Titel: | Ueber die Verseifung der neutralen Fette, insbesondere des Talgs, durch die Seifen; von Prof. J. Pelouze. |
Fundstelle: | Band 138, Jahrgang 1855, Nr. CX., S. 422 |
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CX.
Ueber die Verseifung der neutralen Fette,
insbesondere des Talgs, durch die Seifen; von Prof. J. Pelouze.
Aus den Comptes rendus, Decbr. 1855, Nr.
23.
Pelouze, über die Verseifung der neutralen Fette durch die
Seifen.
Einer der ältesten und geschicktesten Kerzenfabrikanten, Hr. de
Milly, hat der Jury der allgemeinen Industrie-Ausstellung zu Paris
eine sehr wichtige Abänderung des Verfahrens zum Verseifen der Fette, insbesondere
des Talgs, durch Kalkhydrat mitgetheilt. Er hat gefunden, daß das Verhältniß des zu
dieser Verseifung erforderlichen Kalks, welches er schon längst von 15 auf 8 oder 9
Proc. des Talggewichts vermindert hatte, sich noch auf die Hälfte, also 4 Procent,
verringern läßt, vorausgesetzt daß man das Gemisch von Kalk, Wasser und Fett einer
höheren Temperatur als bisher unterzieht. Die Operation wird mit mehreren Tausend
Kilogr. Talg auf einmal in einem metallenen Kessel ausgeführt, welchen man einige
Stunden lang auf einer Temperatur erhält, die einem Druck von 5 bis 6 Atmosphären
entspricht.
Dieses Verfahren ist offenbar mit großer Ersparniß verbunden, weil die Menge der zur
Zersetzung der Kalkseife erforderlichen Schwefelsäure um die Hälfte vermindert
wird.
Es schien mir interessant, eine solche Verseifung näher zu untersuchen, welche bei
Gegenwart einer sehr geringen Menge von Basis ausgeführt wird, indem diese nur den
vierundzwanzigsten Theil des gesäuerten Fettes beträgt.
Ich bereitete eine Kalkseife durch doppelte Zersetzung, indem ich eine Auflösung von
salzsaurem Kalk in eine wässerige Auflösung von käuflicher Seife goß. Den gut
ausgewaschenen Niederschlag gab ich in einen kleinen papinianischen Topf mit
beiläufig seinem gleichen Gewicht Wasser und 40 Procent Olivenöl. Das Gefäß wurde
etwa drei Stunden lang in einem Oelbad auf einer Temperatur zwischen 155 und
165° Cels. erhalten.
Das Wasser welches über dem im Topf enthaltenen Niederschlag stand, dampfte ich ab;
es hinterließ einen syrupartigen Rückstand, welcher alle Eigenschaften des Glycerins
besaß.
Der Niederschlag, mit Wasser gekocht, welches mit Salzsäure angesäuert war, lieferte
ein vollkommen gesäuertes Fett; denn dasselbe löste sich direct und vollständig in
Alkohol und in den Alkalien auf. Kurz, die Reaction hatte ganz den Charakter der
gewöhnlichen Zersetzung der neutralen Fette durch die freien Alkalien. Abgesehen von
der geringeren Härte der neuen Kalkseife, unterschied sie sich nicht von einer
Verseifung durch Kalkhydrat.
Ein anderer Versuch wurde direct mit Marseiller Seife gemacht, welche mit ihrem
gleichen Gewicht Wasser und dem Viertel ihres Gewichts Olivenöl gemischt war. Die
Temperatur und das Verfahren waren dieselben. Die Masse besaß nach der Reaction alle
Eigenschaften einer sauren Seife; sie war in kaltem Alkohol, sowie in einer
wässerigen Lösung von Kali oder Natron, auflöslich. Die Säuren schieden daraus eine
fette Substanz ab, welche sich ebenfalls schon in der Kälte in Alkohol und
Alkalilösungen vollständig auflöste.
Aus diesen zwei Versuchen geht hervor, daß die Seifen gerade so wie die Alkalien
selbst die Zerlegung der Fette in Glycerin und in Fettsäuren bewirken können.
Ich habe mich übrigens versichert, daß das Wasser bei der Temperatur von 165°
C. nicht auf die Oele wirkt. Um dieselben zu zerlegen, muß das Gemisch von fetter
Substanz und Wasser die Temperatur von 220° C. erreichen und sehr lange auf
derselben erhalten werden, wie schon Hr. Berthelot
gefunden hatte.
In England, wo das Haus Price ungeheure Quantitäten von
Stearinkerzen fabricirt, geschieht die Verseifung durch die Wirkung des überhitzten
Wasserdampfs bei einer noch höheren Temperatur; man erhält dadurch einerseits
Fettsäuren, andererseits freies und ziemlich reines Glycerin, welches bereits in der
Industrie und Arzneikunde mit Vortheil verwendet wird.
Man begreift, daß bei den fraglichen neuen Reactionen das Wasser mit Beihülfe einer
Temperatur von 150 bis 160° C. eine neutrale Seife in eine saure Seife und in
eine sehr basische Seife zersetzen kann, und daß letztere dann auf eine neue
Quantität Fett gerade so wie ein freies Alkali wirkt.
Der Versuch de Milly's, von welchem ich ausgieng, erklärt
sich auf analoge Weise.
Man kann annehmen, daß die Verseifung des Talgs mittelst bloß 4 Procent seines
Gewichts Kalk in mehrere Perioden zerfällt, in welchen sich zuerst eine basische
oder neutrale Seife bildet, die sich endlich in eine saure Seife umändert.
Vor einigen Monaten habe ich eine noch merkwürdigere Zerlegung der neutralen Fette in
Säuren und Glycerin nachgewiesen, nämlich die freiwillige Verseifung aller Fette
ohne Ausnahme, beim Zutritt der Luft wie ohne denselben, bloß durch die mechanische
Zertheilung der Samen worin sie enthalten sind.Polytechn. Journal Bd. CXXXVI S.
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