Titel: | Ueber Photographiren mit trockenem Collodium; von E. Robiquet und Jules Duboscq. |
Fundstelle: | Band 143, Jahrgang 1857, Nr. XLVI., S. 190 |
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XLVI.
Ueber Photographiren mit trockenem Collodium; von
E. Robiquet und
Jules
Duboscq.
Aus den Comptes rendus, Decbr. 1856, Nr.
26.
Robiquet, über Photographiren mit trockenem Collodium.
Die Photographen suchen schon längst auf den Glasplatten einen Ueberzug von
empfindlich gemachtem Collodium zu erhalten, welcher nach dem Herauskommen aus dem
Bad von salpetersaurem Silber den Lichteindruck eben so gut empfängt, wie eine
Schicht, welche seit mehreren Tagen präparirt worden und daher vollständig
ausgetrocknet ist. Das zu lösende Problem schien uns ein sehr einfaches zu seyn;
offenbar wurde der beabsichtigte Zweck bisher deßhalb nicht genügend erreicht, weil
man glaubte, daß die Empfindlichkeit von der Gegenwart des Wassers abhängt. Es wurden daher eine
Menge fruchtloser Versuche gemacht, indem man sich lediglich bemühte hygroskopische
Oberflächen zu erhalten.
Wenn man die Oberfläche eines empfindlich gemachten Collodiums, nachdem es aus dem
Bad von salpetersaurem Silber genommen wurde, mit der Loupe betrachtet, so bemerkt
man, daß sie aus lauter Kügelchen von Jodsilber besteht, welche durch deutlich
wahrnehmbare Zwischenräume von einander getrennt sind. Wascht man diese Platte mit
destillirtem Wasser und läßt sie von selbst trocknen, so verändert sich die
Anordnung des Niederschlags keineswegs. Setzt man sie jetzt der Einwirkung des
Lichts aus, so wird die Modification welche sie erleiden muß, um später durch die
reducirenden Agentien ein Bild zu geben, nur sehr langsam vorschreiten; der
Silberniederschlag ist nämlich ein feines Pulver, dessen Körner sämmtlich von
einander entfernt sind und daher getrennt den Lichteindruck empfangen, weßhalb die
Wirkung nur sehr langsam erfolgen kann. Wenn man daher durch irgend einen Kunstgriff
bewerkstelligen kann, daß alle diese getrennten Elemente unter einander verbunden
werden, so braucht das Licht seine Wirkung nicht mehr auf die einzelnen Theile
auszuüben, weil ihm nun eine zusammenhängende Fläche dargeboten wird. Indem man die
mit empfindlich gemachtem Collodium überzogenen Platten nach dem Herauskommen aus
dem Bad von salpetersaurem Silber, von welchem sie einen großen Theil zurückhalten,
sofort in der camera obscura exponirt, thut man nichts
anderes, als daß man die für den Lichteindruck empfängliche Oberfläche zu einer
continuirlichen macht, dadurch daß alle Punkte derselben unter einander durch eine
Wasserfläche verbunden werden, die den Dienst eines Firnisses leistet. Deßgleichen
ist der aus empfindlich gemachtem Eiweiß bestehende Ueberzug der Platten als ein
Niederschlag von Jodsilber zu betrachten, dessen Theile sämmtlich durch einen
wahrhaften, freiwillig ausgetrockneten Eiweißfirniß unter einander verbunden sind,
– nicht durch ein verfilztes und ungleiches Gewebe, wie es beim Collodium der
Fall ist. Daher kann man auch die Platten mit Eiweißüberzug im trockenen Zustand
exponiren, nur ist einerseits die Zubereitung dieser Platten mit vielen
Schwierigkeiten verbunden und anderseits erfordern sie für den Lichteindruck eine
beträchtliche Zeit.
Indem wir also von der Ansicht ausgingen, daß das feuchte Collodium vom Licht
schneller afficirt wird als das ausgetrocknete, aber nicht wegen des
zurückgehaltenen Wassers, sondern weil es eine für den Lichteindruck empfindliche
zusammenhängende Fläche bildet, glaubten wir daß es zur Lösung des Problems genügt,
dem gewöhnlichen jodhaltigen Collodium eine Substanz zuzusetzen, welche die
Unregelmäßigkeiten seiner Oberfläche aufheben kann, indem sie die getrennten
Jodsilber-Theilchen durch ein gemeinschaftliches Band vereinigt. Kautschuk,
Gutta-percha, Gummilack und viele andere analoge Substanzen lieferten uns
schon sehr genügende Resultate; von allen Methoden gelang uns aber folgende am
besten:
1. Bereitung des
Bernsteinfirnisses.
Bernstein, fein gepulvert
40
Gramme
Chloroform
150
„
Schwefeläther
150
„
Der Bernstein wird durch Auslaugen in einem Verdrängungsapparat erschöpft und die
Flüssigkeit bloß durch Papier filtrirt.
2. Bereitung des trocknen
Collodiums.
Schwefeläther
200
Gramme
Alkohol
80
„
Schießbaumwolle
6
„
Jodammonium
4
„
Bernsteinfirniß
25
„
Man vermischt alle diese Substanzen in einem Cylinderglas, rührt um bis die Auflösung
eine vollständige ist, und läßt drei bis vier Stunden in Ruhe. Alsdann decantirt man
und filtrirt durch gekrempelte Baumwolle.
Für das Gelingen dieser beiden Operationen ist es Bedingung, daß man chemisch reine
Substanzen anwendet. Man verbreitet dieses Collodium auf den Glasplatten in
gewöhnlicher Weise und macht sie in einem Bade empfindlich, welches besteht aus:
destillirtem Wasser
100
Theilen
salpetersaurem Silber
10
„
krystallisirbarer
Essigsäure
10
„
Die Platten werden hernach mit destillirtem Wasser gewaschen und an einem dunkeln
Orte dem freiwilligen Austrocknen überlassen. So zubereitet können sie ganze Monate
aufbewahrt werden, bevor man sie in der camera obscura
exponirt, ohne daß sie ihre Empfindlichkeit verlieren; nachdem aber das Licht seine
Wirkung gethan hat, darf man nicht über 24 bis 48 Stunden warten, um das Bild zum
Vorschein zu bringen. Es scheint daß die Molecularschwingungen, welche durch das
Licht den Jodsilberpartikeln, auf denen sich das Bild erzeugen muß, ertheilt worden
sind, sich nach und nach der ganzen Masse mittheilen, denn je später man die
reducirenden Substanzen einwirken läßt, desto verschleierter ist das Bild. Man soll
daher die Platten, welche den Lichteindruck empfingen, sobald als möglich in ein Bad
tauchen, welches 2 bis 3 Proc. salpetersaures Silber enthält; man läßt sie dann vier
bis fünf Minuten trocknen, und bringt das Bild mit Gallussäure oder Pyrogallussäure
nach den gewöhnlichen Methoden zum Vorschein.
Die Expositionszeit ist im Allgemeinen die doppelte von derjenigen, welche für das
feuchte Collodium nothwendig ist.
Das trockene Collodium ersetzt sehr vortheilhaft das Eiweiß für Aufnahmen von
Monumenten oder Landschaften, und für das Copiren durch Anwendung der positiven
Bilder auf Glas. Für letztern Zweck sind einige Vorsichtsmaßregeln zu beobachten;
nachdem das Bild auf gewöhnliche Weise fixirt worden ist, trocknet man es mittelst
der Weingeistlampe, läßt erkalten und überzieht es mit einer Schicht
Bernsteinfirniß. Das Bild wird dann an einem trockenen Orte drei bis vier Tage lang
sich selbst überlassen; hierauf beseitigt man durch sehr schwaches Ueberfahren mit
einem kleinen Baumwollbällchen den Staub von reducirtem Silber welchen der
Bernsteinfirniß nicht eingeschlossen hat, man gießt eine letzte Schicht von
Benzinfirniß auf, und läßt an freier Luft von selbst trocknen. Der Benzinfirniß ist
bloß eine Auflösung von 10 Theilen weichen Copals in 100 Theilen Benzin; er ist sehr
flüssig, färbt sich niemals an der Luft, und ertheilt den Bildern eine solche
Durchsichtigkeit, daß selbst ein geübter Beobachter glauben könnte, sie seyen auf
Eiweiß dargestellt.
Platten von trockenem Collodium, welche im voraus empfindlich gemacht wurden, lassen
sich sehr gut für Porträts verwenden, besonders wenn man von solchen eine große
Anzahl in kurzer Zeit zu machen hat. Es genügt hierzu, diese Platten einige Minuten
in eine Auflösung von salpetersaurem Silber zu tauchen, welche von diesem Salze 5
Procent enthält und durch einige Tropfen Essigsäure oder Salpetersäure angesäuert
wurde. Beim Herauskommen aus diesem Bade wirkt das trockene Collodium wie feuchtes
Collodium, und es ist gar keine besondere Vorschrift zu befolgen, weder hinsichtlich
der Expositionszeit, noch hinsichtlich der Erzeugung des Bildes.