Titel: | Ueber den blauen und grünen Ultramarin; von J. G. Gentele. |
Autor: | Johan G. Gentele [GND] |
Fundstelle: | Band 141, Jahrgang 1856, Nr. XXIX., S. 116 |
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XXIX.
Ueber den blauen und grünen Ultramarin; von
J. G. Gentele.
Gentele, über den blauen und grünen Ultramarin.
Ich habe in diesem Journal Bd. CXL. S. 223
Einiges über das Verhalten des blauen und grünen
Ultramarins mitgetheilt. Hier werde ich zuvörderst die Resultate meiner
Analysen dieser Ultramarine zusammenstellen, dann auf die Folgerungen übergehen,
welche ich aus diesen Resultaten über deren Konstitution ziehen zu dürfen
glaube.
I.
Mein Verfahren bei den Analysen war folgendes:
1) Eine Portion der Ultramarinsorte wurde unter eine Glocke mit concentrirter
Schwefelsaure gestellt, und nach 24 Stunden zur Untersuchung abgewogen. Keine Sorte
außer den grünen Ultramarinen, zeigte sich jedoch nachher frei von allem Wasser;
dasselbe konnte nur durch längere Erhitzung über 100° C. ausgetrieben werden,
und wurde bestimmt durch den Gewichtsverlust bei dieser Erhitzung.
2) Von dem über Schwefelsäure getrockneten Ultramarin wurde eine Quantität abgewogen
und mit Salzsäure Übergossen, wobei sich Schwefelwasserstoffgas entwickelte.
Die Flüssigkeit wurde bei gelinder Wärme eingetrocknet,
um die Kieselerdegallerte, welche den ausgeschiedenen Schwefel einhüllt und ihn auch
gegen Oxydation schützt, in unlösliche Kieselerde
überzuführen. Die trockene Masse wurde in Wasser, welches mit wenig Salzsäure
angesäuert war, aufgenommen und die Kieselerde abfiltrirt. Das Filtrat enthielt die
im Ultramarin als solche vorhandene Schwefelsäure, den Kalk,
das Natron und die Alaunerde
nebst dem Eisenoxyd als Chlorverbindungen. Auf dem Filter blieb der
gefällte Schwefel und die Kieselerde, aber auch etwas Alaunerde und Eisenoxyd.
Das Filtrat wurde mit Chlorbaryum gefällt, und aus dem erhaltenen schwefelsauren
Baryt die vorhandene Schwefelsäure berechnet.
Die vom überschüssigen Chlorbaryum durch Schwefelsäure befreite Flüssigkeit wurde
nach dem Filtriren mit überschüssigem Ammoniak versetzt, welches die Alaunerde und das Eisenoxyd
nebst etwas Kalk (wegen Kohlensäuregehalts) fällte. Die vom Niederschlag abfiltrirte
Flüssigkeit, welche schwefelsaures Natron und schwefelsauren Kalk enthält, wurde zur
Trockne eingedampft, der Rückstand geglüht bis kein Gewichtsverlust mehr entstand,
und gewogen. Er wurde wieder in Wasser aufgenommen, die Flüssigkeit mit Ammoniak und
Oxalsäure versetzt, der oralsaure Kalk abfiltrirt, geglüht, mit Schwefelsäure in
schwefelsauren Kalk verwandelt, und gewogen. Das Gewicht des letztern, vom Gewicht
des vorhergehenden Rückstandes abgezogen, ergab das Gewicht des schwefelsauren Natrons. Aus diesem wurde das Natron und aus dem erhaltenen schwefelsauren Kalk ein Theil des vorhandenen Kalks berechnet.
Die Eisenoxyd enthaltende Alaunerde wurde mit der später erhaltenen vereinigt und
bestimmt. – Die früher abgeschiedene Kieselerde, welche Schwefel, Eisenoxyd
und Alaunerde enthielt, wurde mit concentrirter Aetzlauge Übergossen, mit
Salpeter, und in einigen Fällen mit chlorsaurem Kali im Ueberschuß gemischt,
vorsichtig im Tiegel zur Trockne eingedunstet, dann glühend geschmolzen. Die
erhaltene Masse wurde in verdünnter Salzsäure gelöst, und so eine reine Lösung aller
Kieselerde und Thonerde erhalten, in welcher der früher beigemengte präcipitirte
Schwefel als Schwefelsäure vorhanden war. Diese Lösung wurde wieder zur Trockne
abgedampft, um die Kieselsäure unlöslich zu machen, dann in mit Salzsäure
angesäuertem Wasser aufgenommen und von der Kieselerde abfiltrirt, welche nun
geglüht und gewogen wurde. Aus der abfiltrirten Flüssigkeit wurde die gebildete
Schwefelsäure durch Chlorbaryum gefällt, als schwefelsaurer Baryt gewogen, und aus
diesem der Schwefel S
berechnet. Die vom überschüssigen Chlorbaryum durch Schwefelsäure befreite
Flüssigkeit wurde mit Ammoniak gefällt, und der aus Alaunerde und Eisenoxyd
bestehende Niederschlag mit dem früher erhaltenen vereinigt. Die Quantität dieses Theils betrug in den meisten Fällen ungefähr 1,5
Proc. des ganzen Ultramarins; er war stets gelblich gefärbt, also viel eisenhaltiger
als der Haupttheil von Alaunerde. Es wurden dann
Alaunerde und Eisenoxyd durch Kali getrennt; das Eisenoxyd enthielt stets etwas kohlensauren
Kalk, welcher durch Wiederauflösen des Eisenoxyds in Salzsäure, Fällen
desselben mit Ammoniak etc. getrennt wurde. Das Eisenoxyd wurde geglüht und gewogen.
Der abgeschiedene oralsaure Kalk wurde geglüht, in schwefelsauren Kalk verwandelt,
dieser wieder geglüht, gewogen und zu dem früher erhaltenen addirt.
3) Eine Probe des Ultramarins wurde mit Kali und Salpeter geglüht, in Salzsäure
gelöst, dann die gebildete und die ursprünglich vorhandene Schwefelsäure als
schwefelsaurer Baryt gefällt und berechnet. Von der berechneten Schwefelsäure wurde
diejenige abgezogen, welche sub 2 im Ultramarin als
ursprünglich vorhandene gefunden worden war. Der Rest der Schwefelsäure diente zur
Berechnung des ganzen Schwefelgehaltes des Ultramarins. Wird von demselben der sub 2 gefundene gefällte Schwefel S abgezogen, so ergibt
die Differenz denjenigen Schwefel, welcher als Schwefelwasserstoff HS bei Behandlung
mit Säuren entweicht; S + HS repräsentirt den ganzen Schwefelgehalt des
Ultramarins.
4) Ergab sich bei zwei Versuchen eine erhebliche Differenz hinsichtlich eines
Bestandtheils, so wurde noch eine dritte und vierte Probe auf den betreffenden
Bestandtheil analysirt, und zwar auf demselben Wege.
Bemerkungen. Bezüglich des Schwefels könnte man den
Einwand machen, daß bei der Bestimmung des gefällten
Schwefels auf angegebene Weise sich Schwefel oxydire, der Gehalt desselben also zu
gering und derjenige der ursprünglich vorhandenen Schwefelsäure zu groß ausfalle.
Ich habe mich jedoch überzeugt, daß dieses nicht der Fall ist, weil die Kieselerde
den gefällten Schwefel genug einhüllt um ihn gegen Oxydation zu schützen. Aus dem
entwickelten Schwefelwasserstoffgas den Schwefel HS durch Einleiten in arsenigsaures
Kali zu bestimmen, gelang mir nicht in befriedigender Weise, weil die Kieselgallerte
erst kurz vor dem Trockenwerden allen Schwefelwasserstoff entweichen läßt.
Obgleich die Alaunerde und das Eisenoxyd, welche bei der Behandlung des Ultramarins
mit Salzsäure mit der Kieselerde zurückbleiben, sich in einem andern Zustande
befinden müssen, als derjenige Theil welcher sich löst, so wurde jener Theil doch
nicht besonders bestimmt, weil er nie über 1 1/2 Proc. des Ultramarins beträgt. Breunlin hat diese Alaunerde unverändertem Thon
zugerechnet; meiner Ansicht nach ist dieß aber kaum möglich; sie könnte ebensogut
von Glimmer herrühren, welcher sich beim Mahlen des fertigen Ultramarins von den
Mahlsteinen losmacht, und was das Eisen betrifft, so wäre es auch möglich, daß es
als Zweifach-Schwefeleisen ungelöst bleibt, so daß
ein Theil des Eisens als Oxyd, der andere als Schwefeleisen vorhanden wäre. Der
ganze Eisengehalt ist
jedoch meistens so unbedeutend, daß er bei verschiedenartiger Berechnung der
Bestandtheile das Resultat wenig verändert.
Da die Kieselerde, die Alaunerde und das Eisenoxyd direct gewogen
werden konnten, so mußten nur der Schwefel, die Schwefelsäure, der Kalk und das Natron durch Berechnung bestimmt werden, wozu die Atomgewichte für S = 16,
für O = 8, für CaO = 28,5, für Na = 23,2, für Ba = 68,6 dienten.
II.
Das Resultat der Analysen von zehn Sorten Ultramarin war
folgendes:
Textabbildung Bd. 141, S. 119
Basen; Säuren; A; B; C; D; E; S;
HS; SO3; SiO2; Al2O3; Fe2O3; CaO; NaO; HO; unbestimmt
Textabbildung Bd. 141, S. 119
Basen; Säuren; F; G; H; I; K; S;
HS; SO3; SiO2; Al2; Fe2O3; CaO; NaO; HO; unbestimmt
A war Ultramaringrün von Nürnberg,
die hellste Sorte; er verlor über concentrirter Schwefelsäure alles
Wasser.
K war Ultramaringrün von P... in B..., Sorte Nr.
1. Diese Fabrik lieferte eine noch hellere Sorte Nr. 2, und eine viel tiefer
gefärbte und gelblichere Sorte Nr. 3.
Die Sorte 3 eignete sich aber nicht zu meinem Zweck, weil sie folgende abnorme
Reactionen zeigte:
Wässeriges Aetzkali benahm ihr die gelbe Farbe und
hinterließ ein dunkles Blaugrün; die Flüssigkeit färbte sich gelblich.
Salzsäure entwickelte Schwefelwasserstoff, aber an der
Oberfläche der Flüssigkeit entstanden zugleich metallglänzende Häutchen von
Schwefelmetall. Es verblieb eine hellblau gefärbte Masse; da Aetzkali diese auch
nicht zerstörte, so scheint sie einem Indigzusatz ihre Farbe zu verdanken, während
die gelbe Farbe ein vegetabilischer an Zinn gebundener Farbstoff ist, mit welchem
der grüne Ultramarin tiefer grün gefärbt worden war.
Concentrirte Salpetersäure und kochendes Aetzkali zerstören die blaue Farbe dieser Sorte allmählich.
B war hellblauer Ultramarin, erhalten durch dreimaliges Eindampfen des grünen Ultramarins A mit Salmiak bis zur
Trockne. Er enthielt so, wie er zur Untersuchung angewendet wurde, noch die mit
b) bezeichnete Menge von Salmiak und Wasser, welche durch gelindes Erhitzen ausgetrieben werden
mußte. Um den Vorgang bei dieser Umänderung des grünen Ultramarins in hellblauen zu
erklären, kann man aus dem Gehalt an Kieselerde berechnen, daß 100 Theile hellblauen
Ultramarins aus 107,9 Theilen grünen Ultramarins entstanden. Diese 107,9 Theile des
grünen Ultramarins würden nach Analyse A enthalten:
S
HS
SO₃
SiO₂
3,910
3,226
0,642
40,811
sie enthalten
5,336
1,414
0,390
40,811
––––––––––––––––––––––––––––
Differenz
+ 1,426
– 1,812;
0,252;
–
Al₂O₃
FeO₃
CaO
NaO
30,808
1,512
1,222
27,706
sie enthalten
30,449
0,508
0,581
16,061
––––––––––––––––––––––––––––
Differenz
0,359
1,004
0,641
11,645
welche die entzogenen Bestandtheile angibt. Hinsichtlich der
Schwefelmenge ist ein Verlust von 0,566 eingetreten, und außerdem sind 1,812 HS in S übergegangen.
Der erste Theil und der letztere addirt, geben 2,378. Das aus der Verbindung
ausgetretene Natron beträgt ungefähr zweimal soviel, als nöthig ist, um den Schwefel
als Einfach-Schwefelmetall anzunehmen; er kann also im grünen Ultramarin
nicht füglich als Zweifach-Schwefelmetall enthalten seyn, obgleich das
Verhältnis von S und HS sowohl in Analyse A als K dafür spricht. Aus der Analyse ergibt sich, daß nur
ein kleiner Theil HS als Schwefelammonium entwichen war; der
andere Theil von HS ging eben so durch
Natronentziehung theilweise in S über wie bei den andern folgenden Versuchen,
aber ohne die Intensität der Farbe zu erhöhen, welche nur von schon vorhandenem
blauem Ultramarin herrühren konnte.
Erhitzt man aber diesen ganz hellen Ultramarin, welcher doch ähnlich dem blauen
zusammengesetzt ist, so nimmt er rasch eine schöne dunkle
Farbe an, die dem Schwefelgehalte gegenüber den anderen Sorten entspricht;
dieser später von mir bemerkte Umstand weist darauf hin,
daß es auch ein farbloses Mehrfach-Schwefelnatrium gibt, welches auf die
angegebene Weise entsteht und dann durchs Glühen in das blaufärbende
Schwefelnatrium übergeht, wahrscheinlich durch Verbindung mit Kieselerde
oder dem andern Silicate.
Enthielte der grüne Ultramarin Zweifach-Schwefelnatrium, so wäre nicht
einzusehen, warum bei Behandlung desselben mit Salmiak eine blasse blaue Farbe verbleibt; würde dieselbe erst gebildet worden seyn,
wie sie durchs Glühen aus der nicht färbenden Schwefelnatrium-Verbindung
hervorzurufen ist, so müßte sich durch längere Behandlung mit Salmiak das Ganze in
ein dunkles Blau überführen lassen, was aber nicht
gelingt.
Ist aber der grüne Ultramarin, was hieraus hervorgeht, ein Gemenge von blauem Ultramarin mit einem gelben, so kann die
Schwefelungsstufe nur eine niedrigere, also Einfach-Schwefelnatrium seyn. Berzelius bemerkte schon, daß schmelzendes
Schwefelnatrium das Glas angreift und sich gelb färbt; Splittgerber aber (s. polytechn. Journal Bd. CXXXVIII S. 292) machte in der letzten Zeit über die gelbfärbende
Eigenschaft der Schwefelmetalle bezüglich der Silicate ganz bestimmte Erfahrungen,
welche meine Annahme unterstützen.
C war blauer Ultramarin, aus dem grünen A durch mehrmaliges Abbrennen mit Schwefel in einer
Porzellanschale über der Weingeistlampe erzeugt. Der Ultramarin wurde
nachher ausgewaschen und getrocknet. Wie er zur Analyse angewendet wurde, enthielt er noch das sub c) angegebene Quantum von 2,1 Proc. Wasser. Macht
man hier wieder die Berechnung wie vorhin, indem man aus der Kieselerde findet, daß
100 Theile dieses Ultramarins 105,3 grünen Ultramarins entsprechen, so hat man für
letztern:
S
HS
SO₃
SiO₂
3,817
3,148
0,626
39,856
gefunden wurden
4,116
1,730
1,117
39,856
––––––––––––––––––––––––––––
Differenz
+ 0,299
– 1,418
+ 0,491
–
Al₂O₃
Fe₂O₃
CaO
NaO
30,947
1,463
1,193
26,648
gefunden wurden
30,047
0,532
0,664
19,771
––––––––––––––––––––––––––––
Differenz
0,900
0,931
0,529
6,877
Es findet hier ganz derselbe Fall wie vorhin statt. Im Ganzen
sind 1,119 Schwefel verschwunden, oder 1,318 HS in S übergegangen, es wurde aber
viel mehr Natron entzogen, als dem Zweifach-Schwefelnatrium entspräche. Der
erhaltene Ultramarin war jedoch ziemlich dunkel. Die entstehende schweflige Säure
wirkt im vorliegenden Falle offenbar auch noch zersetzend auf das Silicat, wenn
nicht alle Feuchtigkeit abgehalten werden kann. – Der Ultramarin, welcher
direct mit schwefliger Säure (statt durch Abbrennen mit Schwefel) dargestellt wurde
(S. 226 meiner ersten Abhandlung), gab mit diesem ein ganz
gleiches Resultat, daher ich es für unnöthig halte dasselbe beizufügen.
D war blauer Ultramarin aus dem grünen A mit Chlor hergestellt. Derselbe wurde nach
der Behandlung mit Chlor ebenfalls gewaschen; das Resultat ist ähnlich den zwei
vorhergehenden, nur wird man bemerken, daß demselben weder Eisenoxyd noch Kalk
entzogen worden ist. Die unter d) aufgeführten 3,451
waren hygroskopische Feuchtigkeit.
E war eine der dunkleren Sorten Nürnberger blauen
Ultramarins.
F war dieselbe Sorte blauen Ultramarins.
– Er wurde vier Stunden bei ungefähr 200° C. im Sandbade erhitzt, dann noch warm unter eine Schwefelsäure-Glocke
gebracht. Er hatte durch das Erhitzen offenbar Feuchtigkeit verloren, aber auch das
Verhältnis zwischen S und HS hat sich geändert.
G war dieselbe Sorte blauen Ultramarins wie E, nur wurde sie vorher mit Salmiak (wie oben der
grüne A) behandelt. Das Product enthielt nach
dem Auswässern noch die unter
g) aufgeführten 1,566 Proc. Feuchtigkeit und Salmiak. Auch hier hat sich dieselbe Veränderung zwischen
S und HS ergeben.
H war Meißner
„Lasursteinblau“
Nr. 1. Beim Auflösen dieses Ultramarins in Salzsäure bleibt die Masse
fleischroth zurück. Das Eisenoxyd ist also darin auf ganz andere Weise enthalten,
als in den übrigen Ultramarinen. Die fleischrothe Farbe verschwindet jedoch bald,
indem sich das Eisenoxyd löst. Das Verhältniß zwischen S und HS ist ungefähr
dasselbe wie bei E.
l war Ultramarin von Alexanderthal bei Coburg.
E, H und I wurden
absichtlich von gleicher Farbentiefe gewählt. Das Verhältniß zwischen S und HS liegt
bei I zwischen E und F und G.
Wie man sieht, ergaben mir die blauen Ultramarine nicht das
constante Verhältniß zwischen S und HS wie Hrn. Breunlin. Die Ursache liegt gewiß nicht in der analytischen Methode,
sondern in der Wahl der Ultramarine. Ihre Zusammensetzung in dieser Hinsicht muß
variiren, je nachdem noch mehr oder weniger Einfach-Schwefelnatrium
beigemengt ist. In den blauen Ultramarinen, wo HS am wenigsten
beträgt, in F und G, entspricht das Verhältniß zwischen S und HS einer
Zehnfach-Schwefelverbindung, und da sich eine solche Schwefelungsstufe einmal
ergibt, so kann das färbende Princip nicht wohl eine niedrigere seyn.
Bei der Darstellung von C und D wurde das Waschwasser dieser Producte quantitativ untersucht, und in
demselben die den angewandten grünen Ultramarinen entzogenen mineralischen
Bestandtheile, mit der Berechnung genügend übereinstimmend, aufgefunden. Die mit Salmiak behandelten blauen und grünen Ultramarine hielten
von diesem Salze eine kleine Menge hartnäckig zurück.
Versuche über die Einwirkung des Wasserstoffgases auf die
Ultramarine. – Dieselben wurden in eine Kugelröhre gebracht, welcher
auf der einen Seite Wasserstoffgas zugeführt wurde, während man auf der andern Seite
das Gas in arsenigsaures Kali mit überschüssigem Kali leitete. Sobald die Röhre
erhitzt wurde, schwankte der Ultramarin, sowohl der grüne als der blaue, bei der
Bewegung der Röhre in der Kugel wie eine Flüssigkeit, ohne sich jedoch auszuebnen;
er verliert folglich alle Adhärenz gegen das Glas, was bei Chlorgas und schwefliger
Säure nicht stattfindet. Diese Erscheinung ist ganz eigenthümlich; es entsteht
alsdann an der Röhre ein Hauch von Wasser, und während des Verlaufs der Operation
bildet sich an der Stelle wo das Gas in die arsenige Säure tritt, ein weißer Ring,
welcher sich als Schwefel erwies. Die ersten Blasen des nach dem Erhitzen der
Ultramarine in die
Flüssigkeit eintretenden Gases bilden einen weißen Rauch, welcher bald aufhört. Wird
nach stundelangem Einleiten, wo der Ultramarin aber noch lange nicht entfärbt ist,
die Flüssigkeit mit Salzsäure neutralisirt, so scheidet sich die arsenige Säure ganz
weiß aus; es ist also durchaus kein Schwefelwasserstoff erzeugt worden, welchen die
Flüssigkeit absorbirt hätte. Ich bestreite daher alle Angaben von einer in diesem
Falle stattfindenden reichlichen
Schwefelwasserstoff-Entwickelung; bei Anwendung säurehaltigen
Wasserstoffgases wird sie allerdings erfolgen. Aber man kann sich auch auf andere
Art täuschen; hält man nämlich, nachdem die Röhre aus der alkalischen Flüssigkeit
genommen wurde, vor ihre Oeffnung während der Zuleitung des Wasserstoffgases ein
Stückchen Bleiweiß, so färbt sich dasselbe bald bräunlich. Es entweicht also doch
Schwefel, aber nicht in Form des gewöhnlichen Schwefelwasserstoffgases;
wahrscheinlich sind es im Wasserstoffgas fein vertheilte Schwefeldämpfe von denen
auch der erwähnte weiße Rauch herrührt. – Nach zweistündiger Einwirkung von
Wasserstoffgas auf grünen Ultramarin (wo dann wegen Erweichung der Glaskugel der
Versuch unterbrochen werden mußte) ergab sich ein Gewichtsverlust von 4,5 Procent;
beim blauen Ultramarin betrug er unter ganz gleichen Umständen nur 1,859 Procent,
obgleich anzunehmen war, daß hier die Schwefelentbindung rascher vor sich gehen
würde.
Ich wollte noch durch einen directen Versuch nachweisen, daß die blauen und grünen
Ultramarine keinen Sauerstoff enthalten, der bei obigen Analysen nicht berechnet
wurde. Es wurde daher eine Glaskugel mit Ultramarin gefüllt und auf der einen Seite
mit einer Chlorcalciumröhre verbunden, durch welche Wasserstoffgas zuströmte; auf
der andern Seite wurde sie mit einer Kugelröhre verbunden, welche frisch geschabtes
metallisches Kupfer in Form von dünnen Spänchen enthielt, die zuvor bei 100°
C. getrocknet worden waren. Beide Röhren wurden mit einander und die letztere noch
mit einer gewogenen kleinen Chlorcalciumröhre verbunden. Während der Zuleitung des
Wasserstoffgases wurde zuerst das Kupfer mittelst einer Weingeistlampe zum Glühen
erhitzt, dann auch der Ultramarin. Nach 1 1/2stündigem Glühen des Ultramarins und
des Kupfers hatte die letzte Chlorcalciumröhre bei grünem Ultramarin um 1,5, bei
blauem um 1,8 Proc. des Ultramaringewichts zugenommen, und um beziehungsweise 1,2
Proc. und 1,4 Proc. hatte das Gewicht der Ultramarine unter Berücksichtigung der
Gewichtszunahme der Kupferröhre abgenommen. Dieses gefundene Wasser ist allerdings
etwas mehr, als die Berechnung aus der reducirten Schwefelsäure ergibt, es kann aber
nicht wohl Anlaß geben, für die Ultramarine einen Sauerstoffgehalt zu berechnen. Leider kann bei
diesen Versuchen wegen des Erweichens der Glaskugeln die Operation niemals so lange
fortgesetzt werden, bis ein constantes Gewicht der Kugelröhren erreicht ist. Um ganz
sicher nur das durch Reduction der Schwefelsäure entstandene Wasser zu erhalten,
müßte man vor der ersten Chlorcalciumröhre noch einen Apparat einschalten, worin das
Wasserstoffgas über glühenden Platinschwamm streicht, damit es absolut von jedem
Luftgehalt befreit und also auch diese Quelle einer Wasserbildung abgeschnitten
wird.
III.
Versucht man nun aus den erhaltenen analytischen Resultaten die theoretische
Zusammensetzung des Ultramarins zu berechnen, so zeigt sich die größte Schwierigkeit
bei Beurtheilung der Schwefelverbindung. Letztere ist in den untersuchten grünen Ultramarinen Na S₂; aus den von mir schon
angegebenen Gründen ist jedoch diese Schwefelungsstufe in denselben wahrscheinlich
nur ein Gemenge von Einfach- und Mehrfach-Schwefelnatrium. Der Gehalt
an Mehrfach-Schwefelnatrium steigt mit dem blauen Ton des Grün und mit der
Tiefe dieser Farbe. Die untersuchten Proben von Ultramaringrün sind die
gelblichsten, aber auch die blassesten Sorten. Bei einem noch geringeren Gehalt an
Mehrfach-Schwefelnatrium wird die grüne Farbe zu blaß, weil das
Einfach-Schwefelnatrium zu wenig färbt; man trifft daher im Handel keine
grünen Ultramarine, welche eine größere Quantität Einfach-Schwefelnatrium
enthalten.
Die Schwefelungsstufen in den blauen Ultramarinen sind
weit mehr variabel, weil dieselben schon schön blau erscheinen, wenn nur der größte
Theil des Schwefels darin als Mehrfach-Schwefelnatrium enthalten ist.
Offenbar kann die blaufärbende Schwefelungsstufe nicht eine niedrigere seyn als
Zehnfach-Schwefelnatrium, welches gefunden wurde. In den übrigen Sorten, wo
die Schwefelungsstufe niedriger gefunden wurde, ist jenes Sulfurid noch mit
Einfach-Schwefelnatrium gemengt, welches die Farbe nur ein wenig ins
Grünliche nüanciren kann.
Eine andere Frage ist die, ob die Schwefelverbindungen als
solche oder als kieselsaure Schwefelverbindungen, dem übrigen Silicate nur
beigemengt oder ob sie mit demselben chemisch verbunden sind. Werden die in
der Tabelle als Säuren aufgeführten Bestandtheile auf die Sättigung mit 1 Atom Base
berechnet, so ist immer hinreichend Kieselerde vorhanden, um
nicht nur alle Oxyde, sondern auch das Schwefelmetall mit 1 Atom Kieselerde zu
verbinden; in den meisten Fällen bleibt noch ein
kleiner Ueberschuß von Kieselsäure. Man kann überhaupt
dem Ultramarin die ganz einfache Formel (RO, SiO₂ + R₂O₃,
SiO₂) + (X Na Sx, SiO₂) geben; RO ist darin NaO, CaO, FeO, und
R₂O₃ ist Al₂O₃; es bleibt dann nur ein so geringer
Ueberschuß von Kieselerde, daß an eine andere Vertheilungsweise der Kieselsäure
nicht zu denken ist.
Um die Frage zu erledigen, ob das Verhältniß zwischen den
beiden Silicaten RO, SiO₂ und R₂O₃, SiO₂ (worin
RO fast nur Natron, und R₂O₃ nur Alaunerde ist) in allen Ultramarinen ein constantes ist, habe ich die Ultramarine von
vier Fabriken verglichen, welche unmöglich dasselbe Material benutzen, nämlich die
Producte von Nürnberg und B..., Meißen und Alexanderthal. Wie die Tabelle
ausweist, sind die beiden grünen Ultramarine A und K, und die blauen
E, H und I noch mehr, gerade in dieser Beziehung einander ganz ähnlich oder gleich
zusammengesetzt, und das Verhältniß der Silicate zu einander ist ein sehr
einfaches, es ist nämlich 1 At. Natronsilicat mit 1 At. Alaunerdesilicat vereinigt.
Hieraus kann man jedoch keineswegs folgern, daß die blaue oder grüne Farbe an dieses
Doppelsilicat unabänderlich gebunden ist. Diese Thatsache
beweist nur, daß bei den Verfahrungsarten jener Fabriken die Kaoline (im
Wesentlichen Al₂O₃, 2SiO₂ + x MO), welche in Berührung mit
kohlensaurem Natron, schwefelsaurem Natron, Kohle und Schwefelnatrium kommen, bei
der zur Erzeugung der Ultramarine nöthigen Temperatur in Al₂O₃,
SiO₂ + NaO, SiO₂ übergehen, also aus dem Doppelsilicat in ein
einfaches Silicat. Schon Berzelius (Gmelin's Handbuch der Chemie, vierte Auflage, Bd. II S. 405) führt die
Kali- und Natron-Verbindung auf; alles überschüssig angewendete Natron
läßt sich ausziehen, und aus diesem Grunde muß das Silicat eine gleiche
Zusammensetzung zeigen, da auch die Darstellungsweise eine analoge ist. Der Umstand,
daß im Lasurstein das Silicat NaO, CaO, 2SiO₂ +
Al₂O₃, 2SiO₂ ist, scheint darzuthun, daß die blaue Farbe nicht
von der Zusammensetzung des Silicats abhängt, daß sie aber entsteht, wo diese
Silicate neben vorhandenem Schwefelnatrium sich bilden können. Die Thatsache, daß
wässeriges Aetzkali das Schwefelmetall im Ultramarin
nicht angreift, aber leicht beim Abdampfen zur Trockne, dürfte die Annahme
bestärken, daß es eine kieselsaure Verbindung sey; das
Kali wirkte dann zugleich auf die Kieselerde und entzieht diese dem
Mehrfach-Schwefelmetall, welches nun seinerseits leichter zersetzbar
wäre.
Offenbar wären nun Daten genug für eine chemische Formel vorhanden und Gründe genug
sie aufzustellen, doch ist es nicht gewöhnlich, daß eine Verbindung wie hier das
Mehrfach-Schwefelnatrium, mit zwei verschiedenen
Silicaten, nämlich dem natürlichen Doppelsilicat und dem künstlichen einfachen
Silicat eine neue Verbindung von so ähnlichen Eigenschaften gibt, und deßwegen wage
ich es nicht, mit denselben dieses Mehrfach-Schwefelmetall in eine Formel zu
bringen. Ungeachtet Breunlin's und meiner analytischen
Resultate, welche nur hinsichtlich der Schwefelverbindung abweichen, was aber der
Hauptpunkt ist, kann doch die Zusammensetzung des Ultramarins nach meiner Ansicht
noch nicht als vollständig ermittelt betrachtet werden. Es ist zwar ein
Fünffach-Schwefelnatrium bekannt, nicht aber ein Zehnfach-Schwefelnatrium. Das erstere enthält, soviel man bis jetzt
beurtheilen kann, den Schwefel in der gelben
Modification, und färbt vielleicht in dieser auch gelb. Es scheint aber noch
andere Modifikationen des Schwefels zu geben, welche vielleicht ihre Farbe in der
Natriumverbindung beibehalten, Natriumverbindungen in anderen Proportionen als der
gelbe Schwefel eingehen, schwieriger oxydirbar sind
u.s.w.; in diesem Falle würde die Konstitution der Ultramarine leichter
erklärlich.
Ich will schließlich eine Erfahrung mittheilen, welche die letztere Annahme sehr
unterstützt.
Ich fand in einer Fabrik, wo früher Versuche mit der Ultramarinfabrication angestellt
worden waren, sehr verschiedene mißrathene Neste, wovon ich zwei untersuchte. Der
eine Rest war ein sehr dunkler aber nicht feuriger blauer Ultramarin, welcher mit
Schwefel abgebrannt noch viel dunkler, aber schwarzblau
wurde; durch sehr langes nachheriges Erhitzen nahm er jedoch die ursprüngliche Farbe
wieder an, ohne daß er das gewöhnliche Feuer und den Lüster des Ultramarins erhielt.
Als er mit Salzsäure zersetzt wurde, schied sich aber der Schwefel nicht weiß,
sondern grau ab, weßwegen ich einen Rückhalt von Kohle vermuthete. Allein Versuche
ergaben darin keine Kohle; bei der vorsichtigen Eindampfung zur Trockne mit Kali
verblieb nur der gewöhnliche Rückstand, und auch alle übrigen Versuche ergaben
keinen Kohlengehalt. Dieser Ultramarin wurde dann auf Metalle untersucht, aber auch
in dieser Hinsicht wurde nichts außergewöhnliches gefunden. – Der andere Rest
war völlig weiß gebrannter Ultramarin, in welchem hie und
da einige Körner blauen Ultramarins steckten. Er stellte nach dem Auslaugen die
reine Verbindung NaO, SiO₂ + Al₂O₃, SiO₂ mit Spuren von
Ultramarin dar. Ich schmolz über der Weingeistlampe in einem kleinen Porzellantiegel
Soda mit sehr überschüssigem Schwefel zusammen, und setzte dann ein wenig von dieser
Verbindung hinzu, gab noch etwas Schwefel zu und nahm den Tiegel vom Feuer, als noch
viel überschüssiger Schwefel verbrannte, was dann durch Bedecken des Tiegels
unterbrochen wurde. Der
Rückstand wurde nun mit Wasser ausgesüßt, und es blieb zu meiner Ueberraschung,
während gelbes Schwefelnatrium ablief, ein rothes Pulver
zurück, welches dann dunkler und über Nacht ganz schwarz
wurde. Dieses Pulver, von welchem alles Schwefelnatrium abgewaschen war, brauste mit
Salzsäure nicht auf, entwickelte damit auch keine Hydrothionsäure; es war Schwefel, mit etwas Kieselerde von obigem Silicat, der
also hier erst in einer rothen, dann in einer schwarzen Modification sich aus einer höheren
Schwefelungsstufe des Natriums ausgeschieden hatte, während die niedrigere
Schwefelungsstufe des Natriums als gelbe Lösung durch das Filter ging.
Ich beabsichtige letztere Erfahrung bezüglich der erwähnten Schwefelmodificationen
weiter zu verfolgen.