Titel: | Ueber Verfahrungsarten, um die Empfindlichkeit der Collodiumschicht auf Glastafeln für längere Zeit zu sichern; von John Spiller und William Crookes. |
Fundstelle: | Band 140, Jahrgang 1856, Nr. LXXXIII., S. 352 |
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LXXXIII.
Ueber Verfahrungsarten, um die Empfindlichkeit
der Collodiumschicht auf Glastafeln für längere Zeit zu sichern; von John Spiller und William Crookes.
Aus dem Philosophical Magazine, Mai 1856, S.
384.
Spiller, über Verfahrungsarten, um die Empfindlichk. der
Collodiumschicht auf Glastafeln für längere Zeit zu sichern.
Im Jahre 1854 veröffentlichten wir unsere ersten Versuche, den
Collodium-Platten ihre Empfindlichkeit für längere Zeit zu sichernPolytechn. Journal Bd. CXXXII S. 360
und Bd. CXXXIII S. 287.; zu diesem Zweck benutzten wir gewisse zerfließliche neutrale Salze, welche,
indem sie in der dünnen Collodiumschicht Wasser zurückhalten, die Exposition der
empfindlich gemachten Glasplatte erst nach einiger Zeit vorzunehmen gestatten. Wir
schlugen hierzu die Anwendung der salpetersauren Salze von Zinkoxyd, Manganoxydul,
Kalk oder Magnesia vor. Auch das Glycerin schien uns sehr gute Resultate zu
versprechen; wegen der Unreinheit dieser Substanz, so wie sie damals im Handel
vorkam, konnten wir dieselbe jedoch nicht berücksichtigen. Jetzt liefert aber
Price's Kerzenfabrik in
Vauxhall bei London ein reines Glycerin, welches bei der Zersetzung der Fette
mittelst Hochdruckdampf als Nebenproduct gewonnen wird, daher von Chloriden oder
schwefelsauren Salzen ganz frei ist. Dieß veranlaßte uns, die Versuche mit dem
Glycerin wieder aufzunehmen.
Zuerst ermittelten wir die Wirkung des Glycerins auf eine wässerige Lösung von
salpetersaurem Silber. Zu diesem Behuf machten wir eine Mischung beider Substanzen,
und theilten dieselbe in zwei Portionen, wovon die eine dem hellen Tageslichte
ausgesetzt, die andere aber an einem dunkeln Ort aufbewahrt wurde; schon nach
wenigen Tagen war das dem Licht ausgesetzt gewesene Glasgefäß innen mit einer dünnen
aber deutlichen Schicht von metallischem Silber überzogen, wogegen das im Dunkeln
aufbewahrte, selbst nach Verlauf eines Monats, nur eine sehr schwache Reduction
erkennen ließ. Nachdem wir uns von diesem Einfluß des Lichts überzeugt hatten,
beschlossen wir, jene beiden Ingredienzien bei dem Verfahren, so weit es angeht,
getrennt zu erhalten. Das von uns verwendete Glycerin hatte ein spec. Gewicht von
1,23; wir benutzen es mit nur wenig Wasser verdünnt.
Verfahren mit Anwendung von Glycerin. – Die
Glasplatte wird mit besonderer Sorgfalt gereinigt (indem man sie zuerst mit heißer
Sodalauge und hernach mit starker Salpetersäure behandelt); man überzieht sie dann
in gewöhnlicher Weise mit dem Jodammonium enthaltenden Collodium und macht sie
hierauf empfindlich durch Eintauchen in das gewöhnliche Silberbad (dasselbe enthält
30 Gran salpetersaures Silber auf 1 Unze Wasser und muß mit Jodsilber vollkommen
gesättigt seynDieß ist leicht zu bewirken, indem man das ganze Gewicht des salpetersauren
Silbers im vierten Theil der vorgeschriebenen Wassermenge auflöst; man setzt
dann beiläufig 1 Gran Jodkalium, in ein wenig Wasser aufgelöst, zu, um eine
entsprechende Menge Jodsilber niederzuschlagen, mit welchem die Auflösung
beim Umrühren sich sättigt; hierauf setzt man erst das rückständige Wasser
zu. Nachdem man die Auflösung einige Zeit sich absetzen ließ, kann man sie
ohne Schwierigkeit filtriren. Es ist vortheilhaft, einem großen Silberbad
einige Tropfen Eisessig zuzusetzen, damit die Platte ihre volle Zeit darin belassen werden kann, ohne daß sich
die empfindliche Schicht auflöst). Nachdem die Platte drei oder vier Minuten im
Silberbad verblieb, nimmt man sie heraus und taucht sie eben so lange in ein
Waschbad von reinem destillirtem Wasser. Anstatt letzteres Bad anzuwenden, kann man
auch aus einer Spritzflasche einen Wasserstrahl auf die Platte leiten; der Zweck ist
nämlich, aus der empfindlichen Schicht den großen Ueberschuß von freiem
salpetersaurem Silber zu entfernen.
Die so vorbereitete Platte kann jetzt mit Glycerin behandelt werden. Zu diesem Zweck
macht man unmittelbar vor der Verwendung eine innige
Mischung von drei Raumtheilen Glycerin (welches beiläufig 1,23 spec. Gewicht hat)
und einem Raumtheil Silberlösung (1 Gran salpetersaures Silber auf 1 Unze Wasser
enthaltend); diese Mischung gießt man auf die Oberfläche der gewaschenen
Collodiumplatte, und zur bessern Einwirkung kann man sie zwei- bis dreimal
ab- und wieder aufgießen; nachdem die Platte fünf Minuten lang mit der
Mischung in Berührung war, läßt man sie gut abtropfen, und stellt sie nahezu
vertical auf Fließpapier, um im großen Glycerin-Ueberschuß von ihrer
Oberfläche wegzusaugen. Sie kann nun in der camera
exponirt werden, was man entweder sogleich oder nach spätestens vierundzwanzig Tagen
vornimmt. Hinsichtlich der Empfindlichkeit wird man diese Platten, wenn man sie
unmittelbar anwendet, den auf gewöhnliche Weise präparirten wenig nachstehend
finden; wir beobachteten jedoch eine geringe Abnahme der Empfindlichkeit im
Verhältniß der Zeit, welche man bis zur Exposition verstreichen ließ. Wenn man
empfindlich gemachte Platten längere Zeit im Vorrath halten will, so benutzt man zu ihrer
Aufbewahrung einen hölzernen Kasten, welcher an beiden Seiten, wo sich die Ruthen
zum Einschieben der Platten befinden, mit Gutta-percha gefuttert ist und am
Boden mit einem Kautschukblatt belegt wird, auf welchem die Gläser aufstehen. Dieser
Kasten muß mit einem Deckel versehen seyn, einerseits um von seinem Inhalt das Licht
vollständig abzuhalten, andererseits um schädliche Gasarten (z.B. Ammoniak und
Schwefelwasserstoff) auszuschließen.
Bevor man zum Entwickeln des latenten Bildes auf der Glycerinplatte schreitet,
braucht man sie nur zwei oder drei Minuten lang in das Silberbad (30 Gran
salpetersaures Silber auf 1 Unze Wasser) zu tauchen, worauf die Lösung von
Pyrogallussäure oder von Eisenvitriol wie gewöhnlich angewendet werden kann; der
übrige Theil des Verfahrens, das Fixiren etc., wird in bekannter Weise
durchgeführt.
Die negativen Bilder, welche wir nach der beschriebenen Methode erhielten,
entsprachen ganz denjenigen, welche das gewöhnliche Verfahren mit Collodium liefert;
sie standen letztern weder an Intensität noch an Abstufung des Tons nach.
Verfahren mit Anwendung zerfließlicher Salze. –
Nachdem wir ohne genügenden Erfolg versucht hatten, zum Empfindlichmachen der
jodhaltigen Collodiumschicht anstatt des gewöhnlichen Bades von salpetersaurem
Silber, Auflösungen von Fluorsilber und Kieselfluorsilber zu benutzen, kehrten wir
zu unserem früheren Princip zurück, nämlich zur Anwendung von salpetersaurem Silber
in Verbindung mit einem zerfließlichen Salz, von welchem letztern man eine solche
Menge zusetzt, daß es auf der Platte weder krystallisiren noch sich zu sehr
concentriren kann; wir suchten nur unsere schon veröffentlichten Verfahrungsarten zu
verbessern.
Eine längere Erfahrung mit der salpetersauren Magnesia hat gezeigt, daß es schwierig
ist dieses Salz im Großen ganz frei von salpetrigsaurer Magnesia darzustellen; die
Gegenwart dieser letztern ist aber sehr nachtheilig, weil sie in dem
Collodiumüberzug die Bildung von salpetrigsaurem Silber veranlaßt, welches sich
schon bei gewöhnlicher Temperatur leicht zersetzt. Um die salpetrigsaure
MagnesiaUm die salpetersaure Magnesia auf einen Gehalt an salpetriger Säure zu
prüfen, löst man sie in Wasser auf und setzt eine Mischung von verdünnter
Salzsäure und Jodkalium, nebst ein wenig Stärkekleister zu; wenn salpetrigsaure Magnesia vorhanden ist, entsteht
eine blaue Färbung oder ein blauer Niederschlag. in salpetersaure umzuwandeln und zugleich das im Handel vorkommende (stets
alkalische) Salz zu neutralisiren, lösen wir dasselbe in Wasser auf und versetzen es
nach und nach mit sehr
verdünnter Salpetersäure, bis die Flüssigkeit auf blaues Lackmuspapier sehr schwach
sauer reagirt; ein auffallender Ueberschuß von Säure muß durchaus vermieden werden,
weil er die Empfindlichkeit beeinträchtigt.
Wir wenden in der Regel folgende Verhältnisse an:
salpetersaure Magnesia
4 Unzen,
Salpetersäure
hinreichende Menge,
salpetersaures Silber
12 Gran,
Wasser
12 Unzen.
Das Silbersalz muß nach bewerkstelligter Neutralisation zugesetzt werden, und sollte
in Folge einer Verunreinigung des Magnesiasalzes ein Niederschlag von Chlorsilber
entstehen, so muß derselbe abfiltrirt werden. Bevor man die Lösung anwendet, sollte
man sich überzeugen, daß sie wirklich Silber enthält; dazu bringt man einige Tropfen
der klaren Flüssigkeit in ein Uhrglas und vermischt sie mit Kochsalzlösung, worauf
eine milchige Trübung entstehen muß.
Man könnte die Auflösung von salpetersaurer Magnesia auch durch doppelte Zersetzung
von schwefelsaurer Magnesia mit salpetersaurem Baryt darstellen, indem man beide im
Verhältniß ihrer chemischen Aequivalente vermischt und den unauflöslichen
schwefelsauren Baryt abfiltrirt. Der einzige Vortheil dieser Methode bestünde in der
Sicherheit eine neutrale Lösung zu erhalten, wenn die reinen krystallisirten Salze
angewandt wurden; man wird es jedoch unmöglich finden einen schwachen Ueberschuß des
einen oder andern dieser Salze zu vermeiden; in der zu unseren Versuchen benutzten
Lösung wurde eine kleine Menge schwefelsaurer Magnesia zurückgelassen, sie schien
aber keinen nachtheiligen Einfluß auszuüben. Es versteht sich, daß der so bereiteten
Lösung ebenfalls ein kleines Verhältniß von salpetersaurem Silber zugesetzt werden
muß.
Wir haben auch das Doppelsalz von salpetersaurer Magnesia und salpetersaurem Ammoniak
mit sehr guten Resultaten angewandt. Um es zu bereiten, nahmen wir zwei gleiche
Raumtheile von verdünnter Salpetersäure, sättigten den einen mit kohlensaurer
Magnesia, und den andern mit kohlensaurem Ammoniak, woraus wir sie vermischten; die
Lösung erforderte den Zusatz von einigen Tropfen sehr schwacher Salpetersäure, um
sie neutral zu machen, und eine kleine Menge von salpetersaurem Silber.
Salpetersaures Manganoxydul – entweder durch Auflösen von kohlensaurem
Manganoxydul in verdünnter Salpetersäure, oder durch doppelte Zersetzung von
krystallisirtem schwefelsaurem Manganoxydul und salpetersaurem Baryt bereitet
– gibt mit Zusatz eines kleinen Verhältnisses von salpetersaurem Silber eine zu
unserm Zweck sehr brauchbare Lösung. Die Flüssigkeit hat eine blasse rosenrothe
Farbe. – Wir haben auch das salpetersaure Kupferoxyd versucht, welches jedoch
keine günstigen Resultate verspricht, weil der sehr saure Charakter dieses Salzes
die Empfindlichkeit der Collodiumschicht bedeutend beeinträchtigt.
Endlich haben wir mit vortrefflichen Resultaten das salpetersaure Nickeloxydul
angewendet, welches jedoch bei seiner Bereitung einige Sorgfalt erheischt. Das von
uns hiezu mit Erfolg angewendete Verfahren besteht darin, das Metall in der möglich
geringsten Menge Salpetersäure aufzulösen und die Lösung mit höchst verdünntem
wässerigem Ammoniak in solcher Menge zu versehen, daß ein kleiner Theil des
Nickeloxyduls gefällt wird; nachdem letzteres abfiltrirt ist, wird die Flüssigkeit
eine alkalische Reaction haben; man versetzt sie nun mit Salpetersäure, bis sie
nahezu neutralisirt ist, und sättigt die letzten Spuren von freiem Alkali mit
Essigsäure, von welcher ein schwacher Ueberschuß nur vortheilhaft ist. Nun gibt man
salpetersaures Silber in solchem Verhältniß zu, daß es 2 Proc. des ursprünglich
angewandten Nickelmetalls beträgt. Bei dem beschriebenen Verfahren wird in der
Flüssigkeit eine gewisse Menge salpetersaures Ammoniak gebildet, welches sich jedoch
mit salpetersaurem Nickel zu einem Doppelsalz vereinigt, das wegen seiner
zerfließlichen Eigenschaften unserm Zweck ebenfalls entspricht. Da das salpetersaure
Nickeloxydul eine lebhafte grüne Farbe besitzt, so läßt es sich mit Vortheil in
Fällen anwenden, wo grünes Laubwerk neben Gegenständen welche mehr active
photographische Strahlen reflectiren, abgebildet werden soll.
Die meisten Photographen, besonders solche welche in chemischen Manipulationen nicht
geübt sind, dürften die Anwendung des Glycerins der Benutzung zerfließlicher Salze
vorziehen, wegen der größern Sicherheit seiner Resultate.
London, den 14. April 1856.