Titel: | Ventilationssystem der Nadel- und Metallschleiferei des Fabrikanten Peugeot zu Herimoncourt in Frankreich. |
Fundstelle: | Band 143, Jahrgang 1857, Nr. XCVII., S. 409 |
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XCVII.
Ventilationssystem der Nadel- und
Metallschleiferei des Fabrikanten Peugeot zu Herimoncourt in Frankreich.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Peugeot's Ventilationssystem für Nadel- und
Metallschleiferei.
Im Jahrgang 1847 des polytechn. Journals, Bd. CV S.
407, wurde Morin's Bericht über das Peugeot'sche Ventilationssystem mitgetheilt, welches
seinen Zweck, die Arbeiter vor dem höchst nachtheiligen Einathmen des Schleifstaubes
zu schützen, vollkommen erfüllt. Das Wesentliche dieses Systems besteht in
Folgendem: Die Schleifsteine sind in zwei, mit der großen Achse der Werkstätte
parallel laufenden Reihen aufgestellt, und senken sich zu einem Drittel ihres
Durchmessers in einen Unterbau unter dem Boden der Werkstätte ein. Aus diesen
Unterbauten führt von jedem Schleifsteine ein in Ziegeln gemauerter, mit eichenen
Bohlen und darüber fest gestampfter Erde bedeckter Canal zu einem in gleicher Weise
unter der Sohle der Werkstätte fortgeleiteten Hauptcanale, in welchen die
sämmtlichen Seitencanäle mit einer angemessenen Curve münden. Der Hauptcanal gabelt
hinter den letzten Schleifsteinen in zwei Seitenarme aus, welche unter der
Umfassungsmauer der Werkstätte durchgeführt sind, und außerhalb derselben an einem
dort aufgestellten Ventilator wieder zusammen kommen. Jeder Seitenarm mündet in ein
aufrechtstehendes eisernes Rohr, und diese beiden Röhren sind in einem
Viertelkreisbügel durch die beiden Seitenwangen des Ventilators geleitet. Zwischen
den Seitenwangen bewegt sich das Rad des Ventilators, mit einer Geschwindigkeit von
1000 bis 1209 Umdrehungen in der Minute, wirkt dadurch wie eine Luftpumpe auf die
mit Staub erfüllten unterirdischen Kanäle und schleudert die angesogene Staubluft in
der Richtung seiner Tangenten ins Freie. Auf diese Weise wird der Schleifstaub
vollständig fortgenommen, besonders wenn man nicht gleich alle Schleifsteine
zusammen in Bewegung setzt, sondern mit einem einzigen beginnt, damit unter diesem
das Ansaugen vor sich geht, während einstweilen die Kammern der übrigen Steine von
den unterirdischen Seitencanälen durch Schützen abgeschlossen bleiben.
Beschreibung der Peugeot'schen Einrichtung.
Die zwanzig Schleifsteine, welche das Schleifhaus enthält, stehen in zwei Reihen
einander paarweise gegenüber.
Der Schleifer hat seinen Platz hinter dem Schleifsteine, den Rücken gegen die Mauer
gekehrt, im Punkte Q, Fig. 1 und 2, so daß das Licht ihm
auf die Hand fällt. Der Raum unter dem Schleifsteine ist theilweise mit Wasser
gefüllt.
K, K, Fig. 2, ist der
Ventilator, der sich außerhalb des Schleifhauses befindet. Zwischen den beiden
Schleifsteinen zieht sich durch die Werkstätte ein unterirdischer Canal O, P durch, der sich bei V
in zwei Züge spaltet; diese durchdringen die Erdwände der Werkstätte bei S, S und münden in die Seiten des Ventilators.
Von jedem Schleifstein geht ein Seitenzug M, I, M nach
dem Hauptzuge O, P. Durch eine Schütze Z, Fig. 1 und 2, kann derselbe geöffnet
oder geschlossen werden. Ist er geöffnet und der Ventilator in Thätigkeit, so
entsteht zunächst hinter diesem in dem Canal O, P und
von da weiter in M, I, M ein Luftzug. Der Schleifstein
bewegt sich von Q nach I,
also vor dem Arbeiter nach unten; der losgerissene Staub wird daher durch die
Wirkung des Luftzuges, der von der kreisenden Bewegung des Steines unterstützt wird,
unter diesem weg in den Seitencanal M, I, M, und von da
in den Hauptcanal O, P fortgeführt. Während der
schwerere Staub auf diesem Wege sich auf dem Boden ablagert, wird der leichtere vor
dem Ventilator in die Luft geschleudert.
Die Dimensionen sind nach metrischem Maaße in die Zeichnung eingeschrieben.
Die Schleifsteine haben 1,20 Met. im Durchmesser. Die Achsen liegen ungefähr 0,20
Met. über dem Boden der Werkstätte, also mit etwa ein Drittel des Durchmessers im
Unterbau eingesenkt. Der Canal ist von Backsteinen gemauert, mit eichenen Bohlen
gedeckt und darüber eine 0,20 Met. dicke Schicht Grund fest aufgestampft, um einen
luftdichten Verschluß zu erzeugen. Der Boden des Hauptzuges liegt etwa 0,90 Met.
unter dem Boden der Werkstätte, und 0,10 Met. tiefer als derjenige der Seitenzüge,
wodurch die Ablagerung des schwereren Staubes in dem Hauptzuge begünstigt wird.
Häuft sich der letztere zu sehr an, so wird die obere Bedeckung zur Reinigung der
Canäle abgehoben.
Die Breite aller Züge ist gleich, nämlich 0,50 Met., und eben so viel beträgt die
Höhe der Seitenzüge.
Die Luftzüge treffen in Curven auf einander und die beiden Zweige des Hauptzuges
gehen ebenso in Bogen zu dem Ventilator, krümmen sich hier in einem Viertelkreis
nach oben und treten wieder in einer Biegung von einem Viertelkreis seitlich in den
Ventilator. Die Röhren T, T,
Fig. 2 und
3, welche
diesen Uebergang vermitteln, sind von Eisenblech, cylindrisch mit umgebogenem Rande
und sowohl auf die Bodenplatte des Ventilators als an dessen Seitenwangen angeschraubt. Zur Dichtung wird
ein Ring von Leder oder Kautschuk zwischengelegt.
Die Welle des Ventilators geht zu beiden Seiten durch die Blechröhren hindurch, so
daß ihre Zapfen y, y,
Fig. 2,
außerhalb der letzteren liegen und der zerstörenden Wirkung des Staubes entzogen
sind.
Die parallelen Seitenwangen des Ventilators H, H,
Fig. 4, deren
Durchmesser 0,75 Met. beträgt, stehen ungefähr 0,35 Met. von einander ab. Der
Zwischenraum, in welchem sich die Windflügel G, G
bewegen, ist nicht mit Breterverschluß oder einer Blechhülle bedeckt, wie bei den
Ventilatoren, deren Zweck es nicht ist die Luft auszupumpen, sondern den Wind in
einer Röhre fortzutreiben und als Gebläse zu wirken.
Wird mit Wasser geschliffen, wie in der Quincaillerie des Hrn. Peugeot, so ist es nicht nöthig, die
Schleifsteine mit Trommeln (Hauben) zu bedecken. Bei trocken arbeitenden Schleifsteinen, wie für das Zuspitzen der Nadeln, ist
es aber unerläßlich, über dem aus dem Boden vorstehenden Theile des Schleifsteins
eine solche Trommel anzubringen; man läßt dann in der Trommel nur eine angemessene
Oeffnung frei, um dem Schleifer das Andrücken der Nadeln gegen den Stein möglich zu
machen.
Nachtrag.
Bekanntlich werden in den Nahnadelfabriken die
Stahl- oder Eisendraht-Büschel in Stücke oder sogenannte Schachte
zertheilt, welche die doppelte Länge der Nadeln haben; nachdem diese Schachte gerade
gerichtet wurden, werden sie auf der Schleifmühle an beiden Enden zugespitzt und
später in der Mitte zerschnitten (halbirt). Das Zuspitzen der Schachte geschieht
mittelst trockener Schleifsteine aus dichtkörnigem und ziemlich hartem Sandsteine,
welche 6 bis 30 Zoll Durchmesser und zwischen 4 und 5 Zoll Dicke haben; diese
Schleifsteine, deren gewöhnlich eine bedeutende Zahl vorhanden ist, werden durch ein
Wasserrad mit so großer Geschwindigkeit umgetrieben, daß jeder Theil des Umfanges in
der Secunde einen Weg von 100 bis 150 Fuß durchläuft; ein Stein von 18 Zoll
Durchmesser macht in der Secunde gegen 30 Umgänge, kleine 6zöllige Steine drehen
sich in der Secunde über 60 Mal. Der vor dem Steine sitzende Arbeiter nimmt zwischen
Daumen und Zeigefinger der rechten Hand 20 bis 50 oder 60 Schachte (je nach ihrer
Feinheit), und hält das Ende derselben an den Stein, während sein Daumen durch eine
Art ledernen Fingerhuts geschützt ist, und er den längs seines Zeigefingers ausgebreiteten Drähten
eine hin- und herrollende Bewegung ertheilt, um sie an allen Seiten
gleichmäßig abzuschleifen und ganz runde Zuspitzungen zu erzielen.
Der Stein darf hierbei nicht angefeuchtet werden, weil die
Nadeln sonst rosten würden; eben dieses Trockenschleifen
ist aber wegen des dabei entstehenden Stein- und Metallstaubes eine höchst
ungesunde Arbeit; wenige damit beschäftigte Arbeiter erreichen das vierzigste Jahr,
und viele sterben schon mit dem dreißigsten an Engbrüstigkeit, Lungensucht etc. Um
diesen Nachtheil aufzuheben, hat man verschiedene Mittel empfohlen, von welchen aber
die meisten wenig oder gar keinen Eingang gefunden haben. So hat Abraham in Sheffield im J. 1823 vorgeschlagen, durch
Magnete, welche nahe am Schleifsteine und an einer vom Arbeiter umgenommenen Maske
angebracht werden sollten, den Eisen- oder Stahlstaub anziehen zu lassenPolytechn. Journal Bd. XI S. 196.; später empfahl G. Prior einen Blasbalg bei dem
Schleifsteine anzubringen, welcher den Staub vom Arbeiter weg in einen Canal
treibt.Transactions of the Society for the encouragement of
Arts, vol. XXXI p. 208. – Ure's
technisches Wörterbuch, bearbeitet von Karmarsch
und Heeren, 1843, Bd. II S. 504. Diese beiden Vorrichtungen können jedoch aus verschiedenen Gründen dem
Zwecke nicht genügend entsprechen. Gewöhnlich beschränkt man sich darauf, vor dem
Schleifsteine und dicht an demselben eine Eisenplatte anzubringen, in welcher eine
Oeffnung von 6 Zoll im Quadrat enthalten ist, damit der Arbeiter mit den Händen an
den Stein gelangen und die Schachte anhalten kann; allein diese Vorkehrung ist
vielmehr darauf berechnet, den Schleifer beim etwaigen Zerspringen des Steines gegen
dessen Trümmer zu schützen, als den Schleifstaub abzuhalten.
Die zweckmäßigste Einrichtung zum Abhalten des Schleifstaubes – welche jedoch
die Wirksamkeit des Peugeot'schen Ventilationssystems bei
weitem nicht erreicht – bestand bisher darin, den ganzen Stein mit einem
Kasten zu umgeben, in welchem nur eine kleine Oeffnung zum Einhalten der Drähte
angebracht ist; die äußerst schnelle Umdrehung des Steines erzeugt einen Luftzug,
welcher den Staub in den Kasten hinein und ferner durch ein Abzugrohr fort in einen
Schornstein reißt; um diese Strömung noch zu befördern, mündet in das Abzugrohr eine
zweite, engere Röhre, welche heiße Luft aus einem Ofen zuführt.Ein solcher Apparat, aus der Fabrik von Pastor zu Burtscheid, ist im Artikel
„Nadelfabrication“ in Prechtl's technologischer Encyklopädie, Bd. X S. 304,
beschrieben.
Amtliche Verfügungen zum Schütze der Arbeiter gegen den Schleifstaub sind unseres
Wissens bis jetzt nur von der königl. preuß. Regierung zu Arnsberg erlassen worden; wir theilen die Verordnung, nach deren
Vorschrift sämmtliche Nadelschleifereien im Arnsberger Regierungsbezirk im J. 1854
eingerichtet worden sind, hier mit:
Polizei-Verordnung in Beziehung auf die Einrichtung der
Nähnadel-Schleiferwerkstätten, vom 25. März 1854.
Um den für die Gesundheit der Arbeiter verderblichen Folgen, welche die bisher
gewöhnliche Einrichtung der Nähnadelschleifwerkstätten mit sich geführt hat, nach
Möglichkeit vorzubeugen, finden wir uns bewegen, kraft des §. 5 des Gesetzes
über die Polizei-Verwaltung vom 11. März 1850 nachstehende
Polizei-Verordnung für den Umfang unseres Bezirks zu erlassen:
§. 1. Als Fabrik-Werkstätten zum Schleifen
der Nähnadeln dürfen in Zukunft nur solche Räume benutzt werden, welche gedielt oder
gepflastert, mit dichtgeschlossenen Decken und wohlerhaltenen Fenstern versehen,
mindestens 10 Fuß im Lichten hoch sind, und mit Oefen geheizt werden können. Für
gegenwärtig schon vorhandene Nadelschleifereien genügt eine Höhe von 8 Fuß.
§. 2. Der Schleifstein muß von dem Raume, in welchem der Schleifer arbeitet,
durch eine vom Boden bis zur Decke reichende Scheidewand, oder durch einen den Stein
rings umschließenden Mantel getrennt seyn.
§. 3. In diese Scheidewand oder den Mantel ist der seither übliche, die
Schleiföffnung enthaltende eiserne Schirm einzuführen. Diese Oeffnung darf nicht
breiter seyn, als zur freien Bewegung des Steines nöthig ist, und muß mit einem
derartigen Vorsprunge gegen das Heraussprühen der Funken und zur Abwehr des Staubes
überkleidet werden.
§. 4. Die Steine sind so zu stellen, daß die Mitte der Schleiföffnung
mindestens 1 Fuß höher ist, als die obere Kante des Arbeitssitzes.
(Die Skizzen Fig. 5 und 6 auf Tab. VI zeigen die
Einrichtung genügend. a, b, c, d sind eiserne Bleche, in
welchen sich die Oeffnungen n, o für den Stein befinden.
– m, n Blechnasen, welche die Funken und den
Staub aufnehmen und ableiten. – A, B Breterwand.
C Thür in dem abgeschlossenen Raume. – r, s schmale Breter, an Schnüren t, r und t, s angebracht zum Auflegen der Arme
für das sichere Vorhalten der Nadeln. – Die Wand A,
B enthält nach Umständen vier bis sechs und mehr solcher Sitzplätze, und
zwischen je zweien ist meistens eine Thür, um zum Schleifstein zu gelangen, f in Fig. 5 ist ein Rahmen zum
Vor- und Rückschieben für kleinere und größere Steine.)
§. 5. Es dürfen fortan keine neuen Schleifer vor vollendetem 14ten Jahre, auch
nicht als Lehrlinge, zur Arbeit angenommen werden. Von der Annahme eines jeden neuen
Schleifers ist der Ortspolizeibehörde binnen 8 Tagen Anzeige zu machen.
§. 6. Diese Bestimmungen treten mit dem 1. Januar 1855 in Kraft.
Uebertretungen derselben werden mit Geldstrafe bis zu 10 Thlr. bestraft. Auch sind
die vorschriftswidrig eingerichteten Schleifereien polizeilich zu schließen.
(Amtsblatt vom 1. April 1854, S. 129.)
Obwohl durch diese Vorkehrungen das Uebel bedeutend vermindert worden ist, so fehlt
dabei doch die abziehende Ventilation der französischen Einrichtung gänzlich, daher
bei unvermeidlich entstehendem Luftzuge der Staub zwischen Stein und Schirm zurück
in den Raum der Schleifer getrieben und dort natürlich eingeathmet wird. Die königl.
Regierung des Arnsberger Bezirks hat auch hiervon hinlängliche Kenntniß erhalten und
das Peugeot'sche System dringend empfohlen, wie
ihrerseits die königl. Regierung des Oppelner Bezirks etc. Aus Aachen erhalten wir
die Nachricht, daß das Peugeot'sche System in den
größeren Nadelschleifereien des dortigen Regierungsbezirks mit bestem Erfolg
eingeführt worden ist. Hoffentlich werden die Nadelfabrikanten jetzt allenthalben
die zum Schutze der Schleifer geeigneten wirksamen Einrichtungen zu treffen besorgt
seyn, und dadurch die Behörden der Nothwendigkeit überheben, zu diesem Zwecke mit
Polizeiverfügungen durchzugreifen.
Bei der nassen Schleiferei der Metallwaaren können
Stein- und Metallstaub von den Arbeitern nicht eingeathmet werden, daher
dieselbe überall als der Gesundheit nicht schädlich betrachtet wird.
Die Redaction.