Titel: Ueber das Bessemer'sche Verfahren zur Eisenfabrication.
Fundstelle: Band 143, Jahrgang 1857, Nr. X., S. 37
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X. Ueber das Bessemer'sche Verfahren zur Eisenfabrication. Mit Abbildungen auf Tab. I. Ueber das Bessemer'sche Verfahren zur Eisenfabrication. Wir haben im polytechn. Journal Bd. CXLI S. 423 das von dem Engländer Bessemer erfundene Verfahren, Stabeisen und Stahl aus flüssigem Roheisen, ohne Anwendung von Brennmaterial darzustellen, nach dem Vortrage des Erfinders, so wie daselbst S. 428 den Bessemer'schen Apparat mit Hülfe von Abbildungen beschrieben, und endlich die Resultate der mit dem Bessemer'schen Eisen im kgl. Arsenal zu Woolwich angestellten Versuche S. 430 mitgetheilt. Seitdem haben wir, namentlich in dem Mining Journal, sehr viele Ansichten für und gegen das Bessemer'sche Verfahren gelesen, Ansichten, denen es häufig an Sachkenntniß und Klarheit mangelte. Nach der Meinung des Referenten, die er auch bereits a. a. O. ausgesprochen hat, ist der Bessemer'sche Proceß durchaus kein Ersatz für den Frisch- oder Puddelproceß, aber das auf die beschriebene Weise dargestellte Eisen wird in sehr vielen Fällen benutzt werden können, wo man eine größere Haltbarkeit von dem Gußeisen verlangt, als es gewöhnlich zeigt. Es wird also dieses Eisen namentlich zu architektonischen Zwecken und zum Maschinenbau eine um so größere Anwendung gestatten, da der Proceß keine großen Kosten veranlaßt. Die im Bd. CXLI S. 428 mitgetheilte Beschreibung des Apparates, welchen sich Bessemer im Februar v. J. patentiren ließ, stimmt mit dem von ihm selbst angewendeten nicht überein; letzterer ist der im Practical Mechanic's Journal, October 1856, S. 172, abgebildete Kupolofen, welchen wir hier nachfolgen lassen. Fig. 32 ist zur Hälfte eine äußere Ansicht, zur Hälfte ein senkrechter Durchschnitt dieses Kupolofens, und Fig. 33 ist ein halber horizontaler Durchschnitt desselben. Der Mantel des Ofens besteht aus Gußeisen, und das Futter aus feuerfesten Ziegelsteinen A; das flüssige Roheisen wird von dem untern Theile B des Ofens aufgenommen und dort findet auch das Aufkochen statt. C ist der obere Raum des Ofens in dessen Kuppel und rings um die Oeffnung wird Brucheisen angehäuft, damit die bei dem Kochen entweichende Hitze dasselbe für die folgende Charge schmelzen kann; durch die Oeffnung D entweichen die Flammen und die Gase. Die Formen E werden aus dem den Ofen umgebenden gürtelförmigen Canal F mit Wind gespeist. Wir haben wiederholt bemerkt, daß der Bessemer'sche Proceß viele Gegner gefunden habe; von diesen wollen wir hier nur zwei, besonders zu beachtende, sprechen lassen. Der erste ist der rühmlichst bekannte Stahlfabricant Carl Sanderson zu Sheffield, welcher sich folgendermaßen äußert: „Die metallurgische Welt ist nicht allein durch den Vortrag Bessemer's in der British Association zu Cheltenham, sondern auch durch die Details über einen zu London nach seinem Verfahren angestellten Versuch, welchen die Times mitgetheilt hat, in Erstaunen gesetzt worden. Das Publicum vertraut diesen Mittheilungen, deren Genauigkeit es nicht bezweifelt. Die Erfindung ist wichtig, denn sie berührt unendlich viele Interessen beim Eisen- und Stahlhüttengewerbe. Sie hat wie ein Meteor den bekannten Pfad der Wissenschaft durchflogen und uns alle durch ihren scheinbaren Glanz geblendet. Da ich einige Erfahrung in der Eisen- und Stahlfabrication erlangt habe, so erlaube ich mir einige Bemerkungen über das Bessemer'sche Verfahren zu veröffentlichen.“ „Hr. Bessemer läßt etwa 7 Ctr. flüssiges Roheisen in einen kleinen Kupolofen strömen, bemerkt aber, daß er eben so gut 5 Tonnen oder 100 Ctr. auf einmal behandeln könne. Durch den mittelst fünf Formen unter einem Druck von 8 bis 10 Pfund auf den Quadratzoll in den Ofen eingeführten Wind verbindet sich dessen Sauerstoff mit dem Kohlenstoff im Roheisen und bildet Kohlensäure oder Kohlenoxydgas, wobei ein gewisser Hitzgrad erzeugt wird. Dieß dauert so lange, als Kohlenstoff genug vorhanden ist, um durch seine Vereinigung mit Sauerstoff das Gas erzeugen zu können. Sobald aber der Kohlegehalt bedeutend vermindert worden ist, hört auch das Kochen des Metalles, welches von dem Entweichen des Gases herrührt, immer mehr auf.“ „Wenn das Kochen des Metalles aufgehört hat, so muß das entkohlte Eisen aus dem Ofen abgelassen werden; denn wenn dasselbe der Einwirkung des Windes noch länger ausgesetzt bleibt, so erhält man, wie gesagt wird, eine schwammige Masse von geschmeidigem Eisen.“ „Hr. Bessemer hat öffentlich behauptet, daß durch das obige Verfahren in 30 Minuten 7 Ctr. Roheisen in beliebige große Zaine oder Eingüsse von Stabeisen oder Stahl verwandelt werden, und daß dieselben sich zu jedem Gebrauche eignen, wie die nach den gebräuchlichen Verfahrungsarten dargestellten; es sey daher weder ein Puddeln noch ein Zängen des Puddeleisens erforderlich. Er behauptet, daß sich auf diese Weise ein feiner Stahl zu Werkzeugen und allen anderen Zwecken erzeugen lasse, und ein Eisen von gleicher Qualität wie das schwedische oder russische, welches (in England) 20 bis 30 Pfd. Sterl. per Tonne kostet. Dieß ist das Wesentliche des neuen Verfahrens, und wenn wirklich solche Resultate erlangt werden könnten, so würde die Erfindung ohne Zweifel zu den wichtigsten unserer Zeit gehören.“ „Ich habe daher die Resultate, welche sich von einem Proceß, wie der obige, erwarten lassen, sehr sorgfältig untersucht, kann aber mit den vom Erfinder aufgestellten Behauptungen nicht übereinstimmen. Ich gestehe zu, daß ein entkohltes Eisen erlangt wird, und daß dieses Eisen einen glänzenden, weißen und krystallinischen Bruch hat; ich glaube aber nicht, daß dieses Eisen unter dem Hammer oder zwischen Walzen gereckt und zu Stäben ausgezogen werden kann. Eben so wenig kann ich ein solches Metall in die Kategorie des Gußstahls bringen, da es den an denselben zu machenden Anforderungen nicht entspricht, denn es wird sich weder ein Bohrer noch ein Drehmeißel für Metalle daraus verfertigen lassen; es kann nicht geschmiedet, es kann keine Nadel und auch keine Feile daraus gemacht werden; kurz meine Meinung ist die, daß das fragliche Metall nie den Handelswerth des Stahls erreichen wird.“ „Gegenwärtig, wo Bessemer's Proceß die Aufmerksamkeit der metallurgischen Welt und vieler ausgezeichneter Männer der Wissenschaft auf sich gezogen hat, erscheint mein Widerspruch vielleicht voreilig; meine in dieser Beziehung abweichende Meinung stützt sich aber auf viele von mir mit großer Sorgfalt angestellte Versuche, und hiernach ist Roheisen mit 5 Procent Kohlenstoffgehalt, welchem man 4 Proc. desselben entzogen hat, deßhalb nicht nothwendig Stahl. Bessemer's Product ist ein entkohltes Roheisen; die größeren Krystalle sind mehr entkohlt als die kleineren, und eine gute Loupe zeigt, daß die Masse aus kleinen, glänzenden Atomen besteht, welche die von dem Proceß am wenigsten angegriffenen Theilchen sind. Das Resultat ist ein Metall, welches weder ausgeschmiedet noch ausgewalzt werden kann; ich muß daher die Behauptung aufstellen, daß durch den Proceß weder ein brauchbarer Stahl, noch ein brauchbares Stabeisen dargestellt werden kann.“ Der Hütteningenieur Truran, aus dessen Werke über das englische Eisenhüttengewerbe wir im polytechn. Journal wiederholt Mittheilungen gebracht haben, sagt über fraglichen Gegenstand Nachstehendes: „Ich muß vorausschicken, daß die Verbrennung der Kohle in dem flüssigen, unmittelbar aus dem Hohofen abgestochenen und der Einwirkung eines Windstroms ausgesetzten Roheisen keine neue Entdeckung ist. In meinem Werke über Eisenfabrication, welches im vorigen Jahre erschien, besprach ich die vielen Windströme, welche bei der ältern Form der Feineisenherde in das flüssige Roheisen geführt werden; ich besprach ferner die Verbrennung der Kohle in dem Roheisen durch die Gebläseluft, wodurch eine so starke Hitze hervorgebracht wird, daß die Sandsteinsohlen der Feineisenfeuer geschmolzen werden. Der hohe Hitzgrad, welcher durch das Einströmen stark gepreßter Gebläseluft in das flüssige Roheisen erzeugt wird, ist jedem intelligenten Feineisenfeuer-Arbeiter bekannt.“ Eine dem Bessemer'schen Verfahren analoge, nur wegen der Ausführungsweise weniger wirksame Methode zum Entkohlen des flüssigen Roheisens mittelst durchströmenden Gebläsewindes ließ sich schon am 15. September 1855 Hr. Joseph Gilbert Martien zu Newark, New Jersey, in den Vereinigten Staaten, für England patentiren (Mechanics' Magazine, vol. LXIV Nr. 1711). Er sagt: „Der Zweck meiner Erfindung ist die Reinigung des Roheisens in seinem flüssigen Zustande, wie es aus einem Hohofen abgestochen wurde, mittelst atmosphärischer Luft (die auch mit Wasserdampf gemischt seyn kann), welche ich von unten in der Art hindurchtreibe, daß sie beim Aufsteigen das Roheisen vollständig durchdringt, bevor dasselbe erstarren kann. Solches gereinigtes Roheisen ist zur nachherigen Stabeisenerzeugung mittelst des Puddelns, und auch zur Stahlfabrication nach der gewöhnlichen Methode, viel besser geeignet. Anstatt das aus dem Hohofen abgestochene Roheisen wie bisher durch den Graben oder Canal auf den Herd wo es sich ausbreiten soll oder in die Gießformen laufen zu lassen, benutze ich bei der Ausführung meiner Erfindung Canäle welche so angeordnet sind, daß zahlreiche Ströme von Luft (mit oder ohne Wasserdampf) durch das flüssige Metall während seines Abfließens getrieben werden können.“ A. d. Red. Bessemer's Verbesserung besteht in der Abkürzung des Feineisenprocesses, indem er denselben mit Hülfe der Hitze vollendet, welche durch die Verbrennung des Kohlenstoffs in dem flüssigen Roheisen entsteht. Selbst seine Freunde haben zugegeben, daß dieß das einzige Neue bei dem Processe ist. Das Blasen dauert höchstens 30 bis 35 Minuten, dagegen dauert es in den gewöhnlichen Feineisenfeuern etwa 2 Stunden, und man sichert bei diesen die Fortdauer der sehr hohen Temperatur während der ganzen Zeit dadurch, daß man das Metall mit Kohks oder Holzkohle bedeckt. Diese Bedeckung des flüssigen Eisens mit Kohle ist beim Feinen mittelst des Gebläses durchaus nothwendig. Bessemer sagt, daß in der höchsten Temperatur ein Theil von dem Sauerstoff des Gebläsewindes sich mit dem verbrennenden Eisen zu Oxyd verbinde. Dieses Oxyd, bemerkt er, wird, sobald es entstand, wieder geschmolzen und bildet ein mächtiges Auflösungsmittel für die beigemischten Erdbasen. Dieß steht aber in Widerspruch mit den Lehren der Chemie. Das neugebildete Eisenoxyd kann in keiner Temperatur geschmolzen werden, wenn ihm nicht ein Theil des Sauerstoffs entzogen wird, und dieß ist nur dadurch möglich, daß man es in Berührung mit festem oder gasförmigem Kohlenstoff bringt.Da ein bis zum Weißglühen erhitztes Eisen in der Luft und selbst im Sauerstoffgas nicht zu vollkommenem Oxyd, sondern nur zu Oxyd-Oxydul verbrennt, so kann sich natürlich bloß letzteres bei dem Bessemer'schen Proceß bilden.Dieses Eisenoxydoxydul gibt im Verhältniß seines Oxydgehalts Sauerstoff an den Kohlenstoff des Roheisens ab, kann aber bei jenem Proceß offenbar nicht auch alle Unreinigkeiten, namentlich den Schwefel und Phosphor, oxydiren, was vergleichende Analysen des Products und des verwendeten Roheisens ergeben werden. A. d. Red. In dem gewöhnlichen Feineisenfeuer steigt der größte Theil des gebildeten Oxyds aufwärts, und da es dann die Brennmaterialschicht trifft, so wird es wieder zu Metall reducirt und fällt in die Masse zurück. Ist das Metall nicht gehörig mit glühendem Brennmaterial bedeckt, so bleibt das Oxyd unreducirt, es steigt mit dem Gasstrom heftig auswärts und entweicht in die Esse in der Gestalt kleiner Kügelchen magnetischen Oxyds, welches mit Silicium und anderen Erdbasen verbunden ist. Der in der Beschreibung des Bessemer'schen Processes erwähnte Funkenregen besteht aus solchen Kügelchen von oxydirtem Eisen, mit deren Umhersprühen ein bedeutender Verlust verbunden ist.“ Bessemer begeht einen großen Irrthum, wenn er seinem Eisen dieselbe gute Beschaffenheit vindicirt als dem Holzkohleneisen, bloß weil es nicht mit mineralischem Brennmaterial in Berührung kam. Wer auch nur oberflächlich mit dem Gegenstande bekannt ist, weiß, daß die Beschaffenheit des Brennmaterials, welches bei der Fabrication der Hälfte des im (englischen) Handel vorkommenden Stabeisens angewendet wird, in Beziehung auf die gewöhnlichen nachtheiligen Bestandtheile desselben, nämlich den Schwefel und Phosphor, mit der Qualität des erzeugten Stabeisens nichts zu thun hat. In den Puddel- und Schweißöfen kommt das Eisen mit dem Brennmaterial nicht in Berührung; beim Feinen gehen aber die erdigen Substanzen des Brennmaterials in die Schlacken über und die gasigen Bestandtheile, welche über dem flüssigen Eisen abgekühlt werden, haben nur geringen Einfluß auf die Beschaffenheit des Productes solcher Oefen, die das Roheisen direct von den Hohöfen erhalten. Holzkohleneisen ist ein Product des Hohofens und kann in den folgenden Stadien der Fabrication nicht erzeugt werden.“ „Hrn. Sanderson stimme ich darin bei, daß das Bessemer'sche Eisen weder die Eigenschaften des Stabeisens noch diejenigen des Gußstahls besitzt. Die bloße Entfernung der Uneinigkeiten beim Schmelzen kann das Roheisen nicht in Stabeisen verwandeln. Gußeisen mit einem gewissen Grade von Geschmeidigkeit bei der gewöhnlichen Temperatur, ist gar nicht selten; in erhöhter Temperatur aber ist alles Gußeisen spröde, und schweißbar ist es nie.“ Bessemer gibt an, daß seine schmiedbaren, gegossenen Zaine in den Vollendungs- oder Schlichtwalzen 5 1/2 Proc. verlieren; wenn aber, wie er versichert, diese Eingüsse aus reinem Stabeisen bestehen, so ist ein solcher Verlust beim Auswalzen gar nicht möglich, da beim Walzen der gezängten Luppen des gewöhnlichen Puddeleisens zu Rohschienen, der Verlust durch ausgequetschte Schlacken und Hammerschlag nur 5 Proc., der Gewichtsverlust beim Auswalzen zu Stabeisen aber nur 15 bis 16 Pfund auf die Tonne beträgt.“

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