durchlöchern füglich andern Kräften, selbst den Privaten
überlassen kann, für das eigentliche Telegraphiren (Abrollen) aber Eine Person
hinreicht. Selbst die Uebersetzung kann auf ähnliche Weise beseitigt werden.
Der Absender erhält sein (durchschlagenes Papier) Manuscript zurück, der Empfänger
eine elektrochemische Copie, in der kein Irrthum unterlaufen kann, wie beim
Tasten.
Für die Regierungen bemerke ich, daß der Telegraphist an diesem Apparat weder lesen
noch schreiben zu können braucht, der Apparat die Bänder aus verschlossenen Kästchen
aufnehmen und in solche abgeben kann, ohne daß man sie lesen kann.
(Was man sich vom gleichzeitigen Telegraphiren mittelst Eines Drahts aus
verschiedenen Richtungen oder mit verschiedenen Strömen verspricht, paßt wohl auch
auf das elektrochemische System; ob es praktischen Werth hat, wird die Zeit
lehren.)