Titel: | Ueber Zündrequisiten; von Dr. J. R. Wagner, königl. Universitäts-Professor in Würzburg. |
Fundstelle: | Band 141, Jahrgang 1856, Nr. CII., S. 450 |
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CII.
Ueber Zündrequisiten; von Dr. J. R. Wagner, königl.
Universitäts-Professor in Würzburg.
Aus des VerfassersJahresbericht über die Fortschritte der
chemischen Technologie für 1855, Leipzig 1856.
Wagner, über Zündrequisiten.
Jahrhunderte lang erschienen Stahl, Feuerstein und Zunder unersetzlich zur Erzeugung
von Feuer, bis ein einfach in geschmolzenen Schwefel getauchter Baumwollfaden und
das Schwefelholz zur Uebertragung des Feuers aufkamen und an diese Stelle jene
einfachen Feuerzeuge traten. Die neuere Industrie hat sich nun mit überraschendem
Erfolge einiger der Chemie angehörigen Thatsachen bemächtigt und dadurch einen
Erwerbzweig geschaffen, welcher, obgleich schon auf hoher Stufe der Ausbildung
stehend, von Tag zu Tag sich mehr entwickelt und ausbreitet.
Die herkömmlichen Schwefelhölzchen mußten zu einer sorgfältigeren Darstellungsart
sich bequemen, als auf der einen Seite neben dem Schwefel oder an dessen Stelle der
Gebrauch kostspieliger Zündstoffe aufkam, mit welchen die erforderliche Sparsamkeit
nur bei sehr dünnen Hölzchen ermöglicht war, auf der andern Seite das Zündhölzchen
einen Platz auch außerhalb der Küche, ja schließlich in den elegantesten Wohnzimmern
eroberte, wo es nach und nach, vielleicht mit alleiniger Ausnahme der zierlichen und
kostspieligen Platinfeuerzeuge, alle übrigen Feuererzeugungsapparate verdrängt
hat.
Die Umwälzung begann mit der Einführung der sogenannten chemischen Feuerzeuge, den bekannten mit Asbest gefüllten Fläschchen,
deren Inhalt mit concentrirter Schwefelsäure getränkt, und den Tauch- oder
Tunkhölzchen, deren Schwefelende mit einem Gemenge von chlorsaurem Kali, Schwefel,
Gummi, Zinnober u.s.w. überzogen war; und ist durch die Benutzung des Phosphors und
die Erfindung der Reibzündhölzchen vollendet worden. Die
Geschichte dieser überaus wichtigen Erfindung, obgleich mit der jetzt lebenden
Generation herangewachsen, ist leider verwischt; das ist um so mehr zu bedauern, als
– wie Karmarsch treffend bemerkt – die
Geschichte der Industrie künftig mit Recht ein Capitel in der Weltgeschichte zu
beanspruchen hat.
Welchen Einfluß die Zurückführung eines Gewerbes, und sey es auch des
unscheinbarsten, auf die Principien der Chemie und Mechanik auf seine Entfaltung
auszuüben vermag, das sieht man deutlich an dem Aufschwung, welchen die
Zündholzfabrication genommen hat. Es ist noch kein Menschenalter verflossen seit jener Zeit, wo der
erwähnte Industriezweig der geringsten einer war, und zwar so, daß der
Schwefelholzkrämer das Urbild eines industriellen Proletariers abgab. Gegenwärtig
sehen wir die nämliche Industrie in der Gesammtindustrie Deutschlands einen Rang
einnehmen und mit Productionsquanten auftreten, welche nur in den riesigen
Productionsverhältnissen Großbritanniens ihres Gleichen finden.
Den Fortschritten der Mechanik verdankt die Zündholzfabrication die Construction
sinnreicher Maschinen zum Aushobeln und Spalten der Hölzchen, den Fortschritten der
Chemie dagegen die Herstellung einer geeigneten Zündmasse. Hat es auch den Anschein,
als sey in Betreff der Spaltmaschinen das Möglichste geleistet, so gilt nicht
dasselbe von der Zündmasse, die in den meisten Fällen noch viel zu wünschen übrig
läßt.
Es war dem Verfasser als Jurymitglied der X. Gruppe der Münchener Ausstellung des
Jahres 1854 Gelegenheit geboten, die Fabricationsmethoden der wichtigsten
österreichischen und zollvereinsländischen Zündholzfabriken, nebst den schwachen
Stellen derselben, kennen zu lernen, er fand dadurch Veranlassung, Versuche über
Zündholzmassen im Großen anstellen zu lassen, und theilt im Folgenden im Auszuge
dasjenige, was er, ohne das Interesse einer Fabrik zu beeinträchtigen,
veröffentlichen kann, mit:
Die Zündmasse besteht bekanntlich aus Phosphor, Metalloxyd,
Salpeter und einem Bindemittel.
Um eine gute Masse zu erzeugen, ist es unerläßlich, daß der Phosphor in der rechten
Menge vorhanden sey. Zu viel Phosphor ist ebenso nachtheilig, als eine zu geringe
Quantität. Zahlreiche Proben von Zündrequisiten, die dem Verfasser zu Gesicht kamen,
zeigten sich deßhalb fehlerhaft, weil sie zu viel
Phosphor enthielten. Es wurden ihm Vorschriften von Zündmassen mitgetheilt, in
welchen der Phosphor bis zu 25 Proc. enthalten war.
Abgesehen von dem Umstande, das der zu große Phosphorgehalt die Zündmasse unnöthig
vertheuert, macht er sie auch in einzelnen Fällen vollständig zum Entzünden des
Schwefels oder der Stearinsäure und folglich auch des Hölzchens oder der Wachskerze
untauglich. Der Grund davon ist leicht zu finden; die durch die Verbrennung des
Phosphors sich bildende Phosphorsäure setzt sich an den zu entzündenden Theilchen ab
und bedeckt diese mit einem zarten glasartigen Ueberzuge, der genau so wie eine
Wasserglasschicht das Ausbrechen in Flamme verhindert. Das beste Verhältniß scheint
1/10 bis 1/12 Phosphor zu seyn, vorausgesetzt, daß man die Masse auf die gewöhnliche
Art durch Schmelzen des Phosphors in Leimlösung u.s.w. darstellt.
Eine weit geringere Quantität Phosphor ist jedoch zur Erzielung einer
zweckentsprechenden Zündmasse ausreichend, wenn man die Herstellung der Masse
abändert. Man wird mit einer gewissen Quantität Phosphor eine um so größere Wirkung
hervorbringen, je feiner man den Phosphor zertheilt, da bekanntlich die
Entzündlichkeit des Phosphors mit seiner Zertheilung wächst. Eine Lösung von
Phosphor in Schwefelkohlenstoff hinterläßt ja den Phosphor nach dem Verdunsten des
Schwefelkohlenstoffs dergestalt zertheilt, daß er sich von selbst an der Luft
entzündet. Ist dieser fein zertheilte Phosphor aber mit einer Leimlösung gemischt,
so entzündet er sich nach dem Trocknen der Masse zwar nicht mehr von selbst,
ertheilt aber derselben eine außerordentliche Entzündlichkeit. Bei der
Leichtlöslichkeit des Phosphors in Schwefelkohlenstoff und dem billigen Preise des
letzteren ist die Anwendung des Schwefelkohlenstoffs in der Zündholzfabrication
selbst dann noch möglich, wenn man die Dämpfe des Schwefelkohlenstoffs verloren
gibt.
Mit der Benutzung der Lösung des Phosphors in Schwefelkohlenstoff ist außerdem noch
der Vortheil verknüpft, daß man kalt arbeiten kann, indem
man die Lösung einfach in die aus Salpeter, Metalloxyd, Bindemittel und kaltem
Wasser bestehende Mischung einzurühren braucht. Daß die Anwendung der
Schwefelkohlenstofflösung wegen ihrer Feuergefährlichkeit und des vielleicht
nachtheiligen Einflusses der Schwefelkohlenstoffdämpfe auf die Gesundheit der
Arbeiter die größte Vorsicht erheischt, braucht wohl kaum bemerkt zu werden.
Fabrikanten, welche die Brauchbarkeit des vorgeschlagenen Verfahrens prüfen wollen
und Salpeter, Bleisuperoxyd und Leim anzuwenden Pflegen, sey folgende Vorschrift
empfohlen:
8
Gewichtstheile
Phosphor in Schwefelkohlenstoff gelöst,
21
„ „
Leim,
24
„ „
Bleisuperoxyd,
24
„ „
Salpeter.
Außer dem Phosphor ist auch das zuzusetzende Metalloxyd
für die Qualität der herzustellenden Zündmasse von Wichtigkeit; das Metalloxyd soll
einfach durch Sauerstoffabgabe, nicht die Entzündlichkeit des Phosphors erhöhen,
sondern das Fortbrennen der entzündeten Masse befördern. Früher benutzte man
allgemein Mennige, dann ein Gemenge von Mennige mit Braunstein. In neuerer Zeit
scheint man dem Bleisuperoxyd den Vorzug zu geben, wiewohl ohne allen Grund.
Bleisuperoxyd
enthält
13,38
Proc.
Sauerstoff,
Braunstein
„
36,7
„
„
Mennige
„
8,8–9
„
„
Bleisuperoxyd ist das theuerste, Braunstein das wohlfeilste Metalloxyd und auch das
sauerstoffreichste: Grund genug, das Bleisuperoxyd zu verlassen und anstatt dessen
wieder zu dem Braunsteine zurückzukehren, welchem man zweckmäßig durch Mischen mit
Mennige die jetzt beliebte braune Farbe des Bleisuperoxydes gibt.
Der zu der Zündmasse gesetzte Salpeter soll auch nur durch
Sauerstoffabgabe das Fortbrennen und Uebertragen des Feuers auf das Hölzchen
befördern. Früher benutzte man chlorsaures Kali; das geräuschvolle Verbrennen und
das Umherschleudern der brennenden Masse waren die Ursache, daß man auf den Gebrauch
dieses Salzes längst verzichtete.
Da bei dem Salpeter nur die Salpetersäure, nicht aber das theure Kali in Betracht
kommt, so wäre es wünschenswerth, wenn der Salpeter ersetzt werden könnte. Verf.
möchte zu Versuchen den Barytsalpeter vorschlagen.
Zweifach-chromsaures Kali, welches ein Fabrikant anstatt des Salpeters
angewendet haben soll, ist zu kostspielig und steht an Wirkung dem Salpeter auf alle
Fälle nach (Salpeter enthält 47,4 Procent Sauerstoff zweifach-chromsaures
Kali nur 37 Procent). Es ist hierbei vielleicht die Bemerkung nicht überflüssig, daß
nur solche sauerstoffabgebende Salze zur Darstellung der Zündmasse Anwendung finden
können, die wie der Kali- und Barytsalpeter ohne
Krystallwasser krystallisiren. Salpetersaures Bleioxyd ist deßhalb
verwerflich, weil es zur Bildung von Phosphorblei Veranlassung gibt.
Der amorphe Phosphor eignet sich bei Weitem nicht so gut
zur Darstellung der Zündmasse, als der gewöhnliche Phosphor, da er in größerer Menge
der Masse zugesetzt werden muß. Der Grund davon liegt einfach in dem Verhalten der
beiden Modificationen in der Wärme; der gewöhnliche Phosphor entzündet sich, sobald
durch Reibung eine Temperatur von 75° C. erreicht ist, der amorphe Phosphor
dagegen muß, ehe er sich entzünden kann, erst wieder in gewöhnlichen Phosphor
übergehen und dazu ist eine Temperatur von etwa 300° C. erforderlich.
Die sogenannten Antiphosphorfeuerzeuge, welche neuerdings
von Nürnberg aus verschickt und ihrer geringeren Feuergefährlichkeit wegen von der
sächsischen Staatsregierung empfohlen worden sind, enthalten ebenfalls amorphen
Phosphor. Nur befindet sich derselbe nicht in der Zündmasse der Hölzchen, sondern
mit Sand und Metalloxyden gemischt auf diejenige Fläche aufgetragen, auf welche das
Hölzchen, dessen Ende mit der Masse den ehemals üblichen Tauchhölzchen überzogen
ist, gerieben werden soll. Diese Feuerzeuge bestehen demnach aus zwei Theilen, dem
Streichhölzchen, das
für sich allein zum Feuermachen unbrauchbar ist, und der mit Phosphor präparirten
Streichfläche. Ungeachtet der hohen Protection, deren diese Feuerzeuge sich
erfreuen, werden dieselben keinen Eingang finden, geschweige denn die gewöhnlichen
Streichhölzchen verdrängen können.