Titel: | Ueber die Wirkungsweise der Schwefelblüthe gegen die Traubenkrankheit; von Hrn. Marès. |
Fundstelle: | Band 138, Jahrgang 1855, Nr. LVIII., S. 218 |
Download: | XML |
LVIII.
Ueber die Wirkungsweise der Schwefelblüthe gegen
die Traubenkrankheit; von Hrn. Marès.
Aus den Comptes rendus, Septbr. 1855, Nr.
10.
Marès, über die Wirkungsweise der Schwefelblüthe gegen die
Traubenkrankheit.
Die Krankheit des Weinstocks wird stets durch die Gegenwart des Oïdium Tuckeri charakterisirt. Gelingt es, die
Stöcke von diesem zu befreien, so sind sie geheilt und entwickeln ihr Wachsthum
ungehindert fort. Wie nun das Schwefelpulper diese Wirkung vollbringt, läßt sich
mittelst des Mikroskops sehr genau beobachten, und zwar ist eine von dem weißen
Flaum des Oïdium frisch befallene Beere am
geeignetsten, um die aufeinanderfolgenden Erscheinungen zu verfolgen. Allerdings
lassen sich dieselben
auch auf den Blättern und grünen Zweigen wahrnehmen, jedoch nicht so leicht.
Wenn man auf den erkrankten Weinstock den Schwefel unter den günstigsten Umständen,
d.h. bei warmer Witterung und auf trockene Oberflächen aufträgt, so wird man, wenn
die Temperatur im Schatten zwischen 10 Uhr Morgens und 3 Uhr Nachmittags unter dem
Laube 26–28° R. beträgt, und des Nachts bis auf 16° sinkt,
Folgendes beobachten. Der mittelst des Blasebalgs auf die Beeren geschleuderte
Schwefel wird in mehr oder weniger großen Abständen zerstreut liegen und fest haften
an der sammetartigen Oberfläche, welche die Stielchen bilden, die von dem
Schwammgewebe (mycelium) des Pilzes in die Höhe stehen.
Nach vier Stunden ist noch keine Veränderung bemerklich. Nach Verlauf von 24 Stunden
aber nimmt man an den Berührungsstellen des Schwefels und ringsherum eine anfangende
Desorganisation wahr; viele Keimkörner (Sporen) sind abgefallen und das
Schwammgewebe scheint nicht mehr dieselbe Kraft zu besitzen. Nach 48 Stunden scheint
das Schwammgewebe welk zu werden und die meisten Sporen sind verschwunden. Nach dem
dritten Tag beginnt das Schwammgewebe zu zerbrechen und die Sporen sind fast alle
verschwunden. Vom vierten zum fünften Tag findet man die Wirkung beendigt, das
Schwammgewebe ist gebrochen, verwelkt, desorganisirt; hie und da sieht man Stücke
desselben schon gebräunt, sein Netz ist nicht mehr vorhanden; die Sporen sind fast
ganz verschwunden. Diejenigen welche man noch antrifft, sehen verwelkt aus und haben
die Regelmäßigkeit ihrer Gestalt verloren. Die Wirkung des Schwefels ist dann recht
augenscheinlich; der Weinstock ist von der ihn umfangenden Schmarotzerpflanze
befreit und fängt wieder kräftig zu wachsen an, wie man 8 – 10 Tage nach
Anwendung des Schwefels wahrnehmen kann. Bei niedrigerer Temperatur erfolgt die
Desorganisation des Oïdium erst vom sechsten zum
siebenten Tage (Mai, Juni). Wenn die Sonnenstrahlen auf die mit Schwefelstaub
bedeckte, kranke Stelle fallen, so ist die Wirkung eine viel kräftigere und
raschere; sie ist dann schon am zweiten Tag beendigt. Ich habe mich überzeugt, daß
in diesem Falle die Temperatur der Blätter des Weinstocks bis auf 34° R.
steigt, wenn um 1 Uhr Nachmittags die Temperatur im Schatten 26° und
diejenige des der Sonne ausgesetzten Bodens 41° R. beträgt.
Um die Wirkungen des Schwefels auf das Oïdium im
Ganzen kennen zu lernen, muß man die Beobachtung der Traube auch nach der
Desorganisation des Pilzes fortsetzen. Man sieht dann, daß die Beere größer wird und
sich allmählich der Schwefelblüthe entledigt; die Zweigchen wachsen und an ihren
Spitzen entwickeln sich junge Blätter; diese sind aber neue Oberflächen, welche
für einen Angriff der Krankheit vollkommen disponirt sind. Man sieht dann die
Trümmer des Oïdium, die nach seiner
Desorganisation auf der Traube zurückblieben, nämlich zwischen den Schwefelkörnchen,
welche so weit auseinander liegen, daß sie dieselben nicht berühren konnten. Sie
haften stark an der Epidermis und man sieht, wie sie, je nach der Temperatur und der
Feuchtigkeit des Mediums, ihr Aussehen verändern und vom 15ten bis zum 20sten Tag
nach der Anwendung des Schwefels sich reorganisiren. Es zeigen sich dann an dem
Weinstock neue Merkmale der Krankheit; das Laub fängt an blaß zu werden, die jungen
Blätter an den Spitzen werden fleckig und auch die Traube zeigt viele weiße Flecken.
Untersucht man zu dieser Zeit ein schwach bestäubtes und noch mit Schwefelkörnchen
versehenes Stück Trauben-Epidermis unter dem Mikroskop, so wird man zwischen
den Schwefelstäubchen welche der Traubenhaut noch anhängen, eine ziemlich große
Anzahl von Keimkörnern (Sporen) sehen; einige keimen, andere sitzen schon auf ihren
Stielen und gehen von dem Schwammgewebe (mycelium) aus;
letzteres treibt zahlreiche Strahlen, es ist reorganisirt und im Zustand sehr
lebhaften Wachsthums. Dieses zweite Hereinbrechen der Krankheit muß, wie das erste,
durch Schwefeln bekämpft werden.
Ich habe mich überzeugt, daß die Schwefelblüthe auf den Weinstock nicht durch die
schweflige Säure oder die Schwefelsäure wirkt, welche sie in kleiner Menge enthält.
Gepulverter roher Schwefel wirkt gerade so wie jene.
Aus Vorstehendem ergibt sich:
1) daß der Schwefel auf das Oïdium nur bei
unmittelbarer Berührung wirkt;
2) daß er, wie gewöhnlich auf dem Weinstock verbreitet, nie alle Keime des Oïdium gänzlich zerstört, aber dem Wachsthum des
Schimmelpilzes genugsam Einhalt thut, daß dieser den Wachsthum des Weinstocks nicht
mehr stören kann, nämlich von dem Augenblick angefangen wo er getödtet wurde bis zu
demjenigen seiner Reorganisation, ein Zeitraum, welcher bei den Temperaturen der
Monate Mai, Juni, Juli und August 20 bis 25 Tage umfaßt.
Die Resultate der auf großen Flächen stückweise und beim Beginn des Angriffs der
Krankheit vorgenommenen Schwefelung bestätigen diese Angaben vollkommen.