Titel: | Das mechanische Aequivalent der Wärme und seine Bedeutung in den Naturwissenschaften. |
Fundstelle: | Band 141, Jahrgang 1856, Nr. LI., S. 191 |
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LI.
Das mechanische Aequivalent der Wärme und seine
Bedeutung in den Naturwissenschaften.
Ein Vortrag gehalten bei der feierlichen Sitzung
der kaiserl. österreich. Akademie der Wissenschaften am 30. Mai 1856 vom Präsidenten der
Akademie Dr. Andreas Freihrn. v. Baumgartner. – Aus
dem Almanach der kaiserl. Akademie der Wissenschaften, sechster Jahrgang.
Ueber das mechanische Aequivalent der Wärme und seine Bedeutung in
den Naturwissenschaften.
Es gibt in den Naturwissenschaften wie im Leben der Staaten und Völker Begebenheiten,
die in ihrer Geschichte Epoche machen und besondere Abschnitte derselben begründen.
Einige machen sich gleich bei ihrem ersten Erscheinen geltend, ähnlich der
göttlichen Minerva, die mit Schild und Speer aus dem Haupte ihres Vaters gesprungen;
andere treten wie gewöhnliche Menschenkinder in die Welt, welche die allgemeine
Aufmerksamkeit erst dadurch auf sich ziehen, daß sie frühzeitig große Talente
entwickeln und durch überwiegende geistige Kräfte in das Getriebe der Welt mächtig
eingreifen. Von der letzteren Art ist die Entdeckung des mechanischen Aequivalentes
der Wärme. Dieses ist zwar schon vor mehr als 30 Jahren nicht ganz unbekannt
gewesen, wurde sogar einem im Jahr 1824 erschienenen, von Carnot verfaßten Werke zum Grunde gelegt und als Stütze mehrerer wichtigen
Folgerungen betrachtet; jedoch eine beschränkte Ansicht über die Natur der Wärme hemmte seinen
weiteren Einfluß auf die Wissenschaft. Erst im Jahr 1842 hat Dr. Meyer in Heilbronn das Gesetz, das es
involvirt, klar und bestimmt ausgesprochen und der Sache einen passenden Namen
gegeben. Seit dieser Zeit wurde es besonders von deutschen und englischen Gelehrten
sorgsam gepflegt und insbesondere von ersteren wissenschaftlich und gründlich
behandelt, von letzteren aber experimental nachgewiesen und seine ungeheure
Tragweite erörtert.
Ich will es nun versuchen, diesen Gegenstand in faßlicher Weise und mit seinen
vielfachen Beziehungen darzustellen. Er gehört der strengen Wissenschaft an und läßt
sich nur mit Widerstreben der mathematischen Form entkleiden; zugleich steht er mit
anderen, nicht im gemeinen Leben wurzelnden Beziehungen in Verbindung, und ich
theile bei meinem Unternehmen, ihn populär zu machen, das
Loos eines Gärtners, der es unternimmt, einen schon ziemlich erwachsenen Baum zu
verpflanzen, und genöthigt ist, ihn sammt dem Wurzelballen auszuheben, somit nicht
vermeiden kann auch anderes mit dem Ballen verwachsenes Gesträuch zu übertragen.
Die Naturkräfte äußern ihre Thätigkeit bekanntlich auf zweifache Weise und zwar
entweder dadurch, daß sie Bewegung hervorbringen, oder dadurch, daß sie einer andern
Kraft das Gleichgewicht halten. Im zweiten Falle wird ihr Streben, Bewegung
hervorzubringen, durch eine andere Kraft aufgehoben. Im letzteren Zustande nennt man
eine Kraft Spannkraft, im ersteren Bewegungskraft oder auch Arbeitskraft.
Die wichtigste Arbeitskraft ist die Schwerkraft, in so ferne sie den Fall der Körper
zur Folge hat. Da uns das Wesen der Naturkräfte gänzlich unbekannt ist, so müssen
wir uns bei ihrer Vergleichung damit begnügen, ihre Größe nach jenen Wirkungen zu
schätzen, von denen wir anzunehmen berechtigt sind, daß sie den Kräften proportional
seyen. Da wir nun unter allen die Wirkungen der Schwere am genauesten kennen, so
vergleichen wir diese mit den Wirkungen anderer Kräfte und schließen daraus auf das
Größenverhältniß der Kräfte selbst. In Bezug auf Arbeitskräfte wissen wir, daß ihre
Wirkung, die Arbeit, so mannichfaltig sie seyn mag, immer als äquivalent mit dem
Heben einer Last angesehen und sonach ausgedrückt werden kann durch ein Gewicht,
welches auf eine bestimmte Höhe, oder durch eine Höhe, auf welche ein bestimmtes
Gewicht gehoben wird. Es findet darum die Arbeitsgröße und dadurch mittelbar auch
die Arbeitskraft in dem Producte aus dem gehobenen Gewichte in die Hubhöhe einen
präcisen numerischen Ausdruck. Wird das Gewicht in Pfunden, die Hubhöhe in Fußmaaß
ausgedrückt, so stellt das Product beider Zahlen Fußpfunde vor. Wenn man daher sagt:
Die Arbeitsgröße eines Menschen sey 80 Fußpfunde, so heißt dieses: derselbe hebe 80
Pfund einen Fuß hoch. Es wäre dasselbe, wenn gesagt würde, es werden 40 Pfund 2 Fuß
hoch, oder 20 Pfund 4 Fuß hoch etc. gehoben, weil das Product dieser zwei Zahlen
dasselbe, nämlich = 80 ist. Die Arbeit, durch welche 1 Pfund 1 Fuß hoch gehoben
wird, ist demnach die Einheit der Arbeit oder das Maaß, mit dem man Arbeiten mißt,
gleichwie man mit der Klafter Längen, mit dem Pfunde Gewichte und mit der Secunde
Zeiten zu messen pflegt. Die Arbeitskraft, welche die Arbeit = 1 verrichtet, ist
darum zugleich die Einheit der Arbeitskräfte, und die im vorigen Beispiele
angeführte Zahl von 80 Fußpfunden bedeutet sonach 80 Arbeitseinheiten.
Wenn eine Arbeitskraft wirksam wird, d.h. wenn sie wirklich Arbeit verrichtet und ein
Gewicht hebt, so wird ein dieser Arbeit entsprechender Theil der Kraft verbraucht,
er findet sich aber im gehobenen Gewichte wieder, denn dieses hat ja dann die Kraft,
durch seinen Fall dieselbe Arbeit, wenn auch in entgegengesetzter Richtung, zu
verrichten. Der Kraftverbrauch bei der Arbeit besteht daher nicht in einer
Vernichtung der Arbeitskraft, sondern in deren Uebertragung auf die bewegte
Masse.
So lange demnach die Arbeitskräfte diese Wirkungsform beibehalten, d.h. so lange sie
Arbeitskräfte bleiben, wird auch ihre arithmetische Summe unverändert erhalten.
Allein die Arbeitskräfte bleiben nicht immer in dieser Wirkungsform, sondern gehen in
andere Formen über. Es ist nämlich bekannt, daß mechanische Kräfte häufig Wärme
hervorbringen. Radschuhe, Bohrer, Sägen erhitzen sich beim Gebrauche, ein Stück
Eisen kann durch bloßes Hämmern auf einem Amboß glühend gemacht werden. Man weiß,
daß sich die Wilden in den amerikanischen Wäldern durch Reiben zweier Stücke Holz
auf einander Feuer machen, ja es ist nicht lange her, so haben auch die europäischen
Zahmen das sogenannte Feuerschlagen als eines der bequemsten Mittel angesehen,
Schwamm oder Zunder anzuzünden. Die alten Gewehrschlösser mit Stein und Hahn waren
nur bequemere Vorrichtungen, um diesen Act zu vollziehen. Man hat sogar in
wasserreichen und holzarmen Gegenden die Bewegung als Mittel angewendet, größere
Wärmemenge hervorzubringen, und noch in jüngster Zeit haben Beaumont und Mayer in Frankreich einen Apparat
construirt, mittelst welchem durch schnelles Drehen eines hölzernen Kegels in einer
von Wasser umgebenen paffenden Metallhülse Wasserdampf von 2 1/2 Atmosphären Druck
erzeugt wird.
Bei allen diesen Vorgängen wird nun Arbeit verbraucht und
dafür Wärme erzeugt. Durch Verbrauch von Wärme kann aber
umgekehrt wieder Arbeit hervorgebracht werden. Dieses
geschieht unter anderm bei der Dampfmaschine. Da ist es nämlich eigentlich die Wärme
der glühenden Kohlen unter dem Kessel, die den Kolben der Maschine in Bewegung
setzt, das Wasser aber und der Dampf sind nur die materiellen Mittel, durch welche
die Wärme zum Kolben gelangt.
Bei dieser Umwandlung der Arbeit in Wärme, und umgekehrt der Wärme in Arbeit, dringt
sich von selbst die Frage auf, ob dem Verbrauche eines gegebenen Arbeitsquantums die
Erzeugung einer numerisch bestimmten Wärmemenge und umgekehrt entspreche, und in
welchem Verhältnisse diese beiden Mengen zu einander stehen. Um diese Frage
beantworten zu können, muß man Wärmemengen wie andere Größen zu messen im Stande
seyn. Um dieses möglich zu machen ist man übereingekommen, die Wärmemengen durch die
Anzahl Pfunde Wasser von der Temperatur des Eispunktes (0° C.) auszudrücken,
welche durch sie um 1° C. erwärmt werden. Die Einheit der Wärmemengen, ist
sonach jenes Wärmequantum, welches 1 Pfd. Wasser von 0° auf 1° C. zu
bringen vermag. Dieses vorausgesetzt, lautet die Antwort auf die vorher erwähnte
Frage folgendermaßen: Durch Verbrauch eines bestimmten
Wärmequantums wird auch eine bestimmte Arbeitsgröße erzeugt und es
entsprechen nach den Ergebnissen zahlreicher, mit allen Vorsichten
angestellter Versuche, bei denen theils Arbeit in Wärme, theils Wärme in Arbeit
umgesetzt wurde, und wo man es mit Wärme von dem mannichfaltigsten Ursprunge zu thun
hatte, dem Verbrauche einer Wärmeeinheit 1367 Arbeitseinheiten
und umgekehrt. Hiebei sind österreichische Maaße und Gewichte zu Grunde
gelegt.
In die Sprache des gemeinen Lebens übersetzt, heißt dieses: Die Wärme, welche 1 Pfund
Wasser von 0° um 1° erwärmt, übt dieselbe mechanische Kraft aus, wie
ein Gewicht von 1367 Pfund, das 1 Fuß hoch herabfällt.
Die Zahl 1367 drückt nun das mechanische Aequivalent der Wärme aus; man könnte ebenso
die Zahl 1/1367 das thermische Aequivalent der Arbeit nennen. Hätte man den Maaßstab
für die Arbeit 1367mal größer angenommen, so würde einer Wärmeeinheit auch eine
Arbeitseinheit äquivalent seyn.
Die Umsetzung der Wärme in Arbeit und umgekehrt erfolgt nicht nach Laune oder Zufall,
sondern nach bestimmten Regeln, welche die Bedingungen ausdrücken, unter welchen der
Wechsel statt hat. Es kann nämlich Wärme nur in so ferne in Arbeit umgesetzt werden,
als sie einem Körper
zugeführt wird. Dieses geschieht aber bei geleiteter Wärme nur in der Richtung vom
wärmeren Körper zum kälteren und nur in so ferne als Temperatur-Differenzen
bestehen. Die zugeführte Wärme zerfällt aber dabei in zwei Theile. Einer davon dient
zur Erhöhung der Temperatur bei constantem Volumen, der andere aber verrichtet
Arbeit, indem er z.B. eine Last vor sich hinschiebt. Wo es eine solche nicht gibt,
da findet auch kein Kräftewechsel statt. Hieraus erklärt es sich, warum eine
Luftmasse erkaltet, wenn sie sich ausdehnt und dabei einen Druck überwindet, während
ihre Temperatur unverändert bleibt, wenn die Ausdehnung ohne Ueberwindung eines
Widerstandes erfolgt, wie dieses der Fall ist, wenn sie in einen leeren Raum
überströmt.
Dieser Kräftewechsel wird viel vorstelliger, wenn man von dem nun gewonnenen
Standpunkte aus in eine nähere Untersuchung über das Wesen der Wärme eingeht. Das
eben erwähnte Gesetz des Kraftwechsels ist nämlich unvereinbarlich mit der Annahme
eines Wärmestoffes als einer Substanz, die durch keinen Act erzeugt, nicht in eine
andere umgewandelt werden kann, und die dem Quantum nach unveränderlich seyn muß;
dasselbe deutet vielmehr darauf hin, daß die geleitete Wärme, verschieden von der
gleich dem Lichte auf Aetherschwingungen beruhenden strahlenden Wärme, in einer
vibrirenden Bewegung der kleinsten Körpertheile bestehe, wie dieses schon längst aus
der Unerschöpflichkeit der Körperwärme, die sich bei Reibungsversuchen kundgegeben
hat, und insbesondere aus dem Umstande gefolgert wurde, daß zwei Eisstücke im
luftleeren Raume durch bloßes Reiben zum Schmelzen gebracht werden können. Dieser
Ansicht nach ist der Unterschied zwischen Arbeit und Wärme kein anderer, als
zwischen Bewegung einer Masse und Bewegung von Molecülen, und die Umsetzung der
Arbeit in Wärme besteht bloß in einer Mittheilung der Bewegung nach den Gesetzen der
Mechanik, wobei Umwandlungen der Massenbewegung in Molecularbewegung und umgekehrt
eintreten.
Wir sehen ähnliche Umwandlungen der Bewegungen vor unseren Augen vor sich gehen. Die
Töne einer Violine oder eines Claviers sind bekanntlich das Resultat der
schwingenden Bewegung von Darm- oder Metallsaiten; wir erzeugen aber erstere
durch Streichen mit einem Bogen, letztere durch Schlagen mit einem Hammer, mithin
durch Massenbewegung. Wenn die oscillirende Bewegung der Luft beim Knall einer
Kanone unsere Fenstertafeln zerschlägt, so hat sie Massenbewegung
hervorgebracht.
Arbeitskräfte und Wärme sind bekanntlich nicht die einzigen Kräfte, welche in der
Natur eine große Rolle spielen; Licht, Elektricität, Magnetismus und chemische Kräfte stehen
ihnen an Wichtigkeit gar nicht nach. Jedes dieser Agentien bringt eigenthümliche,
sein Wesen charakterisirende Wirkungen hervor, und eben diese sind es, die den
Naturforscher nöthigen, die Existenz so vieler Agentien zu supponiren; allein außer
diesen Wirkungen treten bei jeder der genannten Naturthätigkeiten auch noch andere
ein, die eigentlich nicht zum Wesen dieses, sondern eines andern Agens gehören, wie
z.B. Wärme und Licht bei chemischen Processen, bei elektrischen und magnetischen
Vorgängen etc., elektrische Phänomene bei Wärme und Licht, chemische Zersetzungen
und Zusammensetzungen bei Licht und Elektricität etc. Nach dem jetzigen Standpunkte
der Naturwissenschaft dürfen wir derlei scheinbar fremdartige oder secundäre
Wirkungen nicht mehr als solche ansehen, sondern müssen sie als Resultat einer nach
einem bestimmten Aequivalenten-Verhältnisse vor sich gehenden Umsetzung einer
Naturkraft in eine andere betrachten. Wir wollen diesem Gegenstande eine kurze
Betrachtung widmen:
Licht und strahlende Wärme sind von gleicher Natur, beiden liegen Aetherschwingungen
zum Grunde. Lichtschwingungen bringen Wärme hervor, insoferne sie Kraft an
Körpertheile übertragen. Dieses können auch solche, welche die Augenflüssigkeiten
nicht zu durchdringen vermögen und darum nicht als Licht empfunden werden. Statische
Elektricität kennen wir nur als Arbeitskraft, denn sie gibt sich nur durch Bewegung
kund, die sie an ihren Trägern durch Anziehung und Abstoßung hervorbringt. Strömende
Elektricität besitzt arbeitende Kraft, erzeugt Wärme und chemische Zersetzung.
Vermöge ihrer Arbeitskraft wird sie im Stromleiter fortgeführt, jedoch durch den
Widerstand verbraucht, den sie in diesem Leiter findet, und dadurch in Wärme
umgesetzt. Im Stromleiter tritt in dem Maaße Wärme auf, als die Elektricität
daselbst Widerstand erfahrt; denn es ist die dabei erzeugte Wärmemenge bei übrigens
gleichen Verhältnissen dem Leitungswiderstande proportionirt. Was sie zur chemischen
Zersetzung und zur Bewegung einer Maschine an Arbeitskraft benöthigt, wird aus dem
Wärmevorrathe nach dem Aequivalente der Wärme entnommen. Man denke sich drei
Elektromotoren von gleicher Stärke, z.B. drei galvanische Batterien; die eine sey
durch einen Leitungsdraht geschlossen, in die Kette der zweiten sey eine
elektro-magnetische Maschine, z.B. ein Barlow'sches Rad eingeschaltet und in die Kette der dritten ein
Wasserzersetzungsapparat. Durch Aenderung der Länge des Schließungsdrahtes des
ersten Elektromotors und durch Modification der Geschwindigkeit des Barlow'schen Rades mittelst eines Magnetes kann man es
leicht dahin bringen, daß der Strom in allen dreien von derselben Stärke ist. Da
wird nun im Schließungsdrahte der ersteren, wo der Strom keine chemische Wirkung hervorzubringen und
keine Maschine zu bewegen hat, die größte Wärmemenge erzeugt; im zweiten, wo
chemische Arbeit zu verrichten ist, ist die gewonnene Wärmemenge gerade um so viel
geringer, als man wieder erhält, wenn man die durch Zersetzung des Wassers
erhaltenen Gase verbrennt und sie dadurch wieder zu Wasser vereinigt; eine ähnliche
Verminderung der Wärme wird man am Schließungsdrahte des dritten Elektromotors
bemerken, sie beträgt aber gerade so viel, als nach dem mechanischen Aequivalente
der Wärme an bewegender Kraft für die eingeschaltete Maschine verwendet werden muß.
Hier findet also Umsetzung der Elektricität in Wärme, dieser in Arbeitskraft oder in
elektrolytische Kraft statt und allenthalben herrscht das Gesetz der Aequivalente.
Die strömende Elektricität in einem galvanischen Elektromotor scheint selbst auf
Kosten der Wärme hervorgebracht zu seyn, die bei der Oxydation des Zinkes erzeugt
wird: denn die Stromstärke ist bei sonst gleichen Umständen dem Gewichte des
oxydirten Zinkes proportionirt, und es tritt an der Stelle, wo die Oxydation vor
sich geht, nicht die Wärme auf, welche sonst diesen chemischen Proceß begleitet. Ob
Aehnliches bei der Elektricität andern Ursprungs vor sich gehe, ist weder erwiesen
noch widerlegt.
Diese Betrachtungen führen den Naturforscher auf einen Standpunkt, von dem aus ihm
die Elektricität wie ein ganz anderes Wesen erscheinen muß, als dieses bisher der
Fall war. Sie ist so wenig feuriger Natur als der Hammer, durch dessen Schläge ein
Stück Eisen glühend wird, wiewohl sie unseren Sinnen fast immer nur in dieser
Begleitung erscheint; der Blitz fährt nur darum als leuchtender Strahl vom Himmel,
weil ein großer Theil seiner Arbeitskraft durch den Leitungswiderstand der Luft in
Wärme umgesetzt wird; er zündet daher nur solche Gegenstände an, die sich seinem
schnellen Fortschreiten entgegensetzen, und läßt jene unbeschädigt, die ihn nicht
aufzuhalten suchen. Eben darin besteht ja die Wirkung der metallenen Blitzableiter.
Auch über den innern Grund der Elektricität geben uns die vorher erörterten Gesetze
wenigstens negative Aufschlüsse. Man kann nämlich nicht mehr, wie bisher, eine
specifische elektrische Materie annehmen; denn eine solche ist, da ihr Quantum
keiner Veränderung unterliegen kann, mit dem Princip der Umwandlung der Elektricität
in Wärme und Arbeitskraft unverträglich. Mit der elektrischen Materie fällt zugleich
die magnetische, da die Ansicht, die magnetischen Erscheinungen rühren von
elektrischen Strömen her, mit Recht immer mehr Boden gewinnt. Somit ist das Reich
der Imponderabilien in der Naturlehre seinem Ende nahe und die Zeit vorüber, wo
unwägbare Stoffe als
eben so viele wissenschaftliche Kobolde in jedem Zweige der Naturwissenschaft ihren
unheimlichen Spuk getrieben haben.
Auch die chemischen Kräfte folgen den Gesetzen der Umsetzung der Kräfte nach
bestimmten Aequivalentenverhältnissen. Es ist nämlich erwiesen, daß bei jeder
chemischen Vereinigung zweier Stoffe zu einem stabilen Producte Wärme entwickelt
wird und zwar in derselben Menge, die Verbindung mag schnell oder langsam, auf
einmal oder successive aus ihren Bestandtheilen gebildet werden. Bei einigen solchen
Bildungen, z.B. bei der Vereinigung von Sauerstoff und Wasserstoff zu Wasser, ist
zugleich, wie schon erwähnt worden, experimentell nachgewiesen, daß das bei der
Vereinigung der Stoffe gewonnene Wärmequantum genau dem Aequivalente der bei der
chemischen Zerlegung dieser Verbindung verbrauchten Arbeitskraft entspreche. Man
kann daher annehmen, daß die durch eine chemische Wirkung erzeugte Wärmemenge ein
Maaß für die bei dem Processe in Wirksamkeit getretene chemische Kraft ist. Unter
solchen Umständen kann die Behauptung, daß durch chemische Kräfte Arbeit erzeugt
werde, nicht befremden. Doch kennen wir keinen bestimmt nachgewiesenen Fall, durch
welchen unwidersprechlich dargethan wäre, daß aus chemischen Kräften unmittelbar
Arbeitskraft hervorgehe. In allen bisher zur genügenden Klarheit gediehenen
Vorkommnissen erfolgt die Umsetzung der chemischen Kräfte in Arbeitskraft entweder
mittelst der Wärme oder der Elektricität. Ein Beispiel des ersteren Vorganges
liefern die Dampf- und Luftmaschinen, einen Beleg für letzteren die
elektro-magnetischen Bewegungsapparate.
Der Vorgang bei der Dampfmaschine und diesem analog auch bei der Luftmaschine ist
schon früher berührt worden. Jeder Gran Kohle, der unter dem Kessel der Maschine
vollkommen verbrennt, liefert in Folge des chemischen Processes der Verbrennung
0,908 Wärmeeinheiten oder 1241 Fußpfund Arbeit, wenn alle Wärme zur Erzeugung von
Dampf oder zur Erhöhung der Spannkraft der Luft verwendet und vollständig in Arbeit
umgesetzt wird. In dem Maaße als diese Voraussetzungen nicht eintreffen, bleibt auch
der Effect der Maschine hinter dieser Größe zurück. Im Allgemeinen geschieht dieses
in desto höherem Maaße, je weniger die Temperatur des Condensators von der des
Kessels abweicht. Der wirkliche Effect beträgt oft kaum 20 Procent des nach der
früheren Voraussetzung berechneten.
Eine andere Vorrichtung, welche auf der aus chemischen Kräften entspringenden, durch
Wärme vermittelten Arbeitskraft beruht, ist das Schießgewehr. Bei jedem Schusse soll
die Wärme, welche aus der Vereinigung der Kohle mit Sauerstoff zu Kohlensäure und
des Kali aus dem Salpeter mit Schwefel zu Schwefelkalium entsteht, vermindert um die
Vereinigungswärme des Stickstoffes und des Kaliums mit Sauerstoff, vollständig in
Arbeitskraft umgesetzt werden. Ein Gran Schießpulver sollte sonach beim Abbrennen
0,291 Wärmeeinheiten oder 398 Fußpfund Arbeit liefern. Allein nicht alle Wärme wird
in Arbeitskraft umgesetzt, wie schon die Erhitzung des Gewehrlaufes ersehen läßt,
und nicht die ganze Arbeitskraft wird zum Forttreiben der Kugel verwendet, indem ein
Theil davon den Knall erzeugt, der den Schuß begleitet.
Wird eine elektro-magnetische Maschine, z.B. ein Barlow'sches Rad, in Bewegung gesetzt, so geht in der Regel die bewegende
Kraft ursprünglich von der Oxydation des Zinkes einer galvanischen Batterie aus, und
zwar in der Art, daß zuerst die Verbindungswärme des Sauerstoffes mit Zink als
elektrischer Strom auftritt, der in Folge des im Stromleiter herrschenden
Leitungswiderstandes wieder in Wärme und dann in Arbeitskraft umgesetzt wird. Je
mehr Kraft die Maschine zu ihrer Bewegung in Anspruch nimmt, desto weniger Wärme
bleibt übrig. Es ist schon früher gezeigt worden, daß dieser Abfall an Wärme gerade
so groß sey, als dem mechanischen Aequivalente der verwendeten Arbeit gemäß ist. Die
Wärmemenge, welche aus der Oxydation von einem Gran Zink einer Daniell'schen Batterie hervorgeht und vom elektrischen Strom in den
Leitungsdraht überführt wird, beträgt, wenn keine mechanische Arbeit zu verrichten
ist, 0,157 Wärmeeinheiten, und diese entspricht, ganz in Arbeit umgesetzt, einer
Leistung von 214 1/2 Fußpfund. Da auch hier nur ein Theil der Wärme zu Arbeitskraft
wird, so muß in demselben Verhältnisse das Ergebniß für die Maschine geringer
ausfallen.
Wir wissen wohl, daß jene bewunderungswürdigen Maschinen, die wir lebende Körper
nennen, aus chemischen Kräften ihre Arbeitskraft schöpfen. Ob aber Wärme oder
Elektricität die Vermittler seyen, oder ob die chemischen Processe unmittelbar aus
sich Arbeitskraft hervorbringen, hat bisher noch nicht ins Klare gebracht werden
können. Vor der Hand wird die Vermittelung eines elektrischen Stroms für das
Wahrscheinlichere gehalten. Daß bei dieser Unentschiedenheit der Sache Berechnungen
über den mechanischen Effect dieser organischen Triebwerke nur auf sehr unsicherer
Grundlage beruhen, ist für sich klar. Dessenungeachtet aber unterliegt es keinem
Zweifel, daß der thierische Organismus, abgesehen von den zahlreichen Zwecken
eigener Art, die zu realisiren er bestimmt ist, schon in bloßer Rücksicht auf die
ökonomische Verwendung von Arbeitskraft eine Maschine von viel größerer
Vollkommenheit sey, als bis jetzt die menschliche Erfindungskraft zu liefern im
Stande war.
Den chemischen Kräften ist sowohl in der Weltökonomie als im Haushalte der Menschen
eine sehr bedeutende Rolle zugewiesen. Sie sind wirksam beim Keimen und Wachsen der
Pflanzen, bei der Ausbildung und beim Reifen der Früchte, die Leiber der Thiere
werden durch solche Kräfte fortgebildet, ihre Kraft wächst und schwindet mit diesen.
Die Macht eines Staates beruht großen Theils auf der Menge und Stärke der chemischen
Kräfte, über die er zu disponiren hat, und die materielle Macht im Kriege ist die,
welche die chemische Kraft des Schießpulvers und der Nahrungsmittel für Mann und
Pferd liefert.
Die Gesetze, zu deren Kenntniß man zumeist durch den Kräftenwechsel nach bestimmten
Aequivalenten gelangt ist, lassen uns die Natur als einen wohlgeordneten Haushalt
mit einer gegebenen Summe von unzerstörbaren Kräften erkennen, von Kräften, die in
verschiedenen Formen ihre Wirksamkeit äußern und von denen eine ihre Macht von der
andern borgt. Wenn beim Wechsel der Kräfte von einer etwas verloren zu gehen
scheint, so können wir das Aequivalent des Abgängigen sicher in einer andern Form zu
finden hoffen. Stoßen zwei Körper zusammen, und scheint nach dem Stoße eine
geringere Summe von Arbeitskräften vorhanden zu seyn, als vor demselben, so ist ein
Theil der Bewegung dazu verwendet worden, den Stoß hörbar zu machen, die
Körpertheile einander bleibend näher zu bringen oder Wärme zu erzeugen. Wenn die
Zugthiere an unsern Fuhrwerken, die Locomotive an den Eisenbahnzügen ungeachtet
ihrer steten Wirksamkeit doch nicht eine stets wachsende Geschwindigkeit der Last
hervorbringen, so findet sich das, was an fortschreitender Bewegung verloren
gegangen ist, in der oft nur zitternden Bewegung der Equipage, in dem Geräusche, das
der Zug verursacht, und als Wärme an den erhitzten Achsen und Zapfenlagern wieder.
Die Reibung vermindert zwar die Bewegung der Massen, überträgt sie aber an ihre
Molecüle. Davon machen selbst tropfbare Körper keine Ausnahme, und jedes Wasserrad,
jeder auf steinigem Boden dahin rieselnde Bach ist insoferne der Sitz von Umsetzung,
wenn auch nur eines kleinen Theils der bewegenden Kraft in Wärme. Der Widerstand,
den die Bewegung des Blutes im thierischen Körper, besonders beim Uebergange in die
häufigen Anastomosen und endlich in die höchst fein verzweigten Wundernetze erfahren
muß, beeinträchtigt wohl die Circulation, kann aber nicht ermangeln, etwas zur
Erhöhung der Temperatur des Körpers beizutragen.
So lange eine Bewegung im luftleeren Raume vor sich geht, bleibt die ganze
Arbeitskraft auf die bewegte Masse übertragen, der Eintritt in ein widerstehendes
Mittel hat aber alsobald einen scheinbaren Verlust an Arbeitskraft zur Folge, die
jedoch in der frei gewordenen Wärme den entsprechenden Ersatz findet. Ein großer
Widerstand, wie er bei sehr schnellen Bewegungen eintritt, kann selbst eine
Erhitzung der bewegten Masse bis zum Glühendwerden zur Folge haben. Das Erglühen der
aus dem Weltraum in die Erdatmosphäre eintretenden Meteormassen erklärt sich hieraus
genügend. Der Rechnung gemäß reicht schon eine Geschwindigkeit von 1000 F. in der
Secunde hin, um eine Temperaturerhöhung bis zu 1000° C., also bis zum starken
Glühen, hervorzubringen. Massen, die wie die Sternschnuppen gar eine Geschwindigkeit
von 18–36000 Kl. besitzen, können leicht bis zum Schmelzen erhitzt und in
unsichtbare Partikelchen zerstiebt werden. Daher mag es auch wohl kommen, daß
Meteorsteinfälle oft von trockenem Meteorstaub oder gar von einem ausgedehnten
Feuerschein wie von einer glühenden Wolke begleitet sind. Die große Häufigkeit von
Sternschnuppenfällen, deren zu gewissen Zeiten nach J. Schmidt 13 bis 15 in einer Stunde innerhalb des Gesichtskreises einer
einzigen Person vorkommen, würde sogar die Behauptung nicht als widersinnig
erscheinen lassen, daß die dabei entwickelte Wärme den thermischen Zustand der
Atmosphäre merklich afficiren kann.
Nach diesen Betrachtungen zeigen sich uns die sogenannten Hindernisse der Bewegung,
Reibung und Widerstand des Mittels, von einer andern Seite, als man sie anzusehen
gewohnt ist. Sie vernichten keine Kraft, sondern setzen sie nur in einander um.
Besonders werden durch ihren Einfluß Bewegungskräfte in Wärme umgewandelt. Aber
gerade diese Wirkung ist für das Leben in der Natur nicht ohne große Bedeutung. Die
Wärme kann nämlich nie wieder vollständig zur Arbeitskraft werden, wie dieses schon
früher gezeigt worden ist. Dazu kommt noch, daß auch die chemischen Kräfte in dem
Maaße, als sie Verbindungen bewerkstelligen, die Form der Wärme annehmen, die wieder
nur zum Theile in Arbeitskraft umgewandelt werden kann, und somit müßte der Vorrath
an Arbeitskraft immer geringer werden, und der Quell des Lebens müßte nach und nach
ganz versiegen, wenn nicht von anderer Seite für Abhülfe gesorgt wäre. Diese schafft
die Natur selbst hauptsächlich dadurch, erstens daß uns von der Sonne fortwährend
Strahlen zugesendet werden, welche bewegende Kraft und die Bedingungen des Lebens
mit sich führen, und zweitens durch die dem Erdkörper und den Planeten vom Anbeginn
her eingepflanzten Bewegungen. Versuche, welche schon im Jahre 1838 von Pouillet in Paris angestellt wurden, lehren, daß in der
Voraussetzung einer gleichförmigen Vertheilung des Einflusses der Sonne auf die
ganze Erdoberfläche in einer Minute einer Fläche von 1 Quadratcentimeter 0,4408
Wärmeeinheiten zuströmen, wonach auf 1 Wiener Quadratzoll in 1 Minute 5 1/2
Wärmeeinheiten oder an Arbeitskraft 7518 Fußpfund entfallen. In einem Jahre belauft sich dieser
Zufluß auf 2,871,804 Wärmeeinheiten oder 3926 Millionen Einheiten von
Arbeitskräften. Er wäre im Stande, eine die ganze Erde umhüllende Eisrinde von 97
1/2 Fuß Dicke zu schmelzen. Man könnte mit Sonnenstrahlen an einem heitern
Sommertage einen Dampfkessel heizen und, wenn die der erwärmenden Einwirkung
ausgesetzte Kesselfläche groß genug wäre, die Kraft mehrerer Pferdekräfte erzielen.
Thomson berechnet, daß für eine Pferdekraft eine
solche Fläche von 1800 Quadratfuß erforderlich wäre.
Die Sonne bewirkt nicht bloß eine Anhäufung der Wärme auf der Erde, sondern
vermittelt selbst die Umsetzung derselben in Arbeitskraft. Indem sie die Federkraft
der Luft stärkt, erzeugt sie die Luftbewegungen, welche unsere Windmühlen treiben,
die Segel der Schiffe schwellen und schwimmende Lasten in ferne Länder tragen; indem
sie den Fluthen des Meeres Federkraft verleiht, bewirkt sie ihr Emporsteigen in die
Regionen der Wolken, wo sie Luftströme fassen und in entfernte Gegenden der Erde
treiben, damit sie daselbst als Regen herabfallen, die Quellen und Flüsse nähren und
an diesen ein reiches Magazin von mechanischer Kraft eröffnen, aus welchen der
Mensch entnimmt, was er zur Bewegung von Wasserrädern und zum Fortschaffen von
Lasten aus höheren Gegenden in tiefer gelegene benöthigt.
Endlich führt uns die Sonne einen reichen Segen chemischer Kräfte zu, denen wir das
Entstehen der für unsere Zwecke wichtigsten Producte verdanken. Durch den Einfluß
ihrer Strahlen auf die grünen Pflanzentheile wird die Kohlensäure zersetzt, der
Sauerstoff als Gas ausgeschieden und der Kohlenstoff angesammelt. Dieser Stoff ist
nun selbst wieder die Quelle von Licht und Wärme, wie die Sonne, und zugleich der
mächtigste Motor für menschliche Zwecke. Nach Liebig
wachsen in einer der fruchtbareren Gegenden Deutschlands auf einer Bodenfläche von
2500 Quadratmeter oder nicht ganz einem halben österr. Joch in einem Jahr, wenn es
Waldboden ist, 2650 Pfd. lufttrockenes Brennholz, wenn es Wiesengrund ist 2500 Ctnr.
Heu, und wenn es Ackerland ist 800 Pfd. Roggen und 1780 Pfd. Stroh. Das besagte
Quantum Brennstoff enthält 1007 Pfd., das Heu 1018 Pfd., der Roggen und das Stroh
1044 Pfd. Kohlenstoff, demnach im Durchschnitte aus allen drei Erzeugnissen 1023
Pfd. oder für 1 österr. Quadratklafter in runder Zahl 1 1/2 Pfd. Da 1 Pfd. Kohle
beim Verbrennen 5230 Wärmeeinheiten liefert, so entfallen für die Kraft erzeugende
Wirkung des Sonnenlichtes für 1 österr. Quadratklafter des mit Vegetation bedeckten
Bodens in einem Jahre 7845 Wärmeeinheiten oder eine Arbeitskraft von 10 3/4
Millionen Fußpfund.
Alle diese mächtigen Wirkungen sind aber nur ein höchst kleiner Theil des gesammten
Kraftausflusses der Sonne, denn diese bestrahlt einen kugelförmigen Raum, der weit
über die Erde hinausreicht, und in welchem der Erdkörper nur als kleines Sternchen
erscheint. Die erwärmende Kraft der Sonne, die bloß von einem Quadratzoll ihrer
Oberfläche in 1 Minute ausgeht, beläuft sich nach Pouillet auf 1,052,257 Wärmeeinheiten, ist also nur im Verhältniß von 10 :
27 kleiner als die Erwärmung, die einem gleichen Stück der Erdoberfläche in einem
ganzen Jahre von der Sonne zu Theil wird.
Nach diesen Ergebnissen ist die Sonne nicht mehr bloß die Herrin des Tages, ihr
Strahl nicht bloß der Herold von Millionen Sternen und ihrer tausendjährigen
Geschichte; sie hat ihre hohe Bestimmung nicht schon erreicht, indem sie dem
Krystall seinen Glanz, dem Diamant sein Feuer verleiht, das Grün der Blätter schafft
und den bunten Schmelz der Blumen. Nebst Licht und Wärme auch Kraft auszuspenden,
ist ihre große Aufgabe. Jede Linie, die wir von der Erde nach irgend einem Punkte
der Sonne ziehen können, bezeichnet die Straße, auf welcher Segen zu uns kommt, der
auf der Erde angelangt in Stoffen eigener Art deponirt wird, um daraus entnommen
werden zu können, wenn es für die große Welt-Oekonomie oder für menschliche
Zwecke nothwendig ist. Aber wird denn die Sonne stets mit derselben Kraft wirken
können, und wird sie immerfort im Stande seyn, zu ersetzen, was durch den steten
Wechsel der Kräfte für die Erhaltung des Lebens verloren geht, oder wird durch ihren
Einfluß der Zeitpunkt nur weiter hinausgerückt, wo das groß? Uhrwerk in Stillstand
geräth, weil das Gewicht, durch das es im Gange erhalten wird, abgelaufen ist? Nach
unserer gegenwärtigen Einsicht dürfte wohl letzteres für das Wahrscheinlichere
gelten, da alle Mittel, durch welche der Sonne für ihren steten Verlust Ersatz
werden soll, selbst als der Erschöpfung unterliegend angesehen werden müssen.
Eine, jedoch verhältnißmäßig nur geringe Unterstützung in dem Geschäfte, der Erde
Kraft zuzuführen, findet die Sonne in dem Kraftvorrathe, welchen der Erdkörper in
Folge seiner Achsendrehung und der Bewegung des Mondes um ihn besitzt. Diese Kraft
ist reine Arbeitskraft und ihre Verrichtungen bestehen zunächst in der Unterhaltung
jener Bewegung des Meeres, die unter dem Namen Ebbe und Fluth bekannt ist, aus der
aber mehrfache große Strömungen im Weltmeere und in der Atmosphäre hervorgehen, die
selbst zu menschlichen Zwecken vielfach angewendet werden. Sie erscheint klein gegen
die Macht der Sonne, jedoch sehr bedeutend gegen das, was menschliche Kräfte zu
leisten vermögen, klein in ersterer Beziehung, da sie nach Thomson nur ein Aequivalent bietet für eine dreistündige Bestrahlung der Erde durch
die Sonne, bedeutend in der letzteren, weil sie nach Bessel eine Wassermenge von 200 Kubikmeilen in 6 1/4 Stunden von einem
Quadranten der Erde zum andern überführt, eine Masse, die einen größeren Raum
einnimmt, als 200 Millionen Bauwerke, deren jedes der größten der ägyptischen
Pyramiden gleichkäme und gewiß 200mal größer ist als alles, was die Kräfte der
Menschen und die ihnen zu Gebote stehenden Mittel von der Sündfluth an bis jetzt
beträchtlich von der Stelle gebracht haben.
Nimmt man die Kräfte, welche wir vom irdischen Standpunkte aus mit menschlichem
Erkenntnißvermögen zu erforschen vermochten, als allgemein im Weltall herrschend an;
so erscheint die Behauptung gerechtfertigt, daß die Auslagen zur Erhaltung der
großen Welt-Oekonomie in dem Ertrage der chemischen Kräfte der Nahrungsmittel
und Brennstoffe, der Gravitation der Materie und der natürlichen Wärme die Bedeckung
finden. Lille diese Kräfte sind zu einem einheitlichen Ganzen verbunden, und
erscheinen nur als verschiedene Wirkungsformen einer und derselben Potenz. Was die
Naturphilosophen lange gesucht aber nicht gefunden haben, hat uns das Princip des
Kräftewechsels nach äquivalenten Verhältnissen aufgedeckt und uns dadurch in den Bau
der Welten und in den Plan der Vorsehung einen Blick zu thun gestattet, wie man seit
Newton's Zeiten keinen zu thun vermochte. Er kann
nicht verfehlen, den Naturwissenschaften in vieler Beziehung eine neue Gestalt zu
geben.