Titel: | Ueber die Vertheilung der stickstoffhaltigen Substanzen in den verschiedenen Theilen der Runkelrübe; von Hrn. Isidor Pierre. |
Fundstelle: | Band 141, Jahrgang 1856, Nr. LXXI., S. 310 |
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LXXI.
Ueber die Vertheilung der stickstoffhaltigen
Substanzen in den verschiedenen Theilen der Runkelrübe; von Hrn. Isidor Pierre.
Aus den Comptes rendus, April 1856, Nr.
16.
Pierre, über die Vertheilung der stickstoffhaltigen Substanzen in
den verschiedenen Theilen der Runkelrübe.
Der Anbau der Runkelrübe zum Behuf der Zuckergewinnung und Weingeistfabrication ist
noch sehr beschränkt, während er sich für die Anwendung dieser Wurzel als Futter für
die Milchkühe, seit zwanzig Jahren viel mehr verbreitet hat.
Während der Werth der Runkelrübe als Viehfutter von Niemand bestritten wird, findet
sich bei den Landwirthen hinsichtlich der Blätter dieser Wurzel nicht dieselbe
Einstimmigkeit. Mathieu de Dombasle verwirft deren
Anwendung, ohne sie versucht zu haben.Annales de Roville, t. V p. 498.
Boussingault fand in der Feldrübe:
Blätter.
Wurzeln.
Trockene SubstanzWasser
11,1488,86
Proc.
12,287,8
Proc.
Stickstoff in 100 Th. trockener
Substanz
4,5
1,65
Stickstoff im frischen Zustand
0,5
0,20
Payen und Richard haben in
ihrem Traité d'Agriculture t. II p. 29 ebenfalls die Analyse der schlesischen weißen und
der rothen Zuckerrunkelrüben gegeben; man findet hier folgende Zahlen:
Schlesische
weiße Runkelrübe
RotheZuckerrübe.
Trockene SubstanzWasser
16,084,0
Proc.
18,082,0
Proc.
Stickstoff in 100 Th. der trockenen
Substanz
1,56
2,50
Stickstoff in 100 Th. der frischen
Substanz
0,25
0,45
Die Zucker- und Weingeist-Fabrikanten gaben bisher jenen Varietäten der
Runkelrübe den Vorzug, deren Wurzel beinahe ganz unter dem Boden bleibt, während die
Landwirthe, welche Runkelrüben nur als Viehfutter anbauen, die großen Varietäten
vorziehen, die zum Theil über den Boden herausragen.
Diese Bevorzugung veranlaßte mich zu untersuchen, ob ein merklicher Unterschied bei
einer und derselben Wurzel zwischen dem im Boden steckenden und dem darüber
herausreichenden Theil bestehe, ob dieser Unterschied bei allen
Runkelrüben-Varietäten sich kundgibt, und ob das Abblättern in dieser
Hinsicht einen merklichen Einfluß äußert.
Meine Untersuchung erstreckte sich auf folgende vier Rübenvarietäten: 1) schlesische
Runkelrübe, weiß mit grünem Hals; 2) gelbe lange Runkelrübe; 3) gelbe runde
Runkelrübe; 4) rothe runde Runkelrübe; 5) weiße runde, oder deutsche flache
Runkelrübe.
Alle diese Rüben waren auf demselben Felde, unter gleichen Umständen der Pflege und
vorausgehender Culturen gewachsen; die einen waren vor dem Ausziehen niemals, die
anderen einmal oder mehrmals, mehr oder weniger vollständig, abgeblättert
worden.
Hr. Manoury fand für das Erträgniß an Blättern oder
Wurzeln, per Hektare berechnet, folgende Zahlen:
Wurzeln.
weiße schlesische Runkelrüben mit grünem
Hals
85000 Kil.
gelbe runde Runkelrübe.
75000 „
Feldrunkelrübe (das Mittel mehrerer
Varietäten)
54000 „
rothe runde Runkelrübe
47800 „
gelbe lange Runkelrübe
45800 „
deutsche flache Runkelrübe
35000 „
Blätter. – Resultat zweier
oder dreier Abblätterungen.
Weiße schlesische Runkelrüben
240
bis
250 Cntr.
oder
24500 Kil.
gelbe runde Runkelrüben
190
„
200 „
„
19500 „
Feldrunkelrübe (Mittel mehrerer
Variet.)
160
„
200 „
„
18000 „
gelbe lange Runkelrübe
160
„
180 „
„
17000 „
rothe runde Runkelrübe
130
„
140 „
„
13500 „
deutsche flache Runkelrübe
130
„
140 „
„
13500 „
Dieses Erträgniß übertrifft, was die Feldrübe anbelangt, bei weitem das von Hrn. Boussingault zu Bechelbronn erhaltene; man muß aber
berücksichtigen, daß die Düngung hier eine stärkere ist als in Bechelbronn. Bei
vorstehenden Resultaten ist es begreiflich, daß der Anbau der zwei ersten Sorten,
der weißen schlesischen mit grünem Hals und der gelben runden, als Futtergewächse um
sich greift; denn einerseits ihr Erträgniß und andererseits die Masse wirklichen
Futters welche sie repräsentiren, gleichen den Vortheil mehr als aus, welchen einige
andere Varietäten, wie z.B. die gelbe lange, hinsichtlich ihres größeren Werths als
Nahrungsmittel bei gleichem Gewicht gewähren können.
Die vorstehenden Ziffern, welche übrigens nur als örtliche Annäherungen zu betrachten
sind, zeigen auch, daß man mit Düngungen von 20 bis 30000 Kilogr. Stalldünger per Hektare, auf solche Erträgnisse nicht rechnen
dürfte.
Man begreift auch, daß eine Ernte von Blättern, welche per Hektare das Aequivalent von 3 bis 4000, ja selbst 4500 Kilogr.
gewöhnlichen welken
Futters von 20 Proc. Wassergehalt repräsentirt, die Beachtung der Landwirthe wohl
verdient.
Es bleibt nun noch der schwierige Theil der Frage zu erörtern, welcher die Vortheile
und Nachtheile der Abblätterung vor dem Ernten der Wurzeln betrifft.
Viele Ackerbauverständige empfehlen, wie Hr. Gasparin, nur
die untern Blätter, welche gelb zu werden beginnen, wegzunehmen, und tadeln ein zu
reichliches Abblättern. Diese Ansicht gründet sich vorzüglich auf Hrn. Schwertz's Resultate, wornach, wenn der Ertrag der nicht
abgeblätterten Runkelrüben mit 925 Kil. bezeichnet wird, die bloß einmal
abgeblätterten 859, und die zweimal abgeblätterten nur 589 ertrugen.
So gerne ich nun den Arbeiten dieses deutschen Landwirthes Gerechtigkeit widerfahren
lasse, glaube ich doch nach dem, was ich bei Hrn. Manoury
gesehen habe, daß das mehrmals wiederholte Abblättern das Erträgniß an Wurzeln nicht
immer um zwei Fünftel verringert, wie Schwertz angibt;
denn zwei- bis dreimaliges starkes Abblättern schien das Erträgniß an
Runkelrüben zu Ebisey im J. 1855 nicht merklich zu vermindern; und wenn man beim
Ausziehen derselben, nach Entfernung aller Blätter, auf den ersten Blick hätte
wählen sollen zwischen jenen die nie, und jenen die mehrmals abgeblättert worden
waren, so hätte man sich oft getäuscht, so unbedeutend war der Unterschied.
Auch geht aus den Analysen hervor, daß die mehr oder weniger oft wiederholte
Abblätterung den Gehalt der Wurzeln an stickstoffhaltiger Materie nicht merklich zu
verändern scheint. Daß dieß auch in einem minder fruchtbaren Boden, ja selbst in
einem und demselben Boden in verschiedenen Jahrgängen, stets der Fall ist, wage ich
nicht zu behaupten.
In den meisten Gegenden wo das Abblättern der Rübe gebräuchlich geworden ist, sehen
wir fast stets die Wurzel nicht nur der unteren, sondern auch der etwas größeren
mittleren Blätter größtentheils beraubt, wodurch man nicht bloß mehr Futter gewinnt,
sondern auch die Qualität desselben verbessert wird. Manoury's Beobachtung über den geringen Einfluß der Abblätterung auf das
Erträgniß an Rüben wurde auch anderweitig gemacht. Es dürfte von Interesse seyn,
diese Frage von neuem unter verschiedenen Umständen zu untersuchen, um den
wirklichen Einfluß der Abblätterung auf die Rübenernten und die im gleichen Boden
auf sie folgenden Ernten zu bestimmen; denn diese Abblätterung, sey es nun eine
einzige oder mehrfache, kann ja zur Erschöpfung des Bodens in einem Verhältniß
beitragen, welches bestimmt zu werden verdient. Endlich sollte auch der Einfluß der
Abblätterungsweise auf den Gesammtertrag an Blättern ermittelt werden.