Titel: | Ueber den Kautschuk des Amazonenstroms; von Hrn. R. Spruce. |
Fundstelle: | Band 139, Jahrgang 1856, Nr. LXXVIII., S. 311 |
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LXXVIII.
Ueber den Kautschuk des Amazonenstroms; von Hrn.
R.
Spruce.
Aus dem Journal de Pharmacie, Novbr. 1855, S.
336.
Spruce, über den Kautschuk des Amazonenstroms.
Im Jahr 1849 war die Kautschuk-Gewinnung zu Para (Brasilien) noch sehr
beschränkt und dieser Industriezweig erstreckte sich nur auf die nächste Umgebung
dieser Stadt. Der Kautschuk wurde damals aus den verschiedenen Species der Syphonia gewonnen. Aber der niedere Preis, welcher dafür
auf den Märkten geboten wurde, und das Widerstreben der Eingebornen gegen jeden
neuen Industriezweig, trat der Entwickelung desselben wahrhaft hindernd
entgegen.
Als Hr. Spruce im Jahr 1851 den
Rio-Negro hinauf wanderte, machte er die Einwohner der Gegend auf den
Reichthum von Kautschukbäumen (Seringen, Xeringen) in ihren Wäldern aufmerksam und
auf die Vortheile, welche sich ihnen durch die Gewinnung des Kautschuks aus
denselben darböten. Anfangs legten sie nicht den geringsten Werth darauf; bald aber,
als die Nachfrage von allen Seiten her, besonders aus den Vereinigten Staaten, sich
sehr steigerte und der Preis des Kautschuks außerordentlich in die Höhe ging,
schritten sie zur Ausbeutung dieser Bäume und zwar mit dem größten Eifer.
In der Provinz Para allein, einem nur kleinen Theil des Amazonengebiets, waren nach
Spruce mehr als 25,000 Personen mit dieser
Fabrication beschäftigt, so daß sogar andere Industriezweige dadurch vernachlässigt
wurden. Zucker, Rhum, ja selbst Mehl waren für den Bedarf der Provinz nicht mehr
genügend vorhanden, und mußten aus entfernten Gegenden bezogen werden.
Die Gewinnungsweise des Kautschuks ist fast überall dieselbe und besteht darin, daß
man Einschnitte macht. Anfänglich wurden die Stämme niedergehauen und aller
Milchsaft möglichst vollständig daraus gezogen. Aber abgesehen davon, daß dieß
eine mühevollere und unbequemere Arbeit ist, fand man bald, daß auch die Ausbeute
eine geringere war.
Die von den meisten Fabrikanten befolgte Austrocknungsweise ist die alte und besteht
darin, den Saft der Flamme eines Feuers auszusehen und mehrere Schichten desselben
nach einander auf eine Form zu bringen. Einige begnügen sich, ihn noch flüssig in
viereckige Kästen auszugießen und freiwillig austrocknen zu lassen. Da er aber 10
Tage und darüber braucht, um die gehörige Consistenz zu erlangen; da ferner die
Masse dann erst in dünne Schnitten zertheilt und stark gepreßt werden muß, um Luft
und Wasser, die sich in ihren Zellen befinden, zu entfernen, so wurde dieses
Austrocknungsverfahren jetzt fast ganz aufgegeben.
Man fand, daß der Zusatz einer kleinen Menge Alauns die Gerinnung des Saftes
beschleunigt und der Zusatz von Ammoniak sie verzögert. Der Zusatz dieses letztern
kann daher von Nutzen werden, um den Saft in flüssigem Zustande aufzubewahren.
Wenn sich die Bäume in der Blüthe befinden, steigt fast sämmtlicher Milchsaft nach
oben, so daß Einschnitte in den Stamm beinahe keinen Saft liefern, während er aus
den in die blühenden Rispen gemachten Einschnitten in
Masse ausfließt. Man pflegt alsdann die Bäume ruhen zu lassen, bis die Frucht ihre
volle Entwicklung erreicht hat, wozu immer 2–3 Monate erforderlich sind. In
der Umgegend von Para scheint die Kautschuk-Ernte auf die warme Jahreszeit
beschränkt zu seyn; sie beginnt im Monat Junius und endigt im Monat December. Auf
der Höhe des Rio-Negro blühen die Kautschukbäume zwischen dem Anfang
Novembers und dem Ende Januars.
Die Species, aus welchen am obern Rio-Negro und am untern Cassiaquari der
Kautschuk gewonnen wird, sind die Syphonia lutea und die
Syphonia brevifolia. Beide sind gerade, hoch, nicht
sehr dick, haben eine dünne, sehr zarte Rinde; die Blätter der erstem sind länglich,
die der letztern sind kurz. Ihre Blüthen sind gelb und stark riechend, während sie
bei den meisten andern Arten purpurroth sind. Die mittlere Höhe der Bäume ist
ungefähr 100 Fuß.
Hr. Spruce sammelte noch fünf
bis sechs andere Syphonia-Species an den Ufern
des Amazonenstroms und des Rio-Negro; ohne Zweifel gibt es aber deren noch
viel mehr.
Auf Uapoa (Uauper) fand er zwei Bäume einer, wie es
scheint, von Syphonia sehr verschiedenen Gattung, die
wahrscheinlich der Familie der Sapotaceen angehört. Diese Bäume liefern Kautschuk
von sehr großer Reinheit und werden von den Indianern ebenfalls Xeringa genannt.
Ihre vielfältigen Stämme
und einfachen, nicht dreizähligen, Blüthen geben ihnen aber ein von der Syphonia völlig verschiedenes Ansehen.
Es gibt im Amazonenthal wohl noch andere Bäume, die Kautschuk liefern; der von
denselben gewonnene Kautschuk ist aber meistens mit Harz vermischt, welches man
nicht abzusondern versteht; dahin gehören zahlreiche Feigenbäume und
Artocarpus- (Brodfruchtbäume-) Arten welche den Rio-Negro und
Orinoko aufwärts in Menge vorkommen.