Titel: | Ueber den artesischen Brunnen zu Passy, welcher von dem Ingenieur Kind für Rechnung der Stadt Paris ausgeführt wird. |
Fundstelle: | Band 140, Jahrgang 1856, Nr. XLII., S. 188 |
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XLII.
Ueber den artesischen Brunnen zu Passy, welcher
von dem Ingenieur Kind
für Rechnung der Stadt Paris ausgeführt wird.
Notiz über den Stand der Arbeiten am 1. Februar
1856, von dem mit der Oberaufsicht beauftragten k. Brücken- und
Wegebau-Ingenieur Alphand zu Paris.
Aus den Comptes rendus, Februar 1856. Nr.
7.
Ueber den artesischen Brunnen zu Passy.
In Folge eines am 14. Juli 1855 zwischen dem Präfecten des Seine-Departements
und dem Ingenieur Kind
abgeschlossenen Contractes soll der Brunnen nach dem Verfahren des Letztern, unter
Aufsicht des Brücken- und Wegebau-Ingenieurs, welcher mit der Leitung
der Arbeiten auf den Promenaden und den Anpflanzungen der Stadt Paris beauftragt
ist, abgebohrt werden. Dieser Brunnen muß seiner ganzen Tiefe nach eine Weite von
wenigstens 0,60 Meter (24 Zoll) haben und wenigstens 25 Meter in dem wasserführenden
Grünsand niedergebracht seyn, welcher im Durchschnitt 550 Meter unter dem Boden der
Ebene von Passy liegt. Er muß mit einer Cuvelirung oder Verrohrung von Eichenholz
versehen seyn, welche alles Einbrechen der Wände verhindert. Ein Steigerohr von etwa
23 Meter Höhe über der Sohle der Bohrlochsöffnung soll das Wasser 76,49 Meter über
den Meeresspiegel emporheben, welche Höhe für den verschiedenartigen Gebrauch des
Wassers im Gehölz von Boulogne erforderlich ist. Der Betrieb des Bohrbrunnens,
welcher höchstens 350,000 Francs kosten darf, muß vom 18. Juli 1855 an gerechnet, an
welchem Tage die Submission des Hrn. Kind angenommen wurde, in spätestens einem Jahre vollendet seyn.
Der erwählte Punkt für die Bohrung liegt in den alten Steinbrüchen von Passy an der
Ecke der Straße du Petit-Parc und der Allee von St. Cloud. Die
Vorbereitungsarbeiten, welche in der Errichtung eines Bohrthurms und der Schuppen, in
der Anlage eines Dampfkessels und zweier Treibcylinder, dann in der Abteufung eines
11,35 Meter tiefen Bohrschachtes bestanden, waren am 29. August beendigt. Die
Bohrarbeit begann darauf sogleich; die beiden ersten Wochen wurden fast allein dazu
verwendet, die Apparate und den Gang der Maschine zu reguliren und die Arbeiter
einzuüben, so daß die eigentlichen regelmäßigen Bohrarbeiten erst am 15. September
beginnen konnten.
Um dem Bohrloch nach der Cuvelirung eine lichte Weite von 0,60 Meter zu geben und es
nach Erfordern mit provisorischen Röhren versehen zu können, da die Cuvelirung von
Eichenholz erst nach Vollendung der ganzen Arbeit vorgerichtet werden kann, hat man
es 1,10 Meter (3 1/2 Fuß) weit gebohrt.
Das Bohrwerkzeug wiegt 1800 Kilogr. (36 Zollcentner) und ist mit sieben Zähnen oder
Meißeln von Gußstahl versehen, deren jeder 0,25 Met. (10 Zoll) lang ist. Es arbeitet
im Wasser und hat eine Rutschschere (déclic), so
daß es sich von dem Gestänge lösen kann. Dieser Freifallbobrer besteht aus einem Hut
von Gutta-percha von 0,60 Meter Durchmesser, an dem der Kopf einer Zange
angebracht ist, welche die Bohrstange hält. Indem nun das Ganze des Apparates durch
sein eigenes Gewicht schnell niedergeht, wird der um die Achse der Rutschschere
mittelst zweier Coulissen bewegliche Gutta-percha-Hut durch den Druck
des Wassers zurückgehalten, und öffnet die Zange, welche das Bohrwerkzeug hält.
Dieselbe schließt sich dagegen, wenn das Ganze des Apparates aufwärts geht, weil
alsdann der bewegliche Hut einer entgegengesetzten Einwirkung unterworfen ist. Der
Bohrer welcher frei von 0,60 Meter Höhe herabfällt, auf welche man ihn in Folge der
Anwendung des Freifallwerkzeuges hebt, kann von dem hölzernen Gestänge getragen
werden. Dasselbe besteht aus 0,09 Meter starken und 10 Meter langen, an einander
geschraubten Stangen, wodurch das Gewicht des schmiedeisernen Apparates sehr
vermindert und der Bohrbetrieb daher schneller und wohlfeiler gemacht wird.
Der aus dem Gestänge des Freifallwerkzeuges und dem Bohrer bestehende Apparat ist an
das eine Ende eines Balanciers gehängt, dessen anderes Ende mit der Kolbenstange
einer Dampfmaschine von 10 Pferdekräften verbunden ist. Beim Aufgange des Kolbens
wird der Fall des Bohrers, welchen dessen eigenes Gewicht bewirkt, veranlaßt, und
beim Niedergange des Kolbens der ganze Apparat emporgehoben.
Eine zweite Dampfmaschine von 15 Pferdekräften setzt ein Triebwerk in Bewegung,
dessen Korb mit einem Bandseile versehen ist, welches über eine Seilscheibe an der
Spitze des Bohrthurms läuft und 30 Meter über der Breterbühne hängt, auf welcher die Bohrarbeiter
stehen. Wenn mit dem Werkzeuge 1 bis 1,50 Meter tief gebohrt worden ist, so hängt
man das Gestänge von dem Balancierende ab und zieht es in die Höhe. Man holt auf
einmal einen 30 Meter langen Gestängezug auf, worauf ein Auseinanderschrauben
erfolgen muß. Das aufgeholte Bohrwerkzeug wird an einer auf Rädern und Schienen
beweglichen Breterbühne aufgehängt, so daß man es zur Seite schieben kann, damit es
dem Löffel Platz macht.
Der aus einem Blechcylinder mit beweglichem Boden von 1 Meter Höhe und 0,80 Meter
innerm Durchmesser bestehende Löffel wird auf dieselbe Weise aufgeholt wie das
Bohrwerkzeug. Darauf wird er an das Ende eines Seils von 4 Centimeter Dicke gehängt,
welches sich um einen Haspel wickelt, der mittelst einer endlosen Kette von der
Lenk- und Kolbenstange der Dampfmaschine aus betrieben wird.
Die beiden Dampfcylinder, welche durch einen einzigen Dampfkessel gespeist werden,
können bei einem Druck von sechs Atmosphären eine Kraft von 30 Pferden entwickeln,
womit alle bei dem Bohrbetriebe erforderlichen Bewegungen bewirkt werden. Die Anzahl
der Arbeiter ist daher gering und beträgt mit Einschluß des Bohrmeisters, des
Maschinenwärters, des Heizers und dreier Schmiede für die Reparatur der Werkzeuge,
sechs Mann, welche zusammen täglich 49 Fr. Lohn erhalten.
Die Anlage- oder Ankaufs kosten der Werkzeuge, der Maschinen und
provisorischen Röhren, beliefen sich auf 93,865 Fr. 20 Cent.
Für Unterhaltung des Materials und Reparaturen aller Art hat man vom 1. September
1855 bis 1. Februar 1856 im Ganzen 8822 Fr. verausgabt.
Der durchschnittliche Brennmaterialverbrauch in 24 Arbeitsstunden betrug 500 Kilogr.
Steinkohlen à 4,25 Fr. die 100 Kilogr., also die
Kosten dafür 21,25 Francs.
Mit dem Bohrschacht ist eine Schicht von Dammerde und Mergel, die mit Kalk und gelbem
Sand vermengt und 4 Meter mächtig war, durchsunken und dann sind etwa 7 Met. im
Grobkalk abgeteuft, in welchem die alten Steinbrüche von Passy angelegt wurden. Das
Abbohren in diesem Gestein, welches eine Gesammtmächtigkeit von 14,65 Meter hat,
ging ohne Schwierigkeiten von statten, wie die unten mitgetheilte Tabelle beweist.
Unter dem Grobkalk durchörterte man mit dem Bohrer eine 0,20 Meter mächtige
Muschelsand- und dann eine reine Sandschicht von 6,58 Meter Dicke. Diese
letztere Schicht bot wesentliche Schwierigleiten dar, denn nach mehreren Einbrüchen
mußte man den Bohrschacht mit Blechröhren von 1,10 Meter Weite und 5 Millimeter
Dicke versehen.
Dieselben Hindernisse haben sich beim Durchbohren des Thons gezeigt, welcher zwischen
dem Niveau der Brunnen zu Passy und der darunter abgelagerten Kreide vorkommt, und
man mußte sich entschließen, die ganze Tiefe des Bohrbrunnens bis zur Kreide zu
verrohren. Das Einbringen dieser Röhren hat große Schwierigkeiten veranlaßt; man
mußte sie mit einem Gewicht von 22000 Kilogr. beschweren und unter denselben den
Schacht weiter bohren, indem man an dem Werkzeuge bewegliche Nachschneiden
anwendete. Man konnte auf diese Weise die Röhren bis zu der obersten Kreideschicht
mit Kieselknollen, die am 26. October erreicht wurde, niederbringen.
Seitdem wurde das Bohren regelmäßig fortgesetzt, allein die vielen vorkommenden
Kieselknollen halten die Arbeit außerordentlich auf. In den reinen Kreideschichten
konnte man in 24 Stunden fast 5 Meter abbohren, während man an den Stellen, wo
Kieselknollen häufig sind, in derselben Zeit kaum 1 Meter tiefer kommen konnte.
Die Bohrmeißel nutzen sich in diesem Kiesel-Kalkstein sehr schnell ab; während
eines zweistündigen Bohrens verlieren sie fast 2 Centimeter, und sie müssen so oft
geschärft werden, als das Werkzeug aufgeholt wird, um einen vollkommen cylindrischen
Querschnitt zu behalten. Häufig ist es der Fall, daß wenn man dem Bohrer seine
Dimensionen wieder gegeben hat, er nicht in den Theil des mit abgenutzten Meißeln
gebohrten Schachtes eindringen kann, so daß ein Nachbohren stattfinden muß.
Alle diese Ursachen haben die Arbeit verzögert, und man hatte daher am 4. Februar
nach einem ununterbrochenen Betriebe von 4 1/2 Monaten, erst 271,01 Meter abbohren
können.
Bei dem Durchsinken der verschiedenen Gebirgsschichten hat sich dieselbe Reihenfolge
gezeigt, wie die bei der Bohrung des Brunnens zu Grenelle gefundene. Mittelst des
Löffels wurden die Producte der verschiedenen Schichten zu Tage gebracht.
Die folgende Tabelle enthält die aus dem Bohrregister entlehnten Resultate des
Betriebes, die zur Durchbohrung der verschiedenen Schichten erforderliche Zeit und
die darauf verwendeten Kosten, wobei jedoch die General-, die Anlagekosten
der Maschinen, sowie die Reparatur- und Unterhaltungskosten nicht mit
begriffen sind, welche auf das Ganze vertheilt werden müssen.
Beschaffenheitder
durchsunkenen Schichten.
Anzahl der 12stünd. Arbeitsschicht,
die auf jede Schicht verwendet worden.
Mächtigkeitjeder Schicht.
Mittl. Tiefe,
die durch jede 12stünd.Arbeitsschicht in
jederGebirgsschicht
erreicht worden.
Gesammt-Ausgabe für
jede Schicht.
Mittlere
Ausgabe per Meter in jeder Schicht.
Meter.
Meter.
Francs.
Francs.
Kalkstein
4
7,30
1,82
280,00
38,38
Sand
17
7,34
0,43
1190,00
168,11
Thon
22,25
26,77
1,20
1557,00
58,16
Kalknieren
22,00
5,94
0,27
1540,00
259,25
Kreide mit Kieselknoll.
142,00
219,33
1,53
9940,00
45,31
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Summe
07,25
266,68
14507,00
Mittlere Tiefe, die in jeder
12stündigen Arbeitsschicht abgebohrt
worden ist
1,28
Durchschnittliche Ausgaben per Meter
54,31
Von besonderem wissenschaftlichen Interesse ist es, daß Hr. Kind aus dem Bohrbrunnen zu Passy ganze Cylinder
von den durchbohrten Schichten aufholen kann. Der berühmte Geolog Elie de Beaumont hat den Wunsch ausgedrückt, diesen Theil des
Verfahrens bei der Schicht von chloritischer Kreide anzuwenden, in welcher die
Knollen von phosphorsaurem Kalk, welche als Düngmittel für den Feldbau so schätzbar
sind, am häufigsten vorkommen.