Titel: | Reisenotizen in Sachen der Bierbrauerei; von G. G. Habich, Techniker in Kassel. |
Autor: | G. E. Habich |
Fundstelle: | Band 143, Jahrgang 1857, Nr. XXXI., S. 133 |
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XXXI.
Reisenotizen in Sachen der Bierbrauerei; von
G. G. Habich, Techniker
in Kassel.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Habich, über Bierbrauerei.
Es kam mir für einen besondern Zweck – Anlage einer größeren Bierbrauerei in
Nordamerika – darauf an, mich für einen Apparat zu entscheiden, der die
bedeutendste Ersparniß an Anlagecapital, Brennstoff, Arbeitskraft und Zeit
gestattet. Daß dieser Summe von Anforderungen das Dickmaischverfahren nicht entspricht, liegt auf der Hand, – ja die
gesammte Kesselbrauerei schien mir für meinen Zweck
aufgegeben werden zu müssen. Es erübrigt mir nur die Anwendung
des Dampfes als Träger der Wärme.
Soviel mir bekannt geworden ist, hat man nur in Böhmen
diese Richtung des Brauwesens cultivirt. Professor Balling in Prag hat in seiner Gährungschemie
(1ster Band, 2ter Theil, S. 402–427) darauf aufmerksam gemacht. Insbesondere
war es der von Ch. Gaßauer construirte und bereits im
Jahre 1847 (vergl. diesen Jahrgang der vom böhmischen Gewerbeverein herausgegebenen
encyklopädischen Zeitschrift des Gewerbewesens S. 14, sowie das Decemberheft des
Jahrg. 1848 derselben Zeitschrift) ausführlich beschriebene Apparat, welcher mich im
höchsten Grade interessirte. Um die Leistungen desselben an Ort und Stelle kennen zu
lernen, entschloß ich mich zu einer Instructionsreise, auf der ich denn auch manche
andere Fortschritte des Brauwesens zu beachten hatte. Die Resultate derselben will
ich hier in der Kürze mittheilen, – ich glaube manchem strebsamen Brauer
dadurch einen Dienst zu leisten.
Zunächst referire ich über den Gassauer'schen Apparat, für
dessen Benützung ich mich unbedingt entschieden habe. Hr. Professor Balling hatte die Güte, mir die Wege zu bezeichnen,
welche zu einem nächst belegenen Brausystem dieser Art führten, – ich will
demselben hier wiederholt meinen Dank für die zuvorkommende Freundlichkeit, mit der
er der Erreichung meines Zieles Vorschub leistete, aussprechen.
Der bedeutendste Gaßauer'sche Apparat ist auf den gräflich
Waldstein'schen Besitzungen zu Oberleitensdorf, unweit
Teplitz, aufgestellt. Dorthin begab ich mich und fand in dem Werkführer der
Brauerei, Hrn. Franz Chlauba einen sehr tüchtigen Brauer,
der mich mit der praktischen Seite dieser Art der Dampfbrauerei speciell bekannt
machte. Ich kann jedem Brauereibesitzer, der sich mit diesem höchstwichtigen
Fortschritt der Bierfabrication bekannt machen will, nur anempfehlen, sich nach
Oberleitensdorf zu begeben und an Hrn. Chlauba zu
wenden.
Ehe denn ich speciell die Resultate erwähne, welche sich unter meinen Augen
herausstellten, will ich in der Kürze die Momente hervorheben, welche unsern Apparat
vor allen andern auszeichnen. Derselbe bezweckt nämlich die höchste Ersparniß an Brennstoff, indem die
beim Kochen der Würze gebildeten Dämpfe zum Einmaischen und zur Erhitzung des
Wassers zum Nachguß benützt werden – ein
Princip, welches bereits im Jahre 1843 (vergl. encyklopädische Zeitschrift 1843, S.
657) von Hrn. Professor Balling aufgestellt und publicirt
ist. Durch eine einfache Rechnung ist es leicht nachzuweisen, daß die beim Kochen der Würze
entweichenden Wärmemengen mehr als die Hälfte des insgesammt nothwendigen
Brennstoffs erforderten. Und diese Wärmemengen werden hier den
Zwecken der Brauerei wiederum dienstbar gemacht! Die Wärmeverluste
beschränken sich also jetzt nur noch auf die in den heißen Trebern und der Würze auf
den Kühlschiffen enthaltenen Mengen.
Eine solche Wiederbenützung der Wärme war aber nur möglich, indem man die Herstellung
der Würzeportionen auf die zur Einmaischung etc. absolut
erforderliche Zeit bezog und demgemäß in kleineren
Abschnitten bewerkstelligte. Man bedurfte dazu nur mehrerer Maischbottiche, welche
abwechselnd arbeiten. Die Erfahrung zeigt nun, daß die Operation des Einmaischens,
dann die Verzuckerung und das Abfließen der Würze insgesammt einen geringsten Zeitaufwand von zwei Stunden erheischen. Und
das ist denn auch der Ausgangspunkt, wenn es sich um Feststellung der
Größenverhältnisse eines solchen Apparats von bestimmter Leistungsfähigkeit handelt.
Von je zwei zu zwei Stunden beginnt eine neue
Einmaischung.
Im Vorbeigehen will ich hier erwähnen, daß mir inzwischen bereits wohlausgebildete
Bierbrauer aufgestoßen sind, welche eine so rasche Verzuckerung des Malzmehls für
eine reine Unmöglichkeit halten. Diesen zur Beruhigung und Beherzigung will ich die
Thatsache mittheilen, daß hier die eigentliche Verzuckerung nicht mehr als 45 Minuten in Anspruch nahm. Sollten sie
dennoch Zweifel hegen, so bleibt mir nichts übrig, als sie zur besseren Belehrung
auf – böhmische Dörfer zu verweisen.
Zur Sache zurück – arbeitet also alle zwei Stunden ein anderer Maischbottich.
Die Zusammenstellung des ganzen Apparats wird durch folgende Skizzen deutlich werden
(vergl. Fig.
44 und 45).
A ist der Braukessel von
Kupfer. Man hat denselben mit nach Innen gewölbtem Boden angefertigt und dem
letztern eine Stärke von 3 1/2'' gegeben; indessen hatte sich der Boden nach
mehrjährigem Betrieb vollständig niedergebogen. Es erscheint also zweckmäßiger, dem
Kessel einen platten Boden zu geben.
Ein Wasserstandrohr (hier von großer Wichtigkeit), ein
Ablaßhahn am Boden und ein Mannloch mit dichtem Verschluß bilden nebst dem Dampfrohr
die wichtigsten Theile des Kessels. Wegen des stoßweisen Aufsiedens der Bierwürze
erweitert sich die Wurzel des Dampfrohrs in einen Hut, der auch die
Sicherheitsventile trägt.
Ueber dem Kessel steht das „Hopfenextractionsgefäß“
B ebenfalls von Kupfer (Holz dürfte ebenso gut seyn) und
mit Mannloch und Wasserstandrohr versehen. Durch einen Ablaßhahn am Boden entläßt das Gefäß seinen
Inhalt in den Braukessel. Ueber dem Abflußrohr ist im Innern noch ein Hopfenseiher
angebracht, welcher den Uebertritt von Hopfenblättern in den Kessel A verhindert.
Gassauer hatte diesem Theile seines Apparates Anfangs
noch (neben dichtem Verschluß des Mannloches) eine Kühlschlange beigefügt, um
dadurch auch das Hopfenöl zu gewinnen. Dem vorliegenden Exemplare fehlt diese
Vorrichtung – auch bleibt das Mannloch während der Operation ohne Verschluß,
so daß die beim Hopfenkochen entwickelten Wasserdämpfe in die Luft entweichen, was
zu einem leicht zu vermeidenden Wärmeverlust führt.
Durch einen nahe der Decke befindlichen Trichter, über welchem die durch Hähne
verschließbaren Abflußrohren der Maischbottiche münden, wird dem Extractionsgefäße
die erzeugte Würze zugeführt.
Ueber diesem Hopfengefäße stehen auf einer Terrasse die drei Maischbottiche
C, D und E, welchen durch
die am Boden einmündenden Verzweigungen des Dampfrohres die aus dem Kessel
entwickelten Dämpfe zugeführt werden. Ein kupferner, mit ziemlich kleinen Löchern
versehener Senkboden bildet die Seihevorrichtung.
Endlich noch befindet sich zu oberst der staffelförmigen Aufstellung der Bottich F, in welchem das Wasser zum Nachguß erhitzt wird.
Mit diesem ApparateDie HHrn. A. Strecker Söhne in Mannheim lassen den
Gassauer'schen Dampfapparat auf Bestellung anfertigen. A. d. Red wird nun in folgender Weise gearbeitet.
Beim Beginn der Operation enthält der Kessel A Wasser.
Die Maischbottiche erhalten das erforderliche Malzschrot nebst kaltem Wasser,
– man vertheilt die Wassermenge so, daß 2/3 derselben zum Einmaischen und 1/3
zum Nachguß verwendet werden. (Offenbar würde es ökonomischer seyn, beim Einmaischen
die Hälfte zu verwenden und die andere Hälfte auf zwei
Nachgüsse zu vertheilen.)
Sobald das Wasser im Kessel A siedet, werden die Dämpfe
dem Bottich C zugeführt, wobei zwei Mann das Aufmaischen
mit leichter Mühe besorgen, – der Unterteig wird dabei einigemal abgezapft
und wieder aufgegossen. Nach 38 Minuten hat die Maische eine Temperatur von
60° R. erreicht, der Bottich wird verdeckt und sein Inhalt der Verzuckerung
überlassen, während die Dämpfe dem folgenden Bottich D
zur zweiten Einmaischung
zuströmen. Nach Ablauf von weitern 38 Minuten werden die Dämpfe in das im Gefäß B enthaltene Wasser geleitet, bis die Verzuckerung in
C vollendet ist, wozu stets 45 Minuten ausreichen.
Um nun eine glanzhelle Würze zu ziehen, ist es nöthig, daß die Maische nachträglich
noch auf mindestens 70° R. erhitzt wird, wobei sich denn der größte Theil der
eiweißstoffartigen Würzebestandtheile ausscheidet.
Nachdem nun das Gefäß B seinen Wassergehalt in den Kessel
A hatte abfließen lassen, wird vom Bottich C die Würze gezogen, wobei die ersten trüben Portionen
wieder aufgegossen werden. Sie fließt dann alsbald so krystallhell ab, wie ich
anderwärts nie eine Würze gesehen habe.
Mittlerweile ist das Nachgußwasser in F durch Zuleitung
der Dämpfe ins Sieden gebracht und man schreitet, nachdem die Vorderwürze gründlich
abgelaufen ist, zum Nachguß. Zuvor aber wird der zähe und das Aussüßen der Treber
erschwerende Oberteig abgenommen. Der Nachguß erfolgt dann, ohne die sehr lockeren Treber aufzurühren, – die in den Trebern
befindliche Vorderwürze wird also durch Verdrängung
entfernt.
Man hat früher häufig geklagt über die klebrige
Beschaffenheit der bei unserm Apparat entfallenden Treber (vergl. Balling a. a. O.
Seite 420). Ich habe das aber durchaus nicht finden können – die Treber sind
so locker, daß man sie von der Hand blasen kann. (Die Extraction war eine höchst
vollständige, – wenigstens reagirte eine Jodauflösung auch nicht im Mindesten
auf Stärkemehl.) Vielleicht erklärt sich die früher gerügte Beschaffenheit der
Treber dadurch, daß Gassauer (vergl. encyklopädische
Zeitschrift 1848, S. 753) vorschrieb, es solle kein
Oberteig abgefaßt und die gesammelten Treber gut eingerührt werden.
Mit dem Eintritt der ersten Würzeportionen von C in das
Hopfenextractionsgefäß B wird auch der Dampf nach B dirigirt und zugleich die für eine Einmaischung
nöthige Hopfenmenge zugegeben. Die Würze kommt zum Sieden, wobei eine nicht
unbedeutende flockige Ausscheidung stattfindet, über welcher die Würze wiederum
glanzhell dasteht.
Nun wird bei (durch Aufwerfen von frischen Kohlen) gedämpfter Feuerung das Wasser aus
dem Kessel A in ein Local, in welchem es zum Ausbrühen
der Gährgeschirre, Bierfässer etc. dient, abgelassen und statt dessen die Würze aus
dem Gefäße B dem Kessel zugeführt. Von diesem Augenblicke an also geschehen alle folgenden Einmaischungen mit
Würze dämpfen.
Auch der Nachguß von C fließt durch B und findet sich alsbald in A ein.
Mittlerweile wurden die Dämpfe nach D geleitet, um die
zweite Einmaischung auf 70° R. zu erhitzen, – wornach man dann zur dritten Einmaischung in E,
und zum Abziehen der Würze von D geschritten war Die im Kessel A angelangte, bereits mit Hopfen klar gekochte Würze
geräth alsbald wieder ins Sieden, welches – da die Dampfleitungsröhren
mehrere Fuß tief in die Maische etc. tauchen – unter einem größern als dem
atmosphärischen Drucke und also auch bei einer dem
entsprechenden höhern Temperatur von 84–85° R. eintritt.
Dabei läßt sich nun am Wasserstandrohre deutlich beobachten, was im Kessel vorgeht,
– es wird nämlich die klare Würze wiederum trübe,
milchicht, und es scheiden sich später dicke, knäuelförmige Flocken aus, über denen
sich die Würze abermals in größter Klarheit präsentirt.
Ist dieser Punkt eingetreten, so wird die Würze einem Kühlschiffe zugeführt und der
Kessel erhält eine frische Speisung aus dem inzwischen mit der zweiten Würze von D gefüllten Hopfengefäß B,
mit welcher gerade so verfahren war, wie mit der ersten Würze.
Die Reihenfolge dieser Operationen, welche sich natürlich die Hand reichen müssen,
regulirt sich alsbald nach nachstehender tabellarischen Uebersicht, in welcher die
gleichzeitigen neben einander gestellt sind.
A.
B.
C.
D.
E.
F.
Der Dampfgeht
nach
Würze aus
C.
Würze von
D.
Würze fließt nach
B ab.
Verzuckerung
Nachguß für
D.
F.
Frische Füllung.
Nachguß.
Auf 70°
R. erhitzt
E
Maischung.
Absetzenlassen.
C.
Würze von
D
Würze von
E.
Verzuckerung.
Würze
fließt ab nach B.
Nachguß für
E.
F.
Auf 70°
R. erhitzt
Frische Füllung.
Nachguß.
C.
Absetzenlassen.
Maischung.
D.
Würze von
E.
Würze von
C.
Würze
fließt ab nach B.
Verzuckerung
Nachguß für
C.
F.
Nachguß
Auf 70°
R. erhitzt
Frische Füllung.
D.
Absetzenlassen.
Maischung.
E.
Was die übrigen Braugeräthe anbetrifft, so gewahren dieselben für unsern Zweck wenig
Interesse, weil es sich hier lediglich um Herstellung einer
möglichst großen Quantität klarer Würze in kürzester Zeit und mit dem geringsten Aufwand an Arbeitskraft und Brennstoff handelt.
Die Abkühlung der Würze erfolgt begreiflicher Weise auf mehreren Kühlschiffen. In Oberleitensdorf, wo täglich nur fünf
Einmaischungen gemacht wurden, waren deren vier
vorhanden, weil bis zum Aufpumpen des letzten Gebräues
die erste Würze für die Obergährung, welche hier
eingeleitet wurde, genügend abgekühlt war.
Welche Leistungsfähigkeit nun hat dieser Apparat? welche Quantitäten können damit producirt werden?
–
Diese Frage wird wohl zunächst aufgeworfen werden – hier die Antwort. Die
Dimensionen des Oberleitensdorfer Apparats sind so gewählt, daß je eine Einmaischung
12 österreichische Eimer (= 606 preuß. Quart) Würze liefert. Es werden täglich fünf
Einmaischungen, also 60 Eimer (= 3030 Quart) fertig gemacht. Will man aber einen
mehrere Tage oder beständig fortdauernden Betrieb ins
Werk setzen, so lassen sich in 24 Stunden zwölf
Einmaischungen durchführen. Die tägliche Production beträgt
dann 144 Eimer (= 7272 Quart) bei einem Inhalt des Braukessels (der nur bis zur Hälfte gefüllt werden darf, wegen des Aufschäumens) von nur 24 Eimern Inhalt.
Es liegt auf der Hand, daß in einem solchen continuirlichen Betriebe der Brauerei der Hauptvortheil liegt. Bei
Ausführung desselben für kleinere Brauereien wird man also immer darauf Bedacht zu
nehmen haben, daß wenigstens mehrere Tage die Woche hindurch ununterbrochen fortgearbeitet wird. Die Dimensionen des Apparats müssen
dem jeweiligen Bedarf angepaßt werden.
Eine andere Frage, die mir von praktischen Brauern bereits aufgeworfen wurde, ist die
nach der Qualität des mit unserm Apparate erzeugten Bieres. Hatten wir es bisher lediglich mit der Production
gährungsfähiger Würzen zu thun, so kann die Frage nach
der Qualität des Biers eigentlich keine andere seyn, als
die: wie vergähren die unter Druck gekochten Würzen? und
wie ist die Haltbarkeit der Biere? – Die Schüttung, d. i. die zur Herstellung eines bestimmten
Bierquantums verwendete Malzmenge, welche also den Gehalt
des Bieres an gährungsfähigem Extract repräsentirt, ist
bekanntlich entweder eine gesetzlich bestimmte, oder herkömmliche oder willkürliche
(wie bei den stärkeren Bieren). Deßhalb muß sie auch hier ganz außer Betracht bleiben, und es sind
die eben aufgestellten Fragen die allein berechtigten.
Genau genommen sind beide Fragen fast identisch, weil es erfahrungsmäßig ist, daß,
je langsamer die Hauptgährung verläuft, um so weiter
sich auch die Nachgährung hinauszieht, oder – was dasselbe ist – um
so länger auch das Bier trinkbar ist. Da lehrt uns
nun aber die Erfahrung ferner, daß, je vollständiger die
eiweißstoffartigen Bestandtheile der Würze durchs Kochen ausgeschieden sind, um so langsamer die Hauptgährung und
damit auch die Nachgährung verläuft, – um so größer
also auch die Haltbarkeit des Biers ist. Deßhalb vergähren denn auch die
durch indirecte Anwendung des Dampfs bei niedrigerer Temperatur klar gekochten Würzen (wie z.B. in
der weiter unten zu besprechenden Wanka'schen Brauerei)
vollständig, aber – – solche Biere bewähren eine geringere Dauer. Und
deßhalb findet unter gleichen Verhältnissen bei unseren
unter Druck gekochten und von den eiweißartigen Stoffen höchst
vollständig befreiten Würzen eine langsamere
Hauptgährung statt, wodurch denn eine beispiellose Haltbarkeit
des Biers bedingt ist! Folgende Thatsachen werden laut genug reden.
In Oberleitensdorf braut man, durch diverse Consums-Verhältnisse genöthigt,
nur obergährige Biere, – die Würzen zeigen 11,2
bis 11,4 Proc. am Saccharometer. Um nun ein möglichst
vollständiges Hefenausstoßen (weil diese ein gesuchter Handelsartikel ist)
herbeizuführen, läßt man die Hauptgährung in einem bis auf 17° R. geheizten
Gährkeller verlaufen. Trotz alle dem verlauft, wegen Mangel an eiweißartigen Stoffen
zur Hefenbildung, die Nachgährung sehr langsam und die leichten Oberzeugbiere
bleiben Monate hindurch von feinem erquickenden Geschmacke, wenn sie im kühlen
Keller der sorgfältigen Pflege nicht ermangeln.
Der Oberleitensdorfer Apparat ist von Hrn. Kupferschmiedmeister Blaha in Prag (Obstgasse) vortrefflich
ausgeführt, – die Dimensionen der einzelnen Theile sind ziemlich genau
berechnet, und nur die Siedefläche des Kessels ist etwas zu klein gegriffen, wodurch
der Betrieb ein wenig verzögert wird. – Ich habe den Hrn. Kupferschmied Bassa hierselbst (Kassel) in Stand gesetzt, derartige
genau berechnete Apparate (nebst Betriebsplänen) ebensowohl zu liefern. Auf einige
nothwendige Verbesserungen in der Construction, so wie im Betrieb, ist dabei
Rücksicht genommen.
Ich kann nur wünschen, daß sich der Gassauer'sche Apparat
einer recht großen Verbreitung bald erfreuen möge. Daß es bei der Benutzung desselben auf große
Accuratesse ankommt, wird wohl jeder Sachverständige einsehen und es ist deßhalb in
der Wahl des den Apparat überwachenden Braumeisters Vorsicht geboten, – es
könnte sonst durch Fahrlässigkeit leicht Nachtheil entstehen. Hat doch auch in
Böhmen der Apparat erst wenig Anklang gefunden, weil es auf einer Brauerei dem
Dampfe beliebt hatte, nach Abschließung sämmtlicher Hähne
seinen Kerker zu sprengen! Und da ist denn in Vieler
Augen der Gassauer'sche Apparat zum Sündenbock des
Unverstands geworden.
In Prag lernte ich die Braueinrichtung des Hrn. Wanka kennen. Man benutzt da die indirecte Anwendung des Dampfes, – es sind im Maischbottich, so wie
in den Siedepfannen bewegliche Röhrensysteme angebracht, durch welche ein
hochgespannter Dampf (von zwei bis drei Atmosphären, was einer Temperatur von 97 bis
108° R. entspricht) marschirt. Es ist begreiflich, daß dabei die Dickmaischen
in der Pfanne rasch bis zum Sieden erhitzt werden können. Bei der Verarbeitung der
Maische, so wie beim Abschweifen der Pfanne (nach Ablassung der Dickmaische) werden
die Röhrensysteme gehoben. Die gesammte Wärme-Erzeugung in dieser Brauerei
beschränkt sich auf eine einzige Feuerstätte, welche den
Dampfkessel heizt. Die damit in Verbindung stehende Dampfmaschine treibt auch das
Quetschwerk, die Pumpen und einige Reibvorrichtungen für eine mit der Brauerei
verbundene Branntweinbrennerei. Der rührige Besitzer dieses Etablissements wird ohne
Zweifel darauf Bedacht nehmen, demnächst auch die Handarbeit beim Maischen durch
eine Maischmaschine zu ersetzen, – zumal in einer größern Brauerei die nur zeitweise zur
Verwendung kommende Handarbeit zu vielen andern Mißständen führt.
Das Verfahren selbst anlangend, so wurde die Steigerung der Temperatur im
Maischbottich (neben der Wirkung des Röhrensystems in demselben) durch
Dickmaischkochen herbeigeführt. Das Wasser zum Nachguß wird in einer zweiten Pfanne
mit Röhrensystem erhitzt.
Gegenüber der gewöhnlichen Kesselbrauerei besitzt dieses Brauverfahren unbedingte
Vorzüge. Offenbar aber steht dasselbe weit im Nachtheil gegen die Gassauer'sche Einrichtung, – weil Hr. Wanka auf die Wiederbenutzung der Dämpfe beim Würzekochen
Verzicht leistet.
Unter den sämmtlichen Brauereien Österreichs (ja wahrscheinlich des
Continents) nimmt die des Hrn. Dreher in Klein-Schwechat bei
Wien unbedingt den ersten Rang ein, in Bezug auf den Betriebsumfang. Wer dagegen
eine Harmonie des Ganzen sucht, wird sich getäuscht
finden, – das Etablissement leidet unläugbar an einer störenden
Zerstückelung. Auch ist von Anwendung des Dampfes als Wärmemagazin hier keine Rede, die Pfannen stehen
über freiem Feuer, und es wird zweimal Dickmaische und einmal Lautermaische
gekocht.
Von Interesse sind die hier benutzten Maischmaschinen, welche sich durch eine Reihe
von Jahren, besonders auch bezüglich ihrer Dauerhaftigkeit, bewährt haben.
Bekanntlich hatte man bei allen Maischmaschinen mit dem Uebelstande zu kämpfen, daß
– namentlich beim Beginn der Thätigkeit derselben – die Ueberwindung
des Widerstandes der dickern Maischtheile Schwierigkeiten unterlag und häufig zum
Bruch einzelner Theile des Rührwerks führte. Diesen Uebelständen ist in
Klein-Schwechat auf eine einfache Weise begegnet. Folgendes wird die Sache
genügend erläutern.
An einer im Mittelpunkte des Bottichs und mit der Dampfmaschine in Verbindung
stehenden Welle sind zwei, sich diametral gegenüberstehende Flügelsysteme
angebracht. Dieselben haben eine doppelte Bewegung, indem sie zunächst durch die
Rotation der Centralwelle im Bottich umher kreisen, – dann aber hat auch noch
jedes System eine selbstständige Bewegung um seine Achse.
Das eine dieser Systeme (an einer horizontalen Welle)
besorgt das Aufmaischen, das andere (an perpendicularer Welle) das Durchmaischen. Die horizontale Welle trägt mehrere Flügelrahmen, welche mit harkenförmigen Querstäben versehen sind,
– die geringere Zahl von Zinken, so wie die etwas langsamere Bewegung des
Systems bieten für ihre Dauerhaftigkeit eine genügende Garantie. Anders ists mit dem
perpendicularen Flügelsysteme, welches rascher rotirt und nur zwei Flügel trägt.
Hier würde bei engerm Gitterwerk leicht Bruch erfolgen und, um dem vorzubeugen, ist
die perpendiculare Vergitterung beweglich. Es hängen
nämlich auf den Querriegeln der Flügel schwere, mit einer Oehse versehene Stäbe,
– durch die Oehse erstreckt sich je ein Querriegel und mit dem untern Ende
liegt der Stab auf dem nächsten, tiefer liegenden Riegel lose auf, – so daß
er sich bei jedem Widerstand heben und nach dessen
Bewältigung wieder auf den Riegel zurückfallen kann. In
der That eine einfache vortreffliche Vorrichtung.
Die Gährbottiche, in dem den Temperaturwechseln nicht ganz unzugänglichen Keller (es
wird deßhalb auch in den Sommermonaten nicht gebraut)
hätten wohl zweckmäßig größer seyn können. Ein solcher
Bottich faßt etwa 40 Eimer (jeder zu 40 österreichischen Maaß) und es werden zu den
täglich stattfindenden 8 Gebräuden (jedes von 250 Eimern) 52 solcher Bottiche
gefüllt.
Die Malzdarre ist eine Doppeldarre. Das grüne Malz wird
gleich auf den obersten Boden gebracht und ist somit der Schwelkboden entbehrlich. In andern
Brauereien, so auch in der Wanka'schen, sah ich nur einfache Darren.
Was das Malzen anlangt, so hat die Mittheilung Balling's (vergl. dessen Gährungschemie I. Bd., 1ster
Theil, S. 337) bis jetzt wenig Anklang gefunden bei den Praktikern. Aus den daselbst
publicirten Erfahrungen des verstorbenen Prager Brauereibesitzers Wischin scheint nämlich hervorzugehen, daß man
„den Grad des Keimens niemals nach der Länge der ausgewachsenen
Wurzelfasern, sondern vielmehr bloß nach der Länge des ausgewachsenen
Blattkeimes beurtheilen und diesen bis nahe zum Ende des Gerstenkorns auswachsen
lassen soll.“ Es steht fest, daß in so erzeugtem Malze eine größere
Auflockerung der Bestandtheile stattfindet, daß in Folge dessen die Vermaischung
desselben rascher vorwärts geht, daß sich die Würze und (nach der Gährung) das Bier
schneller klären und daß eine ausgezeichnete Hefe gewonnen wird. Zur Mitverwendung
ungemalzten Materials (roher Gerste, Mais, Kartoffelmehl) ist die Herstellung eines
solchen Malzes auch sicher unentbehrlich, – Hr. Wischin d. Sohn in Prag wendet deßhalb diese Grundsätze des Malzens auch
noch heutigen Tages in seiner Branntweinbrennerei an. In den Bierbrauereien dagegen
habe ich fast überall noch die alten Grundsätze vorherrschend gefunden, – und
nur in Klein-Schwechat fand ich, da die Temperatur beim Wachsen möglichst
niedrig gehalten wird, einen verhältnißmäßig mehr
entwickelten Blattkeim.
Hr. Professor Balling ist der Ansicht, daß die
Diastasbildung mit dem Hervorbrechen des Blattkeims quantitativ ihren Gipfelpunkt
erreiche. Versuche im Großen – aber von vorurtheilsfreien Praktikern und mit
dem Saccharometer in der Hand – angestellt, sind höchst wünschenswerth und
werden ja über diese Operation bald das nöthige Licht verbreiten.