Titel: | Verfahren zur Gewinnung der Schwefelsäure aus dem natürlich vorkommenden Gypse, und zur Concentrirung und Reinigung der Schwefelsäure; von Frhrn. v. Seckendorff zu Dresden. |
Fundstelle: | Band 139, Jahrgang 1856, Nr. LXX., S. 283 |
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LXX.
Verfahren zur Gewinnung der Schwefelsäure aus dem
natürlich vorkommenden Gypse, und zur Concentrirung und Reinigung der Schwefelsäure; von
Frhrn. v.
Seckendorff zu Dresden.
Patentirt für das Königreich Hannover auf fünf
Jahre, am 7. September 1855. – Aus den Mittheilungen des hannoverschen
Gewerbevereins, 1855, S. 306.
v. Seckendorff, Verfahren zur Gewinnung der Schwefelsäure aus dem
Gyps.
I.
Die Erfindung, dem Gypse die Schwefelsäure zu entziehen, besteht darin, daß ich mich
hierzu eines Zwischenkörpers bediene, des schwefelsauren Bleioxydes, welches mit
großer Leichtigkeit seine Schwefelsäure gegen Salzsäure abgibt, sich dadurch in
Chlorblei verwandelnd, das dann mit Hülfe von fein gemahlenem Gyps wieder in
schwefelsaures Bleioxyd umgesetzt wird.
Uebergießt man nämlich 1 1/4 Aequivalent schwefelsaures Bleioxyd mit 1 Aequivalent
Salzsäure von 21° Baumé, erwärmt beides unter Umrühren auf circa 50 bis 60° Reaumur, so ist nach kurzer Zeit
die Flüssigkeit fast ganz in Schwefelsäure verwandelt. Wendet man z.B. 6
Aequivalente schwefelsaures Bleioxyd an und setzt 5 Aequivalente Salzsäure von
21° Baumé hinzu, so erhält man eine Säure zurück, in welcher das
Verhältniß der Schwefelsäure zur Salzsäure ist wie 5 : 1.
Je concentrirter die Salzsäure ist, mit der man arbeitet, desto günstiger gestaltet
sich dieses Verhältniß.
Die Vertauschung der Salzsäure gegen Schwefelsäure gestaltet sich in ganz
verschiedenen Proportionen, je nachdem man die Salzsäure in verschiedener Stärke auf
das schwefelsaure Bleioxyd einwirken läßt. Da das Chlorblei einen viel größern Raum
einnimmt, als das schwefelsaure Bleioxyd; da überhaupt dieses Salz einen großen
Theil der gewonnenen Schwefelsäure schwammartig zurückhält, so gibt diese Thatsache
ein Mittel ab, große Massen der gewonnenen Schwefelsäure von dem Chlorblei ohne
Filtration zu trennen.
Mein Verfahren, diese Thatsachen für die Praxis nutzbar zu machen, besteht nun darin,
daß ich, je nach dem Maaßstabe, in welchem gearbeitet werden soll, ein hölzernes
Gefäß aufstelle, das mit Blei ausgelegt ist und durch Bleiröhren mittelst
Wasserdampf geheizt werden kann. In dieses Gefäß, gleichviel von welcher Form,
bringe ich eine bestimmte Menge schwefelsaures Bleioxyd, welches dann mit einem Gemisch
von Schwefelsäure und Salzsäure oder Schwefelsäure allein von 18°
Baumé so lange übergossen wird, bis das Salz damit gesättigt oder getränkt
ist. Diese schwache Säure wird dann im Laufe der Arbeit stets wieder gewonnen, wie
sich weiter unten zeigt. Sie hat keinen andern Zweck, als das Bleisalz mit einer
Flüssigkeit zu tränken, welche dasselbe nicht verändert und mich in Stand setzt,
dieselbe Quantität Säure abzuziehen, welche ich aufgebe. Unter fleißigem Umrühren
und Erwärmen wird nun so viel Salzsäure von 21° Baumé zugesetzt, als
zur ersten Operation berechnet. Nach einiger Zeit läßt man die Flüssigkeit ruhig
stehen, absetzen, und zieht dann gerade so viel schwache Schwefelsäure ab, als dem
Maaße nach Salzsäure zugesetzt wurde. Man gießt ferner zum zweitenmal ungefähr die
Hälfte der vorher angewandten Salzsäure auf, verfährt dabei wie das erstemal,
wodurch dann sämmtliches schwefelsaures Bleioxyd in Chlorblei verwandelt ist.
Nachdem auch diese Säure von dem Rückstande abgezogen und mit der zuerst gewonnenen
vereinigt wurde, wird dieselbe in überwölbten Bleipfannen bis zu 60°
Baumé eingedampft; die entweichende Salzsäure aber mittelst der bekannten
Apparate aufgefangen.
Mittelst dieser Operationen werden in der Regel 3/4 der in dem schwefelsauren
Bleioxyde enthaltenen Schwefelsäure sofort zum Eindampfen gewonnen. Setzt man nun
dem Chlorblei die richtige Quantität Wasser zu, so erhält man dadurch diejenige
Quantität schwache Säure zurück, welche bei der ersten Operation künstlich
hergestellt werden mußte. Diese schwache Säure wird daher, wenn das Bleisalz sich
abgesetzt, auf ein höher stehendes Gefäß gepumpt und zu weiterem Gebrauch
aufbewahrt. Durch ferneres ein- oder zweimaliges Auswaschen wird dem
Chlorblei möglichst alle Säure entzogen; damit aber diese schwache Säure nicht
verloren geht, wird dieselbe statt gewöhnlichen Wassers bei der Glaubersalzbereitung
vorgeschlagen und mit salzsaurem Gase aufs Neue gesättigt.
Nachdem das Chlorblei hinreichend ausgewaschen, wird die berechnete Quantität Gyps in
ganz fein gemahlenem Zustande mit einer solchen Quantität Wasser zugesetzt, daß
keine stärkere Lauge als von 2 1/2 bis 3° Baumé entstehen kann. Wird
das Wasser bis 60° Reaumur erwärmt, so ist in kurzer Zeit das Chlorblei
wieder in schwefelsaures Bleioxyd verwandelt. Sieht man darauf, daß die
Chlorcalciumlauge nicht stärker als oben angegeben war, und nicht sauer ist, so
darf, wenn die Gypszersetzung richtig geleitet war, kein Blei in Lösung seyn. Wäre
dieß jedoch der Fall, so schlägt man es mit etwas Kalk heraus. Das neue gewonnene
schwefelsaure Bleioxyd ist nach mehrmaligem Auswaschen zur neuen Zersetzung
fertig.
Soll diese aus Salzsäure und Gyps gewonnene Schwefelsäure in den Handel gebracht
werden, so muß sie nach einer der bekannten Methoden bis 66° Baumé
concentrirt und weiß gekocht, oder nach meiner Erfindung Nr. II behandelt
werden.
II.
Zeither bediente man sich zur Concentrirung der Schwefelsäure zuerst der Bleipfannen,
worin die Säure bis zu 60° Baumé eingedampft wurde; von da kam
dieselbe entweder in Glas- oder Platingefäße, um dann noch bis zu 66°
Baumé eingedampft zu werden. Durch meine Erfindung werden alle diese
Operationen vereinfacht und mit einemmal gemacht, zu gleicher Zeit das Wasser der
schwachen Kammersäure benutzt, um gleichzeitig der Kammer einen Theil der nöthigen
Wasserdämpfe zuzuführen, so daß nach meinem System auch die Dampfkessel unter den
Kammern theilweise erspart werden können. Um diese Zwecke zu erreichen, bediene ich
mich eines Gefäßes von Eisen, vorzugsweise Gußeisen, oder auch Oefen, die von Eisen
und Backsteinen oder von letzteren allein erbaut worden sind, ziehe aber die
eisernen Gefäße vor.
Es wird eine eherne Retorte, deren Form ganz verschieden seyn kann, wobei ich aber
die mit einem flachen Boden vorziehe, so eingemauert, daß das Feuer sowohl den
untern Theil derselben, wie den obern bestreicht. Nur die beiden Enden der Retorte
sind frei, ganz in der Art, wie es bei der Gewinnung der Salpetersäure der Fall ist.
Nach der Einmauerung wird dann ein solcher eiserner Cylinder bis zur Hälfte mit
schwefelsaurem Bleioxyd, Sand, oder fein gemahlenem Gyps, oder irgend einem Körper
gefüllt, welcher die Schwefelsäure nicht in der Hitze zersetzt.
Ich ziehe schwefelsaures Bleioxyd gewöhnlich allen andern Körpern vor.
Ist Alles so weit vorbereitet, so wird die Retorte mit so viel Kammersäure gefüllt,
daß dieselbe mit dem Inhalt der Retorte einen ziemlich dicken Brei bildet. Man
beginnt nun im Anfang schwach zu feuern, was nach und nach verstärkt wird. Die
Einrichtung an den Apparaten muß so getroffen seyn, daß die anfänglich entweichenden
Wasserdämpfe und Gase durch ein Bleirohr der Kammer zugeführt werden, die später
erscheinende concentrirte Säure aber in Glas- oder Thongefäßen aufgefangen
werden kann. Am besten ist es, wenn man sich eines Platinrohres, das durch Wasser
geht, zur destillirenden Schwefelsäure bedient. Mittelst Hähnen von Thon kann
das Absperren der Wasserdämpfe und der concentrirten Säure bewirkt werden.
Während der Destillation der Schwefelsäure muß das Feuer sehr gleichmäßig erhalten
werden. Fängt die Retorte an ein stärkeres Feuer zu erfordern, so unterbricht man
die Operation, läßt die Retorte so weit abkühlen, daß dieselbe wieder frisch mit
Kammersäure gefüllt werden kann, und beginnt die Arbeit aufs Neue.
Auf diese Weise wird eine sehr reine, eisenfreie und ganz concentrirte Schwefelsäure
gewonnen, die eiserne Retorte nur sehr wenig angegriffen, so daß eine solche Retorte
wohl Jahre lang halten kann, zumal wenn die Arbeit Tag und Nacht gleichmäßig
fortbetrieben wird.