Titel: | Bourdon's Entwurf einer Dampfmaschine, welche mit einem Gemisch von Wasserdampf und erwärmter Luft betrieben wird. |
Fundstelle: | Band 139, Jahrgang 1856, Nr. XXII., S. 96 |
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XXII.
Bourdon's Entwurf einer
Dampfmaschine, welche mit einem Gemisch von Wasserdampf und erwärmter Luft betrieben
wird.
Aus dem Cosmos, Revue encyclopedique, Novbr. 1855, S.
568.
Bourdon's Dampfmaschine.
Hr. Eugen Bourdon, einer der geschicktesten Pariser
Mechaniker, der bekannte Erfinder des Manometers ohne Quecksilber, hatte gehofft vor
Ende der Ausstellung eine neue Maschine in Betrieb setzen zu können, welche durch
eine Mischung von Wasserdampf und erwärmter Luft betrieben wird, und die unter ganz
neuen Bedingungen construirt ist, die ihr eine bedeutende Zukunft sichern. Die
Veröffentlichung unseres (vorstehenden) Artikels über die Wethered'sche Erfindung ließ ihn aber befürchten, daß man ihn des Plagiats
beschuldigen könne, wenn er in einigen Wochen mit einem neuen Motor hervortreten
würde. Um jedem unangenehmen Vorwurf zu entgehen, ersucht er uns, den nachstehenden
Brief aufzunehmen, welcher keine Prioritäts-Reclamation enthält, sondern nur
ein ihm jedenfalls zustehendes Recht constatirt.
Wir brauchen kaum zu bemerken, daß das früher von Hrn. Bourdon angewandte Gemisch von, bei der gewöhnlichen Temperatur
gesättigtem Dampf mit dem aus dem Condensator herbeiströmenden Dampf, ein ganz
anderes als das Wethered'sche Gemisch von gewöhnlichem
und überhitztem Dampf ist. Es veranlaßt uns aber die Gerechtigkeit zu erwähnen, daß
Hr. Sorel einer unserer fleißigsten und glücklichsten
Erfinder, sich bereits im Jahr 1844 die Wethered'sche
Vermischung des gesättigten Dampfes mit dem überhitzten patentiren ließ, nachdem er
deren Wirksamkeit in einer Probemaschine versucht hatte. Das unbekannt gebliebene
oder vergessene Sorel'sche Patent beeinträchtigt den Ruhm
des Hrn. Wethered offenbar nicht, und beide werden die
erforderlichen Maaßregeln ergreifen, um sich ihre respectiven Rechte zu sichern.
Schreiben des Hrn. Bourdon an den Abbé Moigno,
Redacteur des Cosmos, Paris den 5. November 1855.
„Durch Ihr schätzbares Journal lerne ich die Versuche
kennen, welche in dem Maschinengebäude der Industrie-Ausstellung mit
einer Dampfmaschine neuen Systems angestellt wurden, dessen Zweck
Brennmaterialersparung ist und dessen Grundidee in der Benutzung eines Gemisches
von zwei Dampfarten besteht, wovon die eine eine höhere Temperatur als die
andere hat.
„Seit längerer Zeit von den Vortheilen überzeugt, welche die Anwendung des
Dampfstromes zum Vermischen von Gasen oder Dämpfen nach Pelletan's Princip gewähren kann, habe ich verschiedene Apparate
entworfen, welche in einem, mir am 30. December 1848 ertheilten Patente
beschrieben sind. Diese Apparate sind zwar bezüglich der Anwendungsweise sehr
verschieden von dem Wethered'schen, sie scheinen mir
aber doch auf dasselbe Princip hinauszulaufen. In beiden nimmt ein vor dem
Schieber angebrachtes geschlossenes Gefäß ein Gemisch zweier Dampfarten von
verschiedenen Temperaturen auf; darauf verbreiten sich diese Dämpfe, in gewissen
bestimmten Verhältnissen vermischt, mittelst des Schieberventils in dem
Treibecylinder, um hier ihren Druck auf den Kolben auszuüben.
„Zwischen beiden Apparaten findet nur der Unterschied statt, daß ich in
dem meinigen die Ausströmungsgeschwindigkeit des heißeren Dampfes zum Ansaugen
des kältern, in dem zweckmäßig erachteten Verhältniß, benutze; während in dem
amerikanischen System die beiden Dampfarten von derselben Quelle herrühren und
mittelst zweier Hähne mit einander vermischt werden, deren Oeffnung man nach dem
Temperaturgrade regulirt, welchen man dem Gemisch geben will.
„Bei der von mir im Jahre 1848 nach dem beschriebenen System erbaueten
Maschine benutzte ich den Dampf, welcher zur Herstellung des Gemisches mittelst
Einwirkung des saugenden Stromes bestimmt war, nur von 156° C. Temperatur
oder 5 1/2 Atmosphären.
„Es schien mir bei der Benutzung dieser Maschine nicht zweckmäßig zu seyn,
den Dampf zu überhitzen, weil diese Temperaturerhöhung die Anwendung einer
größeren Wassermenge zur Condensation erfordert hätte. Ueberzeugt aber, wie es
seit einigen Jahren auch andere Maschinenbauer sind, von den wesentlichen
Vortheilen, welche die Anwendung verdünnter Luft bei den Motoren gewähren muß,
habe ich seit dem Monat Juli (1855) eine neue Maschine zu bauen angefangen,
welche ich aber vor dem Schluß der Ausstellung nicht zu beendigen vermochte.
Diese Maschine unterscheidet sich von der erwähnten, zuerst von mir construirten
in Folgendem:
„Die erste Einrichtung wurde ausschließlich bei
Condensations-Maschinen angewendet, die zweite nur bei
Hochdruckmaschinen, wofür sie sich allein eignet. – Bei der erstern wurde
der Strom zum Ansaugen des Dampfes angewendet, bei der zweiten dagegen benutze
ich ihn zum Ansaugen von Luft, die ich stark erhitze, indem ich sie durch
eiserne Röhren, welche in den Ofencanälen angebracht sind, strömen lasse. Wenn
der Herd mit Kohks gespeist wird, so fange ich die warme Luft und die
Verbrennungsproducte am Ausgange des letzten Canals auf und presse einen Theil
davon in das Mischgefäß, aus welchem er dann in den Treibcylinder strömt, um
daselbst wie gewöhnlich benutzt zu werden. Zur Vermeidung der Nachtheile, welche
daraus entstehen könnten, daß Kohksstückchen in den Cylinder gelangen, bringe
ich einen Scheider von mehreren dichten Metallgaze-Blättern an.
„Das Mischungsgefäß hat zwei Abtheilungen, welche sich beide in den
Cylinder entleeren. – Erfordert der Motor eine große Regelmäßigkeit, so
bringe ich an jedem Cylinderende einen Schieber an, und da also jeder Schieber
mit einer Abtheilung des Gefäßes in Verbindung steht, so strömen der Dampf und
die heiße Luft stets aus einer Abtheilung demjenigen Schieber zu, welcher über
ihr angebracht ist, und nicht in beide abwechselnd, wie dieß bei den Maschinen
der Fall ist, wo der Dampf direct aus dem Generator genommen wird.
„Obgleich bei dieser Anordnung die partiellen Pressionen auf den
Treibcylinder wandelbare sind, so sind doch ihre Summen ziemlich constant.
„Die Vortheile dieses Systems sind nachstehende:
1) „Das von dem Dampf mitgerissene Wasser wird vollständig verdampft und
daher die Spannkraft des Dampfes erhöhet, ohne einen größeren
Brennmaterialaufwand.
2) „Dem Dampfe werden durch seine Vermischung mit der heißen Luft die
Eigenschaften der als Triebkraft angewendeten permanenten Gase mitgetheilt. Dieß
ist sehr vortheilhaft, besonders wenn man die Expansion benutzen will.
3) „Es werden die Nachtheile der heißen Luft beseitigt, denn für sich
allein angewendet, trocknet sie die Fette aus, welche man zum Schmieren des
Kolbens benutzt, wogegen sie in Vermischung mit Dampf auf den reibenden
Oberflächen eine deren Conservirung sehr günstige Feuchtigkeit unterhält, welche
auch zu einer guten Wirkung der Kolben viel beiträgt.
4) „Man kann in dem Herde einen sehr lebhaften Zug hervorbringen, ohne
durch den Gegendruck einen beträchtlichen Theil der Triebkraft verlieren zu
müssen. Der Zug wird nämlich durch den saugenden Strom bewirkt, und es ist daher
nicht nöthig die Ausflußröhre zu verengen, wie es bei dem Blaserohr der
Locomotiven geschieht.
5) „Die Esse kann bei Generatoren, welche mit Kohks gefeuert werden, fast
gänzlich wegbleiben.
6) „Man kann mit demselben Kessel eine weit bedeutendere Triebkraft
hervorbringen als auf gewöhnliche Weise, weil dem Dampf 20 bis 25 Procent
verdünnte Luft beigemischt werden.
7) „Es wird eine bedeutende Ersparung an Brennmaterial erzielt, was aus den
Betrachtungen in §. 1, 2, 4 und 6 hervorgeht.
8) „Endlich kann die Einrichtung bei den meisten Hochdruckmaschinen und
selbst bei den Locomotiven mit geringen Kosten angebracht werden.
„Die Vortheile, welche dieses Maschinensystem, mit welchem ich mich seit
dem Jahre 1848 beschäftigte, in seiner neuesten Construction gewährt, geben ihm
für das Gewerbewesen einen nicht unbedeutenden Werth; sie erscheinen mir wichtig
genug, um die Priorität der Erfindung zu beanspruchen und zu erklären, daß mein
System eine Original-Erfindung und keine Nachbildung der aus Amerika
eingeführten Maschine ist.“