Titel: | Ueber die Wirkung des Salpeters auf die Vegetation; von Hrn. Boussingault. |
Fundstelle: | Band 140, Jahrgang 1856, Nr. XXXIV., S. 140 |
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XXXIV.
Ueber die Wirkung des Salpeters auf die
Vegetation; von Hrn. Boussingault.
Aus den Comptes rendus, Novbr. 1855, Nr.
21.
Boussingault, über die Wirkung des Salpeters auf die
Vegetation.
Der Salpeter übt auf die Entwickelung der Pflanzen eine sehr günstige und
augenfällige Wirkung aus; diese Eigenschaft desselben war schon den Alten bekannt,
und daß die Anwendung dieses Salzes im Feldbau nicht allgemein wurde, erklärt sich
durch den hohen Preis, welchen es in den von seinem Erzeugungsort entfernten
Gegenden erreicht, besonders wenn sich zu den Transportkosten noch hohe Zölle
gesellen. Die Anwendung des Salpeters zur Verbesserung des Bodens kam in der
Landwirthschaft in der That erst in Aufnahme, als man ihn in Peru in außerordentlich
mächtigen Lagern aufgefunden hatte. Diese wichtige Entdeckung wurde in Europa im J.
1821 bekannt. Eine Analyse dieses natürlichen Salpeters wurde zuerst an der
Bergwerksschule zu Paris von Mariano de Rivero, einem
jungen Peruaner, angestellt, und die Krystallform desselben von Hauy bestimmt.
In der Provinz Taracapa, zwischen dem 19ten und 22sten Grad südlicher Breite, kommen
in einer unfruchtbaren Ebene, welche 8–10 Limes von der Küste entfernt ist,
Haufen von salpetersaurem Natron, Kochsalz und borsaurem Kalk vor.
Die Pamba del Tamaragual, ungefähr 1000 Meter über dem Niveau des stillen Meeres
gelegen, welche aus angeschwemmtem Land, Konglomeraten und fossilem Holz neuerer
Zeit besteht, enthält Salpeterlager, die man als unerschöpflich betrachtet. Diese
Lager erstrecken sich nicht über 6 Lieues von der Küste hinaus; über dieser Gränze
ist der Salpeter durch Kochsalz ersetzt.
Die Peruaner nennen den mit Sand und Thon vermengten Salpeter
„Caliche“. Diese Gemenge enthalten 20 bis 65 Proc.
salpetersaures Natron. Der krystallisirte weiße „Caliche“ ist
reiner Salpeter und stellenweise so hart, so compact, daß man zu seiner Gewinnung
das Sprengen mit Pulver anwenden muß. Der Caliche bildet 2–3 Meter mächtige
Lager in einer Ausdehnung von 80 bis 400 Meter. Um den Salpeter auszuziehen, wird er mit
kochendem Wasser behandelt, die Auflösung über Feuer oder durch die Sonnenwärme
abgedampft und das Salz, wenn es trocken ist, nach dem Hafen Jquique geschafft, von
wo es nach Europa und den Vereinigten Staaten versendet wird. Nach Hrn. de Rivero beträgt der Werth des von den Siedereien zu
Tamaragual gelieferten Jquique-Salpeters bei Nachfrage 25 Francs die 100
Kilogr.
Die Salpetergewinnung in der Provinz Taracapa wurde erst seit dem J. 1831 in größerem
Maaßstabe betrieben. In den letzten fünf Jahren betrug die Ausfuhr über 3 Millionen
Centner (span. Gewicht).
Es ist merkwürdig, daß die Peruaner vor der Eroberung ihres Landes den Salpeter gar
nicht benutzten; und doch waren die Inkas in der praktischen Landwirthschaft sehr
weit vorgeschritten. Die aufmerksame Beobachtung der Umstände, welche die durch die
nächtliche Strahlung hervorgebrachte Abkühlung begleiten, lehrte sie, ihre Felder
vor den Wirkungen des Frostes dadurch zu schützen, daß sie die Durchsichtigkeit der
Luft mittelst des Rauches trübten; sie befruchteten die Erde mit dem Guano,
bereiteten einen wirksamen Dünger mit getrockneten Fischen, und stellten aus
Menschen-Excrementen ein Düngpulver (Poudrette) dar, welches am Fuße jeder
einzelnen Türkischkornpflanze in kleiner Menge verbreitet wurde.
Die gute Wirkung des salpetersauren Natrons auf die Felder, wenn man 120 bis 125
Kilogr. davon per Hektare verwendet, läßt sich seit den
vergleichenden Versuchen, welche in England von Hrn. David Barclay und in Frankreich von Hrn. Kühlmann
angestellt wurden, nicht mehr in Zweifel ziehen, und man kann behaupten, daß von der
beträchtlichen Quantität Salpeter, welcher aus Peru in Großbritannien eingeführt
wird, die Landwirthschaft schon jetzt einen großen Theil in Anspruch nimmt.
Nachdem nun feststeht, daß das salpetersaure Kali und Natron zur Entwickelung der
Pflanzen kräftig beitragen, so fragt es sich, in welcher Weise sie wirken. Verhalten
sie sich ähnlich wie die das Wachsthum so befördernden Salze der Alkalien, oder
wirken sie bei ihrer complicirten Zusammensetzung nach Art der von thierischen
Substanzen herrührenden Düngerarten, z.B. wie die Ammoniaksalze? Diese Fragen sind
gewiß wichtig, und ich habe zur Beantwortung derselben einige Versuche angestellt,
deren Resultate ich hier mittheile.
Die einzige mir bekannte Erklärung der nützlichen Wirkung der salpetersauren Salze
auf die Vegetation ist von Hrn. Kuhlmann
Polytechn. Journal Bd. CIII S.
302.; nachdem derselbe durch seine Untersuchungen gefunden hatte, daß stets Ammoniak gebildet
wird, wenn Wasserstoff im Entstehungsmoment auf Salpetersäure wirkt, kam er zu dem
Schlusse, daß bei Anwendung der salpetersauren Salze als Dünger deren Stickstoff,
ehe er von der Pflanze absorbirt wird, meistens im Boden selbst in Ammoniak
umgewandelt wird. Um den großen Nutzen der salpetersauren Salze zu erklären, bemerkt
Hr. Kuhlmann, genügt es daher, daß diese Salze dem
desoxydirenden Einfluß der faulen Gährung ausgesetzt sind, deren Endresultat
kohlensaures Ammoniak seyn muß. Es ist zu bedauern, daß dieser Chemiker nicht
untersucht hat, ob die organischen Materien beim Faulen wirklich die Salpetersäure
der salpetersauren Salze in Ammoniak verwandeln; er hätte diese Untersuchung um so
weniger unterlassen sollen, da man weiß, mit welcher Leichtigkeit der Stickstoff des
Ammoniaks in Salpetersäure umgewandelt wird. Auf dieses Streben der Elemente des
Ammoniaks sich zu oxydiren, gründet sich ja auch die wahrscheinlichste Theorie der
Salpeterbildung in einem Boden, worin thierische Stoffe und alkalische Basen
zusammen vorkommen.
Ich glaubte daher untersuchen zu müssen, ob die Gegenwart fäulnißfähiger organischer
Materien im Boden unerläßlich ist, damit der Stickstoff des ihm beigemengten
salpetersauren Salzes von der Pflanze assimilirt wird; denn in dem Falle wo die
Assimilirung in Abwesenheit jener Stoffe stattfände, könnte man zwei Schlüsse
ziehen: erstens, daß es nicht nothwendig sey daß der Stickstoff der Salpetersäure
vorher außerhalb der Pflanze in Ammoniak umgewandelt wird, um sich im Organismus
fixiren zu können; zweitens, daß sich die salpetersauren Salze bei ihren Wirkungen
auf die Vegetation nicht lediglich wie Salze mit Kali- oder Natronbasis
verhalten.
Das einzuschlagende Verfahren bestund natürlich darin, eine Pflanze in Sand zum
Wachsen zu bringen, welcher durch Ausglühen unfruchtbar gemacht war und dem eine
bekannte Menge von salpetersaurem Alkali und Asche zugesetzt wurde, wobei mit reinem
Wasser begossen wurde. In dem Fall wo die Pflanze zur Entwickelung kam, mußte sie
analysirt, und um zu ermitteln wie viel salpetersaures Salz sie absorbirt hat, das
im Sand zurückgebliebene salpetersaure Salz genau bestimmt werden.
Versuch mit der Wolfsbohne.
Erdreich aus Sand und
Quarzkiesel
1524
Grm.
Blumentopf von gebrannter Erde
513
„
––––––––––
Sand und Topf
2037
Grm.
Am 10. Mai 1855 wurde eine Wolfsbohne eingesetzt, welche 0,302 Grm. wog.
Die Pflanze entwickelte sich im Freien, es war aber Vorsorge getroffen, sie, sobald
es regnete, schützen zu können. Der Blumentopf wurde auf eine Porzellanplatte
gestellt, 1 Meter über einen Nasen. Dem ausgeglühten Sand war 1,3 Grm. ausgewaschene
Asche und 0,2 Grm. alkalische Asche zugesetzt worden.
Begossen wurde mit Wasser, welches mit Kohlensäuregas gesättigt war.
Der Versuch wurde am 2. August beendigt, als die Samenlappen verwelkt waren und
einige der unteren Blätter sich zu entfärben anfingen. Die Wanze war 12 Centimeter
hoch, hatte 14 Blätter und wog getrocknet 1,415 Grm., war also fünfmal so schwer als
der angewandte Same.
Die Analyse
ergab:
In der trockenen
Pflanze Stickstoff
0,0106
Grm.
Die Analyse des
Sandes wurde mit dem zehnten Theil desselben angestellt.
Stickstoff, im
zehnten Theil 0,00039 Grm.; im Ganzen
0,0030
„
––––––––––
0,0205
Grm.
Im Samen
Stickstoff
0,0170
„
––––––––––
Nach
dreimonatlichem Wachsthum Zunahme
0,0035
Grm.
Es ist dieß sehr nahezu das Resultat, welches ich voriges Jahr erhielt, als ich die.
Pflanze in einem Boden wachsen ließ, dessen Masse zehnmal geringer war.
Bei diesem an freier Luft und an der Sonne, bei manchmal sehr starkem Wind,
ausgeführten Versuch wurde zur Begießung eine sehr bedeutende Menge Wasser
verbraucht. Da dieses Wasser aber keine bestimmbaren Spuren von Ammoniak enthielt
und die dem geglühten Sand zugesetzte Asche weder Cyanverbindungen, noch
stickstoffhaltige Kohle enthielt, so war kein Grund vorhanden das Resultat zu
corrigiren, und dasselbe wurde unmittelbar aus den durch die Analysen erhaltenen
Zahlen abgeleitet – eine wesentliche Bedingung, da, meiner Ansicht nach, ein
Versuch dieser Art offenbar kein Vertrauen verdient, wenn man wegen der Unreinheit
der Agentien, welche man zur Entwicklung der Pflanzen mitwirken ließ, Correctionen
vornehmen muß.
Nachdem ich nun überzeugt war, daß die Masse eines unfruchtbaren Bodens auf die
Vegetation keinen Einfluß äußert, erhielt ich das Gewicht des Sandes, worin sich die
Pflanze entwickeln mußte, innerhalb Gränzen, welche gestatteten, die Analyse mit dem
Drittel oder der Hälfte desselben anzustellen, um ein möglichst verläßliches
Resultat zu erhalten. Das Gewicht des Bodens betrug 200 bis 300 Grm.
Erster Versuch. – Einfluß des salpetersauren Kalis auf
die Vegetation der Sonnenblume (Helianthus).
Zwei Sonnenblumen-Samenkerne, die zusammen 0,62 Grm. wogen, wurden am 10. Mai
1855 in ausgeglühten Sand gelegt, welchem 0,1 Grm. alkalische Asche und 1 Grm.
ausgewaschene Asche beigemengt waren und im Verlauf des Versuches allmählich 1,11
Grm. salpetersaures Kali zugesetzt wurden. Der Sand wurde anfangs mit reinem Wasser
angefeuchtet; nach dem Keimen aber wurde mit Kohlensäuregas gesättigtes Wasser
angewendet. Die Pflanze wuchs in freier Luft unter einem Glasdach heran, welches sie
vor Regen und Thau schützte – eine Anordnung, die bei allen in dieser
Abhandlung vorkommenden Versuchen getroffen wurde.
Am 20. Mai waren die Kerne aus dem Boden hervorgetreten; von da an wuchs die Pflanze
rasch empor.
Am 19. August hatte die eine der Sonnenblumen eine Höhe von 72 Centimeter erreicht
und trug neun schöne Blätter und eine Blumenknospe; sechs verwelkte Blätter hingen
am Fuße des Stengels. Die andere Sonnenblume war 50 Centimet. hoch, hatte zehn schön
grüne und sieben verwelkte Blätter.
Am 22. August war die Spitze des Stengels der einen Pflanze durch Zufall abgebrochen
und der Versuch wurde daher eingestellt.
Beide Pflanzen wogen nach dem Trocknen 6,685 Grm., nämlich:
holzige
Stengel BlätterWurzel
3,9901,6351,060
Grm. „
„
6,685 Grm.
Bestimmung des Stickstoffs in den Pflanzen und in der
Erde.
Wegen des vorhandenen salpetersauren Salzes wurde der Stickstoff durch Verbrennung
mit Kupferoxyd bestimmt.
Man verwendete zum Versuch 1 Grm. trockener Pflanze, nämlich:
StengelBlätterWurzeln
0,5970,2440,159
Grm.
„ „
1,000 Grm.
I.
Substanz
1 Grm. –
Gefundener Stickstoff, dem Gewichte nach
0,01705
Grm.
II.
deßgleichen
deßgleichen
0,01672
„
III.
deßgleichen
(Bestimmung mittelst Natronkalk)
0,01560
„
Die nach der Verbrennungsmethode gemachten Analysen ergaben, daß die 6,685 Grm.
trockener Pflanzen enthielten
Stickstoff
0,1126
Grm.
Der Sand und der Blumentopf wogen 242,80 Grm.
In drei Operationen, in welchen man 121,40 Grm. Substanz analysirte, wurden 0,0226
Grm. Stickstoff erhalten.
Im
Ganzen
0,452
Grm.
Die beiden am 10. Mai eingelegten Samenkerne, welche 0,062 Grm. wogen, enthielten
0,0019 Grm. Stickstoff.
Wir wollen nun die Menge des mit dem salpetersauren Kali eingeführten Stickstoffs mit
derjenigen vergleichen, welche in der Wanze und im angewandten Boden gefunden
wurde.
In der trockenen Pflanze StickstoffIm
Boden
0,11260,0452
Gr. „
0,1578
Grm.
In 1,110 Grm. salpetersaurem
Kali In 0,062 Grm. Samenkernen
0,15360,0019
„ „
0,1555
„
–––––––––––––––
Differenz
+
0,0023
Grm.
Bei diesem Versuche, nämlich während eines Wachsthums von nahezu vier Monaten, wurde
also der von dem Salpeter zugebrachte Stickstoff in der Pflanze und im Boden bis auf
2 Milligramme wiedergefunden und der Mehrbetrag an Stickstoff, wenn ein solcher
vorhanden war, überstieg nicht 2 Milligramme.
Wenn die Pflanze allen in ihrem Albumin, ihrem Casein etc. enthaltenen Stickstoff aus
dem Salpeter schöpfte, so mußte sie von demselben 0,8026 Grm. in sich aufnehmen. Da
nun jedes Aequivalent Salpeter, welches in den Organismus einer Pflanze eindringt, 1
Aequivalent Alkali mitbringt, so müßten die Sonnenblumen, indem sie 0,1126 Grm.
Stickstoff fixirten, 0,3741 Grm. Kali empfangen.
Die Untersuchung der Asche ergab, daß die 6,685 Grm. trockener Pflanze 0,419 Grm.
Alfali enthalten mußten; also nur 0,05 Grm. mehr, als die aus dem absorbirten
Salpeter berechnete Zahl ergibt; dieser Ueberschuß ist dem Alkali zuzuschreiben,
welches die dem Sande beim Beginn des Versuchs zugesetzte Pflanzenasche liefern
konnte.
Nach Vorstehendem hätte die Pflanze, dem während des Wachsthums aufgenommenen
Stickstoff entsprechend, 0,8026 Grm. Salpeter absorbirt. Da von letzterm 1,110 Grm.
angewandt wurden, so mußten 0,3075 Grm. im Boden zurückbleiben. Eine besondere
Untersuchung ergab, daß der Sand 0,34 Grm. sehr salpeterreiche Salzsubstanz
enthielt.
Ungeachtet der erwähnten Abweichungen der direct gefundenen Zahlen von den
berechneten, können die besprochenen Thatsachen, wie ich glaube, wie folgt
zusammengefaßt werden:
1) Der Stickstoff des absorbirten Salpeters wird von der Pflanze assimilirt.
2) Auf jedes Aequivalent assimilirten Stickstoffs scheint die Sonnenblume 1
Aequivalent Kali in ihrem Organismus fixirt zu haben.
3) Der von der Pflanze nicht absorbirte Salpeter findet sich fast vollständig im
Boden wieder.
4) Die Wirkung des salpetersauren Kalis, welche schon beim Beginn der Vegetation
auffallend ist, offenbart sich, ohne daß es nöthig wäre, dem Boden eine
fäulnißfähige organische Substanz zuzusetzen.
Was nach dem Eindringen des Salpeters in die Pflanze vorgeht, ob der Stickstoff
desselben, ehe er in die Constitution des Pflanzeneiweißes eingeht, vorher in
Ammoniak umgewandelt wird (wie Hr. Kühlmann annimmt), ist
eine Frage, welche meine Versuche ungelöst lassen.
Zweiter Versuch. – Wachsthum
der Sonnenblume in unfruchtbarem Erdreich ohne Mitwirkung des
Salpeters.
Um die Wirkung des Salpeters besser beurtheilen zu können, stellte ich einen
vergleichenden Versuch an, welcher darin bestand, daß ich am 10. Mai zwei
Sonnenblumenkerne genau in dieselben Umstände versetzte, wie beim ersten Versuch,
mit dem einzigen Unterschiede, daß ich den Salpeter bei den Substanzen welche dem
geglühten Sand zugesetzt wurden, wegließ.
Nach dem Erscheinen der ersten Blätter ging die Vegetation äußerst langsam vor sich.
Am 15. Juni waren die ersten Blätter entfärbt und jede der 6–8 Centimeter
hohen Pflanzen hatte zwei blaßgrüne Blätter. Zu dieser Zeit hatten die mit Salpeter
aufgezogenen Pflanzen 20 Centimeter Höhe.
Am 22. August, an welchem Tage die Pflanze herausgenommen wurde, war der höhere,
magere Stengel 20 Centimeter hoch, die Pflanze hatte nur zwei, sehr wenig gefärbte
Blätter und noch drei andere Blätter in unentwickeltem Zustand.
Nach dem Trocknen wogen die Pflanzen 0,325 Grm.
Die Analysen der Pflanze und des Erdreichs ergaben folgende Resultate:
Stickstoff
in der Pflanze
0,0022 Grm.
„
im Boden
0,0032 „
––––––––––––
0,0054 Grm.
In den Samen welche 0,068 Grm.
wogen
0,0021 „
––––––––––––
Differenz
+ 0,0033 Grm.
Bei diesem Versuche betrug also der während eines beinahe vier Monate dauernden
Wachsthums an freier Luft aufgenommene Stickstoff nicht über 0,003 Grm.
Einfluß des salpetersauren Natrons auf das
Wachsthum.
Da das salpetersaure Natron heutzutage das einzige in der Landwirthschaft verwendete
salpetersaure Salz ist, so mußte ich untersuchen, ob es sich in seiner Wirkung auf
die Vegetation wie das salpetersaure Kali verhält; die Versuche wurden mit
Gartenkresse angestellt und zur Vergleichung die Pflanze zu gleicher Zeit in freier
Luft in Gartenerde und in unfruchtbar gemachtem Sande angebaut. Die Samen wurden am
21. August 1855 eingelegt, die Pflanzen am 7. October herausgenommen.
Dritter Versuch. – Wachsthum der Kresse in stark
gedüngter Erde.
Zehn Körner gaben zehn blühende Pflanzen, welche trocken 1,580 Grm., also 70mal so
viel als der Same wogen. Der in sechs Wochen aufgenommene Stickstoff betrug 0,053
Grm.
Vierter Versuch. – Wachsthum der Kresse im
unfruchtbaren Boden.
In 295 Grm. Quarzsand, welchem 0,2 Grm. alkalische Asche und 1 Grm. ausgelaugte Asche
zugesetzt waren, wurden 21 Körner eingesäet. Nach dem Keimen wurde mit Wasser
begossen, welches mit Kohlensäure geschwängert war.
Nur 12 Körner gingen auf. Das Wachsthum fand an freier Luft, vor Regen geschützt,
statt. Die 12 trockenen Pflanzen wogen 0,11 Grm., 3 1/2 mal so viel als der
Same.
Die Stickstoffbestimmungen geschahen mittelst Natronkalks.
Der Stickstoff des Sandes wurde mit dem dritten Theil seines Gewichts bestimmt.
Folgendes ist das Resultat:
Stickstoff
in der Pflanze
0,0016
Grm.
„
im Boden
0,0030
„
––––––––––––
0,0046
Grm.
Im Samen
0,0025
„
––––––––––––
Differenz
+ 0,0021
Grm.
In sieben Wochen des Wachsthums hätte sich also eine Zunahme an Stickstoff von 2
Milligr. ergeben, welche Zahl aber wahrscheinlich zu hoch ist. Bei meinen früheren
Versuchen hatte ich einmal einen Blumentopf mit ausgeglühtem Sand und Asche
hingestellt, ohne Kresse einzusäen; der Sand wurde während der ganzen Dauer des
Versuchs mit demselben Wasser begossen, welches zur Begießung der Pflanzen diente.
In diesem Sand, welcher eben so viel wog, wie derjenige worin die Kresse wuchs,
ergab die Analyse 0,7 Milligr. Stickstoff, welchen man nur einem Einfluß der Luft
zuschreiben kann. Auf der Oberfläche dieses Sandes zeigten sich grüne Flecken, durch
eine vorhandene kryptogamische Vegetation erzeugt.
Fünfter Versuch. – Wachsthum der Kresse unter dem
Einfluß des salpetersauren Natrons.
Alles war genau so vorgerichtet, wie beim vierten Versuche, und es wurden nach und
nach dem Sande 0,216 Grm. salpetersaures Natron zugesetzt; 16 Körner, welche am 21.
August eingesäet wurden, erzeugten sechzehn nicht hohe, aber äußerst kräftige
Pflanzen. Die Blätter waren dunkelgrün, aber etwas kleiner als diejenigen der in
Gartenerde gezogenen Kresse. Die Pflanze hatte am 9. October, an welchem Tag der
Versuch beendigt wurde, geschosset; jede Pflanze hatte 8–12 sehr feste
Blätter.
Die trockenen Pflanzen wogen 0,831 Grm., 22 mal so viel als der Same.
Die trockenen Pflanzen enthielten:
StickstoffIm Boden betrug der Stickstoff
0,02540,0088
Gr. „
0,0342 Grm.
In 0,2163 Gr. des salpeters. Salzes:
StickstoffIn den sechzehn Samenkörnern
0,03570,0019
Gr. „
0,0376 Grm.
––––––––––
Differenz
0,0034 Grm.
Man findet also in den Pflanzen und dem Erdreich den durch das salpetersaure Natron
zugebrachten Stickstoff bis auf 3 Milligr. wieder; und im Sand konnte man das Salz
nachweisen, welches die Pflanze nicht absorbirt hatte.
Aus diesen Untersuchungen scheint mir hervorzugehen, daß die salpetersauren
Alkalisalze auf die Vegetation ebenso rasch und vielleicht noch kräftiger wirken als
die Ammoniaksalze. So ersieht man aus den Versuchen mit der Sonnenblume, welche in einem Boden von gleicher Beschaffenheit, gleichem
Volum, unter gleichen atmosphärischen Zuständen, an freier Luft und mit Anwendung
desselben Wassers zum Begießen, angestellt wurden, daß durch die bloße Beihülfe von
1 Grm. salpetersauren Kalis die Pflanze eine Höhe von 50–70 Centimetern
erreichte, eine Blüthe trug, im Pflanzeneiweiß über 1 Decigramm Stickstoff aufnahm
und das 108fache Gewicht des Samens an trockener Substanz erzeugte. Die Pflanze
fixirte ungefähr 3 Grm. Kohlenstoff, d.h. sie zersetzte in 3 bis 4 Monaten über 5
Liter Kohlensäuregas, um sich dessen Kohlenstoff anzueignen.
Was ist nun bei Abwesenheit des Salpeters vorgegangen? Die Sonnenblume entwickelte
sich kaum; ihr magerer Stengel trug zwei oder drei blaßgrüne Blätter; es wurden nur
3 Milligr. Stickstoff assimilirt; sie enthielt also kaum mehr stickstoffhaltiges
Gewebe, als im Samen vorhanden war. Die trockene Pflanze wog nur fünfmal so viel als
der Same und in drei
Monaten armseligen Wachsthums wurden nicht ganz 4 Deciliter Kohlensäuregas
zersetzt.
Nicht minder wichtig sind die mit der Kresse erhaltenen
Resultate. In einem unfruchtbaren Boden nahm die Pflanze in sieben Wochen an der
freien Luft nicht ganz 2 Milligr. Stickstoff auf; nach dem Trocknen hatte sie nur
das dreifache Gewicht des Samens und den Kohlenstoff von höchstens 1 Deciliter
Kohlensäuregas assimilirt, obwohl sie mit Wasser begossen worden war, welches mit
diesem Gas gesättigt war.
Einige Centigramme salpetersauren Natrons gaben dem Versuche einen ganz andern
Verlauf. Die Pflanze entwickelte sich nun wie in einem gedüngten Boden; sie nahm 25
Milligr. Stickstoff auf und wog getrocknet 22 Mal so viel wie der angewandte Same.
In 1 1/2 Monaten entsprach der aufgenommene Kohlenstoff 7 Decilitern
Kohlensäuregas.
Der so offenbare Einfluß der salpetersauren Salze auf die Entwickelung des
Pflanzenorganismus bekräftigt die von mir in einer früheren Abhandlung
ausgesprochene Ansicht, daß die Zersetzung des Kohlensäuregases durch die Blätter
abhängig ist von der vorausgehenden Absorption eines, nach Art des Stalldüngers
wirkenden Düngmittels; letzteres kann in Ammoniak, einer fäulnißfähigen organischen
Substanz, oder einem salpetersauren Salz bestehen, wenn nur der Stickstoff desselben
assimilirbar ist, so daß es zur Bildung des stickstoffhaltigen Gewebes der Pflanze
beizutragen vermag.
Die hiemit nachgewiesene Thatsache, daß der Salpeter sehr günstig auf die Vegetation
wirkt, dadurch daß er direct absorbirt wird, ohne der Mitwirkung fäulnißfähiger
Körper zu bedürfen, macht es begreiflich daß gewisse Wässer höchst auffallend auf
die Wiesen wirken, obwohl sie kaum wägbare Spuren Ammoniaks enthalten; diese Wässer
enthalten gewöhnlich salpetersaure Salze, welche das Wachsthum der Pflanzen ebenso
gut oder noch besser als das Ammoniak befördern.
Diese Bemerkung ist von Belang; denn man kann behaupten, daß bei dem gegenwärtigen
Standpunkt unserer Landwirthschaft die unbestreitbarste Quelle der Fruchtbarkeit des
Ackerlandes die gewässerte Wiese ist. Hier werden in den Futtergewächsen die in der
Luft und dem Wasser zerstreuten Elemente concentrirt, welche, nachdem sie den Weg
durch den Organismus der Thiere gemacht haben, großentheils in das Ackerland
übergehen. Eine Gegend kann daher in der Cultur im höchsten Grade vorgeschritten
seyn, so findet man, falls sie nicht einen ganz besonders reichen Boden hat, dem
Ackerland stets mehr oder weniger Wiesboden beigegeben. Eine Ausnahme zeigt sich nur
da, wo man den Unrath sehr bevölkerter Städte verwenden kann, oder wo man Guano oder
peruanischen Salpeter zur Verfügung hat.
Man muß zugeben, daß die Quelle der fruchtbarmachenden Stoffe auf enge Gränzen
beschränkt ist, und daß es meistentheils nicht vom Landwirth abhängt sie ergiebiger
zu machen. Man empfiehlt ihm zwar seinen Viehstand zu vermehren, um mehr Dünger zu
erhalten; dieß heißt aber im Grunde ihm anrathen, mehr Wiesen zu haben, auf welchen
sich die assimilirende Vegetation entwickelt, welche dem Gute unaufhörlich gibt,
ohne von ihm etwas zu empfangen. Ohne Zweifel ist das Vieh ein unentbehrlicher
Vermittler zwischen der Wiese und dem Feld; untersucht man aber, wie dasselbe in
fraglicher Hinsicht wirkt, so findet man, daß es in Wirklichkeit nicht Dünger
producirt, sondern solchen consumirt. Das Vieh erstattet in der That der Düngergrube
nicht alle fruchtbarmachenden Stoffe zurück, welche es im Stalle verzehrt, weil es
einen Theil davon sich aneignet und zwar zum größern Nutzen des Züchters.
Bei der Schwierigkeit und nicht selten Unmöglichkeit, sich Dünger zu verschaffen,
drängt sich die Frage auf, ob solche nicht auf die Art erzeugt werden könnten, daß
man den mit Nutzen durch die Pflanzen assimilirbaren Verbindungen den Stickstoff und
gewisse Salze einverleibt. Wenn auch die Lösung dieses in socialer Hinsicht so
wichtigen Problems noch in weiter Ferne liegen dürste, so muß man doch zugeben, daß
die Wissenschaft bereits mehrere Thatsachen entdeckt hat, welche an dem Erfolg nicht
verzweifeln lassen.
So verbindet sich der Stickstoff der Luft unter gewissen Bedingungen mit dem
Kohlenstoff zu einem Alkali-Cyanür, welches, in den Boden gebracht, ein Herd
ammoniakalischer Ausdünstungen wird.
Der auf der Oberfläche der Erde so reichlich verbreitete phosphorsaure Kalk wird,
nachdem man ihm auf chemischem Wege seine Cohäsion benommen hat, in einen der
wirksamsten Dünger-Bestandtheile verwandelt.
Der Sauerstoff der Luft, wenn er jene geheimnißvolle Veränderung erlitten hat, wobei
er das Ozon bildet, verbindet sich mit dem ihm beigemischten Stickstoff, um bei
Berührung mit einem Alkali einen der kräftigsten Dünger, ein salpetersaures Salz, zu
bilden. Ein Verfahren, welches die Elemente der Atmosphäre zur raschen
Salpeterbildung veranlaßt, würde offenbar das Problem im Wesentlichen lösen. Nach
Schönbein tritt stets Ozon auf, wenn organische
Materie in hinreichend gelüftetem feuchten Boden in Fäulniß übergeht; wenn dieses
der Fall ist, so muß sich höchst wahrscheinlich in einem mit landwirthschaftlichem
Dünger verbesserten Boden Salpeter bilden.
Der Salpeter mag nun durch Vereinigung der Elemente der Luft entstanden seyn oder als
Product der langsamen Verbrennung organischer Ueberreste von den Wässern zugeführt
werden, so fügt er den vom Dünger abgegebenen assimilirbaren, stickstoffhaltigen
Stoffen noch solche hinzu. Seine Dazwischenkunft, in Verbindung mit derjenigen des
Ammoniaks der Atmosphäre, machen es erklärbar daß beim rationellen Feldbau, wo mit
Sparsamkeit gedüngt und die Erschöpfung des Bodens durch zweckmäßigen Fruchtwechsel
verhindert wird, der Stickstoff in den geernteten Producten in der Regel denjenigen
des Düngers übersteigt.
Der Regen ist allerdings das Vehikel des Ammoniaks der Atmosphäre; man begeht nach
meiner Meinung aber einen offenbaren Fehler, wenn man was das Erdreich außer dem
Dünger an fruchtbarmachenden Stoffen empfängt, nach dem Volum des Regenwassers
veranschlagt. Dieß hieße annehmen, daß eine Hektare Boden kein anderes Wasser
aufnimmt, als den auf ihre Oberfläche Fällenden Regen. Es dringt aber auch
Quellwasser in den Boden ein, welches zwar dem Regen seinen Ursprung verdankt, aber
auf seinem Wege auch nützliche Stoffe auflöst; meistentheils enthält es
salpetersaure Salze, welche vor den Ammoniaksalzen den Vortheil haben, daß sie im
Boden als fruchtbarmachende Agentien zurückbleiben, wenn das Wasser durch
Verdunstung entweicht.
Ungeachtet ihrer kräftigen Wirkung kann man die salpetersauren Salze nicht als einen
vollkommenen Dünger betrachten, weil sie doch nur Stickstoff und ein Alkali
zubringen; aber gemischt mit chemisch zertheiltem phosphorsaurem Kalk würden sie
wahrscheinlich einen Compost liefern der alle Vorzüge des Guano besäße, während der
stickstoffhaltige Bestandtheil darin mehr fixirt wäre. Der Guano besteht nämlich im
Wesentlichen aus einem innigen Gemenge von Ammoniaksalzen und phosphorsaurem Kalk,
letzterer in einem Zustand von Zertheilung, welcher der chemischen nahe kommt.
Andererseits geht aus obigen Versuchen hervor, daß die salpetersauren Alkalien sich
den Pflanzen gegenüber wie Salze mit Ammoniak als Basis verhalten.
Im nächsten Jahre beabsichtige ich ein Gemenge von salpetersaurem Natron und chemisch
zertheiltem phosphorsaurem Kalk im Großen als Dünger anzuwenden und ich werde die
Resultate seiner Zeit mittheilen.
Nachtrag.
Ich habe erst nach dem Druck dieser Abhandlung in den interessanten Untersuchungen
des Hrn. Fürsten zu Salm-Horstmar einen von
demselben im Jahr 1851
angestellten Versuch gefunden, welcher beweist, daß die salpetersauren Alkalien auf
die Pflanzenentwickelung wie Ammoniaksalze wirken.
„Es fiel mir auf, sagt der Fürst zu Salm-Horstmar, daß eine Haferpflanze sehr gut in einem Boden
wuchs, worin das kieselsaure Kali durch salpetersaures Kali ersetzt worden war.
Die Pflanze enthielt dessenungeachtet Kieselerde, die sie wahrscheinlich dem
Quarz entnommen hatte, woraus der Boden bestand) denn sie war absichtlich so
wenig als möglich mit Wasser begossen worden, welches man zur Vorsicht zweimal
nacheinander destillirt und überdieß gegen Staub geschützt aufbewahrt hatte.
“
Aus der Beschreibung dieses Versuches ersieht man, daß in pulverisirtem Quarz,
welcher keine Spur von organischen oder ammoniakalischen Stoffen enthielt, aber mit
die Vegetation befördernden mineralischen Substanzen und einer gewissen Menge von
Kali- oder Natronsalpeter versetzt worden war, drei Haferkörner Pflanzen von
17 bis 20 Centimetern Höhe erzeugten, die fünf Blüthen trugen, welche vier Samen
lieferten, deren jeder das Volum und das Gewicht des Normalsamens, nämlich 0,036
Grm. hatte. Eine dieser Pflanzen wog getrocknet 15 bis 16mal so viel als das
Korn.
Diese Versuche beweisen, fügt der Fürst zu Salm-Horstmar bei, daß der Kali- und Natronsalpeter das
Ammoniak ersetzen können.
Boussingault.