Titel: | Verfahrungsarten zur Benutzung des Schwefels welcher im Rückstand vom Auslaugen der rohen Soda enthalten ist; von P. A. Favre, Prof. der Chemie zu Montpellier. |
Fundstelle: | Band 139, Jahrgang 1856, Nr. C., S. 425 |
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C.
Verfahrungsarten zur Benutzung des Schwefels
welcher im Rückstand vom Auslaugen der rohen Soda enthalten ist; von P. A. Favre, Prof. der
Chemie zu Montpellier.
Patentirt für England am 7. Juni 1855.
Aus dem Repertory of Patent-Inventions, Februar
1856, S. 161.
Favre's Verfahrungsarten zur Benutzung des Schwefels welcher im
Rückstand der rohen Soda enthalten ist.
Der beim Auslaugen der rohen Soda verbleibende Rückstand besteht bekanntlich in der
Hauptsache aus Calciumoxysulfuret (Verbindung von Schwefelcalcium mit Kalk, 2Ca S, Ca O), welches nach der Theorie 32 Procent
Schwefel enthalten sollte. Ich habe bei der Analyse solcher Rückstände, welche bloß
an freier Luft getrocknet waren, 19 bis 22 Procent Schwefel gefunden. Der in diesen
Rückständen enthaltene Schwefel geht ganz verloren, obgleich er einen nicht
unbeträchtlichen Theil des Schwefelbedarfs einer Sodafabrik ausmacht, daher es sehr
zu wünschen wäre, ihn wenigstens theilweise verwerthen zu können.
Zu diesem Zweck benutze ich die Salzsäure, welche in den Sodafabriken als
Nebenproduct gewonnen wird.
Das Princip meiner Behandlung der Rückstände vom Auslaugen der rohen Soda ist
folgendes: Das in diesen Rückständen enthaltene Schwefelcalcium wird in Wasser
suspendirt, worauf man die aus den Glaubersalz-Oefen sich entbindende Salzsäure auf
dasselbe einwirken läßt. Anstatt mit der gasförmigen Säure, kann man das
Calciumoxysulfuret auch mit der in Wasser verdichteten, also flüssigen Salzsäure
behandeln. Die Salzsäure bildet mit dem Kalk und Schwefelcalcium auflöslichen
salzsauren Kalk, wobei sämmtlicher Schwefel als Schwefelwasserstoffgas entwickelt
wird. Der Apparat, in welchem die Reaction stattfindet, muß von Sandsteinen,
überhaupt einem Material welches von der Salzsäure nicht angegriffen wird,
hergestellt werden. Nachdem ich so den Schwefel in Form von gasförmigem
Schwefelwasserstoff entwickelt habe, wende ich zur Benutzung des Schwefels eine der
beiden folgenden Verfahrungsarten an.
Erstes Verfahren.
Ich bereite eine gesättigte Auflösung von schwefliger Säure, indem ich das (durch
Verbrennen von Schwefel, Kiesen oder Schwefelwasserstoff erhaltene) Gas in Wasser
verdichte; durch die so erhaltene Lösung leite ich dann das Schwefelwasserstoffgas)
in Folge der gegenseitigen Einwirkung beider Körper wird der Schwefel ausgefällt. 1
Aequiv. schwefliger Säure und 2 Aequiv. Schwefelwasserstoff liefern 3 Aequiv.
gefällten Schwefel. Am besten ist es, mehrere Apparate mit Auflösung von schwefliger
Säure zu haben; nachdem diese Säure durch die chemische Reaction in dem ersten
Apparat zerstört ist, unterbreche ich den Zutritt von Schwefelwasserstoff und leite
dieses Gas in den zweiten Apparat mit schwefliger Säure, wogegen ich das Wasser im
ersten Apparat neuerdings mit schwefliger Säure sättige u.s.f.
Um die Wirkung der schwefligen Säure auf das Schwefelwasserstoffgas zu begünstigen
oder zu beschleunigen, leite ich das Schwefelwasserstoffgas unter einem schwachen
Druck (von beiläufig 1 1/2 Zoll Wassersäule) in eine Kammer, welche eine gesättigte
Auflösung von schwefliger Säure enthält. Die Mündung des Leitungsrohrs welches das
Schwefelwasserstoffgas zuführt, lasse ich aber nicht in die Flüssigkeit tauchen,
sondern ich bringe in der Querrichtung der Kammer eine Reihe paralleler Abtheilungen
an, welche vom obern Theil der Kammer ausgehen und in einer gewissen Entfernung vom
Boden endigen. Der untere Rand jeder Abtheilung taucht so bis auf eine gewisse Tiefe
in die Flüssigkeit am Boden; das Gas muß folglich, um von einer Abtheilung zur
andern zu gelangen, durch die Flüssigkeitssäule dringen, welche dem eingetauchten
Theil der Abtheilung entspricht.
Nachdem durch mehrmalige Wiederholung der Operation eine hinreichende Menge Schwefel
niedergeschlagen worden ist, trenne ich denselben von der Flüssigkeit, worin er
suspendirt ist. Diese Flüssigkeit, welche schwach sauer ist (weil sich stets ein
wenig Schwefelsäure bildet), kann man aufbewahren, um sie wieder im Apparat zu
verwenden. – Die Seiten des beschriebenen Apparats müssen von Blei oder
Sandstein hergestellt werden, damit sie der Einwirkung der angewandten Agentien
widerstehen.
Zweites Verfahren.
Es besteht im Verbrennen des Schwefelwasserstoffs, wobei derselbe gänzlich in Wasser
und schweflige Säure zersetzt wird. Zu diesem Zweck leite ich das
Schwefelwasserstoffgas, sobald dasselbe erzeugt worden ist, in die Oefen, worin man
den Schwefel oder die Kiese verbrennt. In diesen Oefen wird das Gas verbrannt und
liefert seinerseits schweflige Säure. Wenn man die schweflige Säure für die
Bleikammer durch Verbrennen von Kiesen erzeugt, leite ich das Schwefelwasserstoffgas
durch die brennenden Kiesstücke; dasselbe entzündet sich, nachdem es durch die
glühende Masse gezogen ist.
Man könnte auch das Schwefelwasserstoffgas anzünden und es direct in die Bleikammer
leiten, um dieselbe bloß mit der durch Verbrennung des Schwefelwasserstoffs
erzeugten schwefligen Säure zu speisen. Weil aber durch Unregelmäßigkeiten in der
Entbindung des Schwefelwasserstoffgases die Temperatur erniedrigt würde und dann
keine hinreichend andauernde Verbrennung mehr stattfände, müßte man in diesem Falle
das Gas in einem Gasometer sammeln und aus diesem auf den Punkt strömen lassen, wo
die Verbrennung desselben erfolgen soll.
Man könnte einwenden, daß bei der Behandlung des Calciumoxysulfurets mit Salzsäure
sich neben dem Schwefelwasserstoff zugleich Kohlensäure entbinden wird) letztere
kann aber von keiner Bedeutung seyn, wenn man den Rückstand vom Auslaugen der rohen
Soda bald nach dem Auslaugen behandelt; nach dem Verhältniß der angewandten
Materialien kann nämlich die Menge des freien Kalks in der aus dem Ofen gezogenen
Masse nur sehr gering seyn, was auch die Erfahrung bestätigt; es kann daher dieser
freie Kalk auch nicht so viel kohlensauren Kalk erzeugen, daß die entbundene
Kohlensäure bei den Reactionen störend auftreten würde.
Ich schließe mit einer Schätzung des Schwefelquantums, welches man aus den
Rückständen gewinnen kann. 2 Aequiv. Salzsäure entsprechen nach der Theorie einer
Production von 2 Aequiv. kohlensaurem Natron. Dieses kohlensaure Natron hinterließ
bei seiner Bildung in dem Rückstand 2 Aequiv. Schwefel in Form von
Calciumoxysulfuret, welches 1 Aequiv. Kalk und 2 Aequiv. Schwefelcalcium enthält; 1 Aequiv.
Calciumoxysulfuret erfordert daher mehr Salzsäure zu seiner Zersetzung, als durch
die erste Reaction frei geworden ist. Nach der Theorie könnten nur zwei Drittel des
in jenem Calciumoxysulfuret enthaltenen Schwefels benutzt werden; in der Praxis läßt
sich ohne Schwierigkeit die Hälfte desselben gewinnen.