Titel: | Beitrag zur Geschichte der horizontalen Wasserräder, mit besonderer Beachtung der Turbinen von Henschel in Cassel, fälschlich Jonval-Turbinen genannt; von Prof. Dr. Rühlmann in Hannover. |
Fundstelle: | Band 141, Jahrgang 1856, Nr. LX., S. 248 |
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LX.
Beitrag zur Geschichte der horizontalen
Wasserräder, mit besonderer Beachtung der Turbinen von Henschel in Cassel, fälschlich
Jonval-Turbinen genannt; von Prof. Dr. Rühlmann in Hannover.
Aus der Zeitschrift des hannoverschen Architekten- und
Ingenieur-Vereins, 1855. Bd. I S. 227.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Rühlmann, Beitrag zur Geschichte der horizontalen
Wasserräder.
Wasserräder, welche sich um verticale Achsen drehen, wobei aber das Rad selbst
horizontal läuft (Kreiselräder, Turbinen), die durch den Stoß des Wassers gegen eben
oder löffelförmig gestaltete Schaufeln in Bewegung gesetzt werden, gehören zu den
ältesten Motoren, welche der Mensch ersann, um die bewegende Kraft des Wassers zur
Verrichtung mechanischer Arbeiten geeignet zu machen. Noch vorhandene derartige
Räder in den gebirgigen Gegenden Nord-Afrika's (Umgegend von Constantine),
Italiens, Norwegens, den Pyrenäen, sowie Süd-Frankreichs (Provence,
Dauphiné), lassen insbesondere erkennen, daß man sie namentlich zum Umdrehen
von Mühlsteinen, zum Vermahlen des Getreides in der höchst einfachen Weise
verwendet, den Läuferstein der Mühle unmittelbar auf der Wasserradwelle
festzukeilen, die Uebertragung der Bewegung also auf die beste und directeste Art
und Weise zu bewirken.Belidor, Architecture. Première Partie. Liv. II. Chap. I. Pl. I. und
Pl. IV.
Einfachheit und große Umdrehzahl zeichnen diese Räder überhaupt vor der anderen
Gattung mit verticalen Radebenen und horizontalen Wellen aus, allein in dem
vorhergedachten Zustande war ihr Nutzeffect so gering und ihre Bewegung so wenig
gleichförmig, daß selbst trefflich theoretisch begründete Verbesserungsbemühungen,
wie die von Borda
Borda, Sur les
roues hydrauliques. Memoires de l'acad. royale des sciences.
Année 1767. Paris 1770. und Anderen, nicht im Stande waren, ihnen einen rechten Rang neben den
verticalen Wasserrädern zu erwerben.
Mit dem Entstehen einer größeren Fabrikindustrie am Anfange dieses Jahrhunderts und
insbesondere als nach den Napoleonischen Kriegen friedliche Zustände wieder festen
Fuß gefaßt hatten, begann man auch auf die bessere Benutzung natürlich vorhandener Wasserkräfte mehr
Werth zu legen, erkannte man die Vortheile horizontaler Wasserräder immer mehr
(große Umdrehungsgeschwindigkeit, geringere Mengen von Transmissionszeug, schwächere
Triebwellen, hoher Effect bei geringem Wassergefälle etc.) und wandte alle Mittel
der rationellen und Erfahrungs-Hydraulik an, um die dabei vorliegende Aufgabe
in rechter Weise zu lösen. Vor Allem war die Construction so anzuordnen, daß der
Stoß beim Eintritte des Wassers in das Rad beseitigt, die Verluste bei der Bewegung
innerhalb der Radzellen die kleinmöglichsten wurden und der Ausfluß des Wassers aus
dem Rade ohne jede absolute Geschwindigkeit erfolgte.
Zur baldigen Erreichung der fraglichen Lösung trugen ganz besonders die Preise bei,
welche die Pariser Gesellschaft zur Beförderung der französischen Nationalindustrie
eine Reihe von Jahren hinter einander bis zu 6000 Franken Höhe auf die Verbesserung
und gleichzeitig erprobte Ausführung für industrielle Zwecke aussetzte.Prix pour l'application en grand des turbines
hydrauliques. Bulletin de la Société d'Encouragement pour
l'industrie nationale. (1826) 25 Année p. 5 (Programmes.)
Mit einigem Erfolge wurde zuerst diese Aufgabe von dem französischen
Bergwerk-Ingenieur Burdin gelöst, der auch für
dieselbe den Namen „Turbinen“ (vom Latein. turbo, der Kreisel) einführte.Burdin, Turbine
hydraulique à axe vertical et à évacuation
alternative etc. Annales des Mines 1838, 3. p. 517. Pl. VIII und ebendaselbst
1853, 3 p. 85 Pl.
I.
Burdin's Räder bildeten cylindrische, um ihre
geometrische, verticale Achse drehbare Trommeln, wobei das Wasser oberhalb von
Canälen aufgenommen wurde, die röhrenförmig um den Trommelmantel liefen und aus
deren unteren Oeffnungen das Wasser entsprechend abfloß. Die Enden der Ausflußcanäle
waren horizontal und tangential zum Umfange gerichtet, und der Ausfluß erfolgte in
entgegengesetzter Richtung zur Umdrehbewegung. Unmittelbar über dem Rade befand sich
für das Aufschlagwasser ein Behälter (Leitapparat) mit mehreren Oeffnungen am Boden
desselben, vor welchen Oeffnungen sich derartige Ansätze befanden, daß die
Ausflußmündungen horizontal und der Richtung des Kreisumfanges entsprechend gestellt
waren. Ueberhaupt hatte Burdin Alles so anzuordnen
versucht, daß das Wasser das Rad ohne relative Geschwindigkeit erreichen und ohne
absolute Geschwindigkeit verlassen sollte.
Ungeachtet aller Bemühungen vermochte Burdin weder den
Nutzeffect dieser Räder höher als etwa 60 Proc. zu bringen, noch alle Bedingungen
zu erfüllen, welche
das bemerkte Programm der Société
d'Encouragement vorschrieb, wohin namentlich gehörte, daß die Turbine unter
Wasser arbeiten und ihr Wirkungsgrad bei jeder Art von Wasserstand, bei Eisgang
u.s.w. nicht merklich verändert werden sollte.
Burdin's Schüler, der Civilingenieur Fourneyron zu Besançon, war glücklicher mit der
Auflösung der Aufgabe als sein Lehrer, indem es ihm gelang, alle Bedingungen des
Preisprogrammes, auch die der Ausführung und Bewährtheit im Großen, vollständig zu
erfüllen) es wurde ihm daher auch die Summe von 6000 Franken ohne irgend Vorbehalt
von der erwähnten Pariser Gesellschaft ausgezahlt.Fourneyron, Mémoire sur l'application en grand, dans les usines et
manufactures, des turbines hydrauliques ou roues à palettes
courbes deBelidor. Bulletin
de la Société d'Encouragement, 33. Année (Janvier 1834) und daraus im polytechn. Journal
Bd. LIII S. 241.
Fourneyron's Turbinen bestehen aus zwei concentrischen in
derselben Ebene ineinander (nicht übereinander) liegenden Rädern, mit entsprechend
gekrümmten Leitcurven und Schaufeln, wovon das Leitrad feststeht, das Triebrad aber
sich mit der verticalen Welle, als ein Ganzes, dreht. Die glückliche Idee bei dieser
Anordnung, abgesehen von der verhältnißmäßigen
Einfachheit und Leichtigkeit, liegt unstreitig darin, daß das Wasser in allen Punkten des inneren Radumfanges gleichmäßig
eintreten und ebenso ohne wesentliche Hindernisse an allen Punkten des äußeren
Umfanges austreten kann, nachdem es (ziemlich) die ganze ihm inwohnende lebendige
Kraft an das sich drehende Rad abgegeben hat.
Fourneyron's Radconstruction verbreitete sich bald über
ganz Europa und diente insbesondere bei niedrigen Gefällen zum Ersatze der kaum 20
Proc. Nutzeffect liefernden verticalen Wasserräder, sowie als trefflicher Motor bei
den höchsten Gefällen, welche früher für industrielle Zwecke, wo es sich vorzüglich
um Drehbewegungen handelte, fast gar nicht nutzbar gemacht werden konnten. In
letzterer Beziehung wird unter Andern Fourneyron's Rad in
St. Blassen (Badischer Schwarzwald) bei 108 Meter Gefälle, 2200 Umläufe pro Minute bei nur 0,55 Meter Durchmesser, wohl für alle
Zeiten als ein Meisterwerk der Hydraulik in Erinnerung bleiben müssen, wenn auch
eifersüchtige Zeitgenossen derartige Leistungen als minder erheblich und weniger
verdienstvoll zu bezeichnen bemüht sind. Wie dem auch seyn mag, so viel ist gewiß,
daß Fourneyron in der Geschichte der hydraulischen
Motoren stets als der Erfinder der heutigen Turbinen wird genannt werden müssen,
welche Modificationen dieselben auch bereits erfahren haben und noch erfahren mögen. Zu
den wesentlich modificirten Fourneyron'schen Turbinen
gehören aber die, wo beide Räder, Leitcurven- und Triebrad, nicht ineinander,
sondern übereinander in parallelen Ebenen liegen und das Triebwasser beide Räder von
Oben nach Unten, nicht aber horizontal von Innen nach Außen durchströmt.
Diese Anordnung bietet vor Allem den Vortheil, daß man das Rad in jeder beliebigen
Höhe über dem Unterwasser anbringen kann, sobald diese Höhe nur nicht die dem
Atmosphärendrucke das Gleichgewicht haltende Wassersäule von etwas über 10 Meter
erreicht. Weitere Vortheile liegen in der weniger ungünstigen Richtungsveränderung
des Wassers bei seiner Bewegung vom Oberwasserspiegel bis zum Unterwasser durch das
Rad, sowie darin, daß die Wasserfäden, beim Einführen derselben aus dem
Leitcurvenapparate in das Rad, nicht convergiren, sondern mehr parallel bleiben, im
Wasser befindliche gewichtige Körper leichter durch das Rad hindurchgehen, dasselbe
nicht verstopfen etc. Nachtheile dieser Räder, wie störender Einfluß der Fliehkraft
auf das Wasser und ganz besonders die Schwierigkeit, recht zweckmäßige
Schützenvorrichtungen anzubringen, sowie m. A., mögen vorerst hier unberührt
bleiben. Das, worauf vor Allem hier die Aufmerksamkeit der Leser gerichtet werden
soll, ist die Prioritätsfrage der Erfindung dieser
Turbinengattung und die daraus hergeleitete Benennung derselben.
Wie aus den nachstehenden Mittheilungen erhellen wird, läßt sich mit fast
mathematischer Bestimmtheit behaupten, daß diese Turbinen nicht zuerst von Jonval, sondern von dem deutschen
Mechaniker Henschel in Cassel 1837 angegeben und 1841 auf der herzogl.
Steinschleifern zu Holzminden (Braunschweig) zuerst ausgeführt und in Gang gebracht
worden, dort aber von Köchlin aus Mülhausen und dessen
Ingenieur Jonval gesehen und studirt und sodann
nachgebaut worden sind. Gedachte Herren ließen sich 1843 diese Räder in Frankreich
patentiren, welcher Patentertheilung bald die Beschreibungen und Leistungsangaben
folgten, wie solche im Bulletin de la Société
industrielle de Mulhausen, Tome XVIII. p. 227
(1844) (und daraus im polytechn. Journal Bd. XCIV
S. 118) enthalten sind, wobei jedoch Henschel
mit keiner Sylbe erwähnt wird.
Bemerkter Thatbestand war mir bereits nach mehrseitigen mündlichen Mittheilungen zur
Kenntniß gelangt, als mir durch die persönliche Bekanntschaft mit Hrn.
Kreisbaumeister Haarmann in Holzminden bestimmtere
Angaben über die ganze Angelegenheit gemacht wurden, welche die Richtigkeit des
vorher Ausgesprochenen außer allen Zweifel setzten.
Das besondere Interesse, womit ich vom Anfange an die Fourneyron'sche Turbinen-Angelegenheit erfaßt hatte, auch bei
meiner amtlichen Stellung für das Industrie-Maschinenfach zu verfolgen ganz
bestimmte Veranlassung fand, war Ursache, daß ich es für nicht unpassend hielt, für
Hrn. Henschel öffentlich in die Schranken zu treten,
weßhalb ich auch Hrn. Kreisbaumeister Haarmann in
Holzminden wiederholt um Zustellung der betreffenden Actenstücke bat. Leider war
derselbe, seiner Vielbeschäftigung wegen, bisher nicht zur Ausführung des
Versprechens gelangt, bis er endlich bei Gelegenheit einiger Vorträge über neuere
Turbinen-Ausführungen in einer unserer Vereinsversammlungen den
Architekten- und Ingenieur-Verein durch diejenigen Mittheilungen
erfreute, die wir hier unverändert wiedergeben und die völlig hinreichen werden,
Hrn. Henschel's Prioritäts-Ansprüche zu begründen
und die Jonval'sche Turbine in die Henschel'sche umzutaufen.
Anlage 1.
An
den Vorstand des Architekten- und
Ingenieur-Vereins in Hannover.
Auf die verehrlichen Schreiben vom 3ten des vorigen und 14ten dieses Monats habe ich
aus den hiesigen Acten der herzoglichen Steinfactorei die Data gezogen, welche auf
das von der Henschel'schen Maschinenfabrik nach der ganz
gehorsamst angeschlossenen Zeichnung (Tab. IV Fig. 12–18) im Jahre
1841 gefertigte Kreiselrad Bezug haben, und verfehle nicht, dieß dem geehrten
Vereine in der Anlage zu überreichen, und verharre mit vorzüglicher Hochachtung
Holzminden, 27. Januar 1855.
ganz gehorsamst F. L. Haarmann,
Kreisbaumeister.
Anlage 2.
Das vom Oberbergrath Henschel zu Cassel in Holzminden
1840–1841 vorgerichtete Kreiselrad betreffend.
Nach den hiesigen Acten erhielt ich den 28. März 1839 den Auftrag, für die hiesige
Steinschleiferei am mittleren Eisenhüttenteiche, bei dem 5 1/2 bis 6 Kubikfuß Wasser
bald bei 10' bald bei 13' Gefälle disponibel waren, eine bessere Betriebskraft in
Vorschlag zu bringen. Im Sommer 1839 und 1840 reisete ich nach Herford und besah das dort von Carlitscheck
bei der Garnspinnerei
angelegte, in Stärkrad am Rhein gefertigte Fourneyron'sche Kreiselrad, und da dessen Wirkung nicht besonders ausgefallen
war, auch man in Stärkrad von mir ohne Gewährleistung für die Kraftwirkung eines für
obige Verhältnisse zu fertigenden Rades 950 Rthlr. forderte, besah ich auch das von
dem Mühlenbaumeister Nagel aus Hamburg in Neumünster bei einer Tuchwalkemühle
veränderte Kreiselrad, zu dem das Wasser von unten nach oben hin zugeleitet ward, um
den bei dem Fourneyron'schen Rade so nachtheilig auf den
Zapfen wirkenden Druck zu vermeiden, welcher Zweck indeß hier eben so wenig dadurch
vermieden wurde, als andere bei beiden hier und in Herford damit verbundene
Nachtheile, als: daß sie an den tiefsten Stellen des Gefälles im Wasser arbeiteten
und badeten, und daß das Wasser, was in die Schaufeln des Wasserrades mittelst eines
gewundenen, nicht natürlichen, sondern künstlichen, nicht immer leicht richtig zu
findenden Weges zur Seite treten und dieß auch ebenso in
Bewegung setzen mußte, und endlich, daß beide Räder sehr künstliche Schützstellungen
hatten.
Bei dem für die hiesige Steinfactorei am mittleren Hüttenteiche anzulegenden
Wasserrade kam annoch ein besonderer Umstand zur Sprache, der, daß der darunter
liegende Sammelteich für die darunter liegenden Eisenwerke bei dem Beginn der Arbeit
1 1/2' höher im Spiegel gehalten wird, als am Schlusse einer Arbeitschicht, es kann
daher bei dem 1 1/2' niedrigeren Wasserspiegel mindestens 12 bis 16 Stunden täglich
die Wasserkraft für das Werk am mittleren Teiche um 1 1/2' höher ausgenutzt werden,
wenn bei der etwa zu machenden Einrichtung des Wasserrades hierauf Rücksicht
genommen würde.
Das vorhandene alte, höchst mangelhafte, oberschlächtige Wasserrad der alten
Steinschleiferei war und konnte auf diesen Gewinn nicht mit eingerichtet seyn, war
nur 8 3/4' im Durchmesser hoch und hätte schon bei dieser Höhe des Wassergefälles in
ein halbschlächtiges Rad umgewandelt werden müssen, allein auch hierbei hätte man
die zeitigen 1 1/2' Gefälle im Unterteiche nicht gewinnen können.
Im Frühjahre 1840 besprach ich mich auf der Henschel'schen
Maschinenfabrik wegen eines Kreiselrades, man kannte damals noch nicht das vom
Professor Rühlmann (damals in Chemnitz) zuerst über
Kreiselräder Veröffentlichte, der Oberbergrath Henschel
brachte in Betracht der von mir an den in Herford und Neumünster beobachteten
Uebelständen, um das Rad nicht im Wasser laufen lassen zu müssen, um den Lauf des
Wassers einfacher und damit kräftiger auf die Radschaufeln zu leiten, um die
Schützstellung einfacher einrichten zu können, um das 1 1/2füßige zeitige Gefälle zu
jeder Zeit ausnutzen zu können, um endlich die Kosten des Kreiselrades zu vermindern, in
Vorschlag, das Fourneyron'sche Rad in seiner Form ganz zu
verändern, die Radschaufeln lothrecht unter die Leitschaufeln zu legen, unter dem
Rade noch ein luftdichtes, vom Atmosphärendruck abgeschnittenes Wasserabfallrohr
anzubringen, worin die vor dem Gange des Rades durch Abschluß zu bildende
Wassersäule bei dem Gange des Rades mittelst ihres Gewichts eben so sehr von unten
durch Saugen das Rad in Bewegung setzen würde, als der Druck der Säule von oben auf
die Bewegung wirke. Hiermit einverstanden für die hiesige Anlage, wurde bei meiner
Abreise von der Henschel'schen Maschinenfabrik
versprochen, ein Modell in Blech vom Klempner fertigen zu lassen, um darnach die
berechnete Schaufelstellung praktisch zu richten.
Nachdem dieß in den nächsten Monaten geschehen und Versuche bei einer
Fournierschneidemühle auf der Henschel'schen
Maschinenfabrik günstige Resultate ergeben hatte, wurde unter dem 13. August 1840
mir nun eine Zeichnung für das hiesige Werk Hieher gesandt, der Contract zur
Anfertigung der Anlage auf meinen Bericht von der herzoglichen Regierung in
Braunschweig abgeschlossen, im März 1841 Alles in Betrieb gesetzt, und wurden statt
9 Steine, jetzt 23 Steine in der Stunde geschliffen. Am 4. Juli 1841 wurden von der
Henschel'schen Maschinenfabrik durch Ingenieur Fichtner Versuche mit einem Prony'schen Zaume ausgeführt; welche Resultate diese ergaben, ist mir
nicht bekannt geworden, da ich in dieser Zeit verreist war. Nach einer mündlichen
Mittheilung der Henschel'schen Maschinenfabrik, ob durch
Hrn. Henschel selbst, oder durch Hrn. Ingenieur Fichtner, hat die Maschinenfabrik Andrée Köchlin und Comp. in Mülhausen am
Rhein im Sommer 1841 in Cassel Kunde von dem Kreiselrade hier erhalten, und hat
durch einen Ingenieur, der auf Reisen nach oder von hier zurück in Cassel gewesen
ist, auch das Rad hier besehen und aufnehmen lassen. Da es Princip der
Braunschweigischen Regierung ist, die Besichtigung neuerer Werke jedem Techniker zu
erleichtern, so hat der Steinschleif-Aufseher auch eine solche Besichtigung
gern gestattet und erleichtert, und erinnert sich einer solchen von einem Fremden
vorgenommenen, genauen, mit Vermessungen versehenen Besichtigung.
Bald darauf wurden diese Kreiselräder in Mülhausen in Menge gemacht und erschien 1844
auch in Dingler's polytechn. Journal Bd. XCIV S. 118 die Beschreibung solcher
Kreiselräder.
Holzminden, den 27. Januar 1855.
F. L. Haarmann,
Kreisbaumeister.
Anlage 3.
An
den Architekten- und Ingenieur-Verein für das
Königreich Hannover.
Der Hr. Kreisbaumeister Haarmann theilte mir unterm 27. v.
M. mit, wie verehrlicher Verein meine Autorschaft des Kreises mit verticalem
Wasserdurchfluß und theilweise hängender Wassersäule (jetzt Jonval-Turbinen
genannt) zu vertheidigen gesonnen sey, und gibt mir zugleich Abschrift von seinem
eigenen Berichte in dieser Sache, die sich denn auch ganz so verhält, bis auf den
Punkt, daß es die erste Ausführung nicht war, die in
Holzminden zu Stande kam. Schon im Jahre 1837, nachdem mehrere kleine Ausführungen
und Modelle von verzinntem Eisenblech vorausgegangen waren, reichten wir das
beikommende Patentgesuch dem kurfürstlichen Ministerium des Innern dahier ein,
während wir Tabellen für die verschiedensten Fälle der Ausführung berechneten und,
nebst mehreren Hülfsvorrichtungen, unter anderen einen Prägestock zur
gleichförmigen, schraubenförmigen Biegung der blechernen Schaufeln anfertigten. Die
kurze abschlägige Resolution auf besagtes Gesuch aber
verdarb uns die Freude, wir verkauften die Schaufelgänge an einen
Striegelfabrikanten nach Schmalkalden und gaben alle weiteren Bemühungen auf, da wir
einsehen mußten, daß ein Patent in unserm kleinen, damals noch sehr industriearmen Lande doch keinen ersprießlichen Nutzen gewähren
konnte. Später hat uns dieses natürlich sehr gereut.
Dennoch kamen Fälle vor, wo wir nicht umhin konnten, Kreiselräder zu bauen, wie z.B.
zwei solcher Räder nach Holzminden, eins für die v. Buttlar'sche Glashütte zu Ziegenhagen (12'' Durchmesser, 100' Fallhöhe, 6 Pferdekraft) und etwa 10 andere solcher Räder.
Was Hr. Kreisbaumeister Haarmann Ihnen berichtet hat,
stimmt mit unseren Erinnerungen ganz überein.
Den Namen möchte ich gern gerettet sehen und werde daher Weiteres gern und bald
thunlichst berichten.
Nachträglich bemerke ich noch, daß Hr. Köchlin
jun. auf einer Rückreise von Braunschweig über
Holzminden uns mit seinem Werkmeister (Jonval) dahier
besuchte und, wenn er den Wunsch geäußert hätte, über unsere Kreisel Näheres zu
erfahren, wir gern alle weiteren Notizen gegeben haben würden, da wir in Frankreich
Geschäfte damit zu machen, keine Aussicht hatten.
Im Juli 1846 war unser Werkmeister Oestermann in Mülhausen
und sah zu seiner Verwunderung ovale Kreiselräder unseres Princips bei Hrn. Köchlin in Ausführung.
Mit vorzüglichster Hochachtung und Dankbarkeit bin ich eines
verehrlichen Vereins
Cassel, den 6. Februar 1855.
ergebenster
Henschel.
Anlage 4.
An
kurfürstlich hessisches Ministerium des Innern in
Cassel.
Die Maschinen-Fabrikanten
Henschel und Sohn bitten
unterthänigst um Verleihung eines Erfindungs-Patents auf eine ganz
neue Construction des sogenannten Kreiselrades.
Die Verbesserung des Kreiselrades durch den französischen Mechaniker Fourneyron hat im nördlichen Frankreich, wie auch in
Preußen – worüber das Neueste in den Berliner General-Verhandlungen
1837, 2te Lieferung, enthalten ist – schon so gelungene Ausführungen zur
Folge gehabt, daß es aller Anstrengung werth ist, auf diesem Wege weitere
Fortschritte zu versuchen.
Es ist den unterthänig Unterzeichneten geglückt, die in beiliegender Beschreibung
näher detaillirte neue Construction des Kreiselrades zu Stande zu bringen, und damit
in Vergleich der bekannten französischen Einrichtung (stehe polytechn. Journal Bd. LIII S. 241) folgende weitere Vortheile
zu erhalten, nämlich:
1) Der Eintritt des Wassers geschieht dabei ohne alle Hindernisse aus dem weiten
Zuflußgerinne über dem Rade, während bei dem französischen Kreisel das Wasser den
beengten Raum des Schützenringes nicht ohne Contraction Passiren und dann noch seine
senkrechte Richtung in die waagerechte ändern muß.
2) Der im Rade wirkende Wasserstrahl ist hier stets in seine gehörige Gränze
eingeschlossen und äußert seine Kräfte ungeändert, das Rad mag über oder unter
Wasser gehen. Man behält daher die Wirkung der vollen Druckhöhe, während bei dem
französischen Kreisel ein Theil derselben – vom Schwerpunkt der
Ausströmöffnung bis auf den Unterwasserspiegel – offenbar verloren geht, da
man das Rad nicht tauchen lassen darf. Die Form der Zelle zwischen je zwei Schaufeln
des Fourneyron'schen Rades ist nämlich nur auf einer
Seite zweckmäßig gestaltet, im Ganzen aber weit entfernt, sich der natürlichen Form
des Wasserstrahls überall anzuschmiegen. Läuft nun das Rad über dem Wasser, so verfolgt der Strahl
die Curve der Schaufel, ohne von dem überflüssigen Raume Notiz zu nehmen. Geht aber
das Rad getaucht, so füllt sich aller überflüssiger Raum mit todtem Wasser, der
Strahl vermischt sich damit, wird verlangsamt, und indem dieß geschieht, verwendet
er sein Beharrungsvermögen zu einer Saugung (negativen Rückwirkung), womit er die
Rückwand nach sich zieht und so den Effect vermindert, wie nicht nur aus unsern
directen Versuchen hervorgeht, sondern auch schon aus Venturi's Versuchen über die vortheilhafte Erweiterung der Ausmündung der
Wasserröhren gefolgert werden kann.
Es geht also auch hieraus ein Vorzug unseres Kreisels hervor, der noch dadurch erhöht
wird, daß der nach unten wirkende Wasserstrahl den Umfang des Schaufelkranzes und
somit den Widerstand im Wasser nicht vergrößert.
3) Aus demselben Grunde hat auch das oft eintretende Stauwasser hier keinen, bei der
früheren Einrichtung dagegen einen nachtheiligen Einfluß.
4) Dieser Kreisel läuft nicht – wie es bei seiner Einschließung zu seyn
scheint – im Wasser, sondern ohne an der Fallhöhe etwas zu verlieren, in
einem gerade so viel als nöthig mit Luft gefüllten Raume.
5) Die Schützenvorrichtung ist bei unserem Rade zwar doppelt, dagegen aber auch die
Rollschütze zur Bedeckung eines Theils der Einflußschaufeln so sehr leicht
beweglich, daß man sie leichter, als bei irgend einem andern Wasserrade mit einem
Regulator verbinden kann, was in Fällen, wo eine ununterbrochene Gleichförmigkeit
der Bewegung erforderlich ist, willkommen seyn wird.
Aber auch ohne Regulator gewährt diese Rollschütze denselben Vortheil, wie die des
Hrn. Fourneyron – daß nämlich zur Ingangsetzung
der Maschine oder zur Verhütung augenblicklicher Stockungen bei zufälligen
Hindernissen die einströmende Wassermenge für den Augenblick vergrößert werden
kann.
Sie hat dabei den Vorzug nicht nur der leichteren Bewegung mittelst einer Schnur,
sondern besonders noch den, daß sie sich nicht festklemmen kann, wie die vielen
einzelnen, sich zwischen die Leitcurve passend einschiebenden Holzstücke der
französischen Schütze.
6) Das Gehäuse der Maschine steht fest auf dem Grunde, hängt nicht wie die
französische Maschine am Gerinnboden, und dieser bedarf daher auch nicht der
sorgfältigen Stützung durch Hängewerke etc.
7) Aus denselben Gründen bleibt auch die Bewegung unseres Rades dauernder
concentrisch, während bei dem französischen Kreisel, wo der eine Theil am
Gerinnboden hängt, die Pfanne der stehenden Welle aber auf dem Fundamente steht,
leicht nachtheilige Verrückungen vorkommen können.
8) Ein und dasselbe Rad kann bloß durch Verlängerung des Gehäuses zu einem höheren
oder niedrigeren Wassergefälle gebraucht werden, ohne an der hier sehr kurzen und
leichten stehenden Welle oder an dem Schützwerk das Mindeste zu verändern; endlich
aber
9) dürfte ein sehr wesentlicher Vorzug des oberschlächtigen Kreisels darin bestehen,
daß die beweglichen Theile zu Tage liegen und folglich Revision, Reparatur und
Reinigung mit aller Bequemlichkeit im Trocknen und bei Tageslicht vollzogen werden
können, während ein geschickter Arbeiter davor schaudert, wenn er bei jeder kleinen
Correctur in den nassen und dunklen Raum unter dem Gerinnboden hinabkriechen oder
gar im Wasser selbst arbeiten muß, wie dieses bei der französischen Einrichtung zum
Nachtheil der sorgfältigen Erhaltung doch nicht zu vermeiden steht.
Besonders nachtheilig zeigen sich diese Schwierigkeiten bei hohen Wassergefällen,
wogegen unsere Construction selbst da noch alle Vortheile gewährt, wo der
atmosphärische Druck nicht mehr hinreicht, die hängende Wassersäule zu tragen, und
wo man daher nur einen Theil derselben hängend, den andern drückend anbringen muß.
Immer erzielt man dabei den nicht unwichtigen Vortheil, die Maschine höher und
zukommlicher aufzustellen, auch keiner langen Welle zu bedürfen, welche wegen ihrer
Schwingungen und ihres Gewichtes in vielen Fällen ganz unausführbar seyn würde.
Es geht aus dieser Vergleichung hervor, daß unsere Erfindung nicht in einer einzelnen
Verbesserung des Fourneyron'schen Kreisels (dessen Werth
für die Anregung der Sache wir übrigens nicht verkennen), sondern in einer ganz
neuen, die wichtigsten Vortheile vereinigenden, bereits von uns erprobten
Construction besteht, die nicht mehr kostet, als der französische Kreisel, und deren
Anwendung für alle solche Gewerbe, die jetzt mit schwerfälligen Wasserrädern
betrieben werden, den reichsten Gewinn darbietet.
In der Ueberzeugung daher, durch unsere kostspieligen Versuche ein nützliches
Resultat errungen zu haben, wagen wir es, kurfürstliches Ministerium des Innern
unterthänig zu bitten:
uns ein Patent auf 10 Jahre auf die Erfindung des oberschlächtigen
Kreiselrades gnädig,
und wenn wir weiter unterthänig bitten dürfen:
so bald, als nur immer möglich, zu ertheilen,
da mehrere Ausführungen hierauf beruhen, die noch vor Winter
zu Stande kommen müssen, wenn nicht große Nachtheile für die Besteller und uns
entstehen sollen.
Mit größtem Vertrauen sehen wir der gnädigen Erfüllung unserer unterthänigen Bitte
entgegen und beharren in tiefster Verehrung
kurfürstlichem Ministerium des
Innernunterthänigste Henschel und Sohn.
Im August 1837.