Titel: | Miscellen. |
Fundstelle: | Band 139, Jahrgang 1856, Nr. , S. 312 |
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Miscellen.
Miscellen.
Transatlantisches und mittelländisches
Telegraphen-Project.
I. Transatlantisches
Telegraphen-Project.
Man kennt aus öffentlichen Blättern das Project, Amerika mit Europa, vermittelst eines
submarinen Telegraphenseiles durch den atlantischen Ocean in elektrische
Verbindung zu setzen. Als europäischen Ausgangspunkt der Linie gedachte man Cork im südlichen Irland zu wählen, und auf dem
amerikanischen Continente sollte das Seil bei Cap
Race (Neufundland) gelandet werden. Von Cap Race bis Cap Ray im Süden von Neufundland war schon die
Landleitung hergestellt, von letzterm Punkte weiter wollte man wieder eine
submarine Leitung nach der Insel Cap Breton und von
da nach Halifax herstellen. Auf diese Weise wäre
alsdann der Anschluß an das amerikanische Telegraphennetz erreicht.
Durch die Vollendung der telegraphischen Linie von dem amerikanischen Festlande
bis Cap Race rückte man Europa schon um drei Tage näher; man hatte deßhalb im
Plane, von diesem Punkte aus zur Beförderung der Briefbeutel Dampfer nach Europa
laufen zu lassen.
Indessen ist der Versuch, ein Seil von Cap Ray nach der Insel Cap Breton zu
legen, mißlungen. Die hierüber bekannt gewordenen Details sind folgende:
Die Entfernung der beiden Landungspunkte des Seiles, Cap Ray an der Küste von
Neufundland und Cap North an der Küste der Insel Breton beträgt nach Angabe der
brittischen Admiralität in gerader Linie 55 1/2 Seemeilen (13,85 deutsche
Meilen). Die Länge des Telegraphenseils war 74 engl. Meilen, wobei man also für
den Bogen, welchen das Seil macht, indem es auf dem Meeresboden aufliegt, und
für die Abweichungen von der geraden Linie bei der Legung circa 15 Proc. an der Länge zugegeben hatte; 12 Proc. war das Höchste
bei all den andern Seilen, welche man bisher gelegt.
Das Seil wog 5–6 Tonnen pro engl. Meile, hatte
drei Leitungsdrähte und 12 unverzinkte Eisendrähte als äußere Hülle. In der
Barke „Sarah Bryant“ war das Seil von England
hinübergebracht worden. Zum Auslassen desselben waren folgende Vorkehrungen an
Bord derselben getroffen: Das Seil bildete zwei große Rollen im Bauche des
Schiffes und füllte den Schiffsraum der Länge nach aus. Durch eine kleine
Oeffnung im Verdeck wurde es zu einer ersten großen eisernen Trommel geführt,
welche 12 Fuß Durchmesser hatte und vermittelst einer mächtigen Bremse nach
Belieben gehemmt werden konnte. Das Seil lief dreimal um diese Trommel herum und
ging alsdann zu einer zweiten eisernen Trommel von gleichem Durchmesser und
ähnlicher Bremse, um welche es sich eben so oft wand. Diese letztere Trommel
verlassend, lief das Seil über einen großen eisernen Cylinder, welcher sich am
äußersten Hintertheile des Schiffes befand, in die See. Die Zahl der Umdrehungen
der Trommel
wurde durch eine Vorrichtung gezählt, so daß man stets die ausgeschossene Länge
des Seiles wissen konnte. 32 Mann waren im Innern dazu angestellt, das Seil
regelmäßig sich ausziehen zu lassen. An der Legung nahmen Theil: der Steamer
„James Adger“ als Remorqueur der Barke „Sarah
Bryant“ und ein kleines Schleppboot
„Victoria.“
Am Mittwoch, den 22 August, waren alle Vorkehrungen an Bord der Barke
„Sarah Bryant“ getroffen, um mit der Legung beginnen zu
können. Dieselbe wurde alsdann von dem „Adger“ ins Tau
genommen und nach dem Cap Ray gebracht.
Die Landung des Seilendes geschah in einer Bucht, ungefähr 1 1/2 engl. Meilen
westlich von der äußersten Spitze von Cap Ray. Es war dieser Punkt gewählt
worden, weil dort das Meer eine geeignete Tiefe hatte und sich in dieser Nähe
keine Eisberge ansetzen, was an allen andern Punkten des Caps sehr zu befürchten
war.
Vor Abend war das Seilende glücklich ans Land gebracht, jedoch hatte man bei
dieser Operation mit großen Schwierigkeiten und ziemlicher Gefahr zu kämpfen. Es
herrschte nämlich ein dichter Nebel und starker Wellenschlag, so daß die Schiffe
dem Ufer nicht unmittelbar nahe kommen konnten und man mit den Booten eine
beträchtliche Strecke zu befahren hatte.
Der folgende Tag wurde damit verbracht, eine sichere Befestigung des Seiles auf
dem Ufer herzustellen. Tags darauf war der Nebel noch so dicht, daß man in
Unthätigkeit bleiben mußte. Am 25., Sonnabends, hatte sich der Nebel gelichtet,
es herrschte aber ein heftiger Nordwestwind, wodurch es äußerst schwierig wurde,
den „Bryant“ ins Tau vom „Adger“ zu
bringen, jedoch gelang dieß endlich, nachdem der „Bryant“
zuvor noch einmal Anker hatte werfen müssen.
Unter solch ungünstigen Umständen begann die Fahrt, wobei der
„Adger“ mit dem „Bryant“ im Tau
nur mit einer Geschwindigkeit von 2 bis 3 engl. Meilen pro Stunde voranschreiten konnte.
Unglücklicherweise entstand bald eine Collision zwischen den beiden Schiffen, in
deren Folge man das Schlepptau durchhauen mußte. Der
„Bryant“ wurde von dem Telegraphenseil am Stern
gehalten, warf jedoch auch Anker. Der „Adger“ ging auf eine
kleine Entfernung windwärts und legte sich ebenfalls vor Anker.
Kurz darauf gab der „Bryant“ Nothsignale, das Ankertau war
gerissen und es trieb derselbe nun mit ziemlicher Beschleunigung dem Ufer zu.
Die „Victoria“ kam zwar zur Hülfe, war jedoch nicht mächtig
genug, um das Schiff zu halten. Der „Adger“ war unterdessen
herbeigekommen, konnte aber wegen Nachbarschaft der Felsen nicht in so
unmittelbarer Nähe des „Bryant“ gelangen, um demselben das
Tau zuzuwerfen.
Es blieb nun nichts anders übrig, als das Telegraphenseil durchzuhauen und fahren
zu lassen, wozu man sich auch entschloß. Durch die Geistesgegenwart und
Gewandtheit des Capitän Ponsland gelang es, den
„Bryant“ unter so viel Segel zu setzen, daß derselbe in
tieferes und sicheres Fahrwasser zu bringen war; und Capitän Turner vom „Adger“ reussirte
vermittelst eines kühnen Manövers, dem „Bryant“ eine Leine
zuzuwerfen und denselben so ins Tau nehmen zu können. Das Schiff, das Seil und
das Leben Aller an Bord war auf diese Weise vom sichern Untergange gerettet
worden.
Einer der Anker vom „Adger“ wurde noch vor Abend dem
„Bryant“ übertragen, und beide Schiffe konnten nun
sicher vor Anker liegen; zwei Meilen Telegraphenseil waren verloren gegangen,
die Schiffe aber frei von jeder wesentlichen Beschädigung geblieben.
Am folgenden Tage, den 26. August, hatte sich der Wind gelegt und die See
beruhigt. Man begann nun das verlorene Ende des Seiles wieder aufzufischen, und
es gelang dasselbe an Bord des „Bryant“ zu bringen, um es
anspleißen zu können. Nachdem dieß geschehen, schleppte die
„Victoria“ den „Bryant ins Fahrwasser des
„Adger,“ damit derselbe am nächsten Morgen die
Legung von neuem versuchen könnte. Dieser Versuch mißlang; das Seil riß an
eben der Stelle wo man den Spliß gemacht hatte, eine ganze Tagesarbeit war
auf diese Weise wiederum verloren. Man hielt es nun fürs beste, ein neues
Ende in den Booten ans Land zu bringen; diese Arbeit wurde glücklich
vollbracht und füllte die Zeit vom 27. Aug. aus.
Früh am Dienstag Morgen, den 28. August, nahm der „Adger“
den „Bryant“ ins Tau und die Legung wurde von neuem
begonnen. Dieselbe ging glücklich voran, so daß 1 1/2 Meilen Telegraphenseil pro Stunde ins Meer gelassen wurden, jedoch traten
zuweilen Unterbrechungen ein, welche durch Klänken verursacht wurden, die sich
im Seile innerhalb des Schiffes bildeten.
Am selbigen Morgen fand man schon, daß einer der Kupferdrähte den elektrischen
Strom nicht mehr zum Ufer brachte. Gegen Mitternacht riß das Seil im Innern des
Schiffes und konnte nicht vor 7 Uhr des nächsten Morgens gespleißt werden. Dann
aber wurde das Seil mit größerer Geschwindigkeit ausgelassen Gegen Mittag dieses
Tages zeigte es sich, daß der zweite Draht leitungsunfähig war. Am Nachmittag
erhob sich ein heftiger Südwestwind, und ein neuer Bruch des Seiles fand statt,
dieser wurde wieder gespleißt. Nun ließ aber der dritte der Leitungsdrähte den
Strom nicht mehr durch.
Der Wind hatte sich unterdessen in einen Orkan verwandelt, der
„Bryant“ wurde auf die furchterregendste Weise von den
Wellen hin und her geworfen, und es gerieth das Telegraphenseil in die größte
Anspannung; man war gezwungen das Seil durchzuhauen, und mit demselben waren all
die freudigen Hoffnungen und Versprechungen, welche man sich von diesem
Unternehmen gemacht, auseinandergerissen.
Sobald sich das Seil vom „Bryant“ getrennt, schwang sich
derselbe mit solcher Gewalt herum, daß er fast auf das Ende seines Kiels zu
stehen kam. Der Grund hiervon war, daß, da der größte Theil des ausgelassenen
Seiles aus dem Hintertheile des Schiffes genommen, sich der Schwerpunkt
desselben gänzlich in den Vordertheil des Schiffes verpflanzt hatte, und ward es
sehr fraglich, ob der „Bryant“ den heftigen Wind-
und Wellenschlag im Tau des „Adger“ aushalten werde. In
diesem Augenblick kam aber der brittische Kriegsdampfer
„Argos“ an, welcher bis zum nächsten Morgen bei den
Schiffen blieb. Sein Beistand wurde jedoch glücklicher Weise nicht erforderlich,
und hatte man um 3 Uhr Sidney ohne weitern Unfall erreicht.
In Sidney wurden die übrig gebliebenen 32 Meilen Seil aufs Werft aufgeschossen
und der Versicherungsanstalt zur Verfügung gelassen; der Verlust an Seil betrug
42 Meilen.
Dieses Mißlingen des Unternehmens ist theilweise dem heftigen Winde und hohen
Wellenschlag und theilweise dem Umstande zuzuschreiben, daß hier das Seil aus
einem Schiffe im Tau, anstatt aus dem Dampfer direct gelegt wurde. Bei der
Legung des Seiles von Genua nach Corsica, welche vermittelst eines Dampfers direct
stattfand, ist dieselbe trotzdem, daß See und Wind noch ungünstiger waren,
glücklich vollbracht worden.
Ist es auch traurig, daß so viel Energie, Mühe und Ausdauer vergeblich
aufgewendet worden sind, so unterliegt es dennoch keinem Zweifel, daß die
versuchte telegraphische Verbindung hergestellt seyn wird, bevor ein neues Jahr
verflossen ist.
II. Mittelländisches
Telegraphen-Project.
Folgendes sind die Details, welche über die verunglückte Legung des Seils von Cap
Spartarento (Sardinien) nach der Küste von Afrika
bekannt geworden sind. Das Segelschiff der „Result“ brachte
das Seil am 6. September nach Cagliari (das Gewicht des Seiles war 1200 Tonnen
für 162 engl. Meilen Länge). Der Steamer, welcher engagirt war den
„Result“ ins Tau zu nehmen, verzögerte sich wegen des
schlechten Wetters, das ihn auf der Reise traf, weßhalb die Expedition erst am
24. September auslaufen konnte. Der Steamer „Tartari“ von
der französischen Regierung segelte mit, als Ersatz eines andern Steamers,
welchen man bis zu jenem Tage vergeblich erwartet hatte.
Am Cap Spartarento wurde das Seilende mit der Landleitung in Verbindung gesetzt,
und gelang es am ersten Tage 22 geographische Meilen (5,4 deutsche Meilen) Seil
zu legen in eine durchschnittliche Tiefe von 200 Faden (1236 Fuß preuß.). Die
Legung wurde die Nacht hindurch fortgesetzt und am Morgen gegen halb zehn Uhr
waren 38 geogr. Meilen (9,3 deutsche Meilen) ausgelassen; die Tiefe betrug
alsdann 1640 Meter (5248 Fuß preuß.), wobei das Seil plötzlich mit großer Gewalt
auszuschießen begann und nicht weniger als 2 engl. Meilen in einem Zeitraum von
10 Minuten aus dem Schiffe liefen, woraus sich schließen läßt, daß sich an
dieser Stelle ein bedeutender Abhang im Meere befand.
Es zeigte sich, daß bei dieser Gelegenheit zwei Knicken ins Seil gekommen und
über Bord gegangen waren, welche die Leitungsdrähte beschädigt hatten; denn nun
ließen vier derselben den Strom nur sehr unvollkommen durch. Man fand sich
deßhalb genöthigt, das Seil aus dieser großen Tiefe wieder aufzuziehen, um den
beschädigten Theil an Bord zu bringen und auszubessern. Dieß zeigte sich aber in
einem Segelschiff und ohne die Hülfe einer Eselsmaschine (Donkey engine) als eine Unmöglichkeit. Nachdem man drei Tage hieran
gearbeitet, waren nur 500 Faden (3090 Fuß preuß.) aufgezogen, eine Klänke
indessen war zum Vorschein gekommen. Dann aber brach die Akerwinde, womit man
bisher das Seil angezogen hatte. Mit der Ausbesserung der Ankerwinde wurden
wieder vier Tage verbracht, aber währenddem ging die See so hoch, daß bei dem
Wiederbeginn der Operation es sich zeigte, daß das Seil durch das fortwährende
Schwingen des Schiffes mannigfach sich verschlungen hatte, in 20 Fuß Länge kamen
nicht weniger als sieben Klänken vor; und zuletzt, nachdem das Seil ein Schiff
von 1700 Tonnen für sieben Tage bei einer Tiefe von einer englischen Meile
gehalten, wurde dasselbe durch ein plötzliches und heftiges Umlegen des Schiffes
entzwei gerissen. Man beschloß nun die Operation damit wieder zu beginnen, ein
Seil von Cap Spartarento nach der Insel Galita zu legen, und von dort nach
Algier die Linie erst im nächsten Jahre zu completiren. Es wurde damit begonnen,
das Seil eine Meile entfernt von Cap Spartarento in einer Tiefe von 14 Faden (84
Fuß preuß.) wieder aufzufischen, aber die hochgehende See machte den
„Result“ so heftig schwanken, daß der Capitän
befürchtete, seine Masten würden brechen, und als man versuchte am nächsten Tage
fortzufahren, zeigte es sich unmöglich, das Schiff in seinem Curs zu halten; man
beschloß deßhalb den Versuch aufzugeben und den Totalverlust des Seiles zu
riskiren. Der „Result“ ging gleich nach England zurück, um
das Seil dort zu deponiren, bis man in einer günstigen Jahreszeit die Legung mit
einem Dampfer von neuem versuchen könnte.
Für die Linie von Malta nach Corfu hat man beschlossen, leichtere
Telegraphenseile anzuwenden, welche man mit größerer Geschwindigkeit legen und
wozu keine Dampfer erster Größe erforderlich sind. (Eisenbahnzeitung, 1855, Nr.
46.)
Elektrische Sicherheitssignale auf englischen
Eisenbahnen.
Um den Locomotivführern die Ueberzeugung, daß eine zu passirende Drehbrücke oder
Weiche sich für ihren Zug in richtiger Stellung befindet, schon in größerer
Entfernung vor diesen gefährlichen Punkten der Bahn zu verschaffen, hat sich in
England nachstehend beschriebene Vorrichtung als praktisch bewährt.
In einer Entfernung von mindestens einer englischen Meile vor der Drehbrücke etc.
sind zwei voreinanderstoßende, im Schienenstrange liegende Bahnschienen gegen
einander, so wie gegen die Unterlagen vollständig isolirt. Die eine dieser Schienen
ist direct durch einen Draht mit einer Erdplatte, und die andere vermittelst einer
Drahtleitung worin eine elektrische Batterie eingeschaltet ist, mit der Drehbrücke
etc. und zwar so verbunden, daß, sobald die Brücke genau geschlossen ist, auch der
elektrische Strom circuliren kann, wenn die beiden isolirten Schienen mit einander
verbunden werden.
Diese Verbindung wird durch jedes die Strecke passirende Eisenbahnfuhrwerk in dem
Momente hervorgebracht, wo das erste Räderpaar auf der vordern und das zweite auf
der hintern isolirten Schiene steht. Hierauf gestützt ist auf dem Tender eine
Läutevorrichtung angebracht, die sofort ausgelöst und in Gang gesetzt wird, sobald
der Strom durchgeht, d.h. sobald der Tender die Schienen passirt und dabei die
Brücke geschlossen ist. Durch dieses Signal wird der Führer frühzeitig
benachrichtigt, daß er mit Sicherheit durchfahren kann während er beim Schweigen der
Glocken vor der Brücke, die dann geschlossen war, halten muß.
Die vollkommene Isolirung der Schienen dürfte die schwierigste Ausgabe dieser Anlage
seyn, und es ist nicht abzusehen, weßhalb man zwei und nicht bloß die eine mit der
Brücke durch die Drahtleitung verbundene Schiene isolirt, und den vor und hinter
liegenden Bahnstrang als Ableitung, nämlich als Erddraht annimmt, womit jedenfalls
ein gleiches Resultat erzielt wird; auch möchte es die Auffassung und Achtsamkeit des Führers mehr
unterstützen, wenn das Glockensignal als Warnung bei nicht geschlossener Brücke
ertönte, eine Aenderung die leicht bei der beschriebenen Einrichtung angebracht
werden kann Reder. (Zeitschrift des hannoverschen
Architekten- und Ingenieur-Vereins, 1855, Bd. I S. 543.)
Bewegliche Baugerüste in Paris.
In neuerer Zeit sind in Paris zum Reinigen und Abschleifen alter in Sandstein
aufgeführter Façaden bewegliche Gerüste vielfach in Gebrauch, welche ihrer
Einfachheit wegen in größeren volkreichen Städten zum Ausbessern und Abfärben hoher
und langer Gebäude Nachahmung verdienen. Die Construction dieser Gerüste gewährt den
Vortheil, daß dieselben, ohne das Straßenpflaster zu berühren und somit die
Communication belebter Straßen zu stören, ohne das Dach mittelst sogenannter
Ausleger zu durchbrechen, oder geöffnete Fenster und somit bewohnte Zimmer zu
benutzen, mit Leichtigkeit an jeder Etage aufgehängt werden, und jede Stelle der
Façade seitwärts, auf- und niederwärts erreichen können. Da nun 2 bis
3 Arbeiter auf solchen Gerüsten thätig sind und die Last der in solcher Arbeit
nöthigen Materialien und Utensilien sehr gering ist, so kann das dazu verwendete
Holzwerk möglichst schwach seyn, also mit Leichtigkeit transportirt,
zusammengestellt und angebracht werden. Der längern Dauer und des bessern Aussehens
wegen ist alles Holz gehobelt und mit Oelfarbe angestrichen. – Das Aufhängen
des Gerüstes wird durch gestützte Spreizen, welche in der Leibung eines jeden
Fensters des obern Geschosses festgekeilt sind, mittelst eiserner Bügel, welche eine
1 1/2 Zoll starke, 4 Zoll hohe Lauflatte tragen, bewerkstelligt. Die Lauflatte trägt
mittelst 4 Rollen 2 Röhrenkasten und mittelst dieser das ganze Gerüst. Diese
Röhrenkasten, aus zölligen Bretern von circa 16 Fuß
Länge gefertigt, werden nach Bedürfniß mittelst 2 Schraubenbolzen und 2 Stiften aus
einzelnen Stücken nach unten zusammengesetzt. Der Stoß der einzelnen Stücke wird
durch umgelegtes Bandeisen gesichert. In den Röhren, welche auf der vordern Seite
geschützt sind, bewegen sich mittelst eines Flaschenzuges und Frictionsrollen
eiserne Consolen, welche der eigentlichen Rüstung als Träger dienen und diese
auf- und abwärts führen. Die 4 obern Rollen, an den obern Enden der Röhren
paarweise durch Verstrebungen verbunden, werden mittelst einer Zugleine ohne Ende,
welche über am Ende der Lauflatte angebrachte Rollen führt, seitwärts bewegt, und
somit das ganze Gerüst nach Belieben fortgezogen. Das Gerüst, aus 3 Zoll starken
Hölzern verriegelt, ist mit einem leichten Geländer umgeben, dessen eiserne Stäbe
durch das Schwellwerk durchgebolzt sind, und einer leichten eisernen Winde zum
Heraufziehen von Gegenständen zugleich als Lager dienen. Um den Röhrenkasten einen
sichern Gang zu geben, ist an jedem derselben eine Leitrolle angebracht, welche sich
auf der Wandfläche fortbewegt. (Gemeinnütziges Wochenbl. des Cöln.
Gewerbevereins.)
Ueber Mineralöl- und Paraffin-Fabrication, und
die Bildung einer Gesellschaft zur Verarbeitung der Blätter- und
Braunkohlen-Ablagerung in dem Felde der Georgsgrube bei Dierdorf auf diese
Producte.
Die Fabrication der Oel- und Fettstoffe aus Mineralien wurde zuerst in England
auf eine lebensfähige Basis gebracht, so daß sie jeder Concurrenz von Seiten der
animalischen und vegetabilischen Fette die Spitze bieten konnte; seitdem trägt sie
daselbst reichliche Früchte, obgleich die besseren Rohmaterialien durch den
Verbrauch zur Gaserzeugung sehr hoch im Preise sind. Die schottischen Boghead-Schiefer nehmen unter den bituminösen
Rohmaterialien den ersten Rang ein, und kosten per Tonne
in Glasgow 28 Shilling) trotzdem werden dieselben noch von einem
Continental-Etablissement mit Nutzen verarbeitet, dem dieselben dann mit
Fracht über 40 Shilling zu stehen kommen. Diese Schiefer zeichnen sich vor allen
andern Rohmaterialien durch ihren großen Gehalt von Oel und Paraffin aus. Die Angaben der verschiedenen
Fabrikanten stimmen darin überein, daß aus diesem Schiefer circa 8–9 Proc. Mineralöl, 6–8 Proc. Solaröl und 2 Proc.
Paraffin zu gewinnen sind. Diese Schiefer werden in England hauptsächlich von Hrn.
James Young in Lancashire
verarbeitet, welcher daraus Schmieröl (lubricating oil)
für feine Maschinen darstellt, welches hauptsächlich die Spinnereien in Bradford
anwenden. – Dieselben Schiefer verarbeitet die neue
Beleuchtungs-Gesellschaft in Hamburg auf feines Mineralöl und Schmiere, wo
hauptsächlich die Erfahrungen des Hrn. Noblet in Anwendung kommen. – Außerdem verarbeitet man in
England auch sehr arme Schiefer, z.B. die Wareham Shale Works in Dorsetshire. Der
Schiefer enthält nur 2/3 Proc. Mineralöl, 1/80 Proc. Paraffin. Diese Werke haben
aber beim Abbau der Schiefer gar keine Schwierigkeiten zu überwinden, und gewinnen
denselben durch Abdecken, die Tonne zu 5–6 Shilling. Die Werke liefern
hauptsächlich schwarzen Lack, Mineralöl und Maschinenschmieröl. – Dasselbe
Vorkommen benutzen die Braithwaithe und Comp. bei Weymouth; außerdem betreibt die irländische Torf-Compagnie die letzten Jahre ihre
Werke wieder stärker, doch ist hier die Gewinnung der Fette und Oele nur sehr
gering. Die Torfkohks, als auch die aus den Rückständen gemachten Dünger, bedingen
den Nutzen.
In Deutschland hatte man sich längere Zeit nur mit Illusionen herumgetragen, hielt
die Gruben und das Vorkommen der Schieferablagerungen für vereinzelt, und forderte
so enorme Summen für Gruben, die an und für sich wenig werth waren, daß sich keine
Capitalisten fanden, um dieselben gehörig auszubeuten. Die Fabrication war selbst
nur ein Herumsuchen im Finstern ohne irgend richtige Anhaltspunkte, so daß bis 1851
die Industrie darnieder lag und kein besonderes Vertrauen genoß. Die mühsam
dargestellten Oele waren meist mit Salpetersäure rectificirt, um ihnen den
unangenehmen Geruch zu benehmen; gaben aber dafür beim Verbrennen schädliche und
ätzende Gasarten, die ein Brennen in bewohnten Räumen unmöglich machten. Nach dieser
Zeit gelang es dem Ingenieur P.
Wagenmann die Oele ohne derartige Stoffe zu reinigen, und es war
dadurch eine Anwendung in geschlossenen Räumen ermöglicht. (Amtlicher Bericht über
die Londoner Ausstellung. Bd. I S. 400.) G. Stobwasser in
Berlin entwickelte für die zweckmäßige Construirung von Lampen große Thätigkeit. Die
Wichtigkeit dieser Industrie einsehend, widmete Wagenmann
derselben fortan seine Kräfte, und unterstützt durch den Rath von Männern der
Wissenschaft gelang es ihm, im nächsten Jahre durch Anwendung der
Centrifugal-Maschinen, das Paraffin als Handelsproduct liefern zu können (m.
f. sein Patent für Großbritannien und Irland vom 20 Decbr. 1853, im polytechn.
Journal Bd. CXXXV S. 138).
Bald darauf empfing die Fabrication durch denselben Techniker wichtige Verbesserungen
durch die Verwendung von Vacuum-Apparaten für die Destillation (S. 43 in diesem Bande des polyt. Journals), der Gase zum Heizen
u.s.w., so daß dieselbe jetzt zu einem hohen Grad von Vollkommenheit gebracht ist.
Diese Fortschritte wurden wesentlich unterstützt durch die Construction zweckmäßiger
Lampen, bei welchen auch das schwere und wohlfeilere Oel verwandt werden konnte, und
hat sich dabei der Fabrikant Hr. Wiebecke zu Berlin ein nicht geringes Verdienst erworben.
Georgsgrube. – Bei der Mineralöl- und
Paraffin-Fabrication ist natürlich die Güte des Rohmaterials von
entscheidendem Einfluß; ein solches steht in reichster Menge und vortrefflicher
Beschaffenheit für einen mäßigen Preis in der Georgsgrube zu Gebote; über die
dortige Blätter- und Braunkohlen-Ablagerung entnehmen wir Folgendes
einem Gutachten des Geheimen Bergraths und Universitäts-Professors Hrn. Dr. Noeggerath zu Bonn:
„Die Georgsgrube liegt am Gebirge Rotherschoß im Bergrevier und
Bergamts-Bezirk Neuwied, in der Bürgermeisterei Dierdorf, und ist unterm
1. Juni 1852 verliehen worden. Das Grubenfeld besteht aus einer Fundgrube zu 51
Lachter ins Geviert, und 600 Flötzmassen, jede zu 14 Lachter Länge und Breite,
und umfaßt also im Ganzen einen Flächenraum von 120,000 □Lachter.
Das Blätter- und Braunkohlenlager, welches wellenförmig in flachen Sätteln
und Mulden den plastischen Thonen eingelagert ist, hat eine Mächtigkeit von 11
bis 12 Fuß; die Blätterkohle bildet in einer Mächtigkeit von 2 bis 3 Fuß das
Liegende der
Lagerstätte, der obere Theil des Lagers besteht aus der eigentlichen Braunkohle,
welche 8 bis 9 Fuß Mächtigkeit besitzt.
Die Blätterkohle ist sehr bituminös, und läßt sich besonders im trockenen
Zustande in zarte Blätterlagen, oft nur von Papierdicke, spalten. Sie entzündet
sich und verbrennt in Flammen am Kerzenlichte unter Verbreitung des dieser
Substanz eigenthümlichen Geruches, wodurch sie schon ihren reichen Gehalt an
bituminösen Destillations-Producten und ihre Vortrefflichkeit zur
Darstellung des Mineralöls und Paraffins bewährt. Das über der Blätterkohle sich
verbreitende Braunkohlenlager besteht aus erdiger, meist in würfligen Stücken
brechender Braunkohle, zwischen welcher unregelmäßig knorrige Massen und ganze
Stämme von bituminösem Holze vorkommen. Das Verhältniß der bei der Gewinnung
fallenden Grobkohle zu der sich dabei ergebenden Kleinkohlenmenge wird etwa 1:2
betragen. Die Grobkohle wird unmittelbar ein vortreffliches Brennmaterial
liefern, während die Kleinkohle, in Klütten geformt, sich ebenfalls dazu eignet.
Die Klütten können leicht in der nächsten Umgegend als häusliches Brennmaterial
debitirt werden. Die Grobkohle wird als Feuerungs-Material bei dem
Destillations-Proceß verwendet werden können.
Die bisherigen Grubenbauer haben die Lagerstätte in ungestörter Regelmäßigkeit
aufgeschlossen, und berechtigen zu der Annahme, daß das Verhalten derselben in
dem ganzen Grubenfelde ein gleiches seyn wird. Legt man daher bei der
Blätterkohle eine durchschnittliche Mächtigkeit von nur 2 1/2 Fuß, bei der
Braunkohle aber nur von 8 Fuß zu Grunde, so ermittelt sich der Kohleninhalt des
ganzen Grubenfeldes, da das Quadrat-Lachter bei der angenommenen
Mächtigkeit 110 Scheffel Blätterkohlen und 340 Scheffel Braunkohlen schüttet,
zu
13,211,000 Scheffel
Blätterkohlen und
40,834,000 Scheffel
Braunkohlen.
Die Kohlenmasse, welche bis jetzt aus dem Grubenfelde gewonnen worden, ist im
Vergleich zu obigen Zahlen ganz unbedeutend, da die Grubenarbeiten sich nur auf
Aus- und Vorrichtungs-Arbeiten beschränkt haben. Die Lösung des
bis jetzt aufgeschlossenen Feldertheils erfolgte durch einen in der Nähe des
Rothenhofes angesetzten Stollen, und es wird dieser Theil bei diesem natürlichen
Wasserabflusse abzubauen seyn. Wo die Lagerstätte sich unter die Stollensohle
senkt, werden später mit Hülfe einer kleinen Dampfmaschine die Wasser leicht
gewältigt werden. Der Abbau selbst wird keine besondere Schwierigkeiten
darbieten, die über der Blätterkohle befindliche Braunkohle wird die Gewinnung
der erstern nur noch erleichtern.
Das Zusammen-Vorkommen der Blätterkohle mit der Braunkohle ist für die
Anlage einer Mineralöl- und Paraffin-Fabrik in der Nähe der Grube
äußerst günstig. Die Transportkosten für Roh- und Brennmaterial werden
hier ganz erspart, und durch die unmittelbare Nähe der Grube an der Chaussee,
welche von Dierdorf nach Bendorf und Engers an den Rhein führt, wird auch für
das fertige Fabricat eine billige Abfuhr erzielt“
Untersuchung der Blätterkohle. – Die von Hrn. Dr. Sonnenschein,
Privatdocent der Chemie an der Universität zu Berlin, angestellte Untersuchung einer
Probe Blätterkohle aus dem Felde der Georgsgrube hat folgende Resultate ergeben:
Das spec. Gewicht der Blätterkohle = 1,264. Bei 110° C. verliert dieselbe 19,9
Proc. Wasser. Der beim Einäschern bleibende Rückstand beträgt = 23,52 Proc.
Bei der trockenen Destillation wurden erhalten:
27,72
Ammoniak haltendes Wasser,
29,48
Wasser haltender Theer, der 25,11 reinen Theer von
0,860spec. Gewicht enthielt,
35,69
fester Rückstand, darunter 12,17 Kohle,
7,11
stark leuchtende und rußende Gase.
––––––
100,00.
Obige 29,48 Theer geben:
8,16
leichtes Oel (Photogen) von 0,830 spec. Gewicht,
1,59
schweres Oel,
12,87
erstarrende Paraffin haltende Masse,
2,24
kohligen Rückstand,
4,37
Wasser,
0,25
Verlust,
–––––
29,48,
also sind in 100 Theilen desselben enthalten:
27,68
leichtes Oel,
5,39
schweres Oel,
43,66
erstarrende Paraffin haltende Masse,
7,60
kohliger Rückstand,
14,82
Wasser,
0,85
Verlust.
––––––
100,00.
Die geschilderten Verhältnisse, bei welchen sich Alles für ein gewinnreiches
Unternehmen vereinigt, veranlaßten die Gründung einer Commandit-Gesellschaft
für Bergbau, Mineralöl- und Paraffinkerzen-Fabrication, unter der
Firma: Paul Wagenmann und Comp. zu Bonn, deren Geschäft
beginnt, sobald die Summe von 120,000 Thalern in Actien à 100 Thlr.
gezeichnet ist.
Fabrication von Spiritus aus Krappwurzeln.
Die hohen Spirituspreise der letzten Jahre, veranlaßt theils durch das oft
wiederholte Mißrathen der Kartoffeln, des wichtigsten aller Materialien zur
Branntweinbrennerei, theils durch die in letzter Zeit herrschenden hohen Preise der
Cerealien und das hiedurch begründete Verbot der Verwendung des Getreides in
Frankreich, endlich durch die nun auch schon mehrere Jahre dauernde
Traubenkrankheit, welche die Bereitung des Branntweins aus dem Weine im südlichen
Frankreich in manchen Jahren fast auf Null reducirte, sind die Ursache zur
Verwendung mancher Stoffe zu diesem Zwecke geworden, an deren Anwendbarkeit hiefür
man ehedem kaum dachte. Hauptsächlich gilt dieß von den Runkelrüben, welche nicht nur in Frankreich in größter Menge zum
Branntweinbrennen benützt werden, wenn gleich die Ausbeute nach den bis jetzt
bekannten Methoden in den meisten Fällen den gehegten Erwartungen nicht entspricht;
auch in Deutschland, speciell in Württemberg, finden sich bereits mehrere
Rübenbrennereien, unter welchen ich nur das in neuester Zeit errichtete großartige
Etablissement des Freiherrn v. Varnbüler in Hemmingen (OA. Leonberg) erwähnen will. Neuer ist die
Benützung des bisher unverwendeten Wassers, mit welchem der gemahlene Krapp behufs Bereitung des sogenannten Garancins
(schwefelsaure Krappkohle) gewaschen wird. Ich hatte kürzlich Gelegenheit, die sehr
interessante Fabrik des Hrn. Casimir
Lichtenberger in Speyer zu besuchen, und
will in folgenden Zeilen das daselbst beobachtete Verfahren, soweit es mir im
Gedächtniß blieb, mittheilen.
Die auf Satteldarren, wie man solche in manchen Zuckerfabriken zum Dörren der
Rübenschnitte hat, getrocknete Wurzel des Krapps wird auf Mühlen vermahlen, die nach
Art der Oel- oder Tabakmühlen aus zwei aufrecht stehenden Mühlsteinen
bestehen, und kommt sodann in Bottiche, wo sie zur Entfernung der Extractivstoffe
und etwaiger Verunreinigungen mit warmem Wasser digerirt wird. Hierauf bringt man
die Masse auf Beutelfilter; das zuckerhaltige Waschwasser fließt durch eine Rinne in
ein Reservoir und wird in die Gährbottiche gepumpt, während der Rückstand in den
Filtern mit Schwefelsäure weiter behandelt wird. Beim Anstellen zeigt dieser Saft
3–4 Grad am Saccharometer. Er geräth bei warmem Wetter von selbst in Gährung,
sonst wird Hefe zugesetzt. Die Gährung ist in der Regel binnen 18–22 Stunden
vollkommen beendigt.
Der Brennapparat, nach dem Derosne'schen Princip
construirt, ist aus Montpellier bezogen und besteht aus vier über einander stehenden
Blasen, einem Vorwärmer, einer horizontalen Schlange und einem gewöhnlichen
Kühlfasse. Zur Abkühlung wird nicht Wasser, sondern der kalte Saft verwendet,
welcher aus einem am Dachboden befindlichen Fasse erst in das Kühlfaß von unten
eintritt, dann durch das die liegende Schlange umgebende Gefäß in den Vorwärmer und
endlich in die Blasen gelangt. Täglich werden 12000 Liter abgetrieben. Der durch
diese einmalige Destillation gewonnene Branntwein hat einen eigenthümlichen Geruch
und eine etwas ins Gelbliche spielende Färbung, welche von den im Wasser theilweise
löslichen Farbstoffen des Krapps herrührt. Beides verschwindet durch die zweite
Destillation auf einem, ebenfalls französischen Rectificationsapparate, welcher 3
Blasen und 5 Becken hat und geruchlose, reine, hochgrädige Waare liefert. Der
Eigenthümer der Fabrik versicherte indeß, daß sich die Gewinnung dieses
Nebenproduktes nur so lange lohne, als die hohen Spirituspreise andauern. Zum
Abtreiben einer so schwachen Maische ist aber sehr viel Brennmaterial erforderlich,
wenn auch die Steinkohlen, welche man hiezu verwendet, dort per Centner nur 23 kr. kosten. Durch Gewinnung eines concentrirteren
Saftes, was vielleicht durch ein der Rüben-Maceration ähnliches Verfahren
bewerkstelligt werden könnte, ließe sich wahrscheinlich eine beträchtliche Ersparung
erzielen.
Zum Schlusse bemerke ich, daß ich bei einem Versuche im hiesigen chemischen
Laboratorium aus 50 Grammen frischen Krappwurzeln (mit 18,9 Proc. trockener
Substanz) 0,607 Gram. reinen Alkohol erhielt, was 1,214 Proc. der frischen, oder
6,423 Proc. der trockenen Wurzeln entspricht. G. Wilhelm
in Hohenheim. (Württemberg. Wochenblatt für Land- und Forstwissenschaft,
1856, Nr. 7.)
Verfahren zum Enthaaren der Schaffelle behufs des Gerbens; von
Richard Markindale, Kammwollspinner in Salford,
Lancashire.
Nach dem gegenwärtig gebräuchlichen Verfahren werden die noch mit ihrer Wolle
versehenen Schaffelle mittelst des Anschwödens (Anstreichens der Fleischseite mit
Kalkbrei) enthaart, um diese Wolle, welche bei der nachherigen Behandlung im
Kalkäscher verderben würde, noch als verkäufliches Gut zu erhalten. Dabei wird aber,
weil der Kalk mit allen Theilen der Haut in Berührung kommt, die Wolle beträchtlich
beschädigt und überdieß das natürliche Fett derselben zerstört. Ein anderer großer
Uebelstand dieses Verfahrens besteht darin, daß es unmöglich ist die Zeit annähernd
zu bestimmen, während welcher man die Felle der Einwirkung des Kalks auszusetzen
hat, weil sie nicht nur von der Temperatur der Atmosphäre, sondern hauptsächlich
auch von der in den Gefäßen der Fleischhaut eintretenden Fäulniß abhängt. Diese
Mängel werden durch nachstehende Methode gänzlich vermieden.
Nachdem die Felle auf der Fleischseite mit Kalkbrei angestrichen worden sind, bringt
man sie in eine gehörig eingerichtete Kammer, welche durch Dampf erwärmt werden
kann. Wenn in Folge des eingeleiteten Dampfs die Kammer eine Temperatur von
beiläufig 21 bis 26° Reaumur erreicht hat, offenbaren sich die Kennzeichen
der eintretenden Fäulniß der Häute; man kann diese nun aus der Kammer nehmen und die
ganz unbeschädigt gebliebene Wolle leicht mit der Hand ausraufen. Ein in diesem
Verfahren etwas geübter Arbeiter wird mit Genauigkeit den Temperaturgrad bestimmen
können, welcher nothwendig ist um die erforderliche Gährung der Häute zu
veranlassen, und ebenso mit Sicherheit die auf die Operation zu verwendende Zeit.
– Patentirt in England am 9. Mai 1855. (Repertory of
Patent-Inventions, Februar 1856, S. 170.)