Titel: | Ueber die Ursachen, welche die Veränderung der positiven Lichtbilder herbeiführen, und über ein Mittel dieselben wieder herzustellen; von den HHrn. Davanne und Girard. |
Fundstelle: | Band 138, Jahrgang 1855, Nr. LXXVII., S. 307 |
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LXXVII.
Ueber die Ursachen, welche die Veränderung der
positiven Lichtbilder herbeiführen, und über ein Mittel dieselben wieder herzustellen;
von den HHrn. Davanne und
Girard.
Aus den Comptes rendus, Oct. 1855, Nr.
17.
Davanne und Girard, über die Ursachen welche die Veränderung der
positiven Lichtbilder herbeiführen.
Von den positiven Lichtbildern auf Papier dürften nur wenige einer mehrjährigen
Berührung mit den atmosphärischen Agentien widerstehen können; wir meinen hiemit die
nach dem gewöhnlichen Verfahren mittelst unterschwefligsauren Natrons dargestellten
Bilder, und keineswegs diejenigen bei deren Darstellung die Goldsalze verwendet
werden.
Bekanntlich besteht die erstere von diesen Verfahrungsarten, welche bisher allgemein
von den Photographen angewendet wurde, darin, das aus dem Copirrahmen genommene
positive Bild in einem Bad von unterschwefligsaurem Natron einzuweichen, um das
nicht zersetzte Chlorsilber aufzulösen; das Bild kommt aus diesem Bad mit einem
falbrothen Ton, welchen man durch einen angenehmen bläulichschwarzen Ton zu ersetzen
sucht. Zu diesem Schönen (virage) dienen Bäder von
unterschwefligsaurem Natron, welches entweder mit Essigsäure oder mit Chlorsilber
versetzt worden ist; aus diesen Bädern kommt das Bild mit einer schönen Färbung,
welche jedoch, wie die Erfahrung längst gezeigt hat, sich nicht unverändert
conservirt.
Bisher wurden verschiedene Hypothesen über die allmähliche Zerstörung der positiven
Lichtbilder aufgestellt, ohne daß jemals eine ernstliche Untersuchung angestellt
wurde; wir waren bemüht, diese Lücke auszufüllen und diese interessante Frage durch
die chemische Analyse aufzuklären. Als wir über die angegebenen Operationen
nachdachten, hielten wir es für höchst wahrscheinlich, daß ein rothes Bild, welches
fixirt aber nicht geschönt wurde, durch zertheiltes metallisches Silber gebildet
ist, und nicht durch Halb-Chlorsilber, wie man gewöhnlich annimmt; ferner daß
dieses Silber, in Berührung mit den erwähnten Schönungsbädern, sich in
Schwefelsilber umwandelt, welches die atmosphärischen Einflüsse hernach modificiren.
Versuche haben die Richtigkeit dieser Hypothese dargethan.
Wir stellten uns bei der analytischen Untersuchung folgende Fragen: 1) in welchem
Zustand ist das Silber auf einem positiven Lichtbild, welches fixirt aber nicht
geschönt wurde (indem wir nebenbei ermittelten ob unterschwefligsaures Natron in dem
Papierzeug zurückgeblieben war); 2) in welchem Zustand ist das Silber auf einem
positiven Bild, das nach den gewöhnlichen Verfahrungsarten geschönt wurde, nämlich
mittelst unterschwefligsauren Natrons welchem Chlorsilber oder Essigsäure zugesetzt
worden ist.Die französischen Photographen nennen diese Bäder „alte
unterschwefligsaure“ (hyposulfites
vieux).
Das Verfahren, welches wir zur Analyse anwandten, war sehr einfach; es bestand darin,
das Papierblatt mit einer Auflösung von salpetersaurem Kali und von kohlensaurem
Natron zu tränken, es dann zu verbrennen und die Asche zu analysiren; nach dem
Einäschern blieb das Silber in unauflöslichem Zustande zurück, während das Chlor und
der Schwefel in Chloride und in schwefelsaure Salze umgewandelt waren. Wir suchten
uns zuerst von der Genauigkeit dieses Verfahrens zu überzeugen, indem wir ein mit
Chlorsilber getränktes Blatt verbrannten, dann in der Asche das Silber durch Chlor,
und das Chlor durch Silber fällten, und beide Niederschläge von Chlorsilber wogen,
deren Gewicht übereinstimmend gefunden wurde; wir haben nach dieser Methode auch die
Zusammensetzung der Asche des photographischen Papieres bestimmt, um dieselbe bei
den spätern Analysen in Rechnung ziehen zu können.
Um die erste Frage zu entscheiden, ließen wir ein mit Chlorsilber getränktes Blatt
sich am Licht vollständig schwärzen, dann wuschen wir es in reinem
unterschwefligsaurem Natron, hierauf in destillirtem Wasser, endlich verbrannten wir
es. In der Asche fanden wir keine Spur von schwefelsaurem Salz; die Menge des Chlors
betrug 0,002 Gr.; diejenige des Silbers 0,124 Gr. Hieraus folgt einerseits, daß das
reine unterschwefligsaure Natron keine Spur von Schwefel zurückgelassen hatte;
andererseits war die Menge des Chlors im Verhältniß zu derjenigen des Silbers so
gering, daß man sie als Unreinheit des Papiers betrachten konnte; um Chlorsilber zu
bilden, hätte sie zehnmal mehr betragen müssen, nämlich 0,020 Gr. Mehrmals
wiederholt, gab diese Analyse stets dasselbe Resultat. – Folgender Versuch
beweist in auffallender Weise, daß das Silber auf dem positiven Lichtbild kein Chlor
enthält: wir bereiteten eine ziemlich beträchtliche Menge Chlorsilber, welches wir
in einer Schale ausbreiteten, dann einen Tag lang am Sonnenlicht umrührten, hierauf
mit unterschwefligsaurem Natron und dann mit destillirtem Wasser wuschen; der mit
reinem kohlensaurem Natron geschmolzene Rückstand gab einen König von metallischem
Silber; der Fluß enthielt aber keine Spur von Chlor. – Wir bemerken noch, daß
die Oberfläche der Bilder in Salpetersäure vollkommen auflöslich ist, während man
das Halb-Chlorsilber als unauflöslich betrachtet.
Aus diesen Versuchen glauben wir schließen zu können, daß das positive Lichtbild
durch metallisches Silber gebildet wird, und nicht durch Halb-Chlorsilber,
wie man bisher angenommen hat.
Um nun noch zu bestimmen, in welchem Zustand das Silber auf den geschönten Bildern
ist, haben wir eine Anzahl solcher analysirt, auf denen wir den gewünschten
schwarzen Ton mittelst der gewöhnlichen Schönungsbäder (unterschwefligsaurem Natron,
gemischt mit Essigsäure oder Silbersalz) hervorgebracht hatten; wir fanden darin
immer nicht nur Silber, sondern auch Schwefel, und zwar nahezu in dem zur Bildung
von Schwefelsilber erforderlichen Verhältniß. Da wir constant dieses Resultat erhielten, so schlossen
wir daraus, daß in den erwähnten Schönungsbädern das auf der Oberfläche des Papiers
befindliche Silber sich in Schwefelsilber umwandelt. Dieß ist leicht zu erklären, da
einerseits das unterschwefligsaure Salz durch die Essigsäure unmittelbar zersetzt
wird, und andererseits das unterschwefligsaure Natron eine ihm beigemischte
Auflösung von salpetersaurem Silber fast augenblicklich in Schwefelsilber
umwandelt.
Wir giengen hierauf zur Untersuchung der veränderten Bilder über; wir analysirten
nämlich Bilder, welche seit mehreren Jahren dargestellt worden waren und deren
schwarze Färbung sich in eine gelbe verwandelt hatte; ferner Bilder welche wir
selbst verändert hatten, indem wir sie nach dem Schönen mehrere Tage im Wasser
liegen ließen; endlich Bilder welche wir direct auf unten angegebene Weise
geschwefelt hatten; in allen fanden wir wieder Schwefel und Silber, und
merkwürdigerweise war deren Verhältniß ziemlich dasselbe wie in den schwarzen
Bildern welche aus den Schönungsbädern kommen.
Sonach hatte die Analyse in den fixirten Bildern nur Silber nachgewiesen, während in
denjenigen welche geschönt worden waren, sie mochten schwarz oder gelb seyn,
Schwefel und Silber vorhanden war, und zwar nur diese zwei Körper. Es fragte sich
noch, ob diese Schwefelung wirklich die Ursache der Zerstörung der Bilder ist. Um
darüber Gewißheit zu erlangen, haben wir gut fixirte Bilder geschwefelt, theils nach
den photographischen Verfahrungsarten, theils in Schwefelwasserstoff-Wasser,
theils in einem Strom von Schwefelwasserstoffgas; jedesmal wenn diese geschwefelten
Bilder auf irgend eine Weise der Feuchtigkeit ausgesetzt waren, verschwand ihre
schwarze Farbe rasch und verwandelte sich in eine gelbe, während die bloß fixirten
(nicht geschönten) Bilder gar keine Veränderung erlitten. Wir begnügen uns von den
in dieser Hinsicht angestellten Versuchen zwei anzuführen; beim ersten wurde ein
Blatt lange Zeit in einer Auflösung von Schwefelwasserstoff gelassen: es durchlief
rasch alle gewöhnlichen Farben und behielt endlich in demselben Bade die gelbe Farbe
der veränderten Bilder bei; bei dem zweiten Versuch wurde ein Bild zuerst in der
Wärme getrocknet, dann 24 Stunden lang in einem Strom von ganz trocknem
Schwefelwasserstoffgas gelassen; es behielt seine schwarze Färbung, wurde aber rasch
gelb, als wir es nachher mit Wasser in Berührung brachten.
Wir glauben aus den mitgetheilten Thatsachen folgern zu können, daß bei den
gewöhnlichen photographischen Verfahrungsarten die Schwefelung der Bilder das
Schönen derselben verursacht, und bei Gegenwart von Feuchtigkeit deren
Zerstörung. Die Anwendung der Goldsalze, welche Reactionen ganz anderer Art
veranlassen, hat diese Nachtheile nicht.
Es wäre nun noch zu untersuchen, warum dieses schwarze Schwefelsilber bei Gegenwart
von Feuchtigkeit gelb wird. Da in beiden Fällen keine Aenderung im Verhältniß der
Bestandtheile eintritt, so muß man entweder eine Hydratbildung der Verbindung
annehmen, oder eine dem rothen und schwarzen Schwefelquecksilber analoge isomerische
Modification.
Schließlich bemerken wir, daß einem so dargestellten (geschönten) Bild, wenn es durch
die Zeit zerstört worden ist, die schwarze Färbung leicht wieder in beliebiger
Stärke ertheilt werden kann; es genügt dazu, das Bild einige Stunden lang an einem
dunkeln Orte in Wasser zu tauchen, welches per Liter 2
bis 3 Gramme Chlorgold enthält; hiebei erfolgt eine doppelte Zersetzung und das Gold
lagert sich an der Stelle des Silbers ab; man beseitigt hernach mittelst einer
schwachen Auflösung von unterschwefligsaurem Natron das gebildete Chlorsilber,
wascht das Bild und dasselbe ist nun vollkommen wieder hergestellt.