Titel: | Veränderliche Expansionsvorrichtung für Dampfmaschinen, von James Edward Earnshaw, Maschinenfabrikant in Nürnberg. |
Fundstelle: | Band 141, Jahrgang 1856, Nr. LIX., S. 245 |
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LIX.
Veränderliche Expansionsvorrichtung für
Dampfmaschinen, von James Edward
Earnshaw, Maschinenfabrikant in Nürnberg.
Für das Königreich Bayern am 12. März 1851 für
fünf Jahre patentirt. – Aus dem bayer. Kunst- und Gewerbeblatt, 1856, S.
328.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Earnshaw's veränderliche Expansionsvorrichtung für
Dampfmaschinen.
Durch eine sinnreiche Bewegung ist es dem Erfinder gelungen, mit einem gewöhnlichen
Dampfschieber die Dienste eines Expansions- und Dampfschiebers zugleich zu
versehen, und es geschieht das Ein- und Ausströmen des Dampfes durch diese
Vorrichtung in einem vollkommneren Grade als bei jeder bis jetzt bestehenden
Expansionsmaschine, und es verdienen diese Maschinen in der praktischen Ausführung
vor allen bestehenden Expansionsmaschinen nicht nur bevorzugt zu werden, sondern
sind vermöge ihrer Brennmaterialersparniß bei dem hohen Brennstoffpreise einer
allgemeinen Beachtung werth.
Nachstehend folgen mit Beihülfe der beigegebenen Zeichnung (Fig. 41 bis 46) die
weiteren Erläuterungen.
In Fig. 41 und
42 sind
A, B die Arbeitsflächen zweier excentrischen Ringe
im Grundriß angegeben, Fig. 43 stellt dieselben
in der Ansicht dar.
Der kleinere Ring B ist in den größeren A eingepaßt, so daß beide ein massives Ganzes
bilden.
Diese Ringe sind mit dem Dampfschieber a verbunden, und
da der Welle b eine drehende Bewegung gegeben ist,
welche den Umgangsgeschwindigkeiten der Kurbelachse gleichkommt, so wird durch die
Tatzen c, d, welche sich an den inneren Kreisen von A, B fortbewegen, der Dampfschieber geöffnet und
geschlossen.
Die Tatze c ist in eine Scheibe e eingeschraubt und diese Scheibe e ist auf
die Welle b befestigt, mit der sie eine constant
drehende Bewegung macht, und hat beim Auf- und Niedergehen des Kolbens den
Ring A hin und her zu bewegen, wodurch derselbe, da er
mit dem Dampfschieber a verbunden ist, die
Dampfeinströmungs-Canäle, wenn die Kurbel auf dem tobten Punkte steht,
regelmäßig öffnet, während die Tatze d die Oeffnungen
vermöge ihrer veränderlichen Stellung früher oder später durch den Ring B abschließt.
Die letztere Tatze wird daher Expansionstatze genannt.
Diese Expansionstatze d befindet sich auf einer Büchse
f befestigt, welche zwischen der Scheibe e und dem Stellringe g lose
auf der Welle b sitzt, und in dieser Büchse f sieht man auf dem inneren Umkreise zwei einander
gegenüberliegende, rechtwinkelige, in der Figur 43 punktirte Curven
h eingeschnitten, welche sich nach einer
Schraubenlinie auf ein Viertel des Umfangs inwendig vertieft in diese Büchse
hinziehen.
In diese Curven h sind die auf den beiden Schenkeln des
Zaumes i, welche in der Welle b in Ruthen laufen, befindlichen Ansätze eingepaßt. Der Zaum i kann durch zwei Stängelchen l mit dem Regulator bei stationären Maschinen verbunden seyn, und da
dieser Zaum i durch das Auseinandergehen oder Sinken der
Regulatorkugeln eine geradlinige Bewegung macht, so muß durch die in die Curven
eingepaßten Zaumenden die Hülse der Richtung der Curven folgen, nimmt somit beim
Auf- und Niedergehen des Regulators eine selbstthätige drehende Bewegung an,
vermittelst welcher die auf der Hülse befestigte Expansionstatze d eine voreilende oder zurückbleibende Stellung einnimmt
und somit eine veränderliche Absperrung bewirkt.
Bei Fig. 41
wurde angenommen, daß die Regulatorkugeln am weitesten auseinander stehen; die
Maschine hat also den schnellsten Gang angenommen und zeigt die Stellung der Tatze
c und der Expansionstatze d bei größter Expansion oder kleinster Dampffüllung des Cylinders. Denkt
man die Tatze c auf den Punkt c¹ gestellt, so gibt die punktirte Curve A¹ dem Dampfschieber die Stellung a¹ und bei dieser Stellung ist die Kurbel Fig. 44 auf dem tobten
Punkte; verfolgt nun c¹ seinen Lauf bis c², so ist bei dieser Stellung der Dampfschieber
voll geöffnet und hat die Stelle a eingenommen; geht c² weiter bis c, so
nimmt in demselben Moment die Expansionstatze d den auf
der Zeichnung angegebenen Platz ein, und da in demselben Augenblicke d seine Arbeit beginnt, so ist bis d¹ die Dampfeinströmungsöffnung wieder
geschlossen; bei der punktirten Linie d² hat der
Schieber a² die Oeffnung mit 1/12'' Uebergriff
bedeckt.
Während dieser Bewegung hat der Dampfschieber geöffnet und geschlossen; c¹ ist bis zur punktirten Linie c³ und d bis d¹ vorgerückt und hat einen Weg von 35°
zurückgelegt, und da die Kurbel gleichzeitig ebenfalls 35° zurückgelegt hat,
so nimmt der Kolben die Stellung m ein, die Füllung des
Cylinders ist 0,08 der ganzen Schublänge und es wirkt der Dampf auf die Länge von
0,92 durch Expansion.
Bei Fig. 42
sind die Regulatorkugeln auf den niedersten Stand gesunken und die Zeichnung zeigt
die Stellung der Tatze c und der Expansionstatze
d bei kleinster Expansion oder größter Dampffüllung des
Cylinders.
Die Operation in der Bewegung ist gleichwie bei Fig. 41; dieselben Theile
sind auch mit den gleichen Buchstaben bezeichnet. Es ist in dem Augenblicke, wo der
Dampfschieber geöffnet und geschlossen hat, c¹
bis zur punktirten Linie c³ und d bis d¹ vorgerückt
und hat einen Kreislauf von 115° beschrieben, und da die Kurbel gleichzeitig
115° zurückgelegt hat, so nimmt der Kolben die Stellung n, wie auf der Zeichnung angegeben, ein; die Füllung des
Cylinders ist also 0,75 der ganzen Schublänge und es wirkt der Dampf auf die Länge
von 0,25 durch Expansion.
Durch vorhergehende Beschreibung und Zeichnung wurde dargethan, daß durch diese
Expansion der Cylinder mit einer Dampffüllung von 0,08 bis 0,75 der ganzen
Schublänge arbeitet, und es kann die Dampffüllung sogar bis 0,94 gebracht
werden.
Daraus, daß als Dampf- und Expansions-Schieber nur ein Schieber
erforderlich ist, folgt:
Daß bei diesen Maschinen die bewegten Theile vermindert sind, mithin Einfachheit in
der Ausführung, Verminderung der Reibung und Widerstände gegen andere
Expansionsmaschinen; ferner erleidet der Dampf nur eine einmalige Unterbrechung,
wirkt also nach Verlassung des einzigen Schiebers direct auf den Kolben und behält
dadurch eine größere Expansionskraft bei; die Dampfeinströmungs-Canäle sind
momentan voll geöffnet, was den Dampfeintritt erleichtert, und es bleibt der
Ausströmungs-Canal immer vollkommen offen, so daß der Abzugsdampf keine
nachtheilige Störung bewirkt.
Die von der Maschinenfabrik James Edward Earnshaw und
Comp. in Nürnberg erbauten und in Gang gesetzten Expansionsmaschinen haben
bewiesen, daß alle oben angegebenen Vortheile bei dieser Expansion sich
bewahrheiten. Der sanfte und ruhige Gang dieser Expansion, bei welcher gar keine
Schläge hörbar sind, und die nicht unbedeutende Brennmaterialersparniß berechtigen
die Behauptung aufzustellen, daß diese veränderliche Expansion in ihrer
Vollkommenheit allen anderen Vorrichtungen zu diesem Zweck voransteht.