Titel: | Ueber die Destillation des Photogens und Paraffinöls im Vacuum; von P. Wagenmann, Ingenieur in Bonn am Rhein. |
Autor: | Paul Wagenmann |
Fundstelle: | Band 139, Jahrgang 1856, Nr. XIV., S. 44 |
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XIV.
Ueber die Destillation des Photogens und
Paraffinöls im Vacuum; von P.
Wagenmann, Ingenieur in Bonn am Rhein.
Wagenmann, über die Destillation des Photogens etc. im
Vaccum.
In dem Patent welches mir in England am 20. December 1853 verliehen wurde
(mitgetheilt im polytechn. Journal Bd. CXXXV S.
138), hatte ich mein Verfahren die aus den Kohlen und bituminösen
Schiefern gewonnenen Oele in gewöhnlichen Blasen durch Destillation zu trennen und
zu reinigen, beschrieben. Nachdem ich aber ein Jahr lang auf diese Weise gearbeitet
hatte, erkannte ich diese Destillirmethode als sehr mangelhaft.
Die hauptsächlichsten Mängel der Blasen bei ihrer Verwendung zur fractionirten
Destillation gemischter Oele sind folgende:
1) Die unregelmäßige Wirkung des Feuers, welche ein unregelmäßiges
Destillationsproduct bedingt; da die Wirkung des Feuers keine augenblickliche ist,
so kann man auch dasselbe, wenn es zu stark seyn sollte, nicht rasch so vermindern, daß die
Temperatur des Oeles in der Blase sogleich sinkt, was zu vielen Störungen
Veranlassung gibt.
2) Erfordert die Destillation zu viel Zeit; die Oele müssen zweimal rectificirt
werden; da nun eine Blase mit 1500 Quart 36 Stunden destillirt, nachher aber für
Abkühlung und Reinigen noch 12 Stunden nothwendig sind, so kann eine Blase in 96
Stunden nur 1500 Quart rectificiren.
3) Erfolgt die Trennung der Oele sehr unvollständig. Wird z.B. eine Blase welche Qel
von 0,870 spec. Gewicht überdestillirt, außer Betrieb gesetzt, und dann, nachdem sie
ziemlich abgekühlt ist, wieder gefeuert, so beginnt sie nicht Oel von 0,870 spec.
Gewicht zu destilliren, sondern solches von 0,820; deßhalb sind auch die schweren
Oele, aus Blasen destillirt, immer dünnflüssig und enthalten Paraffin, was nicht
wünschenswerth ist.
4) Endlich wird die Temperatur in der Blase, selbst bei Anwendung von Wasserdampf,
meistens zu hoch; überdieß ist der Verlust zu groß, indem man nur 91 bis 92 Procent
Destillat aus der Blase erhält.
Diese Mängel sind zusammengenommen so bedeutend, daß mir ein neues System für die
Rectification der gemischten Oele durchaus nothwendig schien; Versuche, welche ich
durch meine Freunde in England anstellen ließ, überzeugten mich, daß die
Destillation im Vacuum alle erwähnten Fehler beseitigen muß, daher ich mich sofort
entschloß einen Apparat dieser Art zu construiren. Dabei waren jedoch einige
Schwierigkeiten zu überwinden, indem die anzuwendende große Hitze und die Ab-
und Zunahme der Temperatur die Dichtheit des Apparats beeinträchtigen mußte, welcher
nur von Eisen, nicht von Kupfer, hergestellt werden konnte; einigermaßen habe ich
jenem Umstand bei der Construction desselben dadurch abgeholfen, daß ich kupferne
Enden einlegte und auch hin und wieder Kupferniete anwendete. Das Erhitzen des
Apparats über die Temperatur des Hochdruckdampfes, womit die Destillation des (von
Schwefelwasserstoff-Ammoniak gereinigten) Theers beginnt, geschieht am besten
mittelst Gas, welches man bei der Destillation des Rohmaterials leicht auffangen
kann, nur muß dasselbe gut gereinigt worden seyn, damit es den Apparat nicht
angreift.
Der neue Apparat ist folgendermaßen eingerichtet.
Er besteht aus zwei Kugelabschnitten mit cylindrischem Mittelstück, und faßt bei 6
Fuß Durchmesser 15–1800 Quart; am untern Kugelabschnitt befindet sich ein
Mantel, welcher aber mit runden Löchern versehen ist, die in ein mit dem Kamin
verbundenes Rohr münden; unten am Mantel sind Löcher, durch welche die Gasbrenner
gehen, welche bis 80
Kubikfuß Gas per Stunde consumiren müssen. – Am
Boden des Kugelabschnitts befindet sich ein Ablaßventil, ein Probirhahn, ein Hahn
für den Austritt des Dampfes, ferner die Schlange.
Am cylindrischen Mittelstück befindet sich der Hahn, welcher mit dem Füllkasten
verbunden ist, der Dampfhahn für die Schlange, ein Hahn für direct einströmenden
Dampf, eine Flüssigkeitstandsröhre, ferner der Verbindungshahn zwischen dem
Uebersteiger und Apparat. Das Mittelstück ist zur Vermeidung von Wärmeverlust mit
einer 3 Zoll dicken Schicht Strohlehm umkleidet.
Auf dem obern Kugelabschnitt befindet sich das Mannloch, ein Thermometer welches bis
auf 300° Cels. graduirt ist, ein Barometer, ein Lufthahn, auch sind daselbst
zwei Gläser zum Beobachten für den Siedemeister angebracht.
Von dem Mannloch geht das Verbindungsrohr, 5 Zoll weit, zum Uebersteiger. Sowohl
dieses Rohr, als der obere Kugelabschnitt sind mit einer 3 Zoll dicken Schicht
Strohlehm umkleidet.
Der Uebersteiger ist eine doppelte Säule, welche innen mit dem Condensator verbunden
ist; die äußere Säule nimmt die übergestiegene Flüssigkeit auf, welche von da in den
Apparat zurückgeht. An der äußern Säule befindet sich eine Flüssigkeitstandsröhre,
ein Einspritzrohr für nasse Condensation, endlich ein Haupthahn um die Verbindung
zwischen dem Apparat und der Luftpumpe aufzuheben. An den Haupthahn schließt sich
für trockene Condensation eine 100 Fuß lange Röhre von 3 Zoll Durchmesser, welche
äußerlich mit Wasser gekühlt wird; dieselbe steht mit den 11 Zoll weiten Luftpumpen
in Verbindung, welche 13 Zoll Hub haben; diese schaffen Oel und Wasser zugleich in
Ständer, wo erstens von letztem sich abscheidet. – Die Luftpumpenkolben
construire ich von Gußstahlringen, welche aufgeschnitten sind und daher gegen die
Wände der Cylinder dicht anschließen.
Die Operation selbst wird folgendermaßen geleitet.
Der Theer wird, wie ich es im polytechn. Journal Bd. CXXXV S. 139 beschrieben habe, mit Eisenvitriol entschwefelt, und
dann in einer Blase destillirt, wobei man das Product in zwei Theile trennt.
Nr. I ist das vom Anfang an bis zur Erreichung eines spec. Gew. von 0,870 übergehende
Oel; Nr. II ist das zuerst mit einem spec. Gew. von 0,870 bis zum Ende übergehende
Oel.
Nr. I wird mit 6 Procent concentrirter Schwefelsäure, 1/8 Procent
zweifach-chromsaurem Kali und 1/2 Proc. Salzsäure vier Stunden lang
gemischt.
Nr. II wird mit 8 Proc. concentrirter Schwefelsäure, 1/6 Procent chromsaurem Kali und
1 Proc. Salzsäure, ebenfalls vier Stunden lang gemischt.
Nach weitern zwei Stunden werden die Oele abgezogen und jedes besonders mit Lauge und
Dampf gewaschen, welche Behandlung zwei Stunden dauert.
Die gereinigten Oele werden dann in die Füllkasten Nr. I und Nr. II geschafft.
Der beschriebene Apparat wird nun mit 1500 Quart von Nr. I gefüllt und der
Siedemeister stellt dann den Dampfhahn der Schlange offen; in Zeit von 20 Minuten
ist die Temperatur auf 40° Cels. gestiegen und die Destillation beginnt; die
Luftleere hält man auf 25–27 Zoll. Gewöhnlich ist etwas Wasser in der
Mischung, welches am Anfang ein heftiges Schäumen verursacht, das erst bei
70° C. aufhört; während dieser Zeit muß der Siedemeister immer durch die
erwähnten Gläser in das Vacuum sehen, und falls das Oel zu hoch steigt, Luft
einlassen; bei einiger Hebung kann er das Uebersteigen ganz verhindern.
Beim Beginn der Destillation läßt man öfters Wasser in die Condensation spritzen, um
Schmutz von der vorhergehenden Operation wegzuspülen. Die zuerst abdestillirten 5
Quart gibt man wieder in den Füllkasten, weil sie verunreinigt sind.
Man steigert dann die Temperatur in beiläufig zwei Stunden auf 100° C. Hierauf
zündet man das Gas an und beginnt dadurch den Apparat von außen zu erwärmen. Nachdem
die Temperatur 120° erreicht hat, sperrt man den Dampf von der Schlange ab,
und öffnet den Hahn des Rohrs für direct einströmenden Dampf, um eine fortwährende
Bewegung im Oel zu unterhalten; dieses Rohr hat nur 1/4 Zoll innern Durchmesser.
Die Destillation geht dann ruhig von statten; man spritzt öfter Wasser ein, um die
Luftpumpen rein zu halten, und steigert die Temperatur per Stunde um 20–25°.
Will man Oel nachfüllen, so sperrt man den directen Dampf ab; soll von Nr. I
nachgefüllt werden, so geschieht dieß bei 130–140° C.; für Nr. II bei
180–190° C. Man öffnet den Füllhahn um so viel, daß das Barometer
nicht unter 23 Zoll sinkt, und hört auf zu füllen, wenn die Temperatur um
15–20° gesunken ist.
Das Photogen (Mineralöl) ist bei der Temperatur von 200° abdestillirt; später
kommen die schweren Oele, welche bei 250° abdestillirt sind. Der Rückstand im
Apparat ist Paraffin, welches man mittelst einer Druckpumpe in eine Blase schafft
und abdestillirt. Das Paraffin hat die erforderliche Consistenz und kommt in den Keller, wo es in
Zuckerformen zur Krystallisation gebracht wird. Nachher verbindet man diese Formen
mit einer Nutschmaschine,Wie sie in den Zuckerfabriken jetzt gebräuchlich sind; man s. polytechn.
Journal Bd. CXXXVII S. 137. um das Oel abzusaugen, welches man dann in die Centrifugalmaschine bringt,
um es auf die von mir a. a. O. beschriebene Weise weiter zu verarbeiten.
Die Vortheile dieser Destillation im Vacuum sind so
bedeutend, daß kein Fabrikant die größere Ausgabe scheuen sollte, um sofort dazu
überzugehen. Man destillirt obiges Quantum (1500 Quart) in 12 Stunden und kann die
ganze Woche fortarbeiten, da es genügt den Apparat jeden Sonntag Nachmittags zu
reinigen. Ueberdieß erspart man viel an Arbeitslohn, indem ein Maschinist und ein
Siedemeister die ganze Arbeit leicht verrichten können.
Die Zersetzungen durch Ueberhitzen sind fast ganz vermieden und die Temperatur für
die Destillation ist bedeutend erniedrigt.
Während man die Ausbeute mittelst der Blase zu 92 Proc. rechnen kann, erhält man
mittelst des Vacuum-Apparates 97 bis 98 Procent; in der Blase muß man aber
zweimal destilliren, wodurch sich das Ausbringen mittelst derselben auf 84 Proc.
reducirt.
Die Trennung der Oele erfolgt sehr vollständig; die schweren Oele sind rein fett und
enthalten auch kein Paraffin, daher man dieselben als Rüböl verwenden kann, wenn man
sie gehörig bleicht.
Ferner sind die Operationen weniger gefährlich, da das Uebersteigen nur am Anfang, wo
noch kein Feuer angewendet wird, stattfinden kann.
Zweckmäßig ist es, die Gläser auf dem oberen Kugelabschnitt, wenn die Temperatur
120° erreicht hat, mit eingeschliffenen Deckeln zu versehen. – Die
Dichtungen müssen jeden Morgen nach dem Auspumpen der Luft mit Leinöl, welches mit
Mennig angerieben ist, überpinselt werden.
Demnächst werde ich mein Verfahren mittheilen, um das im Oel aufgelöste Paraffin
abzuscheiden, ohne das Oel zu zerstören.
Scala der Destillationspunkte für das Vacuum.
Spec. Gewicht.
Grade Celsius.
Barometerstand.
0,750 0,755 0,760 0,765 0,770 0,775 0,780 0,785 0,790 0,795 0,800 0,805 0,810
40° 44 48 54 60 65 70 75 80 83 8 90 100
26
Zoll.
0,815 0,820 0,825 0,830 0,835 0,840 0,845 0,850 0,855 0,860 0,865 0,870 0,875 0,880 0,885 0,890 0,895 0,900
105 115 125 135 145 152 164 174 184 190 195 200 215 225 230 240 245 250
26 1/2 Zoll.
Bonn, im October 1855.