Titel: | Ueber das Bor; von F. Wöhler und H. Sainte-Claire Deville. |
Fundstelle: | Band 143, Jahrgang 1857, Nr. LXVIII., S. 271 |
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LXVIII.
Ueber das Bor; von F. Wöhler und H. Sainte-Claire Deville.
Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, Januar 1857, S.
113.
Wöhler und Deville, über das Bor.
Nach Untersuchungen, welche jeder von uns für sich begann und die wir dann
gemeinschaftlich beendigten, existirt das Vor in drei verschiedenen Zuständen, und
bietet so dieselben Analogien mit dem Kohlenstoff dar, welche auch das Silicium
zeigt, aber in noch höherem Grade.
1. Krystallisirtes oder diamantartiges
Bor.
Physische Eigenschaften. – Diese sehr sonderbare
Substanz wurde in Form durchsichtiger Krystalle erhalten, welche bald granatrothe,
bald honiggelbe Farbe zeigten, ohne daß indessen die Farbe als eine wesentliche zu
betrachten wäre; sie könnte, wie die der Edelsteine auf einem Gehalt an sehr kleinen
Mengen von Beimischungen, namentlich von Silicium oder von Kohlenstoff oder selbst
von amorphem Bor, beruhen. Man kann deßwegen erwarten, daß das krystallisirte Bor
auch noch farblos erhalten werden wird.
Das Bor besitzt Glanz und Lichtbrechungsvermögen in solchem Grade, daß seine
Krystalle in diesen Beziehungen nur dem Diamant vergleichbar sind. Es beruht auf so
äußerst hohem Lichtbrechungsvermögen, daß Krystalle von allzu beträchtlicher Dicke,
als daß sie das Licht noch hindurchgehen ließen, Metallglanz zeigen. Es ist zu
vermuthen, daß, wenn man das Bor farblos und in großen Krystallen erhalten könnte,
es ganz das Aussehen des Diamants und die an diesem Edelsteine durch Reflexion und
Refraction bewirkten Lichteffecte zeigen würde.
Eine andere wichtige Aehnlichkeit bietet die Härte des Bors. Bekanntlich ist der
Diamant der bei weitem härteste unter allen Körpern, und ritzt er den Corund oder
orientalischen Rubin, welcher bezüglich der Härte zunächst auf ihn folgt. Das Bor
aber ritzt auch den Corund mit größter Leichtigkeit, so daß ein geschnittener Saphir
bei der Behandlung mit Borstaub äußerst rasch seine Kanten und Ecken verlor und auf
den Flächen geritzt wurde. Ein geschnittener Diamant, mit welchem man die
Borkrystalle auf einer Unterlage von polirtem Quarz zerdrückte, wurde an allen
Berührungsstellen schwach angegriffen. Dieser Versuch, nach welchem dem Bor eine der
des Diamants vergleichbare Härte zukommt, wird später durch genauere Untersuchungen,
welche Hr. Froment, der
geschickte Mechaniker, anstellen will, vervollständigt werden. Bis jetzt muß das Bor
als der härteste unter allen Körpern, oder mindestens als dem Diamant an Härte am
nächsten kommend, betrachtet werden.
Die Krystallform des Bors muß noch bestimmt werden. Wir erhielten oft ziemlich große
Borkrystalle, aber bei genauerer Betrachtung ergab es sich, daß sie verwickelt
zusammengesetzte Verwachsungen sehr vieler und kleiner, regelmäßig vereinigter
Krystallindividuen waren.
Chemische Eigenschaften. – Das krystallisirte Bor
widersteht bei starkem Erhitzen der Einwirkung des Sauerstoffs; bei der Temperatur,
bei welcher der Diamant verbrennt, oxydirt es sich indessen, doch nur oberflächlich,
denn die sich bildende, leicht wahrnehmbare dünne Schicht Borsäure verhindert
weitere Einwirkung des Sauerstoffs auf die noch unoxydirte Substanz.
Das Chlor wirkt hingegen mit bemerkenswerther Energie auf das Bor ein, welches sich
bei Rothglühhitze in einer Atmosphäre von Chlorgas entzündet und zu gasförmigem
Chlorbor wird; es ist nicht leicht das Chlor so trocken anzuwenden, daß sich bei
diesem Versuch nicht etwas Rauch bemerkbar mache, und man sieht sich auch etwas
Borsäure abscheiden, die von dem Chlor beigemengtem Wasser und Luft gebildet wird.
Krystallisirtes Bor verbrennt so im Chlorgas ohne Rückstand, und man beobachtet
dabei ein ähnliches anscheinendes Aufschwellen der Krystalle, wie es der Diamant bei
seiner Verbrennung in Sauerstoff nach Dumas' Wahrnehmung
zeigt.
Vor dem Löthrohr zwischen zwei Platinblechen erhitzt, bewirkt das krystallisirte Bor
sofort das Schmelzen des Metalls, indem sich nicht schwer schmelzbares Borplatin
bildet.
Alle Säuren zeigen, im reinen Zustande oder gemischt angewendet, weder in der Kälte
noch bei dem Erhitzen Einwirkung auf das Bor. Nur bei starker Rothglühhitze wird es
durch saures schwefelsaures Kali zu Borsäure umgewandelt, unter gleichzeitiger
Entwickelung von schwefliger Säure.
Durch siedende concentrirte Aetznatronlauge wird es nicht angegriffen. Aber
Natronhydrat und kohlensaures Natron lösen es bei Rothglühhitze langsam auf.
Salpetersaures Kali scheint bei dieser Temperatur nicht merklich auf das
krystallisirte Bor einzuwirken. Dieses ist somit unter allen Elementen dasjenige,
welches durch chemische Agentien am schwierigsten angegriffen wird.
Darstellung des krystallisirten Bors. – Man
schmilzt in einem Kohlentiegel 80 Grm. Aluminium in dicken Stücken und 100 Grm.
geschmolzene und zerkleinerte Borsäure zusammen. Der Kohlentiegel wird, unter
Ausfüllung der Zwischenräume, in einen Graphittiegel gesetzt, und das Ganze in einen
Windofen gebracht, in welchem man die zum Schmelzen des Nickels nöthige Hitze leicht
hervorbringen kann. Man erhitzt während fünf Stunden so stark als möglich, und
entfernt stets die Schlacken, welche den Rost des Ofens verstopfen könnten. Nach dem Erkalten
zerschlägt man den Tiegel; man findet dann in ihm zwei deutlich getrennte Schichten,
deren eine glasig ist und aus Borsäure und Thonerde besteht, während die andere
metallartig, blasig und eisengrau aussieht, und mit leicht erkennbaren kleinen
Krystallen von Bor besetzt ist. Letztere Schichte besteht aus Aluminium, das seiner
ganzen Masse nach von krystallisirtem Bor durchdrungen ist.
Die metallartig aussehende Schichte wird mit siedender Natronlauge von mittlerer
Concentration behandelt, welche das Aluminium auflöst, dann zur Beseitigung des
Eisens mit kochender Salzsäure, und zuletzt mit einer Mischung von Flußsäure und
Salpetersäure, um die Spuren von Silicium wegzunehmen, welche nach Behandlung des
Bors mit Natron dem erstern noch beigemengt seyn könnten.
Das so erhaltene Bor ist noch nicht ganz rein; es enthält Thonerdeplättchen
beigemengt, die man mechanisch auslesen kann, deren Entfernung durch chemische
Mittel uns indessen noch nicht gelang.
Die erwähnte glasartige Schichte, mit Wasser gekocht, gibt an dieses viel Borsäure
ab, und eine gallertartige Substanz entsteht, welche fast reine Thonerde ist; diese
Abscheidung der Borsäure von der Thonerde steht mit der Einwirkung des Wassers auf
andere borsaure Salze mit unlöslichen Basen in Einklang.
2. Graphitartiges Bor.
Etwas graphitartiges Bor erhält man bei der vorhergehenden Versuchsweise und kann es
dann von dem krystallisirten Bor leicht trennen, da das graphitartige in Wasser
suspendirt bleibt. – Leicht läßt sich das graphitartige Bor erhalten, indem
man Fluorborkalium mit Aluminium behandelt und als Flußmittel ein Gemenge von
gleichen. Theilen Chlorkalium und Chlornatrium zusetzt; man erhält alsdann kleine
Massen von Boraluminium, welche bei dem Auflösen in Salzsäure das Bor in der
graphitartigen Modification hinterlassen. Diese Blättchen sind oft hexagonal, etwas
rothlich, sie haben den Glanz und die Form des natürlichen Graphits und des
graphitartigen Siliciums. Das graphitartige Bor ist immer undurchsichtig.
3. Amorphes Bor.
Es bildet sich auch bei der Darstellung des krystallisirten Bors; es genügt hierfür,
daß ein kleines Aluminiumkügelchen sich mit einer großen Menge von Borsäure zusammen
befunden hat. Dann geht die Einwirkung sehr rasch vor sich; das Aluminium kann das Bor nicht in
dem Maaße, als es frei wird, auflösen, und man erhält nach beendigter Einwirkung des
Natrons und der Säuren eine hell-chocoladebraune Substanz, welche alle
Eigenschaften zeigt, die Gay-Lussac, Thenard und
Berzelius dem amorphen Bor, wie sie es kannten,
zuschrieben.
Sammelt man das amorphe Bor auf einem Filter, so brennt alles Bor, was dem
Filtrirpapier anhängend blieb, nach dem Trocknen bei dem Anzünden des Papiers mit
bemerkenswerther Leichtigkeit und starkem Glanz. Das graphitartige Bor hingegen
widersteht der durch die Verbrennung des Papiers hervorgebrachten Hitze und man
findet es unverändert in der Asche.