Titel: | Ueber das Kieselerdehydrat, welches man durch Zersetzung des in den Kattundruckereien gebräuchlichen Natron-Wasserglases erhält; von Hrn. E. Mathieu Plessy. |
Fundstelle: | Band 140, Jahrgang 1856, Nr. LXI., S. 285 |
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LXI.
Ueber das Kieselerdehydrat, welches man durch
Zersetzung des in den Kattundruckereien gebräuchlichen Natron-Wasserglases
erhält; von Hrn. E. Mathieu
Plessy.
Im Auszug aus den Comptes rendus, October 1855, Nr.
16.
Ueber das Kieselerdehydrat, das man durch Zersetzung des
Wasserglases erhält.
Die bedeutende Anwendung, welche in den Kattundruckereien gegenwärtig von dem
Natron-Wasserglas (kieselsauren Natron) anstatt des Kuhkoths zum Reinigen der
mit essigsaurer Thonerde und mit essigsaurem Eisen bedruckten Zeuge behufs der
Befestigung der Basen dieser Beizmittel gemacht wird, veranlaßte mich über die
Zersetzung jenes Silicats durch Säuren, insbesondere durch Essigsäure, Versuche
anzustellen.
Die Auflösung des Natron-Wasserglases, welche ich dazu anwandte, zeigte
20° an Baumé's Aräometer und war aus Kestner's Fabrik in Thann (bei Mülhausen)
bezogen. Beim Vermischen derselben mit käuflicher Essigsäure von 8°
Baumé beobachtet man Folgendes:
Gießt man die Säure in das Silicat, so bildet sich eine undurchsichtige Gallerte,
welche sich durch einen Ueberschuß der Säure nicht wieder auflöst. Gießt man dagegen
das Silicat in die Essigsäure (10 Vol. auf 6 Vol.), so bildet sich nicht sogleich
eine Gallerte, aber nach einigen Stunden wird die Mischung fest und die entstandene
opalähnliche Gallerte nimmt die Gestalt des Gefäßes an. Wendet man als solches einen
Trichter aus Gutta-percha an, so kann man den Conus durch gelindes Pressen
unter warmem Wasser leicht losmachen und ihn in seiner Gestalt erhalten.
Dieser Kuchen wird auf ein Sieb gebracht und während sechs Wochen bis zwei Monaten
unter Wasser in einem Topfe gelassen, während das Wasser von Zeit zu Zeit erneuert
wird. Nach dieser Zeit wird das Sieb sammt Inhalt an einen warmen Ort gestellt, z.B.
in die Nähe eines Dampfkessels, und die Austrocknung an der Luft vollendet. Vor dem
Austrocknen fühlt sich die Masse schmierig an, hat muschligen Bruch und
unterscheidet sich darin von den thierischen und vegetabilischen Gallerten. Nach dem
Trocknen unter den beschriebenen Umständen hat sich ihr Volum bedeutend verringert,
sie hat das Ansehen einer durchsichtigen glasigen Masse und ist so hart, daß sie
selbst das Glas ritzt. Schon die Anwendung schwacher Hitze zeigt jedoch, daß die
Masse ein Glas mit Wasser als Basis ist.
Wirft man dieses glasige Hydrat auf etwas Wasser, so decrepitirt es öfters mit
Geräusch; wahrscheinlich enthalten solche Stücke etwas essigsaures Natron oder
Blasen von comprimirter Kohlensäure eingeschlossen.
Dem Sonnenlichte ausgesetzt, verliert das Hydrat seine Durchsichtigkeit, es wird von
der Oberfläche gegen das Centrum hin opalähnlich und entglast sich gewissermaßen; an
der Luft erlangt es aber während der Nacht seine Durchsichtigkeit wieder. Die
Ursache dieser Erscheinung, welche immer wiederholt werden kann, ist nur in der
Erwärmung durch die Sonnenstrahlen zu suchen; denn wenn man das glasige Hydrat, in
einer Glasröhre luftdicht eingeschlossen, dem Sonnenlichte aussetzt, so erfolgt die
Veränderung nicht mehr, sondern es sammeln sich an den inneren Wänden der Röhre
Wassertropfen und die Kieselerde bleibt durchsichtig; in diesem Falle verhindert die
Feuchtigkeit der Luft, daß die Entwässerung denjenigen Grad erreichen kann, wobei
sich die Kieselerde entglast.
Das Kieselerdehydrat welches der warmen Luft ausgesetzt war, nimmt in gewöhnlicher
Temperatur das verlorene Wasser wieder auf. Man kann sich davon leicht überzeugen,
wenn man in einer Flasche einige Stücke der Substanz einschließt und die Flasche
dann den Sonnenstrahlen aussetzt; sie beschlägt mit Wasser, welches während der
Nacht wieder verschwindet. Schließt man andererseits das undurchsichtig gewordene
Hydrat in eine trockene Röhre ein, so erlangt sie ihre Durchsichtigkeit nicht
wieder, welche ihr nur der Wasserdampf ertheilen kann.
Man kann sich der beschriebenen Methode mit Vortheil zur Darstellung von
Kieselerbehydrat in den Laboratorien bedienen. Ich habe nach derselben Producte
erhalten, welche im Ansehen mit Gummi verwechselt werden konnten.
Durch Mischen der Kieselerdegallerte mit Mineralfarben, wie Uranoxyd, Cassius'scher
Purpur, metallisches Gold, erhielt ich glänzende Gläser, welche aber nicht brauchbar
sind, weil sie durch den schnellen Wasserverlust stets rissig werden.
Durch Erhitzen des glasigen, von allen fremden Oxyden freien Hydrats über einer Lampe
mit doppeltem Luftzuge erhält man einen opalähnlichen Quarz in kleinen rissigen
Stücken, ohne Spur von Krystallisation; dagegen wird die aus ihrer Verbindung mit
einer Säure abgeschiedene Kieselerde stets krystallinisch erhalten.
Ich habe den Wasserverlust des an der Luft so wie des bei 100° C. getrockneten
glasigen Hydrats bestimmt, dabei aber veränderliche Zahlen gefunden. Je nach der
Größe der angewandten Stücke erhielt ich:
a) für das an der Luft ausgetrocknete
Hydrat, 23, 33, 35, 32 Procent Wasser;
b) für das bei 100° C.
getrocknete, 13, 9, 5 Procent.
Diese letzte Zahl stimmt mit der für den gewöhnlichen ungarischen Opal überein; ich
erhielt sie durch vierstündiges Trocknen des Hydrats bei 100° C.
Wenn die Kieselerdegallerte noch 35 Procent Wasser enthält, hat sie schon das Ansehen
des Glases.