Titel: | Ueber die fabrikmäßige Darstellung der Cyanverbindungen; von Richard Brunnquell, früher technischem Dirigenten der Blutlaugensalz-Fabrik Hohenkamp bei Bremen. |
Autor: | Richard Brunnquell |
Fundstelle: | Band 140, Jahrgang 1856, Nr. CIII., S. 452 |
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CIII.
Ueber die fabrikmäßige Darstellung der
Cyanverbindungen; von Richard
Brunnquell, früher technischem Dirigenten der
Blutlaugensalz-Fabrik Hohenkamp bei Bremen.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
(Forsetzung von S. 389 des vorhergehenden
Heftes.)
Brunnquell, über die fabrikmäßige Darstellung der
Cyanverbindungen.
C. Auf welchem Wege ist die größte
Ausbeute an Blutlaugensalz zu erzielen?
I. Das jetzige Verfahren in seiner
vollkommensten Ausführung und seine etwaigen Verbesserungen.
Schon aus den bei der Beantwortung der ersten Frage gegebenen Betrachtungen geht
hervor: daß das jetzt allgemein angewendete Verfahren, selbst abgesehen von
praktischen Schwierigkeiten, auch principiell keiner irgend beträchtlichen
Verbesserung fähig ist. Es steht unumstößlich fest, daß die allgemein
gebräuchliche, auf Zusammenschmelzen thierischer Stoffe mit kohlensauren
Alkalien begründete Darstellung des Blutlaugensalzes, man möge nun die Stoffe
verkohlt oder unverkohlt anwenden, dieselben vorher mit der Potasche mischen
oder erst in die geschmolzene eintragen, in offenen oder geschlossenen Gefäßen
schmelzen, doch stets mit dem Verluste des größten Theils des Stickstoffs
verbunden ist. Ebenso habe ich bereits bewiesen, daß der beträchtliche Verlust
an Potasche eine nothwendige Folge des stets anzuwendenden Ueberschusses und des
Zusammenschmelzens mit so unreinen Substanzen ist. Gegenüber diesen unheilbaren
Uebelständen der Fabricationsweise bleibt dem Fabrikanten, so lange er keine
vollkommnere an deren Stelle zu setzen vermag, nichts übrig, als dahin zu
streben, die daraus entspringenden Verluste durch die gewissenhafteste
Beobachtung aller kleinen Vortheile möglichst gering zu machen.
Zwei Wege sind es hauptsächlich, auf denen er dieses Ziel erreichen kann, er muß
nämlich: 1) soviel als möglich die zweite Bildungsweise des Cyans (aus Ammoniak
und glühender Kohle) einzuleiten und 2) den Verlust an Potasche durch Anwendung
reiner thierischer Substanzen und Beseitigung der Flugasche zu vermeiden
suchen.
Ich werde nun für den Fall, daß doch der Einführung meines unter III. zu
beschreibenden neuen Verfahrens nicht zu beseitigende praktische Schwierigkeiten
in dem Wege ständen, versuchen, in dem Folgenden das nach meinen Erfahrungen
beste Verfahren beim Schmelzen, also bei der eigentlichen Cyanbildung, mit
Weglassung alles Bekannten und Unwesentlichen zu beschreiben.
Was die Einrichtung des Ofens betrifft, so hat man bekanntlich jetzt ganz
allgemein horizontale FlammöfenDieselben haben, neben manchen Nachtheilen, drei sehr gewichtige
Vortheile: 1) bedeutendes Ersparniß an Brennmaterial; 2) raschere und
leichtere Arbeit (wo man sonst 4 Schmelzen täglich machte, macht man mit
offenen Schalen 7 bis 8 mit der doppelten Masse); 3) längere Dauer und
geringere Kosten derselben. In England, bei billigerem Brennmateriale
und Eisenpreisen, dagegen theureren Arbeitslöhnen, wendet man noch jetzt
verschlossene Schmelzgefäße von der Form eines Eies mit abgeschnittener
Spitze an, welche die Ersetzung des Schmelzers durch einen mechanischen
Rührer gestatten. Man kann dann nur verkohlte Substanzen anwenden, und
muß die Kohle gleich mit der Potasche mischen, was am besten in
Rollfässern geschieht. eingeführt, auf deren Sohle eine ovale gußeiserne Schale von 4 bis 5
Zoll Tiefe, 5 Fuß Länge, 4 Fuß Breite und 4 Zoll Eisenstärke eingesenkt ist. Bei
der Construction desselben hat man darauf zu achten, daß der innere Ofenraum
(Arbeitsraum) nicht größer als zur bequemen Handthierung nöthig und das Gewölbe
möglichst flach sey. Die Füchse würde ich außerdem mit Schiebern versehen, so
daß die Flamme gezwungen werden kann zum Arbeitsloche heraus zu schlagen, über
welches dann (ähnlich wie bei den Glasöfen) ein Fang, der in einen kleinen
Schornstein mündet, angebracht wird. Hat letzterer genügenden Zug, so werden die
Arbeiter durch die ausströmenden Gase nicht belästigt, im Gegentheile weniger
von der Hitze zu leiden haben. Das Hauptaugenmerk ist auf die Feuerung selbst zu
richten, und zwar mache ich auf die ganz besonderen Vortheile der Gasfeuerung
für diesen Zweck aufmerksam. Durch einen zweckmäßig eingerichteten Gasofen,
dessen nähere Beschreibung hier überflüssig ist, da dieselben jetzt schon in
vielen hüttenmännischen Etablissements eingeführt sind, würde, außer den
allgemeinen Vortheilen dieser Feuerung, einmal die oxydirende Einwirkung der
Flamme ganz vermieden, ja sogar nach Umständen in eine reducirende umgewandelt
werden können, und sodann die Flugasche ganz wegfallen (?). Wie bedeutend die
Menge der letzteren (wenigstens bei einem gut ziehenden Flammofen, wie er doch
erforderlich) ist, hat gewiß schon jeder Fabrikant beim Anfeuern einer neuen
Schale bemerkt; nach 24 Stunden hat sich so viel Asche gesammelt, daß sie mit
der Krücke entfernt werden kann. Die absolute Schädlichkeit derselben,
wenigstens bei Torf und Steinkohlen, ist anerkannt.
Für den Betrieb eines solchen Ofens nun schlage ich ein combinirtes Verfahren
vor, wie solches schon zum Theil in einigen Fabriken angewendet wird, und zwar in folgender
Art. Die Beschickung bestehe aus: 200 Pfd. Potasche, resp. einem Gemische von
2/3 Mutterlaugensalz mit 1/3 frischer Potasche; 40 Pfd. thierischer Kohle,
erhalten aus der Verkohlung der stickstoffärmsten Rohstoffe, die also beim
Schmelzen ohnedieß wenig Ammoniak geben würden, so wie derjenigen Rohstoffe, die
sich wegen ihrer physischen Beschaffenheit nicht zur directen Verarbeitung
eignen; 130 bis 140 Pfd. möglichst scharf getrockneten und reinen Rohmaterialien
und endlich 16 Pfd. Eisen. Die Potasche wird bei vollem FeuerWürde der Ofen mit Hülfe eines Gasgenerators geheizt, so hätte man
natürlich nur nöthig, den Gashahn etwas zu schließen und vorzüglich die
zuströmende Verbrennungsluft so weit zu beschränken, daß die Flamme den
Charakter einer reducirenden annehme. in vollständigen Fluß gebracht, was man durch zwei- bis
dreimaliges Durcharbeiten erleichtert, dann Aschenfall und Füchse geschlossen,
das Feuer nochmals gut geschürt und nun unter fleißigem Rühren die Hälfte der
Kohle eingetragen, bis die Schmelze die rechte Consistenz hat und die Reduction
des Kaliums eingeleitet ist, was man an den in allen Theilen der Schmelze
hervorbrechenden hellblauen Flämmchen von Kohlenoxydgas, und an einem
eigenthümlichen weißen Nebel (verbrannte Kaliumdämpfe) bemerkt. In diesem
Zustande ist nun die Schmelze am geeignetsten, das sich in derselben
entwickelnde Ammoniak in Cyan umzuwandeln, so weit es eben in so dünnen
Schichten und bei so rascher Gasentwickelung möglich ist. Man beginne nun mit
dem Eintragen der Rohmaterialien und zwar zunächst der stickstoffreichsten,
wobei man nicht zu große Stücke (z.B. bei Horn und Hufen) oder zu große Massen
auf einmal nehme, wodurch natürlich die rasche Unterbringung und gleiche
Vertheilung sehr erschwert wird, die Gasentwickelung zu heftig auf einem Punkte
stattfindet und so mit das Ammoniak keine Gelegenheit zu der gewünschten
Umwandlung findet. Nach Verbrauch von etwa 130 Pfd. Rohstoffen beginnt die Masse
krümlich und bröcklig zu werden, so daß ein gehöriges Unterbringen derselben
unmöglich wird; man beeile sich nun den Rest der Thierkohle einzuschmelzen,
welche sich einmal durch ihre feine Zertheilung besser für diese Periode eignet
und durch das zugleich dennoch gebildete cyansaure Kali reducirt wird. Endlich
rühre man nochmals gut durch, schließe für einige Augenblicke die
Eintragsöffnung, um die Einwirkung der Kohle abzuwarten, und bringe dann
möglichst rasch die Masse mit einer besonderen, breiteren Krücke in eiserne
Kessel, die sogleich zugedeckt werden.
Was die angegebenen Verhältnisse betrifft, so halte ich es nicht für zweckmäßig,
weder viel kleinere, noch viel größere Massen auf einmal in Arbeit zu nehmen; übrigens
bin ich weit entfernt, diese Zahlen als die einzig richtigen hinstellen zu
wollen, und der Fabrikant wird dabei nach den Verhältnissen verschiedene
Abänderungen ohne Nachtheil anbringen können. Ich habe viele Versuche
angestellt, um das absolut beste Verhältniß, mit Berücksichtigung des
Stickstoffgehaltes der Rohmaterialien zu ergründen, habe mich aber überzeugt,
daß das Resultat zu sehr von andern oft unerklärlichen Ursachen abhängt, als daß
die Einwirkung derartiger Abänderungen mit Bestimmtheit zu ergründen wäre.
Ueberhaupt möchte ich dem Fabrikanten, der einen umsichtigen und zuverlässigen
Schmelzer hat, rathen, demselben etwas freie Hand zu lassen; solche Leute
erkennen den Punkt, wo die Schmelze die rechte Reife hat und das Eintragen
aufhören muß, gewiß sicherer als irgend ein Chemiker; auch wissen dieselben bei
Anwendung verschiedenartiger Rohmaterialien dieselben nach ihren verschiedenen
Eigenschaften beim Schmelzen zweckmäßig zu vertheilen. Es machen z.B. Haare und
Leder die Schmelzung sehr leicht trocken und krümlich, während Flechsen, weniger
Lumpen, einen dünnen Fluß und leichte Arbeit befördern. Obwohl es eigentlich
selbstverständlich ist, möchte ich doch nochmals dringend darauf hinweisen, daß
der Werth der Rohmaterialien nicht in directem Verhältnisse von ihrem
Stickstoffgehalte abhängt, sondern daß ein Material von doppeltem
Stickstoffgehalte weit über noch einmal so viel werth ist, da es natürlich sehr
wichtig ist mit demselben Verluste an Potasche, demselben Arbeits- und
Brennmaterial-Aufwande, also mit einer Operation möglichst viel
Blutlaugensalz zu erzeugen.Unter dem Titel: „Neues und vortheilhaftes Verfahren zur
Bereitung des blausauren Eisen-Kalis“ ist ein
Werkchen von Chr. Fr. Salzer, badenschen
Staatschemiker, erschienen, dessen Geheimniß eben die Anwendung
gereinigter Rohmaterialien ist. Ob aber die von Salzer vorgeschlagenen Reinigungsmethoden der thierischen
Stoffe den Beifall der Praktiker finden, möchte ich dahingestellt seyn
lassen. Die Anwendung von sogenannten Schlappen (altem Schuhwerke) möchte ich
nur auf die größte Nothwendigkeit beschränkt wissen; ich habe selbst solches
sorgfältigst waschen lassen und mich überzeugt, welche Massen Sand und
dergleichen trotzdem in den Absätzen zwischen den zerrissenen Sohlen etc. sitzen
bleiben. Eine Hauptsache ist jedenfalls ein sehr regelmäßiges und fleißiges,
aber nicht stürmisches Durchkrücken.
Was nun schließlich den Zuschlag von Eisen betrifft, so hat man hierüber schon
sehr viel unnütze Worte verloren; oft wird ein gewisser Werth darauf gelegt
dasselbe zu bestimmten Zeiten anzuwenden, andere haben wieder behauptet, es
wirke nachtheilig u.s.w. Jedenfalls steht fest, daß keine Mehrausbeute durch
Eisenzuschlag, dagegen allerdings eine Schonung der Schmelzkessel dadurch
erzielt wird. Nach Fleck's
Versuchen hielt ein
Schmelzkessel ohne Eisen nur 100, bei Eisenzuschlag 343, ein anderer sogar 405
Schmelzungen aus. Daß dasselbe keine so wesentliche Rolle spielt, hat wohl
seinen Grund darin, daß das Eisen der Schmelzgeräthe fortwährend der Einwirkung
der schmelzenden Masse unterliegt, mithin immer mit einer Schicht Schwefeleisen
bedeckt ist, und dieselbe stets wieder von neuem erzeugt, während das frisch
zugesetzte Eisen kaum Zeit hat sich in Schwefeleisen umzuwandeln, worauf es
schon wieder aus dem Ofen entfernt wird. Jedenfalls wende man, schon wegen des
Schwefelcyankaliums, die angegebene Menge Eisen an, und setze dasselbe gleich zu
Anfang mit der thierischen Kohle zu. Wenn man es erst, wie viele thun, am Ende
der Schmelzung eintragt, so kann wenigstens keinesfalls eine Schonung der Gefäße
damit erzielt werden. So viel ich erfahren habe, hält man es in einer bekannten
preußischen Fabrik für sehr wesentlich die Eisenabfälle vorher rosten zu lassen.
Versuche habe ich hierüber nicht angestellt, nur schien es mir dann einfacher,
direct Hammerschlag oder einen reinen Spatheisenstein anzuwenden.
Ueber die weitere, zweckmäßigste Behandlung der Schmelzen sey noch folgendes
gesagt: Wenn dieselben erkaltet sind, so werden sie zerschlagen und in Wasser
von etwa 50 bis 60° Cels. 24 Stunden lang unter fleißigem Umrühren
digerirt, dann, am besten durch Einleiten von Dampf, zum Kochen gebracht;
hierauf läßt man absetzen, hebt die Lauge ab und wäscht den Rückstand weiter mit
Wasser aus.
Die weitere Behandlung hat gar keine Schwierigkeiten; alles hängt nur von der
Leitung des Schmelzprocesses ab, wie überhaupt diese Fabrication die
Eigenthümlichkeit hat, daß die Qualität gar keine, dagegen die Quantität sehr
bedeutende Schwierigkeiten macht. Das einzige Schwierige in Bezug auf die
Qualität ist die vollständige Entfernung des schwefelsauren Kalis aus dem
Rohsalze; das beste Mittel dagegen aber wiederum vollständige Reduction
desselben, also zweckmäßige Leitung des Schmelzprocesses.
II. Die bisher versuchten, oder nur
vorgeschlagenen, neuen Verfahren zur Darstellung des
Blutlaugensalzes.
Ich kann hierbei füglich alle Mittheilungen, die nur auf Verbesserung des ersten
ursprünglichen Verfahrens bis zu seiner jetzigen Ausbildung Bezug haben,
übergehen, zumal es sich hierbei nur um unbedeutende Abänderungen in der
praktischen Ausführung handelt, und werde mich überhaupt nur bei denjenigen
Methoden etwas länger aufhalten, die mir Anknüpfungspunkte für weitere
Forschungen zu geben scheinen.
Das erste Princip, auf welches von verschiedenen Seiten ein Verfahren zur
Darstellung des Blutlaugensalzes begründet wurde, beruht auf der Verwerthung des
bei der Verkohlung entweichenden Ammoniaks, indem man dasselbe mit schmelzender
Potasche und Kohle in Berührung bringt, also auf der bereits besprochenen
zweiten Bildungsweise des Cyans. Die ersten Versuche wurden von Desfosses (siehe polytechn. Journal Bd. XXVIII S. 473) veröffentlicht, der
aber zugleich die ganz richtige Bemerkung macht, daß das Verfahren im Großen
unausführbar sey, indem das Gemenge von Kohle und Potasche bei der zur
Cyanbildung nöthigen Temperatur immer eine angehende Schmelzung, vorzüglich auf
der Oberfläche erleide, und dann das Innere nicht mehr genügend von dem Ammoniak
durchdrungen werbe. Gleichwohl, und wie es scheint unbekannt mit der erwähnten
früheren Mittheilung, beschreibt Berry (polytechn.
Journal Bd. LXXXIV S. 361) ein auf
dasselbe Princip begründetes Verfahren, wobei er sich verticaler gußeiserner
Röhren bedient. Abgesehen von der eigenthümlichen Beschickung derselben (20
Potasche, 10 Salpeter, 20 Eisen, 45 bis 50 Kohle), dem durchaus zu verwerfenden
Salpeter und einem ganz unnütz hohen Eisenzusatze, dürfte das Verfahren dadurch
schon ganz unausführbar seyn, daß sich die Zu- und Ableitungsröhren des
Gases jedenfalls verstopfen würden. Bei Anwendung horizontaler Röhren würde sich
dagegen durch das Zusammensintern der Masse über derselben eine Gasse bilden,
durch welche die Gase frei streichen würden. Eine andere Mittheilung (ein in
England patentirtes Verfahren) finden wir im polytechn. Journal Bd. CII S. 157. Der Patentträger erwähnt
die Mängel der beiden genannten Anordnungsweisen und sucht dieselben dadurch zu
beseitigen, daß er drei Kessel nach Art Woolf'scher
Flaschen verbindet, in denselben ein Gemenge von 100 Potasche mit 30 Kohle
flüssig macht und die Gase durch dasselbe streichen läßt. Ich halte diese
Anordnung für die unausführbarste; es dürfte nämlich: 1) sehr schwierig seyn,
die Masse immer auf dem erforderlichen Grad von Dünnflüssigkeit zu erhalten; 2)
sehr leicht ein Verstopfen der Röhrenleitungen eintreten, die durch die
durchströmenden Gase immer abgekühlt werden, und endlich 3) bei dem sehr großen
Drucke, dem die Gase hierbei ausgesetzt werden, und bei der sehr hohen
Temperatur, die vielen Röhrenverbindungen, vorzüglich die großen Oeffnungen zum
Entleeren und Beschicken, nicht gasdicht zu erhalten. Endlich hat noch G. Jacquemyns vorgeschlagen, die Gase von der
Knochenverkohlung einer ähnlichen Verarbeitung zu unterwerfen (polytechn.
Journal Bd. LXXXVIII S. 313). Jedenfalls
ist es eine Thatsache, daß bis jetzt kein auf dieses Princip begründetes
Verfahren zur fabrikmäßigen Ausführung gekommen ist.
Es sind außerdem wohl fast in jedem LaboratoriumVersuche, die hierüber im Laboratorium der polytechnischen Schule in
Dresden angestellt wurden, ergaben, wie mir mitgetheilt wurde, aus Horn
im Durchschnitt ein halbes Procent Blutlaugensalz. Versuche über diese Bildungsweise des Cyans gemacht worden, welche es,
ganz abgesehen von den erwähnten Schwierigkeiten, sehr zweifelhaft gemacht
haben, ob überhaupt die Bildung des Cyankaliums in genügendem Maaße auf diesem
Wege erreicht werden könne. Es möchte hierbei noch in Betracht zu ziehen seyn,
daß sich Cyanammonium in Berührung mit glühendem Eisen in seine
Elementarbestandtheile zersetzt (vergl. Weiteres unter III.). Ich meinerseits
habe mich bemüht, die praktischen Hindernisse auf eine einfache Weise zu
umgehen, zu welchem Zwecke ich schließlich folgenden Versuch im Kleinen
anstellte.
Ein großer, möglichst hoher Schmelztiegel wurde zur unteren Hälfte mit einem
Gemenge von gleichen Theilen getrocknetem Blut und Potasche, zur oberen mit
einem solchen von Potasche und 40 Proc. Lederkohle angefüllt, und sodann in
einem gewöhnlichen runden Tiegelofen bis zur halben Höhe mit losen Steinbrocken
umgeben, die obere aber durch glühende Kohlen bis zum Schmelzen erhitzt. Sodann
wurde derselbe rasch in eine daneben befindliche Feuerung gesetzt, zur einen
Hälfte mit tobten, zur andern mit glühenden Kohlen umgeben, so daß die obere
Hälfte gar nicht aus dem Schmelzen kommen konnte und nun die Erhitzung (resp.
Verkohlung und Schmelzung) allmählich nach unten fortschritt, bis endlich die
ganze Masse in Fluß gebracht war. Die Gase waren so gezwungen ihren Weg durch
die schmelzende Masse zu nehmen. Obwohl das Resultat dieses einen Versuches
nicht maßgebend seyn kann, ist es doch immerhin interessant genug. Es gab
nämlich die obere nur unvollkommen geschmolzene Schicht 4,6 Proc.
Blutlaugensalz; dagegen befand sich im unteren Theil des Tiegels (etwa 1/5 des
ganzen Inhalts) eine vollständig geflossene, fast nur aus Cyankalium und
Potasche bestehende Masse, die nicht weniger als 28,6 Proc. Ferrocyankalium gab.
Das Cyankalium scheint also gleichsam ausgesaigert zu seyn.
Die Anwendung dieses Princips im Großen würde keine Schwierigkeiten haben und
ungefähr folgendermaßen auszuführen seyn. Ein gußeisernes, aus zwei Theilen
bestehendes Gefäß, Fig. 12, würde in
einem in zwei Etagen getheilten Flammofen so eingemauert, daß die beide Theile
verbindenden Flantschen in der horizontalen Scheidewand des Ofens säßen. Es
würde nun der untere Theil desselben mit dem Gemenge aus gleichen Theilen
möglichst stickstoffreicher thierischer Rohmaterialien und Potasche, der obere mit einem solchen
aus Potasche mit 40 bis 60 Proc. thierischer Kohle, erhalten durch Verkohlung
der stickstoffärmsten Rohmaterialien, beschickt, darauf die Flamme zunächst in
den oberen Theil des Ofens, nach einiger Zeit von da auch in den unteren Theil,
und endlich erst in den unteren, dann in den oberen Theil des Ofens geleitet,
was durch geschickt vertheilte Schieber, jedenfalls aber durch eine Gasfeuerung
leicht zu erreichen wäre. Die Vortheile dieser Anordnung liegen auf der Hand; es
würden nämlich: 1) alle complicirten Röhrenverbindungen wegfallen, da die
Erzeugung und Verwendung des Gases in demselben Gefäß geschieht; 2) die Gase
absolut gezwungen seyn ihren Weg mitten durch die schmelzende Masse zu nehmen;
3) mit einer Operation sowohl die gasförmigen Producte als die rückständige
Kohle verwerthet werden, während bei einer getrennten Verkohlung die verkohlten
Stoffe in einer besondern Arbeit nach dem alten Verfahren verarbeitet werden
müßten; 4) würden auch die geringsten Rohmaterialien mit Vortheil verarbeitet
werden können.
Daß man im obern Theil auch bloß Holzkohle anwenden könnte, ist
selbstverständlich. Das Füllen geschieht durch eine Oeffnung in der Decke mit
Hülfe eines Sturzes von Eisenblech; das Entleeren mittelst eines geeigneten
Schöpfers oder durch ein Abstichloch am Boden. Die Gase würde man am einfachsten
frei in den Ofen ausströmen und daselbst verbrennen lassen. Jedenfalls dürfte es
zweckmäßig seyn, einen oder vielmehr zwei Rührapparate anzuwenden, von denen der
obere mit einer hohlen Achse zu versehen wäre, durch welche die des unteren
durchginge, um so nach Belieben die Rührer einzeln in Bewegung setzen zu
können.
Da ich inzwischen auf mein unter III. zu beschreibendes, in jeder Beziehung viel
versprechendes Verfahren kam, wurde ich verhindert die Versuche hierüber weiter
fortzusetzen, und ich gebe mich der Hoffnung hin hierdurch eine Fortsetzung
derselben von Seiten anderer zu veranlassen. Das Verfahren ist sehr einfach und
einer weiteren Prüfung wohl werth. – Ein sehr einfacher Apparat hierzu
bestände aus Folgendem: 1) einem gußeisernen Cylinder (unten geschlossen, oben
offen) von etwa 1 1/2 Fuß Länge und 5 Zoll Durchmesser; 2) einem gewöhnlichen
Tiegelofen von 11 bis 12 Zoll Durchmesser mit einem ringförmigen Rost, durch den
sich der Cylinder auf und nieder bewegen ließe. Die Anwendung ist
selbstverständlich. Dieses Princip könnte wohl auch im Großen angewendet werden,
indem man die allmähliche Hebung durch einen Krahn bewirkte; die Einrichtung des
Ofens würde dadurch bedeutend vereinfacht. Ich füge die Skizze eines derartigen
Ofens bei, der mir wesentliche Vortheile vor der ersten Idee zu haben scheint.
Derselbe ist in Fig. 13 dargestellt. A das gußeiserne
Schmelzgefäß, B der runde Schachtofen, a, a Füchse von der dahinter liegenden Feuerung, b, b Füchse, die nach der Esse führen; D Gewölbe unterhalb des Ofens, c, c, c Ketten, an denen das Schmelzgefäß hängt; sie
würden zweckmäßig durch eine Hebevorrichtung bei D
ersetzt werden. Ein Rührer ließe sich leicht anbringen.
Es sind ferner eine größere Anzahl Mittheilungen veröffentlicht worden, welche
darauf hinausgehen, den Gehalt des Leuchtgases und der Gase der Kohksöfen an
Cyanammonium zur Blutlaugensalzgewinnung zu benutzen, so im polytechn. Journal
Bd. CXXV S. 109; Bd. LXVII S. 206; Bd. LXXXVIII S. 313. Daß in den genannten
Gasen, resp. den daraus condensirten Flüssigkeiten, Cyanammonium enthalten ist,
ist eine ausgemachte Thatsache, ebenso aber auch, daß es nur in äußerst geringen
Mengen darin vorhanden. Es ist um so weniger daran zu zweifeln, daß man längst
davon Gebrauch gemacht haben würde, wenn ein Gewinn dabei zu erzielen wäre, da
das Ammoniak (und Cyanammonium) haltende Theerwasser der Gasanstalten ohnedieß
Gegenstand der Verarbeitung in unseren vorzüglichsten chemischen Fabriken ist.
Eine Verbesserung dieses Verfahrens ist der Natur der Sache nach nicht möglich,
daher genüge diese kurze Andeutung.
Was nun endlich die schon mehrfach erwähnte Gewinnung des
Blutlaugensalzes aus dem Stickstoff der atmosphärischen Luft betrifft,
so ist dieselbe so vielfach zum Gegenstand besonderer sehr ausführlicher
Arbeiten gemacht worden, daß es mich zu weit führen würde näher auf dieselben
einzugehen, zumal nach den vorzüglich darüber in Frankreich mit großen Kosten
angestellten Versuchen dieses Verfahren, laut den betreffenden Berichten an die
Akademie der Wissenschaften in Paris, als aufgegeben anzusehen ist. Bemerken
möchte ich nur noch, wie falsch es vom Standpunkt des Fabrikanten ist, zu sagen:
„der Stickstoff der Luft kostet nichts.“ So wie ihn der
Fabrikant brauchen kann, d.h. frei von Sauerstoff und Kohlensäure und auf einen
sehr hohen Hitzegrad gebracht, kostet er allerdings etwas, nämlich
Brennmaterial, Arbeit und kostspielige Apparate, und berechnen wir ein Pfd.
Stickstoff mit 4 1/6 Sgr. (wenn 12 Pfd. = 1 Ctnr. Rohmaterialien
durchschnittlich 50 Sgr. kosten), so ist es sehr fraglich, ob der Fabrikant die
entsprechende Menge Luft wohlfeiler in den erforderlichen Zustand versetzen
kann. Etwas anderes wäre es freilich, wenn es bei diesem Verfahren gelänge,
nahezu allen in Arbeit genommenen Stickstoff in Cyan
überzuführen. Die bisherigen Versuche haben aber insgesammt das Gegentheil
ergeben. Ich erinnere nur daran, daß das erhaltene Cyan oft nicht mehr betrug,
als auch der äußerst geringe Gehalt der Holzkohlen an Stickstoff hätte geben
können!
(Der Schluß folgt im ersten Heft des nächsten
Bandes.)