Titel: | Ueber die Abnahme des Farbstoffgehalts im Avignon-Krapp; vom Grafen Gasparin. |
Fundstelle: | Band 141, Jahrgang 1856, Nr. CIV., S. 458 |
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CIV.
Ueber die Abnahme des Farbstoffgehalts im
Avignon-Krapp; vom Grafen Gasparin.
Aus den Comptes rendus, Mai 1856, Nr.
18.
Gasparin, über die Abnahme des Farbstoffgehalls im
Avignon-Krapp.
Der in der Gegend von Avignon (Dpt. de Vaucluse) in dem
Terrain de Paluds, der ehemaligen Sumpfgegend der
Sorgue, gebaute Krapp war immer als der farbstoffreichste bekannt; nach dem Zeugniß
der unterrichtetsten Fabrikanten hat aber das Färbevermögen dieses Krapps seit
dreißig Jahren nach und nach um 25 Proc. abgenommen.
Während diese Verschlechterung desselben eintrat, bezog man aus Kleinasien Krapp der
sich stets gleich blieb, und selbst der in anderen Bezirken Frankreichs gebaute
Krapp behielt seine Güte. Was ist also in jener Sumpfgegend vorgegangen, daß die
Wurzel dort verderben konnte? Wurde die Cultur vernachlässigt, hatte man den Dünger
gespart oder denselben geändert?
Was die Cultur anbelangt, so wurde sie in allen Beziehungen verbessert. Der Dünger
wurde in größerer Menge als früher und zwar Oelpreßkuchen zugleich mit dem
Stalldünger in Anwendung gebracht; die Landwirthe aber, welche sich fortwährend bloß
des Stalldüngers bedient hatten, sahen ihr Product ebenso an Qualität abnehmen, wie
jene, welche ihm Preßkuchen zusetzten und jene, welche sich dieses letztern allein
bedienten.
In der Paludgegend ist durch das sehr lockere Erdreich die kostspielige Arbeit des
Tiefumgrabens, um die Wurzel zu erreichen, ungemein erleichtert, daher das Product
mit geringern Kosten gewonnen wird, als in festem Erdreich. Dadurch wurde man veranlaßt, diese Cultur
möglichst oft zu wiederholen, den Krapp öfters nach einander oder nur nach sehr
kurzen Zwischenzeiten auf demselben Felde wieder anzubauen. Dadurch unterscheidet
sich die Cultur in der Paludgegend von der gewöhnlichen; da nun die Verminderung des
Farbstoffgehalts sich auch bei gewöhnlichem Boden in dem Falle bemerkbar macht, wenn
der Krapp oft nach einander angebaut wird, dieselbe hingegen auf neu angebautem
Boden sich nicht zeigt, so muß man schließen, daß die nach einander wiederholten
Culturen die Ursache des beklagten Uebels sind.
Es ist sonach eine wahre Erschöpfung des Bodens, welcher die Abnahme des
Farbstoffgehalts der Krappwurzel zugeschrieben werden muß. An welcher Substanz wird
aber der Boden erschöpft? Weder Kohlenstoff noch Stickstoff fehlen einem reichlich
gedüngten Boden; auch der Sauerstoff kann in einem so lockern Boden, worin die Luft
leicht circulirt, nicht fehlen; ebensowenig die Feuchtigkeit, denn die auf ihrer
Oberfläche ausgetrockneten Sümpfe bilden einen sehr ausgedehnten, unterirdischen
See, welcher durch die Einsickerungen der Sorgue unterhalten wird; ebensowenig fehlt
Kalk, wovon diese Erde bis 90 Procent enthält; auch fehlt es diesem Boden nicht an
phosphorsauren Salzen, welche in nicht unbedeutender Menge darin vorhanden sind;
deßgleichen nicht an schwefelsauren Salzen, welche ihm die von Gypsgebirgen
herabkommenden Gewässer zuführen; endlich fehlt es nicht an Chloriden, indem solche
bei großer Hitze auf der Oberfläche des Bodens effloresciren.
Man muß daher annehmen, daß die Färbung des Krapps von der Gegenwart einer
zusammengesetzten organischen Substanz im Boden abhängig ist, welche sich vielleicht
durch die Veränderungen des Zellstoffs bildet. Es können dann zwei Hypothesen
aufgestellt werden: entweder rührt diese Substanz von einem uranfänglichen Absatz
her, welchen die gegenwärtigen Reactionen der chemischen Elemente nicht mehr
erzeugen, weil die bei dessen Entstehung vorhandenen Umstände dieselbe nicht mehr
begünstigen; oder diese Substanz bildet sich noch, aber mit solcher Langsamkeit, daß
ihr Verbrauch bei dem oft wiederholten Anbau des Krapps nicht hinreichend ersetzt
werden kann. Daß besondere Umstände erforderlich sind, um eine farbstoffreiche
Krappwurzel zu erhalten, beweist die Thatsache, daß manche Bodenarten gleich bei der
ersten Ernte nur graue Wurzeln geben, und daß in den Paludgegenden selbst jedes
Bobenstück seinen besondern Grad von Färbung hervorbringt.
Läßt sich nun wohl das Uebel durch einen Culturwechsel wieder gut machen, wobei erst
nach längeren Zwischenzeiten der Krapp auf demselben Felde wieder gebaut wird? Wenn
die organische Substanz, an welcher sich der Boden durch die Cultur erschöpft, von einem
ursprünglichen Absatz herrührt oder durch Reactionen erzeugt wird, welche unter
Umständen stattfanden, die nicht mehr vorhanden sind, so kann der Culturwechsel die
Erschöpfung des Bodens verzögern, und der geerntete Krapp wird lange Zeit keine
merkliche Verminderung seines Farbstoffgehalts zeigen. Wenn aber jene Substanz,
obgleich langsam, sich forterzeugt, so brauchte man nur die Wiederkehr seines
Anbaues mit der Erzeugung in Verhältniß zu setzen, um den Krappbau ohne Verringerung
des Färbevermögens der Producte ins Unendliche fortsetzen zu können. Wir wissen
wohl, daß bei klugen Landwirthen der Farbstoffgehalt des Krapps, den sie nur alle 12
Jahre auf denselben Feldern wieder anbauen, constant zu bleiben scheint; da aber
hierbei 144 Jahre erforderlich sind, um ihn 12 mal auf demselben Felde zu ernten,
und unsere Erfahrung keine so lange ist, so können wir nicht behaupten, daß nicht
bei jeder Wiederkehr seiner Cultur eine merkliche Verminderung des Farbstoffgehalts
stattfindet, welche bis zur zwölften Wiederkehr des Anbaues 25 Procent betragen
würde, eine Abnahme des Farbstoffs, welche in 30 Jahren sich wohl auf Feldern
herausstellen konnte, die in dieser Zeit wahrscheinlich mehr als 12 Ernten
trugen.
Die besprochene Beobachtung beweist, daß, während die Nahrungsmittel aller Pflanzen
bezüglich ihrer Elementarbestandtheile dieselben sind, diese Elemente sich hingegen
nicht immer zu solchen Verbindungen vereinigt vorfinden, wie sie für den Krapp und
zur Erzeugung gewisser eigenthümlicher Säfte erforderlich sind.
Der Krapp wird unter dem Einfluß des Düngers reichlich wachsen, und Stengel, Blätter
und Wurzeln im Verhältniß der Düngung treiben; wenn er aber gewisse Substanzen, die
noch nicht isolirt dargestellt wurden und deren Zusammensetzung noch unbekannt ist,
im Boden nicht vorfindet, so werden sich die Wurzeln nicht färben.
Damit soll jedoch nicht gesagt seyn, daß man bisher eine falsche Bahn eingeschlagen
habe; denn die meisten Vegetabilien liefern Ernten, welche mit den, aus den
Elementar-Analysen abgeleiteten Aequivalenten der Dünger so im Verhältniß
stehen, daß man zu der Annahme berechtfertigt ist, daß die meisten Pflanzen zu ihrer
Ernährung jener seltenen Verbindungen, deren Bildung schwierig vor sich geht, wie
sie der Krapp zu erheischen scheint, nicht bedürfen. So geben z.B. die Getreidearten
stets Ernten, welche mit den Dünger-Aequivalenten im Verhältniß stehen;
ebenso die Wiesengewächse und viele Culturpflanzen. Entweder sind diese Pflanzen im
Stande die Elemente, aus welchen sie ihr Stärkmehl, ihr Albumin, ihren Kleber etc.
bilden, in ihren Geweben selbst zu vereinigen, oder die Verbindungen, welche sie in
sich aufnehmen, bilden sich leicht im Boden und werden in Auflösung von deren Wurzelfasern
aufgesogen. Vielleicht würde man bei aufmerksamer Untersuchung mehrerer Culturarten,
deren Producte man als in Abnahme begriffen betrachtet, und anderer, welche trotz
reichlicher Düngung nicht leicht auf demselben Felde fortgesetzt werden können, die
Erklärung dieser Erscheinungen in ähnlichen Ursachen finden, wie wir sie beim Krapp
andeuteten. Diese Betrachtungen scheinen mir ein neues Feld von Untersuchungen zu
eröffnen, welche zu wichtigen Modificationen in der Theorie der Ernährung der
Pflanzen und der Wechselwirthschaft führen dürften.