Titel: | Miscellen. |
Fundstelle: | Band 138, Jahrgang 1855, Nr. , S. 436 |
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Miscellen.
Miscellen.
Anwendung der Drahtseile zur Uebertragung der Bewegung; von F.
Hirn in Colmar.
Seit länger als einem Jahre bedienen sich Hausmann, Jordan,
Hirn und Comp. in Colmar in ihrer mechanischen Weberei der Drahtseile zur
Uebertragung der Bewegung nach den Sälen, welche von der Kraftmaschine sehr weit entfernt sind. Diese Drahtseile sind von R. S.
Newall und Comp. in London angefertigt. Das eine
derselben, welches 8 Millimeter Durchmesser hat und welches die Fabrikanten mit Nr.
1 1/2 bezeichnen, besteht aus einem Seile von Eisendraht Nr. 4, welches aus
sechsdrähtigen Litzen zusammengesetzt ist und in der Mitte eine Hanfseele hat. Jede
Litze hat ebenfalls wieder eine Hanfseele. Der laufende Meter dieses Seiles wiegt
0,194 Kilogramme und kostet in Colmar 1,58 Fr. Das andere, welches nur 5 Millimeter
Stärke hat, wiegt pro Meter 0,09 Kilogramme und kostet
für dieselbe Länge 94 1/2 Centimes. Es wird von den Fabrikanten mit Nr. 1 3/4
bezeichnet, besteht wie das erstere aus 36 Drähten, welche aber feiner sind (Nr. 1),
und ist genau ebenso zusammengesetzt wie jenes.
Das erstere dieser Seile ist am 10. August 1853 aufgelegt worden und überträgt die
Bewegung aus eine mechanische Weberei, welche von dem Motor 82 Meter entfernt ist.
Es ist auf zwei Scheiben von 2 Meter Durchmesser aufgewickelt, welche 100–105
Umdrehungen in der Minute machen, und liegt auf die ganze Länge zwischen den beiden
Scheiben völlig frei. Hirn glaubt, daß bei dieser
Geschwindigkeit von dem Seile leicht eine Arbeit von 20–30 Pferdekräften
übertragen werden könne.
Das zweite Seil überträgt die Bewegung auf eine Schlosser- und
Tischlerwerkstätte, welche 60 Meter vom Motor entfernt ist. Es läuft über Scheiben
von 1 Meter Durchmesser, welche 50 Umdrehungen in der Minute machen, und liegt
ebenfalls frei zwischen beiden Scheiben.
Unterhaltung und Reparaturen haben diese Seile bis jetzt nicht erfordert. Wenn sie
gegen die Einflüsse der Luft und des Regens geschützt werden sollen, so müssen sie
nach der Angabe der Fabrikanten von Zeit zu Zeit getheert werden. (Polytechnisches
Centralbiatt, 1855, S. 1269.)
Zifferblätter aus Drahtgewebe; von K. Schulze in Brandenburg.
Der Verfasser hat auf den Bahnhöfen Brandenburg und Genthin an Stelle der durch die
Kälte zersprungenen Glaszifferblätter der Bahnhofsuhren Zifferblätter aus
Drahtgewebe ausgeführt, welche haltbarer und bedeutend billiger als jene sind. In
einer der letzten Sitzungen des Vereins für Eisenbahnkunde in Berlin berichtet er
über dieselben Folgendes: Das vielfache Zerspringen der Glaszifferblätter bei Frostwetter, sowie der
bedeutende Preis von 50 Thalern eines solchen Zifferblattes habe ihn veranlaßt, ein
Material zu den Zifferblättern herauszufinden, welches allen Witterungsverhältnissen
widerstehe, und denselben Zweck, sowohl bei Tage, als auch zur Beleuchtung des
Nachts, vollkommen erfülle.
Das Drahtgewebe habe sich zur Anfertigung der
Zifferblätter vollkommen bewährt und erreiche noch nicht 1/4 des Preises eines
Zifferblattes von Glas. Die Zifferblätter von Drahtgewebe seyen nun folgendermaßen
construirt. Das Drahtgewebe ist zwischen zwei eiserne Kränze von Bandeisen von der
Größe des Zifferblattes, 42 Zoll Durchmesser, 3/4 Zoll Breite und 1/8 Zoll Stärke
des Bandeisens, mittelst eisernen Nieten und Drahtschleifen durch Löcher in den
beiden Kränzen gespannt. Auf dieser Scheibe sind die Ziffern, welche von Weißblech
ausgeschnitten sind, aufgelöthet, ebenso die Minuten und die Messingbüchse in die
Mitte der Scheibe für die Zeigerwelle. Zur größeren Steifigkeit des Drahtgewebes ist
noch ein schwacher Draht, von den Ziffern 12 und 6 nach der Messingbüchse in der
Mitte der Scheibe reichend, verlöthet. Die ganze Scheibe ist auf beiden Seiten
dreimal mit weißer Oelfarbe, die Blechziffern und Minuten aber mit schwarzer
Oelfarbe angestrichen. An der Messingbüchse in der Mitte der Scheibe, welche bei
diesen beiden Zifferblättern von den zersprungenen Glaszifferblättern entnommen ist,
ist eine Oese angelöthet, in welche ein schwacher Drahthaken faßt, der nach hinten
am Uhrkasten noch befestigt ist, und so das Drahtgewebe des Zifferblattes gegen
Schwankungen, durch Wind hervorgebracht, schützt, wodurch Reibungen an der
Zeigerwelle u.s.w. vermieden werden. Dieses Zifferblatt ist, sowie die früheren
Glaszifferblätter, mittelst Schrauben an den eingemauerten gußeisernen Rand
befestigt.
Das Drahtgewebe, welches zu diesen beiden Zifferblättern verwendet ist, war in der
Breite der Zifferblätter von 42 Zoll nicht zu erlangen, weßhalb das Gewebe in der
Mitte mit Draht zusammengenäht werden mußte, jedoch so, daß das Gewebe nicht
übereinander zu liegen kam, um die Durchsichtigkeit bei Nacht nicht zu erschweren.
Eben so war das Drahtgewebe nur mit Oelfarbe grün angestrichen zu haben, wodurch das
Auflöthen der Ziffern u.s.w. sehr erschwert wurde. Bei größerem Bedarf von
Zifferblättern dürften durch die Bestellung des Drahtgewebes in der Fabrik von der
nöthigen Breite der Zifferblätter, und unangestrichen verwendet, noch einige
Ersparnisse erlangt werden. Der Preis eines Zifferblattes beträgt 10 Thaler. (Erbkam's Zeitschrift f. Bauwesen, 1855, Heft 9 u.
10.)
Kitt zur Herstellung zersprungener Brunnentröge; von Marmorir
Leonhard zu Villmar.
Zu einem Schoppen abgelagertem, gut gekochtem Leinöl füge man ein Loth pulverisirte
Silberglätte, 1/2 Loth pulverisirten Schmiedehammerschlag, 1/2 Loth Eisenfeilspäne.
Ferner nehme man 3/4 Pfd. pulverisirtes Ziegelmehl, 1/5 Pfd. spanische Kreide, und
1/5 Pfd. Bleiweiß und rühre von dem Gemenge derselben so viel in den Schoppen
Leinöl, daß ein steifer Brei entsteht. Sodann schneide man ein Loth Rehhaare oder
statt deren ein Loth ausgehechelten Flachs oder feinen Hanf in Stücke von 3/4 bis 1
Zoll Länge und mische sie in den Kittbrei, indem man letzteren damit in einem
eisernen Gefäß oder in einem steinernen Mörser mit einem hölzernen Stößer
durcheinander stößt. Alsdann wird noch von dem benannten Gemenge von Ziegelmehl,
spanischer Kreide und Bleiweiß so viel zugesetzt, bis der Kitt so steif ist, daß man
3–4 Loth auf die flache Hand nehmen kann, ohne daß sie aus einander fließen.
Es müssen die benannten Species wenigstens 15 Minuten durcheinander gearbeitet
werden, bis der Kitt gut ist; braucht man indessen eine größere Masse von Kitt, so
versteht es sich von selbst, daß auch mehr als 15 Minuten Zeit erfordert werden, um
ihn zuzubereiten.
Der fehlerhafte Brunnentrog wird sauber ausgewaschen, die Fugen, durch welche Wasser
hindurchdringt, werden rein ausgeputzt und ausgetrocknet, so daß keine Nässe in
ihnen ist, wenigstens so wenig als nur irgend möglich. Hierauf streicht man die
ausgetrockneten Fugen mit Leinölfirniß etwas an, und sucht alsdann von dem beschriebenen Kitt so
viel hinein zu bringen als möglich. Befinden sich aber Stellen in dem Brunnentrog,
wo die Fugen allzu groß oder zu breit sind, so mache man sich Dochte von Hanf,
umgebe dieselben von Außen wie von Innen mit dem benannten Kitt und suche sie in die
Fugen zu pressen und mit dem Kitt dem Boden gleich nochmals zu überstreichen. Man
läßt den verkitteten Brunnentrog nach der Verkittung wenigstens 48 Stunden bei
trockener Witterung zum Trocknen wasserleer stehen am dritten Tag kann man jedoch
das Wasser schon wieder einlassen und es wird nichts mehr hindurchsickern. (Nass.
Gew.-Vereinsblatt, 1855, S. 90.)
Ueber ein neues Silbererz; von H. J. Brooke.
Ich erhielt vor einigen Jahren aus Mexico eine Probe von einem neuen Silbererz,
welches in kleinen, derben, unregelmäßig gestalteten, erdig aussehenden Massen
vorkommt, die in kohlensaurem Kalk und Quarz eingebettet sind, denen krystallisirte
Kupferlasur beigemengt ist. Seine Farbe ist dunkelgrau; es ist ganz glanzlos, und
seine Härte scheint an verschiedenen Theilen der Probe verschieden zu seyn. Der
verstorbene Richard Phillips untersuchte einen Theil
dieses Silbererzes, wobei er fand, daß dasselbe mit Säure aufbrauste und die Lösung
Silber enthielt, daher er es für ein kohlensaures Salz hielt, besonders auch, weil
es dem von Selb beschriebenen kohlensauren Silber sehr
ähnlich ist.
Eine neuere Untersuchung dieses Silbererzes, welche Hr. Richard Smith im metallurgischen Laboratorium des Museums für praktische Geologie
zu London vornahm, ergab jedoch eine ganz andere Zusammensetzung, wornach die von
Phillips gefundene Kohlensäure ohne Zweifel von dem
beigemengten kohlensauren Kalk und Kupferoxyd herrührte.
Die Analyse von zwei kleinen Portionen des erdigen Theils des Minerals, welcher von
der Gebirgsart getrennt worden war, ergab folgende Zusammensetzung in 100
Theilen:
I.
II.
a.
b.
Silber
16,09
17,18
Antimon
7,82
7,50
7,28
Schwefel
1,41
1,84
Selen
2,81
3,58
Chlorsilber
1,26
2,67
Kupferoxyd
10,46
8,61
Kieselerde
45,56
41,81
ThonerdeEisenoxyd
2,06 2,21
4,04
Kalk
1,72
2,83
Kohlensäure
2,92
3,04
gebundenes Wasser
2,31
hygroskopisches Wasser
0,99
Alles in dem Mineral enthaltene Kupfer wird durch Essigsäure aufgelöst; daraus folgt,
daß es nicht als Schwefelkupfer oder Selenkupfer vorhanden ist. Die essigsaure
Lösung enthielt Kalk, gab aber auf Zusatz von Salzsäure, salpetersaurem Silber, oder
Chlorbaryum gar keinen Niederschlag. (Philosophical
Magazine, December 1855, S. 436.)
Analyse eines bituminösen Schiefers.
Ein bituminöser Schiefer, welcher in der Gegend von Bruchsal gebrochen wird, wurde in dem Laboratorium des Professors Dr H. Schröder in Mannheim
untersucht. Dieser
Schiefer gibt bei der trockenen Destillation, je nachdem dieselbe geleiten wird:
2,5 bis
3
Procent Theerwasser,
4
bis 6
„ Theer
und
100 bis 150
badische Kubikfuß Gas per
Centner Schiefer.
Er enthält gegen 14 Proc. brennbare Substanz, und es bleiben hievon nahe anderthalb
Theile in der Schieferkohle der Retorte als Kohlenstoff zurück.
Von 100 Pfunden Schiefertheer lassen sich 62 Pfd. flüssiger flüchtiger Oele
abdestilliren, deren Siedepunkt größtentheils zwischen 100 und 350° C.
liegt.
Der Schiefer ist vielfach von weißen Kalkadern durchzogen und enthält Eisenkies in
nicht unbeträchtlicher Quantität eingesprengt. (Briefliche Mittheilung.)
Verfahren zur Bereitung von Suppen und Zwieback mit Zusatz von
gereinigtem Blut; von Philipp Röhrig zu Paris.
Dieses neue Nahrungsmittel, welches sich hauptsächlich zur Bereitung von Suppen und
Zwieback eignet, besteht aus gereinigtem Blut (von allen eßbaren Thieren), gekochtem
Reis, Kartoffelstärkmehl oder Kartoffelbrei, und Weizenmehl, welche sämmtlich gut
mit einander gemischt werden. Das Verhältniß derselben hängt von dem Geschmack der
Consumenten ab, aber im Allgemeinen ist es vorzuziehen den Reis in Ueberschuß zu
lassen. Um das Blut zu reinigen oder zu raffiniren, kocht man es bei gelinder Wärme
mit einem Zusatz von schwefelsaurem Natron (Glaubersalz) und von Feldkümmel, um den
galligen Theil des Blutes abzuscheiden. Man setzt das Kochen fort, bis das Blut dick
wird, worauf man dasselbe mit den obigen Ingredienzien zu einem Teig macht, den man
zu Zwieback formt und wie solchen backt; solcher Zwieback dient wie gewöhnlicher zur
directen Consumtion oder wird zur Bereitung von Suppe benutzt.
Den Zwieback für Suppen bereite ich von verschiedener Zusammensetzung auf dreierlei
Weise:
1) Ich filtrire das Blut von Ochsen oder Kälbern mittelst eines conischen, beiläufig
sechs Fuß hohen Filters. In dieses Filter gebe ich mehrere Schichten von gekörnter
Knochenkohle, welche ich durch eine Schicht fetter Wolle von einander trenne. Das
Blut wird zuerst geschlagen und mit pulverförmiger Knochenkohle gemischt, dann durch
das Filter passirt, hierauf schwach gesalzen und in einen Kessel gebracht, worin man
es durch Erwärmen auf 145–160° Fahr. (63 bis 71° Cels.) und
Umrühren verdickt, endlich mit seinem gleichen Gewicht Reismehl versetzt. Nach
dieser Beimischung bringt man das Ganze auf einen Tisch und setzt ihm eben so viel
Weizenmehl zu, als vorher Reismehl angewandt wurde, um dem Teig die gehörige
Consistenz zu ertheilen. Derselbe wird wie gewöhnlich gebacken.
2) Ich gebe die sogenannte Zuwage des Rindfleisches (Kopftheile, die Keule, Gedärme
etc.) mit Salz, Gemüse und dem erforderlichen Gewürz in einen Kessel, lasse
dieselben durch Dampf zergehen und vermische die so erhaltene Gallerte mit ihrer
gleichen Quantität gereinigten und bei 160° F. (71° Cels.) verdickten
Blutes. Diesem Gemisch wird auf angegebene Weise Reis- und Weizenmehl
zugesetzt, dasselbe dann zu Tafeln geformt und gebacken. Die Gallerte und das Blut
bilden zusammen ein Drittel der ganzen Mischung, das Reis- und Weizenmehl die
zwei anderen Drittel.
3) Ich lasse in dem vorhergehenden Falle das Blut weg; ich mische nämlich das
Reis- und Weizenmehl mit der Gallerte, indem ich von jenen zwei Drittel, von
dieser ein Drittel anwende. Patentirt in England am 19 März 1855. (Repertory of Patent-Inventions, Dec. 1855, S. 530.)
Bereitung von Weingeist aus Quecken; von Rabourdin in Orleans.
10 Kilogr. (20 Zollpfund) Quecken werden durch Waschen von Erde gereinigt,
zerquetscht und dann mit einer Mischung von 20 Litern (20 Kilogr.) Wasser und 200
Grm. (2/5 Zollpfund) Schwefelsäure gekocht. Das Kochen wird 3 Stunden ang fortgesetzt, indem man von
Zeit zu Zeit das verdampfte Wasser ersetzt. Dann wird portionenweise eine aus 200
Grm. gelöschtem Kalk und 1 Liter Wasser bereitete Kalkmilch zugesetzt und die Masse
ausgepreßt. Man erhält 20 Liter einer zuckerigen Flüssigkeit, die an Baumé's
Aräometer 7° zeigt und 2 Kilogr. fester Substanz in Lösung hält. Derselben
werden 40–50 Grm. (1/10 Pfd.) Bierhefe zugesetzt, worauf sie bei 25°
C. (20° R.) alsbald in Gährung übergeht, die nach 36–40 Stunden
beendet ist. Die Flüssigkeit zeigt dann nur noch 2 1/2° Baumé und
enthält nur noch 800 Grm. fester Substanz. 1200 Grm. repräsentiren demnach den
vorhanden gewesenen Zucker, der sich in Alkohol und Kohlensäure zersetzt hat, wonach
die Quecken 12 Proc. Zucker oder deren Aequivalent an Stärke enthalten würden. Durch
Destillation der vergohrenen Flüssigkeit erhält man 2 Liter Weingeist von 35°
Tr., welcher also 70 Centiliter absoluten Alkohol enthält. Als 10 Kilogr. derselben
Quecken, von denen man zu diesem Versuche genommen hatte, mit bloßem Wasser (ohne
Schwefelsäure-Zusatz) ausgezogen wurden, erhielt der Verfasser, indem er im
Uebrigen ebenso verfuhr, 2 Liter Weingeist von nur 9°, also nur 18 Centiliter
absoluten Alkohol enthaltend. Da Quecken nur in kleiner Menge für Apotheken
gebraucht werden, in großen Mengen aber als Abfall sich vorfinden, den man nur als
Dünger für Wiesen zu verwenden weiß, so wären Versuche über die ökonomischen
Resultate nicht ohne Interesse. (Polytechnisches Centralblatt, 1855, S. 1342.)
Von der Behandlung der Weine auf dem Lager.
Abgesehen von besondern Geruchseigenthümlichkeiten, welche sie dem Gewürz einiger
Traubensorten oder der Zusammensetzung des Bodens, von dem sie stammen, verdanken,
sind alle Weine nichts anderes, als eine innige Verbindung von etwas in Wasser
gelöstem Alkohol, etwas Zucker, verschiedenen Säuren, einigen Salzen, etwas
Gerbstoff und mehreren andern, aber ganz unwesentlichen Substanzen. Alle nicht
wenigstens zehnjährigen deutschen Weine, ohne
Unterschied, ob sie aus dem Saft von Weintrauben oder anderen Obstarten entstanden
sind, enthalten, außer jenen nothwendigen Bestandtheilen eines jeden Weins, noch
einen andern, der nicht bloß überflüssig darin ist, sondern in welchem jeder Wein
auch den Todfeind seines Daseyns beherbergt. Ich rede von jenen stickstoffhaltigen
Bestandtheilen aller Obstsäfte und aller Weine, welche dieselben nie zur Ruhe
kommen, nie fertig werden lassen: von dem Kleber, dem Pflanzeneiweiß u.s.w., aus
welchen, bei Berührung mit der Luft, Hefe entsteht, durch
deren Einwirkung auf den im Wasser der Obstsäfte gelösten Zucker die
weingeist- und weinbildende Gährung hervorgernfen wird, deren längere
Anwesenheit in den vergohrnen, weingewordenen Flüssigkeiten aber deren
Beschaffenheit fortwährend mit verderblichen Veränderungen bedroht. Doch wir werden
das Hierhergehörige etwas gemeinverständlicher vorzutragen versuchen müssen.
Die in den Obstsäften aufgelösten Stickstoffverbindungen werden in dem Maaße, als sie
mit atmosphärischer Luft in Berührung kommen und aus dieser Sauerstoff aufnehmen
(sich oxydiren) zu Hefe oder Ferment. Für das Auge wird dieser Vorgang dadurch
erkennbar, daß der wasserhell von der Kelter geflossene Trauben- oder
Aepfelsaft, nachdem derselbe eine Weile der Luft ausgesetzt war, sich trübt; was
daher kommt, daß der Hefestoff gerinnt und sich als Flocken in der Flüssigkeit
abscheidet.
Die so zu Hefe gewordenen stickstoffhaltigen Bestandtheile erregen in den Obstsäften
die wein- und weingeistbildende Gährung, wodurch der Zucker in Kohlensäure,
die größtentheils in die Luft entweicht, und in Alkohol zerlegt wird, welcher im
Weine, im Cider, gelöst bleibt und diesen Getränken ihre Stärke, ihr Feuer
verleiht.
In den aus zuckerarmen Trauben des Nordens entstandenen Weinen, und in noch größeren
Verhältnissen in den Obstweinen, bleibt, nach der scheinbar beendeten Gährung, noch
eine beträchtliche Menge stickstoffhaltiger Bestandtheile gelöst zurück, und zwar
mit denselben Eigenschaften, welche sie vor der Gährung besaßen, d.h. daß sie
namentlich die Fähigkeit beibehalten, sobald sie mit der Luft in Berührung kommen,
Sauerstoff aus derselben aufzunehmen, dadurch zu Hefe zu werden und als solche, so
lange noch Zucker vorhanden ist, eine neue, diesen allmählich vollends zersetzende
Gährung (ein neues „Treiben,“
„Arbeiten,“
„Werfen“) zu erregen, wodurch durch der Wein seine
Lieblichkeit verliert und dafür mehr oder weniger rauh und herbe wird.
Ist aller Zucker im Wein oder Cider verschunden, so üben die dann noch vorhandenen
Stickstoffbestandtheile in dem Maaße, als sie nach und nach mit Luft in Berührung
kommen und zu Hefe werden, auf den Alkohol eine ähnliche Wirkung, wie vorher auf den
Zucker, indem sie jetzt als Säuerungserreger auftretend, bewirken daß der Alkohol
des Weines, wenn auch nur ganz allmählich, zu Essigsäure zersetzt wird. Kurz die in
den Weinen nach vollendeter Hauptgährung noch vorhandenen stickstoffhaltigen
Bestandtheile sind die Ursache aller nachtheiligen Veränderungen, welche selbst die
scheinbar ganz ausgebildeten Weine auf dem Lager noch erleiden.
Die Richtigkeit dieser Behauptung beweisen die aus dem zuckerreichen Safte der
Weintrauben südlicher Länder erlangten Weine. In diesen bleibt eine Menge Zucker
unzersetzt zurück, nachdem sie alle stickstoffhaltige Substanz als Hefe völlig
abgeschieden (als Bodenhefe, Geläger, abgelagert) haben. Nun, diese süßen Weine (mit
Ausnahme der rothen, in welchen der Farbstoff die Rolle
der Hefenstoffe übernimmt) sind keinen Veränderungen, keinen Krankheiten
unterworfen, und erfordern so wenig Pflege, daß man sie sogar ohne Gefahr längere
Zeit in halbvollen oder selbst in unverspundeten Fässern liegen lassen könnte.
Die Hefenstoffe – welche bei den bisherigen Weinbereitungs-Methoden so
überreichlich in unsere Weine übergehen, daß bis zu diesem Augenblick selbst manche
46er sich ihrer noch immer nicht ganz haben entledigen können und daher wieder in
Bewegung gerathen sind – dürfen demnach als die wahre, vielleicht als die
einzige, ursprüngliche Veränderungs- und Krankheits-Ursache unserer
Obst- und Traubenweine angesehen werden.
Schon vor Jahren, wo mir das Verfahren der Ciderfabrikanten, den überschüssigen
Hefestoff vor und während der Hauptgährung zu oxydiren
und mit der ersten Hefeablagerung aus den Fässern zu entfernen, noch nicht bekannt
war, war mir es daher auch klar, daß das Hauptbestreben bei der Erziehung der Weine
auf dem Lager dahin gerichtet seyn müsse, dieselben sobald als möglich sowohl von
der abgelagerten Hefe, als von dem in ihnen noch gelösten Hefestoffe zu befreien.
Die Mittel, durch welche diese Absicht in den meisten Fällen vollständig erreicht
worden sind, sind einfach folgende:
1) Jeder Wein wird gleich nach überstandener Hauptgährung, und zwar, indem man ihn,
um ihn vielfach mit der Luft in Berührung zu bringen, durch eine Brause ablaufen
läßt, abgestochen und auf ein stark geschwefeltes Faß in den Lagerkeller
gebracht.
2) Sobald der Wein ziemlich hell geworden ist, zieht man ihn auf diese Weise zum
zweiten, und später noch zum dritten und selbst zum vierten Male ab, indem man ihm
beim dritten Abstrich zugleich eine kräftige Hausenblasen-Schönung gibt.
3) Sollte der Wein dessenungeachtet während der folgenden Sommermonate wieder in
Bewegung gerathen, so wird er abermals auf ein stark gebranntes Faß umgefüllt,
zugleich nochmals geschönt, und nach 8 bis 10 Tagen endlich zum letzten Mal
abgelassen, um ihn von der Schönung zu entfernen.
Man hat gegen dieses öftere Ablassen eingewendet, daß damit dem Weine jedesmal ein
Rock ausgezogen werde. Es ist indessen das einzige Mittel, ihm nicht später noch feinere Röcke ausziehen zu müssen, sofern man nicht durch
Oxydirung und Abscheidung der Hefestoffe vor der Gährung, der Nothwendigkeit wiederholter Abstiche vorbeugt.Es würde gar keine Schwierigkeit machen, jeden Wein schon im ersten Jahre die
Lagerreife erreichen zu lassen, wenn wir sehr kalte Keller, von 3 bis
4° unter 0 Temperatur hätten. Wer die Mühe nicht scheut, den Wein
gegen den Winter in ein luftiges, ebenerdiges Local zu bringen, um ihn, ohne
ihn gefrieren zu lassen, eine Zeit lang einer Temperatur bis 5° unter
0 auszusetzen, wird dadurch eine weit vollständigere Abscheidung der
Stickstoffverbindungen, als durch zweijähriges Lagern in Kellern von
gewöhnlicher Temperatur erreichen. (Gall's praktische Mittheilungen. Bd. I. S.
212.)