Titel: | Ueber die Verwendung des in Württemberg vorkommenden Posidonienschiefers zur Bereitung ätherischer Beleuchtungsmaterialien; von Dr. H. Vohl. |
Autor: | Hermann Vohl |
Fundstelle: | Band 145, Jahrgang 1857, Nr. XIII., S. 47 |
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XIII.
Ueber die Verwendung des in Württemberg
vorkommenden Posidonienschiefers zur Bereitung ätherischer Beleuchtungsmaterialien; von
Dr. H. Vohl.
Vohl, über die Verwendung des Posidonienschiefers.
Der Posidonienschiefer welcher in Württemberg in so großer Menge vorkommt, gehört zur
Liasformation, in welcher er das zweite Glied des schwarzen Jura von oben nach unten
bildet.
Er ist ein dunkelfarbiger bituminöser Schieferthon mit Septarien und dünnen
Mergel- oder Kalksteinzwischenschichten, der Millionen von Posidonia Bronni, einer fossilen ausgestorbenen
Muschelgattung aus der Familie der Aviculiden, umschließt und dem Vorkommen dieser
fossilen Moluskenart seinen Namen verdankt.
Außerdem kommen in diesem Gestein noch Reste von Ichthyosauren, Fischen, Krebsen, Loligo bollensis, Ammoniten und Bivalven, Fucoiden und
eine Menge Landpflanzen vor.
Der Reichthum an fossilen Ueberresten des Thier- und Pflanzenreichs dieses
Schieferthons bedingt seinen hohen Bitumengehalt und läßt uns die große Menge des
aus ihm durch Destillation zu erzeugenden Ammoniaks nicht auffallend erscheinen.
Der Posidonienschiefer welchen ich der trockenen Destillation unterwarf, stammte aus
Hohenzollern (Sigmaringen), war plattenförmig spaltbar, enthielt eine große Menge
Abdrücke obengenannter Thier- und Pflanzenwelt, war frisch gebrochen
schwärzlich grau, nahm jedoch bald durch Oxydation eine mehr braune Farbe an. In
einem Probircylinder erhitzt, gibt derselbe zuerst Wasser ab, dem bei stärkerer
Erhitzung brennbare Gase und ein dickliches in der Kälte erstarrendes übelriechendes
Oel folgt.
Nachdem das meiste Bitumen abgetrieben war, entwickelte der Rückstand bei stärkerer
Erhitzung eine große Menge Ammoniak, und das Gas war nicht mehr brennbar. Dieses
günstige Resultat der Voruntersuchung veranlaßte mich im Jahr 1855 einen Versuch in
großem Maaßstabe auszuführen, um die Frage in Betreff der Anwendung des Materials
zur Erzeugung ätherischer Beleuchtungstoffe und die Art und Weise einer Verarbeitung
zur Erzielung dieser Producte genügend zu beantworten.
Die trockene Destillation, welcher ich den Schiefer unterwarf, unternahm ich in
gußeisernen Retorten, wie ich solche bei der Destillation des Blätterschiefers anwende, und
zwar wurde ein Retortenofen, worin zwei Retorten lagen (Horizontalretorten), der mit
einer separaten Kühlvorrichtung versehen war, jedesmal pro Retorte mit 500 Pfd. Schiefer geladen und zuerst bei niedriger
Temperatur, zuletzt bei Heller Rothgluth abgetrieben. Die Destillationszeit dauerte
8 bis 10 Stunden, so daß in 24 Stunden ohngefähr 3000 Pfd. durchdestillirt
wurden.
Um die Destillationszeit zu verkürzen und dadurch an Brennmaterial zu sparen, suchte
ich den Schiefer auf dem Retortenofen vorher zu trocknen. Ich konnte dadurch die
Destillationszeit auf 8 Stunden normiren.
Die erhaltenen Destillationsproducte, welche in einem wässerigen ammoniakalischen
Destillate, einer daraufschwimmenden theerartigen Masse und Gas bestanden, traten in
folgendem Mengenverhältniß auf. Dreitausend Pfd. Posidonienschiefer lieferten durch
die trockene Destillation an:
Theer
289,032
Ammoniakwasser
249,948
Rückstand
2090,505
Gas
370,515
––––––––
3000,000
Demnach werden 100 Gewichtstheile Posidonienschiefer ergeben:
Theer
9,6344
Ammoniakwasser
8,3316
Rückstand
69,6835
Gas
12,3505
––––––––
100,0000
Die erhaltene Theermasse wurde nun nach der bekannten, von mir schon oft erwähnten
Methode verarbeitet und erhielt ich aus 100 Pfd. Theer, welcher ein spec. Gewicht
von 0,975 hatte, an:
Photogen
24,180
Schmieröl
41,936
Paraffin
0,124
kohligem Rückstand
13,689
Kreosot
19,036
Gas und Verlust
1,035
–––––––
100,000
Die Beschreibung der einzelnen Producte würde nur eine Wiederholung der schon oft
erwähnten Eigenschaften dieser Körper seyn, weßhalb ich sie hier füglich weglassen
kann.
Bei diesem im Großen ausgeführten Versuche stellte sich heraus, daß die
Theergewinnung vermittelst Horizontalretorten einen zu großen Brennmaterialaufwand
erheischte, weßhalb die Theererzeugung auf eine andere billigere Art hergestellt
werden muß, wenn die Fabrication pecuniären Vortheil gewähren soll.
Zu dem Ende versuchte ich den Schiefer in einer Art Schachtofen dem Theerschwellproceß zu unterwerfen und mischte denselben
mit geringen Mengen Brennmaterial (Steinkohle, Braunkohle oder Torf).
Das Resultat war ein ungünstiges, weßhalb ich nach einem Verbrauch von 6000 Pfd.
Schiefer diese Methode sofort verließ. Der Schachtofen wurde nun in der Art
verändert, daß er auf der unteren Sohle mit einem Rost versehen, worauf das
Brennmaterial gebracht und entzündet wurde. Die erzeugte Wärme, welche ein
Gittergewölbe, das oberhalb des Rostes lag, passirte, mußte den auf dem Gewölbe
ruhenden Schiefer durchstreichen, welcher auf diese Art seines sämmtlichen
Bitumengehalts beraubt wurde.
Der Ofen war oben mit einem Kuppelgewölbe versehen, welches durch ein weites Rohr mit
den betreffenden Condensatoren und diese mit einem gutgehenden Schornstein in
Verbindung standen.
Der Zug in dem Schornstein wurde durch Verbrennen von geringen Mengen Brennmaterials
im Fuße desselben hergestellt und unterhalten.
Das günstige Resultat welches ich erzielte, bestand in einer reichlichen Menge Theer
und starkem Ammoniakwasser. Die Schiefer welche abdestillirt waren, wurden durch
drei Oeffnungen, die über dem Gittergewölbe angebracht waren, ausgezogen, und neue
Schiefer durch einen im Kuppelgewölbe befindlichen Trichter zugegeben. Wenn auch die
Theerausbeute nach dieser Methode um 1/10 Proc. geringer war, so wurde dieser
Verlust reichlich durch die große Brennmaterialersparniß, so wie den stärkeren
Ammoniakgehalt des Destillationswassers ersetzt. Das Theerwasser, welches bei der
Destillation aus Retorten nur bis 3 1/2 Proc. Salmiak ergab, lieferte bei dem Schwellofen 8 bis 9 Proc. des Ammoniaksalzes, obgleich
der Wassergehalt relativ nicht abgenommen hatte; somit war also durch die
Verbrennung des abdestillirten Schiefers eine größere Menge Ammoniak erzeugt worden.
Was die Destillationszeit betrifft, so betrug sie nur die Hälfte derjenigen, welche
die Retortenbatterie erheischte. Der Vortheil welcher durch diese Destillation
erzielt wird, ist in die Augen fallend. Da die aus dem Schornstein entweichenden
Gase bedeutende Mengen Schwefelwasserstoff enthalten, so würde die Umgegend dadurch sehr belästigt
werden, weßhalb dasselbe durch geeignete Vorrichtungen ohne Gefahr als Heizmaterial
seine Verwendung findend, für die Umgegend unschädlich gemacht werden muß. Die
ausgezogene Asche des Schiefers, welche nicht unbedeutende Mengen Gyps enthält, kann
geeigneten Falls z.B. bei Klee als Düngmittel benutzt werden, dabei muß man jedoch
Acht haben daß der Gehalt an Schwefelcalcium durch Liegen an der Luft in
schwefelsauren Kalk verwandelt worden ist. Der Gehalt an Magnesia und Phosphorsäure
gibt der Asche eine bedeutende Düngkraft, wenn sie bei den Cerealien angewandt wird.
Die Phosphorsäure, unzweifelhaft von den Ueberresten der fossilen Thierwelt
herstammend, steht in genauem Verhältniß mit dem Vorkommen der Moluskenüberreste in
diesem Schieferthonlager. Auch die hohe Ammoniakausbeute wird lediglich durch die
fossilen thierischen Ueberreste bedingt.
Wenn das Vorkommen des Posidonienschiefers in Württemberg eine leichte Förderung
gestattet, so wird dieses so mächtige Lager mehr als den ganzen Bedarf Deutschlands
an Beleuchtungsmaterialien zu liefern vermögen. Es muß dann allerdings vorausgesetzt
werden, daß die Rohdestillation des Schieferthons an Ort und Stelle der Förderungen
vorgenommen wird, um hohe Frachtlöhne zu ersparen. Die geringe Zufuhr an
Brennmaterial würde der Betrieb leichter als die Zufuhr des Schieferthons, nach dem
Orte wo billiger Brennstoff zu beschaffen wäre, tragen können.
Die großen Gasmengen welche die rohe Destillation erzeugt, würden hinreichend seyn,
die fractionirte Destillation des Theers zu bewerkstelligen, und würde alsdann nur
ein geringer Brennmaterialaufwand zur Reinigung der Oele und Darstellung des
Salmiaks erheischt. Wollte man jedoch die Destillation in Retorten vornehmen, so
müßte das Anlage-Capital dreimal so groß, der Brennmaterialaufwand würde ein
enormer seyn und demnach der Gewinn auf ein Minimum reducirt werden.
Bonn, im Juni 1857.