Titel: | Ueber die Rolle welche die kieselsauren Alkalien bei der künstlichen Erzeugung von hydraulischem Kalk, Cementen und verkieselten Kalksteinen spielen; von Hrn. Fr. Kuhlmann. |
Fundstelle: | Band 139, Jahrgang 1856, Nr. LXXXVII., S. 368 |
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LXXXVII.
Ueber die Rolle welche die kieselsauren Alkalien
bei der künstlichen Erzeugung von hydraulischem Kalk, Cementen und verkieselten
Kalksteinen spielen; von Hrn. Fr.
Kuhlmann.Nachtrag zu den Abhandlungen des Verfassers im polytechn. Journal Bd. CXXXVII S. 288, 358 und 436.
Aus den Comptes rendue, Decbr. 1855, Nr.
25.
Kuhlmann, über die Rolle welche die kieselsauzren Alkalien bei der
künstlichen Erzeugung von hydraulischem Kalk etc. spielen.
Künstlicher hydraulischer Kalk. – Wenn man in
Wasser zerrührten fetten Kalk mit einer Auflösung von kieselsaurem Kali oder Natron
zusammenbringt, so wird das Kali oder Natron ausgeschieden, und die Kieselsäure,
indem sie sich mit dem Kalk verbindet, nimmt die Stelle von einem Theil des Wassers
ein, womit der Kalk imprägnirt war. Diese Verbindung verleiht dem Kalk die Natur
einer plastischen Substanz, die, besonders nach dem Brennen, das Wasser, welches sie
umgibt, nicht mehr weiß macht. Alle Kalkmolecüle sind unter sich durch das kieselige
Cement verbunden. Wenn dieser Kalk, welcher in ein basisches Silicat verwandelt ist,
auf Mauern mit der Luft in Berührung bleibt, so absorbirt er Kohlensäure und
verwandelt sich nach und nach in kieselkohlensauren Kalk.
Ersetzt man das kieselsaure Kali durch Thonerde-Kali oder -Natron, so
entstehen analoge Erscheinungen.
Verkieselung des mit fettem Kalk bereiteten Mörtels.
– Wenn man die Mauern mit Auflösungen von kieselsaurem Kali oder Natron
begießt, so verwandelt sich das im Ueberzug (Mörtelbewurf) enthaltene Kalkhydrat in
kieselsauren Kalk, der Ueberzug mag noch so alt seyn. Ein Theil des Kalis oder
Natrons wird ausgeschieden. Das Silicat, welchem schon bei seiner Bildung kohlensaurer
Kalk innig einverleibt ist, stellt so eine Verbindung dar, analog derjenigen welche
man erhält, wenn man künstlich auf nassem Wege dargestellten hydraulischen Mörtel
der Luft aussetzt. Ist das kieselsaure Alkali in Ueberschuß vorhanden, so wird
endlich auch der kohlensaure Kalk zersetzt, wie man aus dem Nachfolgenden
ersieht.
Verkieselung der porösen Kalksteine. – Wenn man
den natürlichen kohlensauren Kalk mit dem kieselsauren Kali oder Natron in Berührung
bringt, so verhält er sich zum Theil wie der Aetzkalk. Durch seine bloße Berührung
mit dem kieselsauren Alkali scheidet er das Kali oder Natron aus, und die
Kieselsäure bildet mit dem kohlensauren Kalk dasselbe kieselkohlensaure Salz,
welches beim Erhärten des hydraulischen Kalks und des mit fettem Kalk dargestellten
Mörtels entsteht.
Daß meine Erklärung der bei diesen Umwandlungen stattfindenden Erscheinungen richtig
ist, geht daraus hervor, daß in allen diesen Fällen, selbst im letzten, Kali oder
Natron im caustischen Zustande ausgeschieden wird; ferner daß die Kreide, beim
Kochen mit kieselsaurem Alkali, demselben die Kieselerde bis auf die letzte Spur
entzieht, ohne ihre eigene Kohlensäure abzugeben.
Wie man steht, spielt also der kohlensaure Kalk der Kieselerde gegenüber die Rolle
einer Basis, und die Kieselerde wird nur durch eine ganz schwache Verwandtschaft vom
Kali oder Natron zurückgehalten.
Die erwähnten Erscheinungen führen alle zu demselben Resultat; es bildet sich nämlich
kieselkohlensaurer Kalk, welcher nach und nach sein Hydratwasser verlieren und die
charakteristische Härte der hydraulischen Cemente erlangen kann.
Verkieselung des Gypses. – Die Wirkung der
kieselsauren Alkalien auf den Gyps ist wesentlich verschieden von derjenigen auf die
Kalksteine; auch sind die Resultate dieser Wirkung hinsichtlich der praktischen
Anwendung unsicherer.
Wenn die kieselsauren Alkalien mit schwefelsaurem Kalk in Berührung bleiben, so
erfolgt eine doppelte Zersetzung; neben kieselsaurem Kalk bildet sich schwefelsaures
Kali oder Natron.
Bekanntlich strebt das schwefelsaure Natron, durch seine Krystallisation, die porösen
Kalksteine zu zerspalten. Beim Hartmachen des Gypses ist daher die erste Bedingung,
ausschließlich das kieselsaure Kali anzuwenden. Während aber die Wirkung der
kieselsauren Alkalien auf den porösen Kalkstein nur eine allmähliche und langsame,
daher der Erhärtung höchst günstige ist, wirken diese Salze im Gegentheil auf den Gyps schnell, fast
augenblicklich; die Folge davon ist ein beträchtliches Aufschwellen, welches dem
Gyps eine große Porosität verleiht, wenn man ihn mit der Lösung des kieselsauren
Alkalis anmacht; wendet man geformten Gyps an, so lösen sich bald Schuppen von
demselben ab. Ich habe daher bei der früheren Besprechung dieses Gegenstandes
ausdrücklich bemerkt, daß man zum Hartmachen des Gypses viel schwächere Auflösungen
des kieselsauren Alkalis anwenden muß, als zum Hartmachen der Kalksteine.
Wendet man zum Hartmachen des Gypses die Verkieselung mittelst Kieselflußsäure an, so
bleibt in der Masse ebenfalls Schwefelsäure zurück, welche deren Festigkeit
beeinträchtigen kann.
Verkieselung der Fresco-Malereien. – Wenn
man die Fresco-Malereien auf die früher von mir angegebene Weise verkieselt,
so finden genau dieselben Erscheinungen statt, wie beim verkieseln des mit fettem
Kalk dargestellten Mörtels. Bei dieser Malerei werden bekanntlich die mit Wasser
angeriebenen Farben auf einen aus fettem Kalk und Sand bestehenden frischen Ueberzug
aufgetragen, und die Farben werden so durch den kohlensauren Kalk selbst befestigt,
indem dessen krystallisirte Häutchen sie einhüllen; sie erhalten dadurch ein mattes
und dunstiges Ansehen, welches dieser Art von Malerei einen großen artistischen
Werth gibt.
Begießt man so bemalte Mauern mittelst Spritzen mit kieselsaurem Alkali, so erhalten
die oberflächlichen Theile des Kittes von fettem Kalk die Zusammensetzung und
Eigenschaften der hydraulischen Cemente und erlangen deren Härte.
Malerei mit Farben welche mit kieselsaurem Alkali angerieben
sind. – Bei dieser Malerei bilden die als Farben benutzten
kohlensauren Salze und Oxyde langsam innige Verbindungen mit der Kieselsäure, und
das Kali oder Natron wird verdrängt. Ist die Farbe eine trage Substanz, welche keine
chemische Verbindung bilden kann, so entsteht durch die bloße Wirkung der in der
Luft enthaltenen Kohlensäure eine kieselerdehaltige Masse, welche ein
außerordentlich haftendes Cement bildet, das in kurzer Zeit durch die Ausscheidung
der Alkalien eine gänzliche Unauflöslichkeit erlangt.
Wenn man diese Malereien auf Kalkstein anbringt, oder auf Mauern welche mit Kalk
überzogen worden sind, so wird die Adhärenz eine innigere, indem das kieselsaure
Alkali sowohl auf den Farbstoff als auf den kohlensauren Kalk der Mauer wirkt. Im
letztern Falle ist es durchaus nothwendig, vor dem Auftragen der Farben die Mauern
mit einer schwachen Auflösung von kieselsaurem Alkali zu begießen, damit der Farbe kieselerdehaltiger
Cement nachgeliefert wird.
Man kann bei dieser Malerei natürlich alle diejenigen Farben nicht anwenden, welche
durch die alkalische Reaction der kieselsauren Alkalien eine Veränderung erleiden;
aber auch solche Farben sind zu vermeiden, welche, wie das Bleiweiß und chromsaure
Blei, sich in ein gallertartiges Silicat umwandeln.
Druckerei mit kieselsauren Alkalien. – Wenn die
kieselsauren Alkalien gut mit Kieselerde gesättigt sind, und man druckt sie auf
Papier, so verändert sich dieses gar nicht; es fragt sich jedoch, ob mit der Zeit
nicht eine Reaction eintritt.
Auf Zeugen, welche mit kieselsaurem Alkali bedruckt wurden, ist, nachdem sie einige
Zeit der Luft ausgesetzt waren, die Kieselerde befestigt, und das Waschen entzieht
ihnen das Kali oder Natron.
Die etwa löslich gebliebenen Theile von kieselsaurem Alkali können durch eine
schwache Seifenpassage oder auch durch ein Kochsalzbad fixirt werden; das Kochsalz
kann nämlich mit den kieselsauren Alkalien eine in Wasser wenig lösliche Verbindung
bilden.
Hartmachen von Körpern aller Art mittelst kieselsaurer
Alkalien. – Wenn man in poröse Steine, oder überhaupt in organische
und unorganische Substanzen kieselsaures Alkali einspritzt, so kann man das Erhärten
dieser Körper keinen anderen Reactionen zuschreiben, als der Zersetzung des
kieselsauren Alkalis durch die langsame Wirkung der Kohlensäure in der Luft und der
allmählichen Zusammenziehung der frei gewordenen Kieselerde.