Titel: | Das dynamometrische Zapfenlager; von P. Rittinger, k. k. Sectionsrath. |
Fundstelle: | Band 143, Jahrgang 1857, Nr. XVII., S. 82 |
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XVII.
Das dynamometrische Zapfenlager; von P. Rittinger, k. k.
Sectionsrath.
Aus der österreichischen Zeitschrift für Berg- und
Hüttenwesen, 1856, Nr. 50.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Rittinger's dynamometrische Zapfenlager.
Die Bestimmung des Maschineneffectes nach den bisher
bekannten Methoden setzt die Anwendung gewisser Instrumente (Dynamometer) voraus, die nicht nur bloß Wenigen zur Verfügung stehen,
sondern auch beschränkt in ihrem Gebrauche sind. Das hier zu beschreibende dynamometrische Zapfenlager gestattet die Bestimmung des
Maschineneffectes ohne Dynamometer; eine Schnellwaage
nebst Secundenuhr sind dabei die einzigen Instrumente, welche die zur Ermittelung
des Nutzeffects erforderlichen Daten zu liefern haben.
Der Einrichtung des dynamometrischen Zapfenlagers liegt
folgende Betrachtung zu Grunde:
Sind O und o (Fig. 5) die in einer
Horizontalebene liegenden Achspunkte zweier in einander greifender Zahnräder, wovon
B das treibende und b das getriebene vorstellen
mag, und erfolgt die Umdrehung derselben nach der Richtung der beigesetzten Pfeile,
so findet zwischen den im Eingriffe stehenden Zähnen bei f während der Arbeit ein Druck P statt, der
aus dem Widerstande der getriebenen Achse o entspringt;
man kann sich denselben durch eine nach ff' wirkende Last P
ersetzt denken. Bezeichnet man die gemeinschaftliche im Theilrisse beider Räder bestehende Geschwindigkeit
mit C, so läßt sich die mittelst der beiden Räder
übertragene Wirkungsgröße per 1 Sec. oder der
übertragene Effect
E ausdrücken durch:
(1)
E = PC
e = PC/424
Fußpfunde oder auchPferdekräfte.
Von den beiden den Effect bestimmenden Größen P und C kann man die Geschwindigkeit
C mittelst einer Secundenuhr sehr leicht ermitteln.
Verrichtet nämlich das Rad B, dessen Halbmesser = R seyn soll, N Umgänge per 1 Min., so ist:
(2) C = 2RπN/60 = 0,105
NR.
Da für das andere Rad b das Product nr = NR ist, so
kann man in die Formel (2) statt NR auch nr einführen.
Die andere Größe P, d. i. der
gegenseitige Gesammtdruck der Zähne beim Eingriffe in f oder der zu überwindende Widerstand läßt sich zwar
nicht unmittelbar erheben, mittelbar kann man aber diesen Druck nach der Druckzunahme beurtheilen, welche während der Arbeit der
Maschine an den beiden Zapfenlagern der Welle
O stattfindet. Ist nämlich die Maschine in Ruhe, so wirkt auf die Zapfenlager der Welle O bloß das Gewicht der Welle O und des Zahnrades B; im thätigen Zustande der Maschine dagegen nimmt dieser
Zapfendruck nach Maßgabe der zu überwindenden Hindernisse, also gleichzeitig mit dem
Drucke P der Zähne gegen einander zu. Denkt man sich in
O einen dem Drucke P
gleichen Druck nach abwärts und zugleich in jedem der beiden Punkte g und f einen Druck = 1/2
P nach aufwärts angebracht, so wird die Resultirende
aus diesen drei Drucken im Verein mit dem ursprünglichen nach ff' gerichteten Drucke P dem letztern Drucke gleich bleiben, weil die ersteren drei, in
entgegengesetzter Richtung wirkenden Drucke sich aufheben. Da jedoch für den Druck
P nach ff' im
Verein mit 1/2 P nach fh' der Druck 1/2 P nach ff' gesetzt werden kann, so läßt sich die Sache so
betrachten, als wenn auf die Achse in O ein Druck = P und gleichzeitig in f
der Druck 1/2 P nach ff' und in g der Druck 1/2 P nach gh wirksam
wäre. Die beiden letzteren Druckkräfte streben bloß, das Rad um seine Achse zu
drehen, der in O wirkende Druck P dagegen verursacht in Folge der Arbeit der Maschine eine Vermehrung des Zapfendruckes in den Lagern der Welle O.
Nimmt man der Einfachheit wegen an, daß das Rad B
zunächst dem Lager
u (Fig. 6) auf die Welle O aufgekeilt sey, so wird der in O
wirkende Druck fast ganz
von dem Lager u aufgenommen, indem hievon auf das andere
Lager v ein sehr kleiner Theil entfällt und dort eine
geringe Entlastung verursacht. Erfolgt der Antrieb der Welle OO' überdieß mittelst eines Getriebrades oder
einer Scheibe F, die ähnlich dem Rade B zunächst dem zweiten Lager v auf die Achse aufgekeilt ist, so erleidet umgekehrt das Lager u so gut als gar keine Druckänderung in Folge des
Antriebes beim Rade F. Das Lager u wird also während der Arbeit der Maschine einen Druckzuwachs aufzunehmen haben, welcher dem zwischen den Zähnen
stattfindenden Druck P gleichkommt. Um daher den
Zahndruck P zu bestimmen, wird man bloß die Druckzunahme während der Arbeit im Lagern zu ermitteln
haben. Dieß läßt sich aber leicht dadurch bewerkstelligen, daß man dem Lager u etwas freies Spiel in verticaler Richtung gibt und
dasselbe auf eine Schnellwaage aufhängt, auf welcher man sodann die Druckzunahme
während der Arbeit abnehmen kann. Die technische Durchführung eines solchen dynamometrischen Lagers zeigt Fig. 7. Das Lager O ist auf einem gußeisernen Hebel K angegossen, dessen Umdrehungspunkt an dem Lagerständer der Welle o bei c angebracht sich
befindet. Das andere Ende des Hebels K spielt in dem
Schlitz eines eigenen Ständers S und wird dort für
gewöhnlich festgekeilt, wenn man nämlich keine dynamometrischen Versuche vornimmt.
Das äußere Ende d des Hebels K hängt an einer Schnellwaage W, auf deren
Balken man vor dem Beginn der Versuche ein Gewicht z
aufhängt, um dadurch das Gewicht aller auf dem Lager O
ruhenden Maschinentheile auszugleichen. Aus dem Zuge p,
welchen die Schnellwaage während der Arbeit angibt, läßt sich die auf das Lager O entfallende Druckzunahme P
mit Rücksicht auf die bezüglichen Hebellängen L und l leicht berechnen; es ist nämlich die Druckzunahme in
O:
(3) P = pL/l
Substituirt man in die Formel (1) die für C und P in (2) und (3) gefundenen Werthe, so hat man den
Effect:
(4)
E = 0,105 L/l NRp Fußpfunde, oder
e = 0,105/424 L/l NRp = 0,0025 L/l
NRp Pferdekr.
In dieser Formel sind R, L und l bekannte und für einen bestimmten Fall constante Längengrößen; N aber wird mittelst der Secundenuhr und p mittelst der Schnellwaage abgenommen. Man sieht aus
dieser Darstellung, daß bei der beschriebenen sehr einfachen Einrichtung an dem
Lager einer
Maschinenwelle die Erhebung des Effectes zu jeder Zeit, ohne die Maschine in ihrem
Gange im mindesten zu unterbrechen, mit aller Bequemlichkeit vorgenommen werden
kann, und daß man dabei keine anderen Instrumente, als bloß eine Secundenuhr und
eine Schnellwaage benöthigt.
Diese Methode ist jedoch bei ihrer Anwendung an gewisse Bedingungen und Vorsichten geknüpft, welche nie
übersehen werden dürfen, wenn man ein richtiges Resultat erzielen will.
1. Der Widerstand, den die arbeitende Maschine zu überwinden hat, darf nicht ungleichförmig seyn, weil sonst der hievon entspringende
Druck P zwischen den Zähnen in seiner Größe wechselt und
mittelst der Schnellwaage W sich nicht bestimmen läßt,
man müßte denn statt der Schnellwaage sich einer Federwaage bedienen, welche den
veränderlichen Zug graphisch darstellt, wie dieß z.B. bei dem Burg'schen Dynamometer der Fall ist.
2. Die eingreifenden Zahnräder müssen sich, bezogen auf ihren Eingriffspunkt f, nach aufwärts drehen, wie
dieß die beigesetzten Pfeile bezeichnen, weil nur unter dieser Voraussetzung während
der Arbeit eine Druck-Zunahme an den Zapfen O und o stattfindet. Es
unterliegt jedoch keinem Anstande, das beschriebene Lager auch bei entgegengesetzter
Umdrehungsrichtung anzuwenden, nur hat man es dann nicht mehr mit einer
Druckzunahme, sondern mit einer Druckabnahme zu thun. Um
diese zu ermitteln, braucht man bloß den ganzen an der
Schnellwaage während der Arbeit stattfindenden Zug abzunehmen und hievon sodann den
Zug abzuschlagen, welchen die Schnellwaage beim Stillstande der Maschine angibt, und
der bloß aus dem Gewichte der auf dem Lager O ruhenden
Maschinentheile entspringt.
3. Die beiden Achsen O und o
müssen in derselben horizontalen Ebene liegen; ist dieß
nicht der Fall, wie z.B. in Fig. 8, so wirkt auf den
Hebel K vertical herab nicht der ganze Druck P, welcher auf Oo
senkrecht steht, sondern bloß der Druck P', welcher die
verticale Componente von P bildet, während die
horizontale P'' auf die Schnellwaage gar nicht einwirkt.
Man hat dann wegen
P = P'/cos α und P' = L/l
p P =
Lp/(l cos α)
In dem Maaße, als der Neigungswinkel α größer ist,
als cos α abnimmt, muß p unter übrigens gleichen Verhältnissen gleichfalls kleiner ausfallen; die
Schnellwaage liefert sodann den Werth von p nicht mehr
verläßlich genug. Für diesen Fall, sowie insbesondere wenn die beiden Wellen vertical über einander
liegen, ist die Schnellwaage zur Bestimmung des auf Oo senkrechten Druckes P nicht mehr brauchbar.
Man kann dann den auf Oo senkrechten Druck etwa
durch Anwendung einer fixen Rolle auf eine verticale Kette oder Schnur übertragen
oder aber eine Federwaage anwenden.
4. Sind die Räder an der Zwischenwelle nicht in der Art günstig vertheilt, wie dieß
bisher vorausgesetzt wurde, nämlich daß sie den Wellzapfen
möglichst nahe liegen, so wird jedes Lager nicht bloß jenen Druck
aufnehmen, welcher aus der gegenseitigen Einwirkung des zunächststehenden Zahnrades entspringt, sondern auch jenen des entfernter
liegenden Räderpaares. Es ist dann nothwendig, den Druck P aus dem auf die Schnellwaage ausgeübten Zuge p auf eine andere Weise durch Rechnung zu bestimmen, wozu die Formel aus
nachstehender Betrachtung sich ergibt:
Ist OO' (Fig. 9) die Achse der
Zwischenwelle im Grundriß und oo' jene der von ihr
getriebenen Welle, so entfällt von dem Drucke P auf das
dynamometrische Lager m:
P(A – a)/A Pfunde.
Da nun die Zähne des Rades c an derselben Zwischenwelle
einen Druck = Q vertical abwärts bei g erleiden, und dieser sich gleichfalls der Welle OO' mittheilt, so entfällt hievon auf das
dynamometrische Lager m:
QB/A Pfunde.
Es ist daher der gesammte Druck auf das Lager m:
Textabbildung Bd. 143, S. 86
Bezeichnet man die Durchmesser der beiden auf die Welle OO' aufgekeilten Räder B und c mit D und d, so wird
Textabbildung Bd. 143, S. 86
Wird daher der auf das dynamometrische Lager m ausgeübte
Druck x mittelst der Schnellwaage aus x = pL/b bestimmt, so
folgt:
(5) Textabbildung Bd. 143, S. 87
Ist der Theil a – D/D b im Nenner sehr klein, so
daß er gegen A, vernachlässigt werden kann, oder ist
derselbe wirklich = 0, so folgt
P = x = L/l p,
übereinstimmend mit (3); es wird also auch bei dieser von der
ursprünglich abweichenden Vertheilung der Zahnräder an der Zwischenachse der Werth
von P aus der Formel (3) zu berechnen seyn. Liegen die
Zahnräder außerhalb der beiden Lager, so müssen die
Größen a und b in der obigen
Formel negativ genommen werden, ferner muß wegen Q = P D/d auch D/d negativ
genommen werden, wenn das Rad c mit b auf derselben Seite liegt. Man sieht aber aus (5), daß
der Werth von x selten von P
viel unterschieden seyn werde, insbesondere wenn die Länge A der Zwischenspindel nicht zu klein ist. Den Werth von P kann man übrigens in allen Fällen, und selbst dann,
wenn die Zahnräder die vorausgesetzt günstige Lage an der Zwischenwelle einnehmen,
mit Hülfe der Formel (5) berechnen, wo es sich um eine größere Genauigkeit des
Resultates handelt. Auch muß es als vortheilhaft bezeichnet werden, die Lagerschalen
des dynamometrischen Zapfenlagers, sowie des zweiten Lagers der Zwischenwelle von
Außen kugelförmig zu gestalten, um jede Klemmung innerhalb der Lager zu vermeiden,
die sonst aus einer geringen Erhebung der Zwischenspindel durch das Spiel der
Schnellwaage entspringen könnte. Bei halbwegs großer Länge der Zwischenspindel ist
aber selbst diese Vorsicht nicht nothwendig, weil der Hebel K in dem Ständer S (Fig. 7) ohnedieß nur eine
kurze Oscillation machen kann.
5. Das dynamometrische Lager erfordert keinesfalls das Vorhandenseyn einer Zwischenwelle, sondern dasselbe kann eben so gut den
Zapfen der Kraftmaschine, oder jenen der Arbeitsmaschine tragen. Ja, es ist nicht
einmal die Uebertragung der Arbeit mittelst Getriebrädern oder Riemen bei Anwendung
des dynamometrischen Lagers nothwendig; denn will man z.B. den Effect einer
Wasserradwelle erheben, an welcher der Treibkorb einer Fördermaschine unmittelbar
angebracht ist, so vertritt das Wasserrad die Stelle des Rades c in Fig. 9, und der Treibkorb
die Welle des Rades B. Das Gewicht des über den Korb B geschlagenen und belasteten Seiles repräsentirt sodann die Größe P, welche durch das dynamometrische Lager mittelst der
Schnellwaage in der beschriebenen Art leicht bestimmt werden kann.
6. Der auf die beschriebene Weise ermittelte Effect E ist stets etwas größer als der Effect der
arbeitenden Welle, weil darin die Wirkungsgröße der zwischen den Zähnen der beiden
eingreifenden Räder stattfindenden Reibung enthalten ist. Da jedoch bei halbwegs
guten Zähnen der Reibungswiderstand stets einen sehr kleinen Werth hat, so wird
hiedurch das wahre Resultat nur sehr wenig beirrt.
Es unterliegt in den meisten Fällen keinem Anstande, jedes
vorhandene Lager schnell in ein dynamometrisches zu verwandeln. Zu diesem
Ende braucht man bloß den Lagerständer des betreffenden Zapfens abzunehmen und die
Lagerschalen in einen hölzernen Hebel einzulassen, dessen Umdrehungspunkt etwa in
zwei hölzernen Säulen angebracht werden kann; zu dessen Führung können gleichfalls
zwei hölzerne Säulen dienen. Der Lagerdeckel wird beim niedrigen Ständer an den
untern Theil des Hebels angeschraubt. Die Fig. 10 macht den Vorgang
ersichtlich.
Das dynamometrische Lager hat, wie aus dem Vorhergehenden erhellt, den Vortheil der
Einfachheit für sich; ein solches Lager läßt sich schon beim Baue jeder Maschine
leicht anbringen, und man erreicht dadurch den Vortheil, daß man den Maschineneffect
zu jeder Zeit während des Ganges der Maschine, ohne dieselbe
einzustellen, schnell und sicher erheben kann, was keine andere
dynamometrische Vorrichtung zuläßt.