| Titel: | Versuche mit dem nach dem Bessemer'schen Verfahren dargestellten Stabeisen. | 
| Fundstelle: | Band 141, Jahrgang 1856, Nr. XCVI., S. 430 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XCVI.
                        Versuche mit dem nach dem Bessemer'schen Verfahren
                           dargestellten Stabeisen.
                        Aus dem Mining Journal, Nr. 1099, vom 13. Sept.
                              1856.
                        Versuche mit dem nach dem Bessemer'schen Verfahren dargestellten
                           Stabeisen.
                        
                     
                        
                           Hinsichtlich des vorstehend beschriebenen, von Bessemer
                              erfundenen Verfahrens zur Stabeisenfabrication wird es unseren Lesern erwünscht
                              seyn, die hauptsächlichsten Resultate der Versuche zu erfahren, welche mit dem so
                              dargestellten Eisen in dem königl. Arsenal zu Woolwich angestellt wurden.
                           Mechanische Proben. – 1) Eine Eisenmasse von
                              ungefähr 15 Zoll Länge und 6 1/2 Zoll im Quadrat Stärke, aus Roheisen von der
                              Blaenavonhütte in Wales nach dem neuen Proceß erzeugt und in eine gußeiserne Form
                              gegossen, wurde in einem Schweißfeuer angewärmt und mittelst eines Nasmyth'schen Hammers von 20 Ctr. Gewicht zu einem Kolben
                              ausgeschmiedet. Der Bruch der aus dem Einguß genommenen Eisenmasse vor dem
                              Ausschweißen war krystallinisch, porös und glänzend.
                           
                           2) Dieser Kolben verarbeitete sich hart und starr, und gelangte zwischen Walzen, wo
                              er zu einem 5 Zoll breiten und 2 Zoll starken Stab ausgestreckt wurde. Noch warm
                              wurde er mittelst der Schere auf etwa ein Drittel seiner Stärke eingeschnitten und
                              dann zerbrochen. Ein anderer Theil desselben Kolbens wurde mittelst des erwähnten
                              Hammers zu einem Stabe von 1 Zoll im Quadrat ausgereckt und derselbe ergab, warm
                              zerschnitten, dasselbe Resultat.
                           3) Im kalten Zustande wurde der zuerst erwähnte, zuvörderst geschmiedete und dann
                              ausgewalzte Stab ringsherum mit einem Einschnitt versehen und dann mittelst eines
                              Hammerschlags zerbrochen. Der Bruch war rein und blätterig, als wenn die Krystalle
                              durch den Druck breit gequetscht worden wären; von Faden oder Nerv keine Spur.
                           4) Die beiden Theile des zerbrochenen Stabes wurden zusammengelegt, ausgeschweißt und
                              in einen runden Stab von 1 Zoll Stärke ausgeschmiedet. Derselbe wurde ringsum
                              eingeschnitten und mit einem Hammerschlage zerbrochen; der Bruch war rein, nicht
                              fadig, und es war das erste kristallinische Ansehen gewissermaßen wieder
                              hergestellt, indem die Krystalle durch Schmieden wieder in eine Richtung zurück
                              gebracht worden waren, welche der ersten entgegenstand.
                           5) Die beiden Theile wurden zusammengelegt, ausgeschweißt und zu denselben
                              Dimensionen ausgeschmiedet; es wurde dann auf der einen Seite ein Einschnitt
                              gemacht, der Stab durch einen Schlag zerbrochen, worauf man dieselben Resultate
                              erhielt. Man machte von den Bruchenden Eindrücke in Blei und die mit einander
                              verglichenen Bruchflächen zeigten gleiches Ansehen; ein Faden zeigte sich auch hier
                              nicht.
                           6) Einer von den Theilen des zuletzt zerbrochenen Stabes wurde rund abgedreht und
                              dann seine Festigkeit in der Maschine probirt. Ein Theil des Bruchs hatte ein
                              oxydirtes Ansehen, und dieser gab zuerst und ohne sichtliche Verlängerung nach. Das
                              Eisen zeigte sich hart und steif beim Schmieden, ließ sich aber gut und leicht auf
                              der Drehbank bearbeiten.
                           Der Durchmesser der in der nachstehenden Tabelle aufgeführten Stücke betrug am Bruch
                              0,6 Zoll.
                           Das in der Tabelle angegebene zerreißende Gewicht ist, mit Ausnahme des Bessemer'schen Eisens, das mittlere von zwei Versuchen;
                              mit letzterm konnte nur ein Versuch angestellt werden.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 141, S. 404
                              
                           Chemische Analyse. – Aus einem Theile des Zaines,
                              aus welchem der oben erwähnte Kolben dargestellt worden war, wurde ein Stückchen aus
                              dem festen und dichten Innern, ohne alle Blasenräume, Risse und Oxydtheilchen
                              herausgenommen und untersucht. Es ließ sich weder Silicium, noch Graphit
                              (ungebundener Kohlenstoff) nachweisen. Von gebundener Kohle fand man nur 0,3 Proc.,
                              von Phosphor 0,44 Proc. und von Schwefel 0,056 Procent. Ein ähnliches Resultat wurde
                              mehrere Monate früher bei einem Stück erhalten, welches aus einer andern
                              Roheisensorte durch den Bessemer'schen Proceß dargestellt
                              worden war. Das Eisen von der Blaenavonhütte ist im Allgemeinen verhältnißmäßig frei
                              von den erwähnten Verunreinigungen. – Zur Vergleichung wurde von einem Haufen
                              Blaenavon-Roheisen, aufs Gerathewohl ein Stück entnommen, welches bei der
                              Untersuchung 0,48 Proc. Phosphor und 0,062 Proc. Schwefel ergab.
                           Es scheint demnach, daß, während die ungebundene Kohle und das ungebundene Silicium
                              bei dem neuen Proceß durch Oxydation vollständig abgeschieden worden sind, die
                              vollständige Entfernung der gebundenen Kohle weit schwieriger ist, Phosphor und
                              Schwefel aber nur wenig angegriffen werden. Wenn letztere in sehr geringen Mengen
                              mit dem Eisen verbunden vorkommen, werden sie sich daher nur langsam oxydiren lassen
                              und eine längere Behandlung desselben erfordern.
                           
                           Es entstehen hier Fragen, deren Beantwortung viele Versuche und Erfahrungen
                              voraussetzt.
                           Nach des deutschen Referenten Ansicht dürfte die nächste aus obigen Versuchen zu
                              ziehende Folgerung die seyn, daß die beste, zu dem Bessemer'schen Proceß anwendbare Roheisensorte ein von Silicium, Phosphor
                              und Schwefel möglichst freies, recht graues und hitziges Kohksroheisen mit dem
                              Minimum von gebundenem Kohlenstoff ist, dessen Zusammensetzung sich derjenigen des
                              Achtelkohleneisens, welches nur 2,63 Procent Kohlenstoff enthält, nähert.
                           Die neuesten Nummern 1099 und 1100 des Mining Journal
                              enthalten über die Bessemer'sche Erfindung mehrere
                              Artikel, welche ganz entgegengesetzte Meinungen aussprechen. Referent ist der
                              Ansicht, daß. das neue Verfahren den Frischproceß durchaus nicht entbehrlich macht,
                              daß man aber auf diese Weise im Stande seyn wird eine Menge von Gegenständen,
                              namentlich der Messer- und Zeugschmiederei, der Büchsenmacherei oder
                              Gewehrfabrication, und des Maschinenbaues zu gießen, welche sich dann auf der
                              Drehbank, mit der Hobel-, Feil-, Fräs- und Nuthstoßmaschine,
                              weit leichter als gußeiserne bearbeiten, sich auch schweißen und schmieden lassen
                              werden. Es dürften in der Folge nach dem neuen Proceß die vielen Artikel hergestellt
                              werden, welche man jetzt aus weich gemachtem oder getempertem Gußeisen verfertigt.
                              – Dieser Meinung waren auch die Messerschmiedmeister zu Sheffield, auf ihrer
                              letzten Versammlung, am 12. September, zu welcher Hr. Bessemer eingeladen wurde.
                           Referent hofft, daß auch in Deutschland bald Versuche mit dem neuen Proceß gemacht
                              und veröffentlicht werden. In dem für das Eisenhüttengewerbe so wichtigen Westphalen
                              scheint Aussicht dazu zu seyn; in dem technischen Verein, welcher am 3. September
                              eine Versammlung zu Hagen hielt, bildete nämlich der Bessemer'sche Proceß den Hauptgegenstand der Vorträge und Verhandlungen,
                              und mehrere Eisenhüttenbesitzer erklärten sich bereit Versuche anzustellen. Nur auf
                              diese Weise können wir über fragliche Erfindung bald ins Reine kommen.
                           
                              H.