Titel: | Ueber die direct in der Camera obscura erzielte holographische Gravirung und über einige wissenschaftliche Versuche; von Hrn. Niepce aus St. Victor. |
Fundstelle: | Band 139, Jahrgang 1856, Nr. XII., S. 37 |
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XII.
Ueber die direct in der Camera obscura erzielte holographische Gravirung und über einige
wissenschaftliche Versuche; von Hrn. Niepce aus St. Victor.
Aus den Comptes rendus, October 1855, Nr.
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Niepce, über die direct in der Camera obscura erzielte
heliographische Gravirung.
Um die Verfahrungsarten der heliographischen Gravirung zu vervollständigen, bestand
die Aufgabe darin, ein Bild auf der Stahlplatte direct in der Camera obscura zu erhalten, was aber bisher nur unter Umständen möglich
war, die das nachherige Aetzen der Platte nicht gestatteten.
Es ist mir jetzt gelungen diese Lücke auszufüllen und ich übergebe hiemit der
Akademie Abdrücke einer Stahlplatte, deren heliographische Zeichnung direct in der
Camera obscura ohne alle Retouche erhalten wurde,
denn ich habe, ohne Graveur zu seyn, alle Operationen selbst gemacht.
Bei dem auf Contact beruhenden Verfahren, d.h. wenn man eine Schwarzzeichnung auf die
mit Asphalt (Judenpech) empfindlich gemachte Stahlplatte bringt, wie ich es früher
beschrieben habe,Polytechn. Journal Bd. CXXXIV S.
302. erhält man auf der Platte ein ganz entwickeltes Bild, d.h. bei welchem das
Metall an den den dunkelsten Schatten entsprechenden Stellen fast ganz bloß gelegt
ist, und nur ein solches Bild läßt sich ganz gut ätzen.
Wenn man hingegen in der Camera obscura operirt, so darf
man nicht darnach trachten, ein Bild zu erhalten wie es bei dem Contacte
hervorgebracht wird, d.h. welches einem Daguerre'schen
Bilde ähnlich ist, weil man in diesem Falle einen frisch bereiteten und nicht
empfindlich gemachten Firniß anwenden müßte (wie ich später zeigen werde), was ein
sehr langes Belichten erheischen würde.
Ich suchte daher einen Firniß zu ermitteln, welcher ein zur Aetzung geeignetes Bild
in möglichst kurzer Zeit in der Camera obscura liefert,
und dieses Resultat konnte ich nur durch Benützung eines Firnisses erzielen, welcher
durch Exponiren an Luft und Licht viel empfindlicher gemacht worden war; ein solcher
Firniß brachte aber nur noch Bilder hervor, welche mit einem Schleier überzogen sind
(wie ich sie in meiner letzten Abhandlung beschrieb), wie sie aber, wenn man in der
Camera obscura operirt, nothwendig seyn müssen.
Alles Judenpech kann zur heliographischen Gravirung in der Camera obscura verwendbar gemacht werden, doch sind immer jene
Ausnahmssorten vorzuziehen, welche ursprünglich empfindlich sind, weil sie in sehr
kurzer Zeit ein Bild geben, welches weniger verschleiert ist, als das mit Hülfe
eines durch Exponiren an Luft und Licht empfindlich gemachten Firnisses
hervorgebrachte.
Das Judenpech wird, wie ich in meiner letzten Abhandlung angegeben habe, in Benzin
aufgelöst, welches mit einem Zehntheil Citronenöl versetzt ist, und der so bereitete
Firniß in einer nicht ganz gefüllten Flasche, deren Stöpsel der Luft Zutritt
gestattet, dem Sonnenlichte eine halbe, höchstens eine ganze Stunde, oder dem
zerstreuten Lichte fünf bis sechs Stunden ausgesetzt.
Die erforderliche Zeit des Exponirens an Luft und Licht ändert sich nach der
natürlichen Empfindlichkeit des Judenpechs, und je nachdem das Benzin und Citronenöl
schon vorher mehr oder weniger an Luft und Licht gestanden hatten, denn diese
Agentien wirken so rasch auf das Benzin und auf das Citronenöl, daß man dieselben
nur frisch bereitet oder wenn sie vor dem Einflusse des Lichtes vollkommen geschützt
blieben, anwenden darf. Der Luft allein können sie ohne Nachtheil ausgesetzt gewesen
seyn, wofür ich die Gründe im zweiten Theile dieser Abhandlung angeben werde.
Die Empfindlichkeit des Firnisses muß studirt werden, und um sie kennen zu lernen,
ist es rathsam, einige Proben nach dem Contactverfahren zu machen; erhält man eine
gute Copie an der Sonne in drei bis vier Minuten (mit einem Lichtbild auf mit Eiweiß
überzogenem Gase), ohne daß das Bild verschleiert ist, so ist der Firniß zur
Operation in der Camera obscura hinreichend
empfindlich.
Die Expositionszeit der gefirnißten Platte in der Camera
wechselt zwischen einer halben und drei Stunden an der Sonne, und zwischen zwei und
sechs Stunden im zerstreuten Lichte. Setzt man den Firniß der Luft und dem Lichte
länger aus, so kann man ihn viel empfindlicher machen; aber je empfindlicher der
Firniß ist, desto weniger entblößt sich das Bild mit Hülfe des Lösungsmittels, und
exponirt man den Firniß gar zu lange der Luft und dem Licht, so kommt das Bild nicht
mehr zum Vorschein. Man darf sogar, um diesem Uebelstande auszuweichen, jedesmal nur
eine kleine Menge des Firnisses auf einmal bereiten, denn wenn er einmal dem
Einflusse der Luft und des Lichts ausgesetzt war, nimmt seine Empfindlichkeit selbst
in hermetisch geschlossenen und im Finstern aufbewahrten Gläsern zu.
Der Widerstand, welchen der Firniß der Einwirkung des Scheidewassers entgegensetzt,
ist in der Regel bei dem Contactverfahren größer, als wenn man in der Camera obscura operirt; ich versuchte daher, den Firniß
für letztere Bilder fester zu machen.
Viele Versuche, welche ich in der Absicht, eine größere Undurchdringlichkeit des
Firnisses zu erlangen, mit verschiedenen ätherischen Oelen anstellte, die man in
Vermischung mit Benzin anwenden kann, ergaben, daß keines das Citronenöl mit
Vortheil zu ersetzen vermag; dasselbe bewirkt aber nicht immer einen hinreichenden
Widerstand, und die erste Bedingung ist, daß der Firniß welcher das Bild in der Camera obscura aufnahm und nach dem Einwirken des
Lösungsmittels an der Platte haftend blieb, dasselbe Ansehen vor und nach dem
Belichten darbietet, d.h. glänzt und in Farben spielt, ohne daß darum das Bild allzu
verschleiert wäre.
Wenn der Firniß in diesem Zustande ist, so kann man, namentlich wenn man ihn vorher
einige Tage dem Luftzuge aussetzte, die Platte ätzen lassen; doch ist es besser, die
in meiner vorigen Abhandlung erwähnte Räucherung mit Spieköldämpfen anzuwenden,
welche ich bisher durch kein Mittel mit Vortheil zu ersetzen vermochte, und wobei
man nur besorgt seyn muß, sie angemessen anzuwenden.
Bei den direct in der Camera obscura erhaltenen Bildern
mußte ich das Aquatintakorn weglassen, welches man durch Aufblasen von Harzstaub auf
die Stahlplatte, die ein durch Contact erzeugtes Lichtbild enthält, hervorruft.Polytechn Journal Bd. CXXVIII S.
373.
Manchmal kann man eine mit Scheidewasser allein tief genug gemachte Aetzung
(namentlich bei kleinen sehr feinen Bildern) schwärzen und gute Abdrücke davon machen; aber
häufig geschieht es, daß man, wenn die Aetzung zu weit getrieben wurde, die feinen
Partien des Bildes zerstört, weil die feinsten Striche angefressen werden. Deßhalb
ist es namentlich bei großen Bildern vorzuziehen, die Aetzung nicht zu weit zu
treiben und mein chemisches Korn zu geben, das ich
vermittelst Jodwasser erziele, welches den durch das Scheidewasser gemachten
Vertiefungen den Glanz benimmt. Man kann alsdann eine nur wenig tief geätzte Platte
schwärzen, und die Zeichnung wird von ihrer Feinheit nichts verloren haben, wenn man
besorgt war, das Jodwasser nicht zu lange wirken zu lassen.
Wendet man das (mittelst Harz hervorzubringende) Aquatintakorn nicht mehr an, erhitzt
man folglich die Platte auch nicht mehr, so kann man auch den Kautschukfirniß
anwenden, welchen ich in der vorigen Abhandlung für die Gravirung auf Glas angegeben
habe; ich ziehe jedoch die Anwendung der Räucherungen und des in meiner vorigen
Abhandlung beschriebenen Firnisses vor, weil dieser gleichartiger ist und reinere
Striche gibt.
Will man eine schöne Firnißdecke bekommen, so muß das Benzin ausgetrocknet seyn;
hinsichtlich der Details der Manipulation verweise ich auf ein von mir erscheinendes
„Handbuch der heliographischen Gravirung“, worin ich alles,
was ich über diesen Gegenstand veröffentlicht habe, zusammenstellen werde.
Mittelst der beschriebenen Operation erhält man direct in der Camera obscura auf einer Stahlplatte ein Lichtbild, wovon man nach dem
Aetzen Abdrücke in der Kupferdruckerpresse machen kann, die in Hinsicht auf Plastik
und Feinheit der Züge mit den Lichtbildern auf Papier wetteifern können. Außerdem
haben sie den Vortheil, daß sie sich nicht verändern, und da man von den Platten
eine große Anzahl von Abdrücken machen kann, so lassen sich letztere zu einem sehr
billigen Preis liefern.
Nunmehr erübrigt noch, den Firniß empfindlicher zu machen, während er seine
Eigenschaften beibehält, um die Expositionszeit in der Camera
obscura abzukürzen.
Wirkung verschiedener Gase auf eine Platte, welche mit einem
heliographischen Asphalt-Firniß überzogen ist.
Wie Hr. Chevreul voraussah, weiß man jetzt durch meine
Versuche, daß der heliographische Firniß im erleuchteten leeren Raume sich gar nicht
verändert; es fragt sich also noch, welcher gasförmige Bestandtheil der
atmosphärischen Luft hauptsächlich auf den Firniß wirkt. Von vornherein konnte man sagen: es
sey dieses der Sauerstoff der Luft, welcher hier wie bei vielen andern Körpern eine
Oxydation bewirkt. Ich habe durch vergleichende Versuche, die ich in Chevreul's Gegenwart anstellte, in der That gefunden, daß
der Sauerstoff stets stärker wirkt als die atmosphärische Luft, wenn auch der
Unterschied nicht sehr bedeutend ist. Wasserstoff wirkt nicht, reiner Stickstoff
ebensowenig, also ist der Sauerstoff unentbehrlich, damit diese photographischen
Erscheinungen auf organischen Substanzen stattfinden. Operirt man dagegen mit
unorganischen Substanzen, z.B. mit den in der Photographie gebräuchlichen
Silbersalzen, so spielt die atmosphärische Luft keine Rolle, denn die
Silberverbindungen werden auch in dem erleuchteten leeren Raume schwarz.
Beobachtungen über die verschiedene Wirkung, welche die Luft
und das Licht auf Benzin und flüchtige Oele ausüben.
Ich habe im ersten Theil dieser Abhandlung angegeben, welche Wirkung die Luft und das
Licht auf den heliographischen Firniß in seinem flüssigen Zustand haben, und glaube
über diesen Gegenstand das Resultat einiger Beobachtungen mittheilen zu müssen.
Die atmosphärische Luft für sich wirkt in anderer Weise auf das Benzin, als wenn das
Licht sie begleitet, woraus hervorgeht, daß das Benzin durch den Einfluß der bloßen
Luft stark gefärbt werden kann, wenn man ihm nicht durch Destillation die harzigen
oder bituminösen Substanzen vollständig genommen hat; aber es oxydirt sich nur durch
die gemeinschaftliche Einwirkung von Luft und Licht. Hat man das Benzin öfters
destillirt und ihm auf diese Weise alle fremden Bestandtheile entzogen, so färbt es
sich in der Luft nicht mehr, wenn auch das Licht Zutritt erhält; es oxydirt sich
selbst nach sehr langer Exposition nur mehr ganz schwach.
Solches Benzin kann man zum heliographischen Firniß verwenden; der Firniß muß dann
aber der Luft und dem Licht viel länger exponirt werden, weil sich seine
Empfindlichkeit fast ganz auf den Asphalt und namentlich auf das flüchtige Oel
reducirt.
Die flüchtigen Oele verhalten sich wie das Benzin, nur besteht ein sehr großer
Unterschied in der Zeit, welche sie behufs ihrer Veränderung dem gemeinsamen
Einflusse von Luft und Licht ausgesetzt werden müssen, und dieser Unterschied
besteht nicht nur zwischen den verschiedenen flüchtigen Oelen, sondern auch zwischen
den verschiedenen Sorten eines und desselben Oeles.