Titel: | Verbesserter Dampfkolben; von G. Krauß. |
Autor: | G. Krauß |
Fundstelle: | Band 140, Jahrgang 1856, Nr. II., S. 15 |
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II.
Verbesserter Dampfkolben; von G. Krauß.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Krauß's verbesserter Dampfkolben.
Von der Ansicht ausgehend, daß die größtmögliche Leistung einer Locomotive, auch bei
der besten Construction, hauptsächlich bedingt ist durch zweckmäßig construirte,
stets vollkommen dicht schließende und möglichst wenig Reibung erzeugende Kolben,
war ich bestrebt die bisherigen Kolben, welche dieser Anforderung nicht genügend
entsprechen, zu verbessern.
Ehe ich in Nachfolgendem die Construction des von mir verbesserten Dampfkolbens
beschreibe, will ich zur bessern Verständigung die Mängel der jetzigen für
Locomotiven beinahe allgemein angewendeten anführen. Diese Kolben bestehen nämlich
aus zwei, zwischen einem Piston dampfdicht eingeschlossenen gußeisernen Ringen,
welche an einer Stelle geöffnet sind; hier ist ein Keil eingepaßt, der in Verbindung
mit einer Stellschraube den Druck einer geschlossenen Kreisfeder auf den Kolbenring
überträgt und so den dichten Schluß des letztern an der Cylinderwand bewirkt. Die
Nachtheile dieser Kolben sind nun folgende:
1) Da das Material sowohl des Kolbenringes als auch des Cylinders aus Gußeisen
besteht, so ist wegen der gleichartigen Masse der beiden reibenden Gegenstände eine
große Reibung und hiemit eine starke Abnützung beider verbunden.
2) Dadurch daß der dichte Schluß der Kolbenringe an der Cylinderwand durch eine
Stellschraube bedingt ist, vermindert sich die Spannung und hiemit der dichte Schluß
in dem Maaße, als die Abnutzung fortschreitet; es ist also von Zeit zu Zeit ein
Nachspannen der Kolbenringe erforderlich, was bei manchen Kolben oft alle vier
Wochen nothwendig wird.
3) Wird das Nachspannen der Kolbenringe nicht von einem zuverlässigen Arbeiter und
auf die genaueste Weise vollzogen, so ist entweder der Schluß an der Cylinderwand
nicht dicht genug, d.h. die Spannung des Ringes widersteht dem Drucke des Dampfes
nicht, oder es wird der Ring zu fest gespannt, womit wiederum eine vergrößerte
Reibung und eine dadurch bedingte stärkere Abnutzung verbunden ist.
Die Anwendung einer Stellschraube hat ferner den Nachtheil, daß sie und hiemit auch
Keil, Ring und Feder loswerden können, welches, wie dieses schon mehrmal vorgekommen
ist, die Beschädigung von Kolben und Cylinder herbeiführt. Daß ein öfteres Erneuern
der Kolbentheile und zeitweises Ausbohren der Cylinder mit diesen Uebelständen
verbunden ist, bedarf kaum der Erwähnung.
4) Obwohl die Bewegung der Kolbenringe um ihre Achse eine allgemeine Regel seyn
sollte, so wird diese doch bei Anfertigung von Kolben wenig beachtet. Der fixe Stand
der Kolbenringe bewirkt, daß sich die Cylinder oval auslaufen, und besonders ist
jene Stelle wo der Keil sitzt, eine der nachtheiligsten.
Der Ursprung alles Uebels bei den Dampfkolben für Locomotiven ist der, daß die
Maschinen oft stundenlange Strecken, ohne Dampf, also mit trockenen Cylindern, laufen
müssen. Die Kempten-Lindauer Bahnstrecke hat eine 14 Stunden lange, fast
immer einprocentige Steigung, wo bei der Thalfahrt, mit Ausnahme der Bahnhöfe, die
Locomotiven nicht zu arbeiten brauchen. Hier äußerten sich die angeführten
Uebelstände am fühlbarsten, und es war dringend nothwendig denselben abzuhelfen.
Um den erwähnten Mängeln der Dampfkolben abzuhelfen, wurde für die Kolbenringe ein
anderes Material verwendet; ferner wurden jene Theile aus dem Kolben entfernt,
welche dem Loswerden unterworfen sind; überdieß den Kolbenringen eine selbstthätige
Spannung gegeben und dadurch das Nachspannen derselben beseitigt; endlich wurden die
Kolbenringe so construirt, daß sie sich um ihre Achse drehen können.
Als Material zu den Kolbenringen habe ich Compositionsmetall genommen. Das ist nun
zwar nichts Neues, derartige Kolbenringe wurden schon längst gemacht, man ist aber
wegen ihrer geringen Haltbarkeit in den meisten Fällen wieder davon abgekommen. Die
Dauerhaftigkeit habe ich jedoch dadurch erzielt, daß ich in den Compositionsring
eine starke gerippte Stahlfeder eingießen ließ.
Die Construction besagter Kolben ist aus Fig. 3 und 4 ersichtlich. Fig. 3 stellt
den Querschnitt der beiden im Piston befindlichen Kolbenringe am Sitze des Keils
eines derselben in natürlicher Größe dar. Fig. 4 zeigt die Lage der
beiden Kolbenringe bei abgehobenem Pistondeckel und die Stellung und Verbindung der
eingelegten Federn im vierten Theil der natürlichen Größe. Der Theil des
Kolbenringes, welcher aus Compositionsmetall besteht, ist mit a bezeichnet; d ist die zur Verstärkung
desselben dienende miteingegossene Stahlfeder, b die die
Spannung des Kolbenringes erzeugende eingelegte Stahlfeder. Der Druck der letztern
äußert sich theils in der inneren Peripherie des Kolbenringes, theils wird er durch
den Stift s und den Keil c
auf den Ring übertragen. Dieser in der Feder b
befestigte Stift dient noch dazu, die unverrückbare Verbindung mit dem
correspondirenden Kolbenringe zu bewerkstelligen. Da man darauf zu sehen hat, daß
die Keilöffnungen beider Ringe nicht zusammen zu stehen kommen, so wurde eines der
Enden der geöffneten Feder b radial eingebogen, so daß
die Drehung des Kolbenringes um etwa 1/6 der Peripherie stattfinden kann. Um endlich
die Abnutzung der Ringe, da wo sie sich gegenseitig berühren, zu verhindern, ist bei
einem derselben in die Berührungsfläche ein Ring n
eingelöthet, dessen Querschnitt in Fig. 3 sichtbar ist, und
der aus Kupfer oder Messing gefertigt seyn muß. Zur Erhaltung des Kolbenpistons in
der Cylinderachse ist ein Eisenstück e am untern Theile
desselben passend eingelegt.
Die Herstellung der Kolbenringe ist sehr einfach. Man bedarf hiezu einer
schmiede- oder gußeisernen zerlegbaren Form, deren hohler Raum den
Dimensionen des Ringes entspricht. Die vorher, nach der in der Zeichnung
ersichtlichen Form abgedrehte und verzinnte Feder d wird
in die Form gespannt, das Ganze angewärmt und der Guß vollzogen. Die Mischung des
hiezu verwendeten Compositionsmetalls richtet sich nach der Dichtigkeit der
Cylindermasse. Für weiches Gußeisen habe ich eine Zusammensetzung von 80 Th. Zinn,
16 Th. Antimon und 4 Th. Kupfer oder Glockenmetall am zweckmäßigsten gefunden.
Bei Anwendung dieser Kolbenringe ist es von Vortheil, die Cylinder vorerst
auszubohren, wenn sie nicht vollkommen rund seyn sollten.
Die Vortheile, welche beschriebene Kolben bieten, sind nebst der Beseitigung aller
erwähnten Mängel, große Dauerhaftigkeit und Einfachheit; die Folgen derselben sind
äußerst geringe Reparatur, erhöhte Leistungsfähigkeit der Maschine und eine
auffallende Ersparniß an Brennmaterial. Eine der hiesigen Locomotiven, welche schon
seit 10 Monaten mit solchen Kolben versehen ist, ergab eine Brennmaterialersparniß
von 33 Proc., entsprechend dem Verbrauche von 11,7 Kubikfuß nicht geschichteten
Torfes per Wegstunde, bei einer Arbeitsleistung von 3000
Ctr. Bruttobelastung und 7 Stunden Geschwindigkeit auf einer Bahnstrecke mit über
die Hälfte einprocentiger Steigungen.
Bei solchen günstigen Erfahrungen wurde denn auch von der Betriebsverwaltung der
bayerischen Staatsbahnen die Anfertigung der Kolbenringe nach oben beschriebener
Construction für sämmtliche Maschinen angeordnet. Diese Construction ist aber nicht
bloß für Locomotiven, sondern für alle Dampfmaschinen und überhaupt wo Metallkolben
angewendet werden können, zu empfehlen.