Titel: | Ueber die Verwendung der Steinkohlen statt der Kohks zur Heizung der Locomotiven. |
Fundstelle: | Band 143, Jahrgang 1857, Nr. LXXXI., S. 336 |
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LXXXI.
Ueber die Verwendung der Steinkohlen statt der
Kohks zur Heizung der Locomotiven.Man vergl. die Mittheilungen über diesen Gegenstand im polytechn. Journal. 1856,
Bd. CXL S. 402. A. d. Red.
Ueber Verwendung der Steinkohlen statt der Kohks zur Heizung der
Locomotiven.
I. Boardman's Locomotive für
Steinkohlenfeuerung.
Auf der Providence-Worcester Eisenbahn in
Nordamerika ist eine neue Art von Locomotiven für Steinkohlenheizung mit
eigenthümlich construirtem Kessel nach Boardman's Erfindung in Anwendung, von welchem amerikanische Blätter
folgende Beschreibung geben. Die Feuerbüchse ist die gewöhnliche, der eigentliche
Kessel aber hat gerade Seiten und einen flachen Boden und durch denselben erstreckt
sich von der Feuerbüchse bis an das vordere Ende ein halbrunder Feuercanal von der
Form , dessen untere flache Seite die Rohrwand bildet. Die Heizröhren gehen
nämlich von diesem Feuercanal vertical abwärts und sind wie bei den gewöhnlichen
Kesseln von Wasser umgeben. Die untere Röhrenwand bildet den Boden des Kessels, wie
beim gewöhnlichen Kessel die vordere Röhrenwand den Kessel schließt. Es ist aber
eine Aschenkammer (Rauchkammer) unter der Bodenröhrenwand, die sich nach vorn und
aufwärts am Ende des Kessels bis an den geraden offenen Kamin erstreckt.
Der große halbrunde Feuercanal bildet eine Verbrennungskammer für die hier sich von
den Steinkohlen sammelnden Gase, Funken etc. und bietet zugleich eine große
Feuerberührungsfläche. Zugleich wirkt dieselbe ausgleichend auf den Luftzug, welcher
seine stoßweise Wirkung verliert. Die Siederöhren sind der unmittelbaren Wirkung des
Feuers entzogen und der Zerstörung weniger ausgesetzt.
Die mit solchem Kessel von Mason und Comp. in Taunton für die Providence-Bahn gebaute Maschine
„Slater“ hat folgende Dimensionen: Außenliegende Cylinder
von 14 Zoll Durchmesser mit 22 Zoll Kolbenhub; Triebräder 5 Fuß Durchmesser. Der
Kessel enthält 340 Siederöhren von 2 1/8 Zoll äußerem Durchmesser, ist 60 Zoll tief
und 35 Zoll breit. Die Excentrics sind außerhalb der Räder angebracht, weil der
Kessel den ganzen Raum zwischen den Rahmen ausfüllt. Die Oeffnung des Blasrohrs ist
3 1/2 bis 4 Zoll weit. Das etwas größere Gewicht des Kessels wird durch den Vortheil
seiner tiefen Lage ausgeglichen.
In dieser Maschine bildet die Steinkohle keine Schlacken; sie macht überflüssig Dampf
von 120 Pfd. Druck auf den Quadratzoll; aus dem Schornstein sieht man weder Funken
noch Rauch entweichen und die Maschine hält sich reinlicher als selbst bei
Holzfeuerung. Der Kohlenverbrauch ist gering; 8 bis 9 Pfd. Wasser werden mit 1 Pfd.
Kohle verdampft. Bei einer Fahrt mit einem Personenzug von Providence nach Worcester
und zurück, 90 engl. Meilen, war der Verbrauch 2300 Pfd. Kohlen (25 1/2 Pfd. pro engl., 118 engl. Pfd. pro geogr. Meile). Der Zug bestand aus 4 achträderigen Wagen, die Zahl der
Aufenthalte war 36 und in Worcester dauerte der Aufenthalt 1 3/4 Stunden; die größte
Steigung der Bahn ist 1 : 118. Mit einem Güterzug verbraucht dieselbe Maschine für
die Fahrt hin und zurück, wobei sie von Morgens 4 bis Nachmittags 2 Uhr in Dampf
ist, 2 Tonnen Steinkohlen, also circa 200 Zollpfund pro geogr. Meile. (Eisenbahn-Zeitung, 1857, Nr.
4.)
II. Borsig'sche Tender-Locomotive
für Steinkohlenfeuerung auf der Saarbrücker Eisenbahn.
In der Versammlung des Vereins der Civilingenieure in Paris am 7. November v. J.
theilte H. Gaudry Zeichnung und Beschreibung einer von
Borsig für die Saarbrücker Bahn bestimmten
Gütermaschine mit. Dieselbe sollte laut Programm nach dem System der Tendermaschinen
construirt seyn und auf einer Steigung von 1 : 200 mit 65 Wagen à 10 Tonnen 3 bis 4 Meilen in der Stunde
zurücklegen. Die Maschine hat 3 Paar Räder, sämmtlich gekuppelt, und außenliegende
Cylinder. Sie ist für Steinkohlenfeuerung bestimmt und hat einen Treppenrost nach
Marsilly und Chobrzinsky.
Eine Dampfpumpe dient zur Speisung und zwischen den zwei hinteren Rädern ist eine Dampfbremse
nach Laignel's System
angebracht. Die hauptsächlichsten Dimensionen der Maschine sind:
Durchmesser
der Cylinder
0,450 Meter
=
1,5
engl. Fuß
Kolbenhub
0,675
„
=
2,25
„
Durchmesser
der Triebräder
1,260
„
=
4,20
„
Zahl der
Siederöhren 209
=
Innerer
Durchmesser derselben
0,045
„
=
0,15
„
Länge
derselben
4,200
„
=
14,00
„
Durchmesser
des Kessels
1,300
„
=
4,33
„
Länge der
Feuerbüchse
1,390
„
=
4,63
„
Breite
0,942
„
=
3,14
„
Höhe über
dem Rost
1,540
„
=
5,13
„
Heizfläche
der Feuerbüchse
6,700 □
M.
=
62,3 □
Fuß
Heizfläche
der Röhren
123,940 „
=
1152,7
„
Gesammtheizfläche
130,640 „
=
1215,0
„
Achsenstand
3,426 Meter
=
11,42 Fuß
Gewicht der
Maschine im
arbeitenden Stande
44,3 Tonnen
und zwar
auf den
vorderen Triebrädern
13,00 „
„ „
mittleren
„
15,75 „
„ „
hinteren „
15,55 „
Der Preis der Maschine ist 72,000 Fr. oder beiläufig 2 1/4 Fr. pro Kilogr. (A. a. O.)
III. Ergebnisse der Steinkohlenfeuerung
in Locomotiven auf der sächsisch-bayerischen Staats-Eisenbahn;
mitgetheilt von Franz Rovotny.Aus der Deutschen Gewerbezeitung, 1857, Heft 1 S. 43.
Nachdem man die Beschaffenheit der verschiedenen Zwickauer Kohlensorten in Folge
vielfacher Verwendung hinreichend hatte kennen lernen, wobei sich vorzugsweise eine
magere sehr weiche Kohlensorte für manche Feuerungen als ganz vorzüglich
herausstellte, wurden damit im J. 1850 die ersten Versuche zur Locomotivbeheizung
gemacht.
Die früher anderweitig gemachten Erfahrungen wiederholten sich nun auch bei der
Locomotivheizung. Denn obgleich die bituminöse Kohle (Pechkohle) ebenfalls recht
gute Resultate gab, so entschied doch ihr höherer Preis und größerer Schwefelgehalt,
ihre bedeutendere Rauchentwickelung und Schlackenbildung gegen sie und zu Gunsten
der weniger Rauch entwickelnden mageren Kohle.
Trotz diesem nach einiger Uebung erreichten, in jeder Beziehung überraschend
günstigen Ergebnisse – denn die Dampfentwickelung war eine sehr gleichmäßige,
die Verbrennung eine verhältnißmäßig gute – konnte man jedoch noch nicht zur
regelmäßigen Verwendung jenes Feuerungsmaterials übergehen, da die Bauart der
Rauchkammern und der Dampfausgangsröhren insbesondere dieß nicht zuließ. Es wurde
daher bei der Neubeschaffung von Locomotiven sowohl auf die Vergrößerung der
Rostflächen als auch auf eine entsprechende Bauart der Rauchkammern, günstige Lage
der Dampfausgangsröhren mit Regulatoren Rücksicht genommen, und so gelang es, im
Jahre 1854 zur Anwendung der Steinkohlen als Heizmaterial im Großen überzugehen,
während in den zwischenliegenden Jahren nur dann und wann Versuche damit gemacht
worden waren.
Die Neuanordnung der erwähnten Theile geschah wie folgt. Die Roste blieben
waagerecht, wie bei der Kohksfeuerung, nur wurden die Stäbe enger gelegt, so daß
ihre Zwischenräume von 1/2 bis 5/8 Zoll betrugen, wodurch, da Verwendung sogenannter
„klarer Kohlen“ unterblieb, das Durchdenrostfallen
unverbrannter Kohlenstücke fast gänzlich vermieden wurde. Die Rauchkammern wurden,
um das anfänglich sehr starke Auswerfen von Funken zu verhindern, dort wo sie nahezu
den größten Querschnitt haben, gleich über der zu höchst befindlichen Siederohrreihe
mit einem Drahtgitter aus 1/8zölligen Eisendrahtstäben – 1/8 Zoll
Zwischenraum – versehen, das in der Längenrichtung der Maschine liegt.
Dadurch beseitigte sich das Funkenauswerfen so weit, daß es zu den Seltenheiten
gehört, einen Funken aus dem Schornstein stiegen zu sehen. Da erfahrungsmäßig die in
Rede stehenden Kohlen bei richtiger Behandlung der Feuerung einen bedeutend
geringern Luftzug als Kohks bedürfen, so wurden die Dampfausgangsröhren mit
Regulatoren versehen, welche je nach Bedarf der Auslaßöffnung einen Querschnitt zu
geben gestatten, der so groß wie das Rohr selbst ist. Der Boden der Rauchkammer
endlich wurde mit einer Oeffnung versehen, an welche sich ein unten leicht zu
öffnender Aschenkasten anschließt. Da ferner die Wände der Rauchkammer alle gegen
jene Oeffnung zu verjüngt sind, so fällt alles halb verbrannte Kohlenklein in den
erwähnten Kasten, welcher auf den Anhaltorten, wo genügende Zeit vorhanden ist,
entleert wird.
Die Länge der Bahnlinie, so wie deren Steigungsverhältnisse machten es nöthig, die
Bahn für den Locomotivbetrieb in zwei Abtheilungen zu theilen, und besitzt die
erste, Leipzig-Werdau, 62 Proc. Steigungen von 1 : 200 und darunter, und 6
Proc. Gefälle von 1 : 200 und darunter, während die Horizontalen 32 Proc. betragen.
Die zweite Abtheilung, Werdau-Hof, besitzt Steigungen von 1 : 100 und zwar 50
Proc., während Gefälle
derselben Steigung noch 23 Proc. vorhanden sind, so daß die Horizontalen sich auf 27
Proc. belaufen. Die Curven der ersten Strecke betragen nur 28 Proc., während die
Curven der zweiten Abtheilung bis auf 64 Proc. steigen.
Maschinen mit den vorhin beschriebenen Einrichtungen versehen, haben nun folgenden
Kohlenverbrauch, Anheizung eingeschlossen, nachgewiesen.
1) Bei Güterzügen auf der ersten Abtheilung mit einer Belastung
von 105 Achsen und 3 1/2 Meilen pro Stunde
Fahrgeschwindigkeit
pro
Locomotivmeile
= 210 Pfd. Kohlen und
„
Achsenmeile
=
2,00 „ „
während
der Kohksverbrauch bei denselben Maschinen, jedoch mit dafür
eingerichteten Rosten etc. bei denselben Zügen
pro
Locomotivmeile
= 155,5 Pfd. und
„
Achsenmeile
= 1,481
„ betrug.
Es stellte sich daher eine Verhältnißzahl von 100 Pfd. Kohks = 135
Pfd. Kohlen heraus.
2) Bei Güterzügen der zweiten Bahnabtheilung mit denselben
Locomotiven bei einer durchschnittlichen Belastung von 155 Achsen und derselben
Fahrgeschwindigkeit
pro
Locomotivmeile
= 218,24 Pfd. Kohlen und
„
Achsenmeile
= 3,968
„ „
während
der Kohksverbrauch unter ganz denselben Verhältnissen
pro
Locomotivmeile
= 160,1 Pfd. und
„
Achsenmeile
=
2,901 „ betrug,
so daß sich auch hier die Verhältnißzahl von 100 Pfd. Kohks = 136,3
Pfd. Kohlen ergibt.
3) Bei den Personenzügen beider Bahnabtheilungen zusammen
genommen betrug der Kohlenverbrauch bei der Stärke der Züge von 35 Achsen, wo nur
auf der zweiten Abtheilung etwas stärkere Maschinen genommen wurden, als auf der
ersten,
pro
Locomotivmeile
= 143,78 Pfd. Kohlen und
„
Achsenmeile
= 4,108
„ „
während
der Kohksverbrauch für dieselben Züge von 35 Achsen
pro
Locomotivmeile
= 105,72 Pfd.
„
Achsenmeile
= 3,02
„ betrug,
so daß sich auch hier wieder die Verhältnißzahl von 100 Pfd. Kohks
= 136 Pfd. Kohle herausstellt.
4) Der Kohlenverbrauch bei denjenigen Maschinen endlich, welche
nur kurze Strecken mit vielen Stillständen befahren, wie auf der Kohlenbahn in Zwickau und
Verbindungsbahn in Leipzig, oder welche für den Stationsdienst verwendet werden, hat
sich aus dem Grunde noch weit günstiger nachgewiesen, weil Kohlen ohne starken
Luftzug, wie beim Stillstande der Maschinen, weit weniger rasch verbrennen als
bereits ganz entzündete Kohks, und stellte sich hier die Verhältnißzahl von 100 Pfd.
Kohks = 115 Pfd. Kohlen heraus.
Der Zollcentner dieser Kohlen nun kostet jetzt 3 Ngr. 7 Pf. und der Centner Kohks 12
Ngr. 5 Pf. Es rechnet sich daher, bei einer Werthverhältnißzahl zwischen Kohks und
Kohle für gleiches Heizvermögen von 100 : 136, ein Gewinn von 59,6 Proc. gegen Kohks
heraus.
Was endlich die Dauer des Kesselmaterials anlangt, etwa Feuerkasten, Siederöhren
etc., so kann man, da doch auf deren Zerstörung größtentheils der in dem
Brennmaterial enthaltene Schwefel den wichtigsten Einfluß ausübt, völlig beruhigt
seyn, denn die aus Backkohlen fabricirten Kohks, bei welchen die Feuerkasten eine
Dauer von 8 bis 10 Jahren nachgewiesen haben (30,000 bis 35,000 Meilen), haben einen
Schwefelgehalt von 0,087 bis 0,478 Proc., während die hier in Rede stehende
Steinkohle einen Schwefelgehalt von 0,186 bis 0,510 Proc. besitzt. Leipzig, im
November 1856.