Titel: | Ueber das Bessemer'sche Verfahren der Eisenfabrication. |
Fundstelle: | Band 143, Jahrgang 1857, Nr. CI., S. 429 |
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CI.
Ueber das Bessemer'sche Verfahren der
Eisenfabrication.
Wir theilen im Folgenden das Urtheil zweier
bekannten französischen Bergingenieure über den in diesem Journal öfters besprochenen
Bessemer'schen Proceß
mit.
Ueber das Bessemer'sche Verfahren der Eisenfabrication.
I. Bemerkungen von Hrn. Pion.Die Ingenieure der französischen Nordbahn verfolgen seit längerer Zeit mit
großer Aufmerksamkeit alle Versuche, welche zu einer Preisverminderung oder
zu einer Verbesserung der Eigenschaften des Eisens, insbesondere für
Bahnschienen, führen können. Einer derselben. Hr. Pion, wurde beauftragt das Bessemer'sche Verfahren an Ort und Stelle zu
untersuchen; die hier folgenden Bemerkungen sind ein Auszug des ersten, am
30. October 1856 von ihm erstatteten Berichts.
Bessemer's Verfahren hat bei den ersten darüber
erschienenen Berichten viele Ungläubige gefunden; gegenwärtig kann man aber die
Thatsachen nicht mehr läugnen, und die Hüttenbesitzer fangen an, sich mit einer
Entdeckung ernstlich zu beschäftigen, welche, ohne bis jetzt ein praktisches
Verfahren geworden zu seyn, es vielleicht schon in einem Jahre werden kann.
Die Hütte zu Dowlais hat bereits mit Bessemer einen
Vertrag abgeschlossen; diejenige zu Ebbw-Vale (beide in Wales) hat alle
Rechte des Amerikaners Martien, welcher sich dieses
Verfahren sechs Monate vor Bessemer patentiren ließ, an
sich gebracht.
Ich habe zu Ebbw-Vale einer vollständigen Operation beigewohnt. Der Apparat
ist höchst einfach; er besteht aus einem kleinen Kupolofen von 1 Meter Höhe und 0,55
Meter innerem Durchmesser. Am obern Theile hat derselbe zwei Oeffnungen, die sowohl
zum Einbringen des Gußeisens als zum Austritt der Flamme dienen. Am untern Theile
ist eine Oeffnung zum Abstechen des Metalls, und außerdem sind hier sieben andere
Oeffnungen in gleichen Abständen am Umfang des Ofens angebracht, durch deren jede
ein Düse von 1/2 engl. Zoll innerm Durchmesser geht; diese Düsen münden 2 Zoll über
dem Boden des Ofens aus. Die Wände und der Boden des Ofens bestehen aus feuerfesten
Steinen; der Boden ist eben und gegen die Abstichöffnung etwas geneigt.
Zuerst wird der Ofen erhitzt, wozu man eine halbe Stunde lang Kohle darin brennen
läßt; man nimmt dann die Kohle durch das Abstichloch heraus, und reinigt sorgfältig
den nun rothglühenden Boden des Ofens. Das Abstichloch wird nun mit einem Gemenge
von Kohlenlösche und feuerfestem Thon verschlossen, worauf man mittelst einer großen
Gießkelle das vom Hohofen geholte flüssige Roheisen durch den obern Theil des Ofens
in denselben einfließen läßt. Ich sah hier ein graues, etwas halbirtes Robeisen
anwenden, dessen Qualität die Gießer für eine mittelmäßige halten. Bessemer selbst verwendete zu allen seinen Versuchen ein
sehr graues, mit kaltem Winde erblasenes Roheisen, welches als beste Qualität des
Roheisens von Blaina-Von betrachtet wird; überdieß hat er dasselbe nicht
flüssig vom Hohofen genommen, sondern immer erst wieder geschmolzen.
Die jedesmal in den Ofen gebrachte Roheisenmenge beträgt ungefähr 315 Kilogr. und
bildet in demselben eine Schicht von 40 Centim. Höhe. Gleichzeitig mit dem
Einbringen des Eisens wird der Wind angelassen, und zwar im Anfange mit einem Druck
von 26 Centim. Quecksilbersäule (5 Pfund engl. pro
Quadratzoll engl.), welcher nach 5 Minuten auf 40 Centim. (8 Pfd. pro Quadratzoll) sich erhöht.
Nach kaum zwei Minuten dauerndem Einlasen des Windes ist seine Wirkung sichtbar; die
Flammen treten mit Heftigkeit heraus, Funken von Eisenoxyd mit sich führend; zu
gleicher Zeit findet eine Einwirkung auf das Silicium des Roheisens statt, welches
sich oxydirt und mit einem Theil des entstandenen Eisenoxyds eine Schlacke bildet;
die Wirkung der Luft ist so heftig, daß das Eisen bis zum obern Theile des Ofens
gehoben wird und die Schlacken durch die beiden Oeffnungen ausfließen. Während
dieser Zeit ist die Verbrennung des Eisens außerordentlich heftig, denn es treten
durch jede Oeffnung Garben von Funken aus. Diese erste Periode der Operation dauert
ungefähr zehn Minuten; dann scheint die Gasentwickelung schwächer zu werden und die Flammen
treten blau gefärbt aus dem Ofen, während sie bisher eine gelbe Farbe hatten; dieß
ist die Periode wo der Kohlenstoff verbrennt; nach und nach verliert die Flamme
diese blaue Färbung, und man hört mit der Operation auf, wenn die Flamme wieder
vollständig gelb wird. Der Versuch, welchem ich beiwohnte, dauerte achtzehn Minuten;
man öffnete dann das Abstichloch, ohne den Wind anzuhalten, und ließ das Metall in
eine gußeiserne Form fließen; es erschien beim Ausfließen intensiv weißglühend und
floß eben so leicht als gewöhnliches Gußeisen. Um das erhaltene Metall auf seine
Qualität zu prüfen, wurde einer der Zaine von 6 Centim. Breite mittelst eines
Meißels ringsum mit einem Einschnitt versehen, was eben so leicht von statten ging
wie bei gewöhnlichem Schmiedeeisen, und dann durch Hammerschläge abgebrochen. Der
Bruch zeigte ein Korn mit großen Facetten, welches gar keine Aehnlichkeit mit
Feineisen besaß; nur der mittelste Theil zeigte ein compactes Metall, welches
Aehnlichkeit mit Feineisen hatte. Ein Stück desselben Zains wurde im Schmiedefeuer
gewärmt und dann mittelst des Handhammers zu einem Stabe ausgereckt, der sodann
wieder zerbrochen wurde; er hatte nun einen weit feinkörnigeren Bruch als ehe er ins
Feuer kam und zeigte das Ansehen eines körnigen Eisens von mittlerer Qualität, wie
es zu den Schienen verwendet wird. Man machte hierauf zwei kleine Stücke des Zains
schweißwarm, welche sich dann ohne Schwierigkeit zusammenschweißen ließen, und als
man das dadurch gebildete Stück zerbrach, konnte man die Schweißstellen nicht wieder
erkennen. Der Zain selbst ließ sich vor dem Ausschmieden leicht feilen.
Das Metall, welches ich aus dem Ofen abstechen sah, war also unzweifelhaft
Schmiedeeisen, allerdings nur von mittelmäßiger Qualität, denn es war ziemlich
leicht zu zerbrechen, wie ein gewöhnliches körniges Puddeleisen. Durch weitere
Bearbeitung erlangt es mehr Zähigkeit, und ich sah ziemlich schwierige Stücke, wie
Schraubenbolzen und gewundenes Eisen, welche aus diesem Eisen angefertigt waren.
Merkwürdig ist es, daß man durch Bearbeiten nie ein sehniges
Eisen erhalten konnte; das Metall wird dabei immer feinkörniger, behält
aber eine bläuliche Farbe und eine gewisse Aehnlichkeit mit verbranntem Eisen. Als
Hauptergebniß stellt sich heraus, daß man nach dem Bessemer'schen Verfahren bisher nur ein Eisen von
mittelmäßiger Qualität erlangt hat, welches überdieß sehr theuer zu stehen
kommt. Die Gestehungskosten werden nämlich einerseits durch den Abbrand
vertheuert, welcher bis 40 Procent beträgt (Bessemer gab
ihn nur zu 18 Procent an), und anderseits durch die häufigen Reparaturen des Ofens; die bei der Operation
entstehende Hitze ist so stark, daß selbst das beste Material ihr nur kurze Zeit
widersteht; man konnte bisher nie mehr als drei Operationen in demselben Ofen
ausführen. Man zweifelt aber hier nicht, daß es bald gelingen wird das Verfahren in
beiden Beziehungen zu verbessern, und richtet jetzt die Bemühungen hauptsächlich
darauf, Eisen von besserer Qualität zu erzielen.
Indem man die Operation kurz vor dem vollständigen Verschwinden der blauen Flammen
unterbricht, erhält man Zaine, die weniger gefrischt und dem Feineisen etwas ähnlich
sind. Hr. Brown zu
Ebbw-Vale behauptet ein Verfahren aufgefunden zu haben, um solche Zaine mit
gutem Erfolge auf Stahl verarbeiten zu können.
In der Hütte zu Dowlais hat man vier Schienen aus Bessemer'schen Zainen angefertigt; sie sind sehr spröde; einer derselben
zerbrach in der Richtpresse; sie widerstanden jedoch, auf 1,20 Met. von einander
entfernte Stützpunkte gelegt und in der Mitte dazwischen belastet, einem Druck von
20 Tonnen, indem sie nach Beseitigung desselben ihre ursprüngliche Gestalt bis auf 2
Millim. wieder annahmen. Uebrigens haben im Allgemeinen die Versuche zu Dowlais
weniger befriedigende Resultate ergeben, als diejenigen zu Ebbw-Vale. (Annales des mines, t. IX p.
643.)
II. Bemerkungen von Hrn. L. Grüner.
Bessemer's Erfindung besteht bekanntlich darin, das aus
dem Hohofen kommende flüssige Roheisen in eine Art Kupolofen zu leiten, welcher mit
fünf bis sechs Formen versehen ist; in diesem wird es unmittelbar der Einwirkung
einer gleichen Anzahl heftiger Windströme ausgesetzt, die eine Temperatur
hervorbringen können, welche hoch genug ist um nicht allein das Roheisen zu
verfrischen, sondern auch das Product vollkommen flüssig zu erhalten und dieß alles
ohne einen andern Brennmaterialaufwand als das zum ersten Anfeuern des Kupolofens
erforderliche. Das verfrischte Metall wäre übrigens, je nachdem der Proceß früher
oder später unterbrochen wird, anfangs Stahl hernach Schmiedeeisen. Endlich soll,
wie ich eben bemerkt habe, die Temperatur hoch genug seyn, um den Abstich dieses
entkohlten Products, sey es Stahl oder Eisen, zu gestatten.
Kurz man würde das wunderbare Resultat erlangen, nach Belieben Stahl oder
Schmiedeeisen, mit unmittelbar aus dem Hohofen kommendem Roheisen, ohne
Brenmaterialaufwand darstellen zu können! Sehen wir jetzt, ob dieß möglich ist.
Was die Erzeugung der hohen Temperatur, ohne Beihülfe eines verkohlten Brennmaterials
betrifft, so ist dieß nichts Außerordentliches. Man weiß längst, daß während der
letzten Periode des deutschen Herdfrischens, beim Gaaraufbrechen, die Temperatur
weit höher ist, als während der beiden frühreren Perioden des Einschmelzens und des
Robaufbrechens, und dennoch ist der Herd alsdann fast ganz leer von Kohlen. In der
Periode des Gaaraufbrechens oxydirt sich aber auch das Eisen am stärksten, und dieß
ist die einzige Quelle der so hohen Temperatur in der letzten Periode des
Herdfrischprocesses. Wenn man daher flüssiges Roheisen, in einem vorher erhitzten
Raume, der kräftigen Einwirkung mehrerer Windströme unterzieht, so wird die
Temperatur ohne Zweifel rasch gesteigert; die erzeugte Hitze ist aber nicht eine
Folge der Verbrennung des im Roheisen enthaltenen Graphits, sondern der sehr
schnellen und starken Oxydation des Eisens. Das erste
Resultat besteht daher darin, daß man statt Steinkohlen oder Kohks zu
verbrennen, das Eisen verbrennt. Soll dieß ein wirklicher Fortschritt seyn?
Der Proceß ist aber auch, wenigstens auf längere Zeit, in einem Ofen von feuerfesten
Ziegeln, wie ihn Bessemer benutzt, gänzlich unmöglich. In
der Schweißhitze greift das Eisenoxyd den Thon der Ziegelsteine sehr stark an, so
daß dieselben nach wenigen Stunden zerfressen und geschmolzen seyn werden. Man müßte
daher statt der thönernen Wände solche von Gußeisen anwenden, die hohl sind und
durch welche Wasser strömt, kurz die Oefen so construiren, wie die Stahlpuddelöfen.
Es fragt sich aber, ob alsdann die Temperatur hinreichend hoch bleiben würde, um das
Product im Fluß zu erhalten.
Nehmen wir nun auch an, daß diese Schwierigkeiten überwunden werden können und daß
der Eisenabgang nicht so übertrieben hoch wäre, so könnte dennoch der Proceß keine
genügenden Producte liefern.
Bekanntlich veranlaßt beim Verfrischen des Roheisens nicht die eigentliche Entkohlung
desselben Schwierigkeiten. Wäre das Roheisen bloß eine Verbindung von Eisen mit
Kohlenstoff, so würde der gewöhnliche Frischproceß leicht und nach Belieben Eisen
oder Stahl von vortrefflicher Beschaffenheit liefern und es würde sich letzterer
noch leichter und wohlfeiler darstellen lassen als das Schmiedeeisen. Alsdann würde
auch ohne allen Zweifel das Bessemer'sche Verfahren
Producte von genügender Beschaffenheit geben.
Das Roheisen enthält aber stets Silicium und fast immer auch, außer dem Schwefel und
Phosphor, einige andere Metalle. Wollte man nun ein so zusammengesetztes Roheisen
der oxydirenden Einwirkung gepreßter Luft aussetzen, ohne die Entkohlung durch vorhandene
Kohle, wie beim Herdfrischproceß, oder durch eine Schicht nicht oxydirender
Schlacken, wie beim Puddelproceß auf körniges Eisen, zu verzögern, so würde man sich
der Gefahr aussetzen ein Eisen zu erzeugen, welches noch einen bedeutenden Theil der
fremdartigen Körper enthält, also ein unreines und fast immer sowohl roth-
als kaltbrüchiges Eisen. Man kann daher a priori
behaupten, daß durch den Bessemer'schen Proceß aus
gewöhnlichem Roheisen niemals gute Producte erzielt werden können.
Zur Stahlfabrication ist dieses Verfahren vollends gar nicht zweckmäßig; denn
bekanntlich verbraucht man beim Stahlfrischen, sowohl im Herde, als im Puddelofen,
mehr Brennmaterial und auch mehr Zeit, als bei der Darstellung des Schmiedeeisens.
Will man nämlich die fremdartigen Substanzen wegschaffen, ohne das Roheisen gänzlich
zu entkohlen, so muß man den Proceß dadurch verlängern, daß man die Verbrennung des
Kohlenstoffs verzögert. Beim Bessemer'schen Proceß ist
dieß aber unmöglich, denn nichts schützt den Kohlenstoff. Auch der Stahl, welchen
man mittelst dieses Processes in kürzerer Zeit und mit weniger Kosten als das
Schmiedeeisen darstellen zu können behauptet, kann offenbar nur unbrauchbar seyn.
(Bulletin de la Société de l'industrie
minérale, t. II p. 199.)