Titel: | Die Producte der trockenen Destillation des Torfes (oldenburger und hannoveraner Stichtorf) und deren Verwendung als Beleuchtungsmaterialien; von Dr. H. Vohl in Bonn. |
Autor: | Hermann Vohl |
Fundstelle: | Band 140, Jahrgang 1856, Nr. XIV., S. 63 |
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XIV.
Die Producte der trockenen Destillation des
Torfes (oldenburger und hannoveraner Stichtorf) und deren Verwendung als
Beleuchtungsmaterialien; von Dr. H.
Vohl in Bonn.
Vohl, über die Producte der trockenen Destillation des
Torfes.
Schon seit dem Jahre 1847 habe ich eine Untersuchung der verschiedenartigsten
bituminösen Fossilien unternommen, die ein Erzielen ätherischer
Beleuchtungsmaterialien zum Zweck hatte. Die Untersuchung bestand darin, daß ich
diese Stoffe der trockenen Destillation unterwarf und den gewonnenen Theer auf Photogen, Schmieröl, Paraffin, Asphalt und Kreosot verarbeitete.
Alle meine Versuche wurden im Großen und mindestens mit 100 Pfd. Rohmaterial
ausgeführt, weßhalb die Ergebnisse derselben bei einem technischen Betrieb
maaßgebend sind. Versuche, welche im Kleinen mit nur einigen Pfunden ausgeführt
wurden, geben leicht zu Täuschungen Anlaß und sind also zur Basirung bei einem
industriellen Unternehmen fast nutzlos, indem sie kaum einen annähernden Haltpunkt
geben. Auch treten beim Verarbeiten großer Mengen andere Erscheinungen auf, und man
stößt dabei auf Schwierigkeiten, die bei kleinen Mengen minder in die Augen
springend sind und deßhalb gewöhnlich übersehen werden.
Nachfolgender Aufsatz handelt nur von den durch trockene Destillation des oldenburger
und Hannoveraner Torfes erzeugten nutzbaren Producten, und die Ergebnisse sind als
reine Substanzen, die weiter keiner Behandlung
bedürfen, aufgeführt, weßhalb sie in quantitativer und qualitativer
Beziehung für den Industriellen maaßgebend sind und für einen Betrieb zur Basis
genommen werden können.
Der von mir zur Untersuchung verwandte Torf war ein ziemlich fester Stichtorf, hier
und da von einigen starken Wurzelfasern durchzogen, und in
länglich-viereckige Stücke geformt. Er besaß lufttrocken eine schmutzigbraune
Farbe und sein verhältnißmäßig geringes spec. Gewicht ließ auf einen nicht
bedeutenden Aschengehalt schließen, welche Ansicht später durch die Analyse
bestätigt wurde.
Bei der Voruntersuchung ergab der Torf, in einem Probirröhrchen erhitzt, zuerst
Wasser, welches größtentheils mechanisch eingeschlossen war und bei seinem Austreten
von einer geringen Menge leichtflüchtigen, dünnflüssigen Oeles begleitet wurde. Bei
verstärkter Hitze entwickelten sich säuerlich unangenehm riechende mit
hellleuchtender Flamme verbrennende Gase in Begleitung eines braunen, in der Kälte durch
seinen Paraffingehalt erstarrenden Oeles.
Zur Untersuchung, resp. trockenen Destillation, wurden 100 Pfund lufttrockener Torf
verwendet, und zwar wurde nicht die ganze Menge auf einmal, sondern dieselbe in fünf
Portionen zu 20 Pfd. der trockenen Destillation unterworfen.
Die Destillation nahm ich in einer eisernen Retorte vor. Dieselbe hatte im
Querdurchschnitt die Form, war 3 Fuß lang, 1 Fuß breit und 10 Zoll hoch.
Das Mündungsrohr hatte einen Durchmesser von 4 Zoll. Die Retorte wurde mit einem
eisernen Deckel, der mit Thon bestrichen und vermittelst einer Stellschraube
angedrückt werden konnte, verschlossen.
Das Retortenmündungsrohr war mit einem 6 Fuß langen, geneigt liegenden
Schwarzblechrohr, dessen lichter Durchmesser sich von 4 Zoll auf 1 1/2 Zoll
verjüngte, verbunden.
Dieses Abzugsrohr war mit grobem Packtuch umgeben und wurde behufs der Abkühlung
durch ausfließendes Wasser naß gehalten. Es stand mit zwei blechernen zweihalsigen,
cylinderförmigen Gefäßen, welche auf dieselbe Art wie das Abzugsrohr gekühlt wurden,
in Verbindung.
Das Gas, auf diese Weise von den verdichtbaren Producten möglichst befreit, ließ ich
nun noch ein 20 Fuß langes 3/4zölliges bleiernes Schlangenrohr Passiren, welches in
einer kleinen Tonne durch kaltes Wasser auf einer niedrigen Temperatur erhalten
wurde, und dann entweder zur weitern Untersuchung in Gasometern auffangen oder
direct verbrennen.
Nachdem die Retorte mit 20 Pfd. lufttrockenem Torf beschickt war, wurde die
Destillation bei schwachem Feuer begonnen und bei heller Rothgluth beendet.
Im Anfang entwickelte sich eine bedeutende Menge Wasserdampf, welcher von einer
geringen Menge empyreumatischem Oel begleitet war; erst nach Entfernung der größten
Menge des mechanisch eingeschlossenen Wassers und nachdem die Temperatur sich bis
zur dunkeln Rothgluth gesteigert hatte, entwickelten sich massenhaft die Oeldämpfe,
welche abgekühlt in einem dünnen Strahl in die Vorlage flossen.
Die Gase, welche im Beginn der Destillation auftraten, waren nicht brennbar und
bestanden hauptsächlich aus Kohlensäure; bei gesteigerter Temperatur wurden sie
allmählich entzündbar und brannten mit hellleuchtender nicht rußender Flamme, die
zuletzt jedoch der hellblauen Flamme des Kohlenoxydgases Platz machte.
Schwefelwasserstoffgas, welches ich in so enormen Massen bei der Destillation der
Braun- und Blätterkohle erhielt, zeigte sich hier nur in sehr geringer Menge, dagegen war
das Auftreten von Cyanammonium am Ende der Destillation nicht unerheblich.
Die Destillation einer Portion von 20 Pfd. lufttrockenem Stichtorf dauert 3 bis 3 1/2
Stunden, und man kann den Gang derselben aus dem Verhalten des sich entwickelten
Gases ermessen.
Die flüssigen Destillationsproducte, welche sich in den verschiedenen
Condensationsgefäßen angesammelt hatten, wurden zusammengegossen und behufs der
Trennung erwärmt. Das specifisch leichtere empyreumatische Oel, der Theer, trennte
sich mit der größten Leichtigkeit von der wässerigen Flüssigkeit und letztere wurde
durch einen Scheidetrichter von dem Theer entfernt. Das specifische Gewicht der
Theermasse schwankt zwischen 870 und 895, je nachdem die Erzeugungstemperatur
niedrig oder hoch war.
Nach der eben beschriebenen Methode erhielt ich durchschnittlich von 100 Pfd.
oldenburger oder Hannoveraner Stichtorf im lufttrockenen Zustande:
Theer
=
9,0630
ammoniakalisches Wasser
=
40,0000
Kohks
=
35,3120
Gas und Verlust
=
15,6250
––––––––
100,0000.
Der Destillationsrückstand hatte die Form des Torfes beibehalten, nur sein Volumen
war um 1/8 geschwunden; derselbe war von dunkelschwarzer Farbe und verbrannte
angezündet wie eine gute Holzkohle, ohne auch nur den mindesten Geruch zu
verbreiten. Er hinterließ eine geringe Menge durch Eisenoxyd nur schwach gelb
gefärbte Asche, die größtentheils aus Kalk, Magnesia, Thonerde, Kieselsäure,
Kohlensäure nebst geringen Mengen von Eisenoxyd, Manganoxyduloxyd, Phosphorsäure und
Schwefelsäure neben Spuren von Jod, Chlor, Kali und Natron bestand.
Vor dem Gebläse steht diese Kohle ziemlich gut, und es ist wegen dieser Eigenschaft,
sowie dem nicht zu hohen Gehalt von Asche, welche die oben angegebene
Zusammensetzung hat, die Aussicht gerechtfertigt, daß dieser Rückstand, wahre Kohks,
zu hüttenmännischen, metallurgischen Zwecken mit Vortheil verwendbar ist.
Der oldenburger sowohl wie der Hannoveraner Stichtorf ergibt, wie oben angeführt, circa 35 Proc. Kohks, welche 12 Proc. Asche hinterlassen
und enthält demnach 75,318 Proc. brennbare Bestandtheile, resp. wasser- und
stickstoffhaltige Kohle.
Nachdem der gewonnene Theer entwässert war, wurde derselbe einer fractionirten
Destillation unterworfen und die Producte derselben, nachdem sie durch Behandeln mit Säuren
und Alkalien gereinigt worden waren, einer neuen Destillation vermittelst
Wasserdämpfen unterworfen. Ich erhielt nach dieser Methode außer dem Paraffin und
Asphalt zwei verschiedene Oele und eine erhebliche Menge Kreosot (neben Karbolsäure
und Picamar).
Aus dem wässerigen Destillate der Rohdestillation stellte ich eine bedeutende Menge
Essig-, Butter- und Metacetonsäure sowie Ammoniak dar.
Die Essigsäure ist in solcher Menge in diesem Wasser enthalten, daß man sie mit
Nutzen daraus bereiten kann.
100 Gewichtstheile Theer liefern folgende Durchschnittsergebnisse:
Reine Producte.
Leichtes Oel (Photogen)Schweres Oel, oder
Schmier- oder GasölAsphaltParaffin
19,457 19,547
17,194 3,316
spec. Gewicht 830spec. Gewicht 870
Kreosot und Verlust
40,486
–––––––
100,000.
Demnach werden 100 Pfd. lufttrockener Torf ergeben an:
Leichtem Oel oder Turfol
(Photogen)
1,7633
Gas- oder Schmieröl
1,7715
Asphalt
1,5582
Paraffin
0,3005
Kohks
35,3120
Wasser
40,0000
Gas
15,6250
Kreosot und Verlust
3,6695
––––––––
100,0000.
Beschreibung und Anwendung der erzielten Producte.
I. Turfol (Torfphotogen).
Das TurfolBenennung gebildet aus turfa und oleum. ist ein wasserhelles, farbloses, sehr liquides Oel von einem nicht
unangenehmen Geruche. Da es vollkommen kreosotfrei ist, so bräunt es sich nicht
durch Sauerstoffaufnehmen aus der Luft. Es ist vollkommen flüchtig, so daß die
durch dasselbe verursachten Flecken sehr bald verschwinden. Das spec. Gewicht
dieses neuen Beleuchtungsmaterials übersteigt nicht 835 (Wasser = 1000). Es ist
ein kräftiges Lösungsmittel für Fette, Harze und Kautschuk, welche Substanzen es
beim Verdunsten unverändert, und ohne einen fremden Beigeruch zu besitzen,
zurückläßt. Jod wird von demselben mit schön Purpurrother Farbe gelöst) Schwefel
und Phosphor sind bei Anwendung von Wärme ziemlich löslich in diesem Oel, ein
großer Theil krystallisirt beim Erkalten wieder heraus.
Es ist sauerstofffrei und ein reiner Kohlenwasserstoff, der ein Multiplum des
Elaylgases ist, also gleichsam flüssiges Leuchtgas (ebenso wie das Paraffin
festes Leuchtgas vorstellt). Angezündet brennt es ohne Beihülfe eines starken
Luftzuges mit starkrußender Flamme, welch letzterer Umstand seine Befähigung zu
leuchten bekundet.
Auf jeder Camphin-, Photogen- und Mineralöl-Lampe brennt das
Turfol mit einem ausgezeichnet schönen weißen Lichteffecte, ohne auch nur den
mindesten Geruch oder Ruß zu verbreiten. Der Docht wird dabei nur so wenig
verkohlt, daß ein Abschneiden desselben erst den dritten Tag nothwendig wird.
(Das Verkohlen des Dochtes bei dem Mineralöl, Photogen und Hydrocarbür beruht
auf einem starken Kreosotgehalt, demnach schlechter
Reinigung des Oeles; die Oele müssen wasserhell und
farblos seyn.)
Die Nitroverbindung des Turfols hat einen angenehmen, dem Moschus und
Bittermandelöl ähnlichen Geruch und eignet sich zum Parfümiren der
Toilettenseife. (Aehnliche Körper liefert auch das Blätterschiefer- und
Braunkohlenöl, sowie das Hydrocarbür. Das Nitrobenzöl aus dem Steinkohlentheeröl
ist schon längst als künstliches Bittermandelöl in Anwendung.)
Für sich sowohl wie mit Alkohol gemischt, liefert es ein vorzügliches
Fleckenwasser.
Die Hauptanwendung ist die als Beleuchtungsmaterial.
II. Gas- oder
Schmieröl.
Das aus dem Torfe gewonnene Gas- oder Schmieröl ist von hellbrauner
Bierfarbe, besitzt einen unbedeutenden Geruch und ist minder flüchtig als das
Turfol. Auf jeder gut construirten Mineralöl-Lampe brennt dasselbe mit
blendend weißem Lichte, jedoch muß nach einem sechs- bis achtstündigen
Brennen der Docht gesäubert werden. Es hat eine größere Leuchtkraft wie das
Turfol, welche durch seinen größern Kohlenstoffgehalt bedingt wird. (Die
Ansicht, daß die leichten Oele besser leuchten als die schweren, ist ganz
irrig.) In den Harz- und Oelgasfabriken kann dieses Oel mit Vortheil zu
Erzeugung eines vorzüglichen Gases benutzt werden.
Mit den geeigneten Materialien versetzt, liefert es eine sehr gute Schmiere, die
weder durch ein Verharzen, noch bei Winterkälte fest wird. Auch kann dieses Oel zum
Schmieren der Spindeln in den Baumwollenspinnereien benutzt und zum Versetzen
des Rüböls und des Thrans verwendet werden.
Das spec. Gewicht dieses Oeles übersteigt nicht 870 und dasselbe ist wie das
vorhergehende sauerstofffrei.
III. Asphalt.
Der aus dem Torfe gewonnene Asphalt ist von schön schwarzer Farbe und findet
seine Verwendung zu Eisenlack oder zur Rußbereitung.
IV. Paraffin.
Das Paraffin, welches man durch trockene Destillation des Torfes erhält, ist von
großer Schönheit, hart, klingend und durchscheinend wie Alabaster.
Die aus demselben gefertigten Lichter übertreffen an Leuchtkraft die Wachslichter
von gleicher Stärke. Die Ausbeute an reinem Paraffin
(nicht Paraffinmasse) übersteigt die des besten Blätterschiefers um das
Doppelte, kömmt demnach der Ascherslebener Braunkohle ziemlich gleich. Aus
diesem Grunde eignet sich der Torf vorzüglich zur Erzielung des Paraffins.
Ohne Nachtheil kann das Paraffin zu Lichtermasse mit 10 Procent Stearin versetzt
werden.
V. Kohks.
Die Kohks sind ein vorzügliches Brennmaterial, welches seine Verwendung beim
Betriebe eines solchen Etablissements selbst findet; auch kann es zu
hüttenmännischen Zwecken verwandt werden.
Sie brennen ohne den mindesten Geruch zu verbreiten und liefern eine als
Düngmittel zu verwendende Asche.
VI. Wässeriges Destillat (Ammoniakwasser).
Das erzeugte wässerige Destillat ist zur Essigsäure- und
Ammoniak-Bereitung vortheilhaft zu verwenden, auch kann dasselbe mit dem
pulverigen Kohlenrückstande gemischt als Dünger seine Verwendung finden.
VII. Gas.
Das sich bei der trockenen Destillation des Torfes entwickelnde Gas kann mit
Vortheil zur Heizung der Reinigungsapparate benützt werden; durch Kalkhydrat gereinigt,
liefert es ein vorzügliches Leuchtgas, welches zur Beleuchtung der Fabrik selbst
benutzt wird.
Vier Retorten liefern so viel Gas, daß eine fünfte durch dieses erzeugte Gas, als
Brennmaterial verwandt, abdestillirt werden kann. Bei der Benutzung des Gases
als Brennmaterial sind besondere Vorsichtsmaßregeln zu treffen.
Das Gemisch besteht aus ölbildendem, Sumpf-, Wasserstoff-,
Kohlenoxyd-, Kohlensäure-, Schwefelwasserstoff-,
Cyanwasserstoff- und Ammoniakgas, geschwängert mit dem Dampf des leichten
Turfols.
VIII. Kreosot.
Das erzeugte Kreosot ist von dunkelbrauner Farbe und enthält 80 bis 85 Proc.
reines Kreosot. (Der verunreinigende Bestandteil ist Karbolsäure, Buttersäure,
Metacetonsäure und Picamar.)
Es ist ein vorzügliches Conservirungsmittel und wird mit Vortheil zum Tränken des
Schiffbauholzes, der Eisenbahnschwellen etc. verwendet; auch kann er zur
Rußbereitung benutzt werden.
Dieser Körper ist es, der durch seine Anwesenheit dem Mineralöl, dem Hydrocarbür
und Photogen den unerträglichen festhaftenden Geruch ertheilt und das Verkohlen
des Dochtes bedingt. Das unter dem Namen doppelt gereinigtes Mineralöl
(Asphaltöl) verkaufte Oel enthält noch 6 bis 7 Proc. Kreosot. Das Oel aus
Blatterschiefer, wie es im Handel vorkommt, enthält davon 10 bis 12 Procent. Wie
bekannt, bräunt sich das Kreosot durch Sauerstoffaufnahme sehr bald, und die
Gegenwart desselben in den ätherischen Beleuchtungsmaterialien ist die Ursache
des Nachdunkelns und Bräunens derselben. Es ist auffallend, daß, da die
Beseitigung dieses Körpers so leicht ist, dieß nicht von den Fabrikanten
geschieht, um dadurch ihrem Fabricat die Schönheit und den Werth zu geben,
dessen dasselbe fähig ist.
Die Verarbeitung von Theer (von Blätterschiefer, Braunkohle
und Torf) zur Erzielung der ätherischen Beleuchtungsmaterialien und des
Paraffins.
Seit dem Jahre 1847, wo ich die Fabrication dieser Produkte im Großen vornahm, hat
man in diesem Industriezweig eine große Menge sogenannter Verbesserungen der
Methoden und der dabei anzuwendenden Apparate angepriesen, die uns leider alle nur
mit einem Wust von kostspieligen und complicirten Apparaten und Manipulationen
bereichert haben. Es mag
dieß wohl daher gekommen seyn, daß Leute sich damit beschäftigten, die nicht
befähigt waren die chemische Natur und das Verhalten dieser Körper zu erkennen. Es
ist ja klar, daß von einer Trennung und Reinigung keine Rede seyn kann, wenn man den
Körper den man vor sich hat, nicht genau kennt, und so kam es, daß dieses
Umhertappen im Finstern so überhand nahm. Ich will hier die Methode und Apparate
mittheilen, durch welche ich bis jetzt diese Körper in der größtmöglichen
Vollkommenheit und Schönheit darstelle.
Was die Theerdestillation anbetrifft, so verweise ich auf meine Abhandlung in den
Annalen der Chemie und Pharmacie von Wöhler, Liebig und
Kopp Bd. XCVII S. 9 (daraus im polytechn. Journal
Bd. CXXXIX S. 216).
Nachdem der Theer entwässert ist, wird er in eiserne Destillirblasen gegeben, die mit
einem sehr niedrigen Hute versehen sind und denen ähnlich, worin man den Kautschuk
destillirt (m. s. die „Chemie und ihre Anwendung auf Künste und
Gewerbe“ von Dr. Sheridan Muspratt, Bd. I S. 965, Fig. 259). Ein vorheriges Mischen
des Theers mit Eisenvitriol etc. zur Bindung des Schwefelammoniums ist nicht allein
nutzlos, sondern verringert auch die Ausbeute. Auch habe ich gefunden, daß Einleiten
von überhitzten Wasserdämpfen eine Gaserzeugung im letzten Stadium der Destillation
auf Kosten der ätherischen Oele hervorruft. (Kohlensaures Gas wäre eher
vorzuschlagen.)
Man erhält bei der anfangs langsamen, allmählich rascheren Destillation zwei Oele,
wovon das erstere flüssig, das zweite beim Erkalten fest ist und alles Paraffin
enthält. Das flüssige Oel wird nun mit caustischer Lauge zuerst behandelt, wodurch
das Kreosot und alle sauren Bestandtheile welche die Einwirkung der Schwefelsäure
beeinträchtigen würden, beseitigt werden. Das Rohöl wird dadurch beinahe farblos und
von dem starken penetranten Gerüche befreit. Nachdem man durch Decantiren die Lauge
von dem Oel getrennt hat, wird dasselbe mit 10 Proc. Schwefelsäure von 66°
Baumé in einem bleiernen Gefäße gut gemischt, wobei das Gemenge sich
bedeutend erwärmt, alsdann von der Säure abgelassen und nun in dem Abblaseständer mit verdünnter Lauge zur Neutralisation
gemischt.
Dieser Abblaseständer vertritt nicht nur vollkommen das so kostspielige Vacuum, wie
solches zuerst in England und später auch in Deutschland angewandt wurde, sondern
liefert auch reinere und schönere Producte.
In diesem Abblaseständer wird das Oel mit einem verticalen Wasserdampfstrahl von 1
1/2 Atmosphären Druck behandelt, wodurch alles Photogen abgeblasen und durch die
Wasserdämpfe fortgeführt wird. Ein solcher Apparat, welcher täglich 1000 Quart Oel liefert, kostet
mit dem Dampfkessel nur 800 Thlr.
Die Oele, welche man so erhält, sind wasserklar, kreosotfrei und haben keinen starken
unangenehmen Geruch. Das im Ständer zurückbleibende Oel ist das sogenannte Schmieröl
und bedarf keiner weitern Behandlung.
Da alle leichtflüchtigen Theile abgeblasen sind, so kann es keinen starken Geruch
besitzen.
Das Paraffinöl wird gerade so zuerst mit Lauge und mit 10 Proc. Schwefelsäure von
66° B. behandelt und alsdann abgeblasen. Man erhält so aus dieser
Paraffinmasse noch 12 bis 13 Proc. wasserhelles Photogen.
Die abgeblasene Paraffinmasse gebe ich nun in einen Nutschapparat, bei welchem ein
Saugen durch luftleere Räume hervorgerufen wird. Ich stelle den luftleeren Raum
einfach so dar, daß ich Gefäße mit Wasser fülle und das am Boden befindliche
Abzugsrohr in einen Brunnen unter das Wasserniveau leite und dadurch eine verticale
Ausflußlänge von 32 Fuß erhalte. Das Paraffin bleibt auf dem Trichter als eine
perlmutterglänzende, trockene Masse zurück, die keinen Geruch besitzt und blendend
weiß ist. Um das in der Masse vertheilte Oel zu beseitigen, schmilzt man das
Paraffin im Wasserbade, setzt auf 100 Pfd. 10 Quart weißes Photogen zu und preßt die
Masse nach dem Erkalten bei 24 bis 26° C. Man erhält so durchsichtige Kuchen,
die man in einem kleinen Abblaseständer mit Dämpfen behandelt, bis kein Oel mehr
entweicht und die Masse geruchfrei ist (es geschieht dieß in circa 5 Stunden). Sollte das Paraffin noch nicht weiß seyn, so schmilzt
man es mit einem neuen Zusatz von Photogen und behandelt es nach dem Pressen
nochmals im Abblaseständer. Vor dem Gießen wird es mit verwittertem Glaubersalz im
Wasserbade zum Entwässern geschmolzen. Es ist eben so schön wie das mit
Schwefelsäure behandelte, und diese Methode ist bedeutend sicherer.
Das beim Abgießen erhaltene Oel wird durch Abblasen von dem Paraffin und dem
färbenden Oel befreit und kann so wieder zur Reinigung neuer Massen verwendet
werden.
Durch Vermischen der gebrauchten Lauge und Schwefelsäure erhalte ich schwefelsaure
Alkalien und eine Oelschicht, die das eben erwähnte Kreosot ist.
Ueber das Anlagecapital und die Rentabilität eines
Etablissements zur Erzeugung des Turfols, Paraffins etc. aus oldenburger oder
hannoveraner Torf.
Bei einem Minimumsbetriebe, welcher täglich (in 24 Stunden) eine Verarbeitung von
30,000 Pfd. lufttrockenem Torf erheischt, ist ein Anlagecapital (abgesehen von Gebäulichkeiten,
die in bloßen Schuppen bestehen) von nur 8000 Thlrn. erforderlich.
Man wird bei einem solchen Betriebe erhalten an:
Turfol
528
Pfd.
circa 255 Quart
à 10 Sgr.
= 85 Thlr.
– Sgr.
Gas- od. Schmieröl
531
„
„ 250
„ à 5 „
= 42 „
15 „
Asphalt
467
„
Centner à
20 Sgr.
= 2 „
20 „
Paraffin
90
„
à 15
Sgr.
= 45 „
–
„
KohksAmmoniakwasserGas nach Abzug
der Kohlensäure
1059312000 3120
„ „ „
Verwenrthung in der Fabrication selbst.
Kreosot
1100
„
Centner à
10 Sgr.
= 3 „
20 „
–––––––––––––––
Werth der Gesammtausbeute
178 Thlr.
25 Sgr.
Davon gehen ab für Beschaffung des
Torfes pro Tag
40 Thlr.
Tägliche Ausgabe von Arbeitslohn
etc.
36 „
––––––
Summa
76 Thlr.
76 „
– „
–––––––––––––––
Bleibt demnach ein täglicher
Reingewinn von
102 Thlr.
25 Sgr.
Obgleich alle Unkosten zu hoch gegriffen sind, so ist dennoch der Reingewinn ein
enormer und gränzt ans Unglaubliche.
Bonn, im Februar 1856.