Titel: | Ueber eine Abhandlung des Hrn. Georg Ville, betreffend die Rolle der salpetersauren Salze bei der Pflanzenentwickelung, und über neue Methoden zur Bestimmung des Stickstoffs der salpetersauren Salze; Bericht von Prof. Pelouze. |
Fundstelle: | Band 140, Jahrgang 1856, Nr. LXIX., S. 303 |
Download: | XML |
LXIX.
Ueber eine Abhandlung des Hrn. Georg Ville, betreffend die
Rolle der salpetersauren Salze bei der Pflanzenentwickelung, und über neue Methoden zur
Bestimmung des Stickstoffs der salpetersauren Salze; Bericht von Prof. Pelouze.
Aus den Comptes rendus, April 1856, Nr.
15.
Pelouze, über Bestimmung des Stickstoffs der salpetersauren
Salze.
Die Abhandlung, worüber ich der (französischen) Akademie der Wissenschaften Bericht
zu erstatten habe, zerfällt in zwei Theile.
I. Im ersten Theil stellt der Verfasser die Resultate der bisherigen Untersuchungen
über die Rolle der salpetersauren Salze bei der Vegetation zusammen; es wurden
darüber von verschiedenen Chemikern sehr abweichende Ansichten ausgesprochen. Die
Untersuchungen des Hrn. Ville
in diesem Betreff ergaben folgende Thatsachen:
1) Die Pflanzen absorbiren und zersetzen die salpetersauren Salze, so daß der
Stickstoff dieser Salze ein constituirender Bestandtheil des Pflanzengewebes
wird;
2) bei gleichem Stickstoffgehalt ist das salpetersaure Kali wirksamer als der
Salmiak.
Hr. Boussingault hat ebenfalls
Untersuchungen über den Einfluß der salpetersauren Salze auf die Entwickelung des
Pflanzenorganismus angestellt und insbesondere die wichtige Thatsache nachgewiesen,
daß der Salpeter in Folge seiner directen Absorption sehr günstig auf die Vegetation
wirkt;Man sehe seine Abhandlung S. 140 in diesem Bande
des polytechn. Journals. dadurch konnte er erklären wie gewisse Wasser auf die Wiesen sehr
auffallende Wirkungen zeigen, obgleich sie oft kaum bestimmbare Spuren von Ammoniak
enthalten, sie enthalten aber gewöhnlich salpetersaure Salze, welche wie das
Ammoniak, und selbst noch besser, zur Pflanzenbildung beitragen.
II. Die schwierige Aufgabe, die salpetersauren Salze, wenn sie mit vegetabilischen
und thierischen Substanzen gemengt sind, quantitativ zu bestimmen, hat Hr. Ville auf eine sehr genügende Weise
gelöst.
Wenn die salpetersauren Salze mit schwefelsauren, phosphorsauren Salzen, Chloriden
und einer großen Anzahl anderer unorganischer Substanzen gemengt sind, so läßt sich die
in denselben enthaltene Salpetersäure mit Genauigkeit durch ein sehr einfaches
Verfahren bestimmen, welches in den Salpeterraffinerien zur Controle des alten
Verfahrens sehr oft angewendet wird (das frühere Verfahren besteht bekanntlich
darin, den Rohsalpeter mit Wasser auszuwaschen, welches mit reinem salpetersaurem
Kali gesättigt ist). Jenes einfache, vom Berichterstatter (Pelouze) angegebene Verfahren besteht darin, ein bestimmtes Gewicht Eisen
in Salzsäure aufzulösen und mit diesem Chlorür die salpetersauren Salze zu
zersetzen.Polytechn. Journal Bd. CIV S.
111. Wenn man der Flüssigkeit ein ebenfalls bekanntes Gewicht des zu bestimmenden
salpetersauren Salzes zusetzt und das Gemisch kurze Zeit im Sieden erhält, so
entwickelt sich reines Stickstoffoxydgas, während das Eisenoxydul in Oxyd
umgewandelt wird. Da das Eisen als Oxydul in Ueberschuß angewendet worden ist, so
läßt sich leicht bestimmen, wieviel von demselben als Oxyd zurückblieb, nämlich
mittelst einer titrirten Auflösung von übermangansaurem Kali, welche erst in dem
Augenblick, wo alles Eisenoxydul in Oxyd übergegangen ist, aufhört sich zu
entfärben. Das Gewicht der Salpetersäure, welche zur Umwandlung des Oxyduls in Oxyd
gedient hat, wird dann berechnet.
Diese Probe läßt, im Allgemeinen, nichts zu wünschen übrig; man begreift aber daß,
wenn die in einer Pflanze enthaltenen salpetersauren Salze bestimmt werden sollen,
das beschriebene Verfahren nicht mehr anwendbar ist, denn die salpetersauren Salze
sind alsdann mit Substanzen gemengt, welche die Chamäleonlösung färben oder sie
durch Desoxydation zersetzen. Letzterer Umstand beschränkt hauptsächlich die
Anwendung dieses Verfahrens, weil zahlreiche organische Substanzen die Auflösungen
von übermangansaurem Kali entfärben.
In der letzten Zeit kam Hr. Schlösing auf die Idee, das Stickstoffoxydgas welches bei der
Einwirkung der salpetersauren Salze auf das Eisenchlorür entsteht, bei Abschluß von
Luft über Kalkmilch aufzufangen, es nach sorgfältiger Ueberfüllung in ein anderes
Gefäß durch Zufuhr von Sauerstoff in Salpetersäure zu verwandeln, und letztere
volumetrisch mit einer Auflösung von Kalk in Zuckerwasser zu bestimmen.
Er versicherte sich, daß eine große Anzahl von organischen Substanzen, und
hauptsächlich diejenigen welche in den Pflanzen die verbreitetsten sind, den
salpetersauren Salzen beigemengt seyn können, ohne daß sie einen merklichen Einfluß
auf das Resultat dieser analytischen Methode zeigen. Von diesen Substanzen sind
einige stickstoffhaltig, z.B. Harnstoff, Kleber, Asparagin, Indigotin, thierische Gallerten etc;
andere enthalten keinen Stickstoff, z.B. Aepfelsäure, Gerbsäure, Benzoesäure,
Ulminsäure, Rohrzucker, Stärkmehl, Mannit, arabisches Gummi, Colophonium und
Ricinusöl.
Hr. Schlösing hat
salpetersauren Salzen die erwähnten verschiedenen Substanzen beigemengt, und nach
seinem Verfahren dennoch die Salpetersäure stets auf zwei bis drei Tausendtheile hin
genau bestimmt.
Er hat sein Verfahren, welches er in den Annales de Chimie et
de Physique (Augustheft 1854) genau beschrieb,Journal für praktische Chemie Bd. LXII S. 142. angewendet um den Salpetersäuregehalt des Tabaks zu bestimmen; es scheint
aber seitdem von anderen Chemikern nicht benutzt worden zu seyn.
Die Methode von Hrn. Ville,
welche wir jetzt beschreiben wollen, ist jedenfalls in der Ausführung sicherer und
bequemer. Sie besteht darin, das Stickstoffoxyd, welches durch Kochen der Lösung des
salpetersauren Salzes mit Eisenchlorür und freier Salzsäure entsteht, in Ammoniak zu
verwandeln, dessen Menge ermittelt wird.Annalen der Chemie und Pharmacie, Januar 1856, S. 123.
Hr. Kuhlmann hatte auf die
große Leichtigkeit aufmerksam gemacht, womit sich die Salpetersäure und alle
Stickstoffoxyde in Ammoniak verwandeln können, aber vor Hrn. Ville hatte Niemand daran gedacht, diese
merkwürdige Umwandlung zur quantitativen Bestimmung der mit organischen Substanzen
vermengten salpetersauren Salze zu benutzen.
Nachdem man das Verhältniß des Ammoniaks mit einer titrirten Säure bestimmt hat,
ergibt sich daraus dasjenige der Salpetersäure selbst. Die Reaction behält dieselbe
Schärfe und das Verfahren dieselbe Genauigkeit, die salpetersauren Salze mögen
ausschließlich unorganische Substanzen enthalten, oder mit einer organischen
Substanz, z.B. Zucker, Oxalsäure, Mehl, trocknem Grase, Kaffeeabsud etc., gemengt
worden seyn. Um mich zu überzeugen, daß man nach Ville's Methode verläßliche Resultate erhält,
habe ich den eben aufgezählten Substanzen eine gewisse Menge reines salpetersaures
Kali beigemengt, dessen Gewicht Hrn. Ville unbekannt war; dieser Chemiker fand nach seiner Methode stets
auf einige Tausendtheile hin die Menge des ihm von mir zur Analyse übergebenen
Salpeters.
Sein Verfahren ist so genau, dabei schnell ausführbar und wenig kostspielig, daß man
es neben dem (oben erwähnten) bisherigen anwenden kann, um den Gehalt des
Rohsalpeters behufs des Raffinirens zu bestimmen; mittelst desselben läßt sich
jetzt auch der Salpetersäuregehalt der Dünger, der Pflanzen, der verschiedenen
Wasser etc., ohne Anstand bestimmen.
Unter den verschiedenen Mitteln welche Hr. Ville angewendet hat, um das Stickstoffoxyd in Ammoniak zu
verwandeln, gibt er demjenigen den Vorzug, welches darin besteht, das Stickstoffoxyd
mit überschüssigem Schwefelwasserstoff gemischt über fast rothglühenden
Natron-Kalk zu leiten. Der Kalk und das Natron halten den Sauerstoff des
Stickstoffoxyds und den Schwefel des Schwefelwasserstoffs als schwefelsauren Kalk
und Einfach-Schwefelcalcium zurück, während der Stickstoff und der
Wasserstoff sich zu Ammoniak verbinden, welches sich in eine Glasröhre begibt, deren
Kugel zum Theil mit titrirter Säure gefüllt ist. Eine halbe Stunde reicht zum
Durchführen einer Operation hin.